Donnerstag, 3. September 2009

Woher kommt der Hund?

Der bekannte schwedische Molekularbiologe Peter Savolainen und Kollegen aus China veröffentlichten jetzt eine Untersuchung zur Herkunft unserer Hunde. Nach dieser Studie sei der Hund vor 16.000 Jahren südlich des Jangtse-Flusses in China von Menschen aus wilden Wölfen gezüchtet worden. Nach der Veröffentlichung im Wissenschaftsjournal "Molecular Biology and Evolution" stammt der erste Hundestamm von einigen hundert gezähmten Wölfen dieser Region ab.

Dies haben die Biologen anhand der genetischen Feinanalyse des mitochondrialen Erbmaterials von über 1.500 Hunden in Europa, Afrika und Asien geschlussfolgert. Dieses spezielle Erbmaterial aus den Kraftwerken der Zellen (mtDNA) wird nur von weiblichen Tieren weitergegeben, lässt sich aber über sehr lange Zeiträume gut nachverfolgen.

Savolainen und Kollegen leiten noch eine weitere, noch viel gewagtere These aus ihren Untersuchungen ab: die ersten Wölfe seien von Menschen als Nahrungsquelle und nicht etwa als Begleiter der Jagd oder als Wächter gezüchtet worden.

Der Autor möchte einige Zweifel an den Schussfolgerungen dieser jüngsten Veröffentlichung Savolainens anmelden.

1. Alleine aus einer Untersuchung der Mitochondrien solch weitgehende Schlussfolgerungen abzuleiten, erscheint als sehr gewagt. Mit der gleichen Methode wurde bereits mehrfach versucht, den Zeitraum und Ort der Entstehung des Hundes abzuleiten, auch von Savolainen selbst. Heraus kamen Spannen von vor 135.000 Jahren bis eben vor 16.000 Jahren wie in der vorliegenen Untersuchung.

Gerade erst im Juni 2009 ist eine Untersuchung von Adam Boyko und Heidi Parker, die 2004 die erste genetische Karte der Hunderassen entwickelte, veröffentlicht worden, in der genau das Gegenteil dessen belegt wurde, was Savolainen berichtet. Parker und Kollegen belegen ebenfalls anhand der mtDNA, dass es keinen eindeutigen Hotspot der Entstehung des Hundes gibt. Anhand der genetischen Diversität von Dorfhunden in Afrika und Amerika weisen sie nach, dass sehr viel weitergehende genetische Untersuchungen nötig seien, um die Geschichte der Domestizierung vom Wolf zum Hund exakt nachzuzeichnen. Das betonen sie ausdrücklich - eine etwas bescheidenere Einschätzung zu der auch der Autor neigt.

Hundeschädel von Goyet - auf 31.000 Jahre datiert (mit freundlicher Genehmigung von Mietje Germonpré)

Erst im Oktober 2008 berichtete ein belgisches Archäologen-Team vom Königlich Belgischen Institut für Naturwissenschaften um Mietje Germonpré von einem prähistorischen Hundeschädel, der in der Höhle von Goyet in Belgien, also genau am anderen Ende der euroasiatischen Landmasse, gefunden wurde. Nach den Untersuchungen der belgischen Archäologen sei es das weltweit älteste uns bekannte Fossil eines Hundes. Das Alter dieses Hundeschädels wurde anhand sehr viel zuverlässigerer Methoden auf 31.700 Jahre geschätzt.


2. Die These, Menschen hätten vor 16.000 Jahren Wölfe als Nahrungsquelle gezüchtet, und dies aus einer Untersuchung der mtDNA abzuleiten, erscheint uns als äußerst gewagt. Man möge sich dies einmal praktisch vorstellen. Steinzeitmenschen sollen sich gerade Wölfe ausgesucht haben, um sie als Vieh zur Fleischgewinnung zu halten. Es gibt wohl kaum ein Tier, dass schwerer zu halten wäre als ein so intelligentes und wehrhaftes Raubtier wie der Wolf. Zumal auch der rein ökonomische Sinn kaum darstellbar ist. Um die paar Kilo Wolfsfleisch zu erhalten, hätten die Steinzeitmenschen eine Menge tierische Nahrungsreste oder Fleisch ranschaffen müssen, um dann ihre Wölfe zu mästen. Eine extrem unwirtschaftliche und aufwändige Form der Ernährung. Im allgemeinen gelten Schafe und Ziegen als erstes Vieh der Menschheit und diese Viehhaltung wurde vor etwa 10.000 Jahren erst durch die Mithilfe des Hundes möglich.


Man sollte sich auch die immer wieder behauptete, aber nie belegte stillschweigende Unterstellung anschauen, es sei der Mensch gewesen, der aktiv den Wolf gezähmt habe. Gerne wird das Märchen von dem guten Menschen erzählt, der sich eines verlorenen Wolfsbabys erbarmte.
Um Alter und Herkunft des Hundes zu verstehen, reicht eine mtDNA-Bestimmung keineswegs aus. Neben den biologischen und auch den archäologischen Befunden sollte man die Entwicklung der Menschheit verstehen, um die Entwicklung des Hundes verstehen zu können. Doch dazu später mehr.