Donnerstag, 18. Februar 2010

Der Handel mit Nothunden

Ein slowakischer Kastenwagen mit nicht weniger als 62 Hunden wurde am 16. Februar 2010 in der Nähe von Nürnberg bei den Behörden angezeigt. "Zusammen mit der Polizei machten sich Mitarbeiter des Veterinäramtes und des Tierheimes auf den Weg und wurden fündig: In dem Kastenwagen waren hauptsächlich Rassehunde wie Retriever, Labradore, Möpse oder englische und französische Bulldoggen - zusammengepfercht in Käfigen auf einer Ladefläche von vielleicht acht Quadratmetern." berichtet die Hilpotsheimer Zeitung.
"Die Hunde - Welpen oder wenige Monate alte Jungtiere - konnten sich kaum rühren oder auch nur den Kopf heben, an Umdrehen war gar nicht zu denken", schildert Marcus König, Geschäftsführer des Tierschutzvereins Nürnberg-Fürth und Umgebung e.V., die Situation.

Der eigentliche Skandal:

die Hunde waren von angeblichen Tierschutzorganisationen importiert worden. Diese wollen die Rassehunde in Deutschland gewinnbringend als Nothunde vermarkten.
Marcus König: "Vermeintliche Tierschutzorganisationen, die ihren Sitz in Deutschland haben, geben vor, diese Welpen aus osteuropäischen Tierheimen gerettet zu haben und verkaufen sie dann an deutsche Interessenten weiter. In Wirklichkeit wird da mit mafiaähnlichen Strukturen gearbeitet. Diese Organisationen bestellen die Jungtiere regelrecht in osteuropäischen Massen-Hundezuchten und verkaufen sie dann in Deutschland." (Hilpotsheimer Zeitung) Nach Angaben von Charitywatch stehen hinter solchen Transporten u.a. der ETN - Europäischer Tier- und Naturschutz e.V. oder Retriever in Not e.V.

Warum Nothunde importieren?

Der Vorfall in Nürnberg wirft ein Schlaglicht auf eine Seite des vermeindlichen Tierschutzes in Deutschland, die gerne ignoriert wird: das Geschäft mit den Nothunden. Nicht nur aus Osteuropa auch aus Südeuropa und den Kanarischen Inseln werden Nothunde in großem Stil nach Deutschland importiert. Für den Laien ist am Ende kaum zu unterscheiden, ob es sich nun um eine seriöse Tierschutzinitiative oder brutale Geschäftemacher handelt. Tatsache ist aber, dass auch große vermeindliche Tierschutzinitiativen den Nothund als Geschäftsmodell entdeckt haben. Dabei handelt es sich keineswegs nur um zwielichtige Vereine, nein es handelt sich auch um bekannte teils international aufgestellte Organisationen, die mit professionell gemachten Websites, offensiven Werbe- und Fundraisingaktivitäten und seriös wirkenden Vertretern daherkommen. Solche Organisationen streiten sich zuweilen regelrecht um die Vermittlung eines teuren Rassehundes, anstatt froh zu sein, dass sich überhaupt jemand darum kümmert. Marcus König schätzt den Gewinn auf 200 Euro pro Import-Hund. Wenn man das auf die 62 bei Nürnberg zusammengepferchten Hunde umrechnet so kommt man auf einen Gewinn von 12.400 Euro alleine mit einem Transport. Und in solchen Beträgen sind die durch Fundraising bzw. Spendensammlungen eingehenden Summen nicht enthalten.

Eine Variante des Hundehandels:
Der Handel mit Nothunden

"Tue Gutes und rede darüber" erscheint oft als Gedanke, wenn dann Promis mit tatsächlichen oder vermeindlichen Nothunden vor die Kameras treten - natürlich immer in landschaftlich sehr reizvoller Umgebung der Kanaren oder Mallorcas oder bei Talkshows. Auch hier muss man wieder die Frage aufwerfen, ob es überhaupt richtig ist, Hunde aus Süd- oder Osteuropa nach Deutschland zu importieren.
  • Zum einen ist die Gefahr groß, dass man letztlich nur den Hundehandel fördert.
  • Zum zweiten kann man nicht das Hundeelend der ganzen Welt am deutschen Wesen genesen lassen.
  • Zum dritten stellt sich die Frage, ob es überhaupt immer im Interesse der Hunde ist, sie ins gegenüber Hunden extrem restriktiven, dicht besiedelten Deutschland zu bringen und zudem dem mit dem Wechsel verbundenen Stress auszusetzen. Auch für die hiesigen Hunde bringt es nicht zuletzt nur eine Belastung mit neuen Krankheiten.
  • Last but not least sind die Tierheime und Notinitiativen in Deutschland selbst übervoll mit Hunden, die sich nichts sehnlicher Wünschen als die Vermittlung in ein neues Heim. Und hier kann man sich in aller Regel auch sicher sein, dass es um das Wohl der Nothunde geht.
"Das Gute liegt so nah."

(Anmerkung 12.03.2010: Natürlich gibt es auch die seriösen, um den Nothund bemühten, Initiativen, die ohne jegliche Profitinteressen aus Liebe zu den Hunden handeln. Und es gibt auch Erfahrungen, die z.B. den Galgo als hervorragenden Familienhund zeigen, der friedlich und anspruchslos auch in unseren Städten glücklich sein kann.)

Will man den Sumpf dieser Geschäftemacherei austrocken, so muss als Allererstes der Handel mit dem Hund als Ware verboten werden. Ein Hund sollte - in der Regel - nur direkt beim Züchter oder eben beim Tierheim gekauft werden dürfen. Desweiteren wäre es sehr sinnvoll, wenn auch die Züchter der Hunde die Verantwortung für ihre Rasse ernst nehmen würden, auch dann, wenn diese als Nothunde irgendwo auftauchen.

Dienstag, 9. Februar 2010

Die Hunde hängt man, die Halter lässt man laufen

Das Amtsgericht Hildesheim verurteilte am 8. Februar 2010 eine Hundebesitzerin zu sechs Monaten Haft auf Bewährung. Das Amtsgericht sprach die 40-Jährige der fahrlässigen Körperverletzung schuldig (dpa).

Im Mai 2009 hatten die beiden Rottweiler der Frau zwei Kleinkinder und deren Mutter schwer verletzt. Die Halterin hatte ihre Hunde unangeleint auf einem Spielplatz laufen lassen, einer hatte nicht einmal ein Geschirr um. Den sieben Monate alten Rüden hatte die Angeklagte erst vier Wochen vor der Beißattacke aufgenommen. Er war ohne jede Erziehung und nicht an Menschen gewöhnt, wie das Gericht feststellte. Soweit zu den Hunden.

Die Hundehalterin war zudem alles andere als ein juristisch unbeschriebenes Blatt. Nicht weniger als 18 Vorstrafen hat die ehemalige Drogendealerin vorzuweisen. Es stellt sich also die Frage, warum eine solche Person zwei so große Hunde halten kann und auch darf.

Die Nähe zu Hunden ist nachweislich vorteilhaft für die Resozialisierung ehemaliger Straffälliger und allgemein gut für ein psychisches Gleichgewicht. Insofern ist nichts gegen eine Hundehaltung durch diese vielfach vorbestrafte 40-Jährige einzuwenden, ganz im Gegenteil. Aber mussten es gerade 2 Rottweiler sein? Es darf gefragt werden, ob überhaupt eine solche Person große Hunde halten dürfen soll, die zudem noch aus einer problematischen Vorhaltung stammen. Aber solchen Fragen gehen weder das Gericht, die Behörden noch die Politik nach.

Bewährung für 18-fach Vorbestrafte - Maulkorb für alle Hunde

Ganz im Gegenteil. Der niedersächsische Landwirtschaftsminister Hans-Heinrich Ehlen (CDU) will anläßlich dieses Vorfalls ein schärferes Hundegesetz. Aber nicht dass einschlägige Halter angegangen werden, Leidtragende sollen wieder einmal die Hunde sein. Der Entwurf für ein verschärftes Hundegesetz sieht unter anderem eine Maulkorb- und Leinenpflicht für ALLE Hunde vor, die schwerer als 20 Kilogramm oder größer als 40 Zentimeter sind.

Das heißt also, wegen o.a. Vorfalls sollen alle Golden Retriever, Labrador, Sennenhunde, Collies, English Bulldogs, Boxer und dutzende weitere Hunderassen büßen, darunter zahlreiche Rassen, die noch nie hinsichtlich eines Beißunfalls aufgefallen sind!

Der politische Wahnsinn treibt seine Blüten

Wenn Hunde ständig außerhalb der Wohnung oder des Grundstücks einen Maulkorb tragen müssen, grenzt das zudem an Tierquälerei. Eine so unterschiedslose Regelung allein aufgrund äußerer körperlicher Merkmale zeugt nicht nur von fachlichem Unverstand vielmehr auch von vollständiger Ignoranz gegenüber den Interessen der Hunde.

Das Ganze ist auch deswegen so widersinnig, als dass solche verantwortungslosen Halter für gewöhnlich die letzten sind, die sich überhaupt um Gebote und Verbote scheren. Jeder einigermaßen normale Hundehalter hätte seine Rottweiler in der Nähe von fremden spielenden Kindern eh angeleint bzw. schon heute anleinen müssen.

Alle Erfahrungen der letzten 20 Jahre haben unisono gezeigt, dass Rasselisten oder phänotypische Pauschalkriterien rein gar nichts bringen. Erst im Oktober hatte die neue Koalition im Nachbarland Schleswig-Holstein ausdrücklich festgestellt, "...wollen die Bürgerinnen und Bürger vor verantwortungslosen Hundehaltern schützen. Die Rasseliste hat sich als nicht geeignet erwiesen und wird daher im Gefahrhundegesetz abgeschafft." (S.48)
Das unsägliche Pitbull-Gesetz der Niederlande wurde aus genau diesem Grunde erst 2008 zu Fall gebracht. Nicht zuletzt weisen Untersuchungen wie in den USA nach, dass Beißunfälle weit überproportional bei kriminell vorbelasteten Hundehaltern festzustellen sind (Ownership of High-Risk (“Vicious”) Dogs as a Marker for Deviant Behaviors, 2006 ).

  • Verantwortungslose Halter in die Verantwortung nehmen!
  • Haltungsverbot für große Rassen für einschlägig Vorbestrafte!
  • Wir brauchen Gesetze zum Schutz der Hunde vor verantwortungslosen Haltern und Züchtern!

Will man Gefahren durch Hundebisse minimieren, so geht der Weg einzig über die Halter sowie Züchter, Vermehrer und den Hundehandel. Davon aber will die niedersächsische CDU offenbar nichts wissen.

Anstatt nun gegen verantwortungslose Hundehalter ernsthaft vorzugehen und z.B. ein generelles Verbot der Haltung von großen Hunden für einschlägig Vorbestrafte auszusprechen, werden erst einmal wieder die Hunde sanktioniert. Die müssen ausbaden, was eine 18-fach Vorbestrafte angerichtet hat. Das Amtsgericht Hildesheim sprach aber auch hier wieder einmal lediglich eine Bewährungsstrafe aus, Vorstrafe Nummer 19 - d.h. ohne jede praktische Konsequenz für die Hauptverantwortliche.

Stattdessen sollen in einem unqualifizierten Rundumschlag alle Hunde und Hundehalter in die Verantwortung genommen werden. Die Hunde sollen ausbaden, was fragwürdige Menschen angerichtet haben. Greifbare Gesetze gegen Hundehandel, verantwortlungslose Hundehalter, Züchter, die ihre Welpen nicht oder nur schlecht sozialisieren sucht mal allerdings weiterhin vergebens.

Freitag, 5. Februar 2010

Hundehalter gegen Rasselisten

In Österreich haben es Hundehalter geschafft, eine breite Front gegen neue Rasselisten aufzubauen. Sie wenden sich dagegen, dass Hunde allein ob ihrer Rassezugehörigkeit in "gut oder Böse" kategorisiert werden. Im niederösterreichischen Landtag waren sämtliche Fakten und Bedenken weggewischt und von der ÖVP-Mehrheit ein neues Hundegesetz verabschiedet worden.

Fakt ist, dass Rasselisten überhaupt nichts bringen. Wenn man gegen die Gefahr gefährlicher Hunde vorgehen will, muss man sich zuerst an deren Halter wenden. Regelmäßig sind es alleine die Halter, die Hunde nicht an die Leine nehmen oder gar aggressiv gegen Menschen machen und daher zur Verantwortung gezogen werden müssten. Aber während die Hunde nicht selten mit dem Tode bestraft werden, gehen deren nicht selten vielfach vorbestraften Halter ein weiteres mal defacto straffrei aus.

Das Hundemagazin WUFF berichtet online:

"Anlässlich der bevorstehenden Volksbefragung in Wien vom 11.-13. Februar steigen Wiens Hundehalter auf die Barrikaden und zeigen untereinander eine noch nie da gewesene Solidarität. ...
Durch diese geplante Rassendiskriminierung der Stadt Wien werden in Wirklichkeit nicht die Hunde, sondern deren Halter diskriminiert – und es entsteht bei den Hundehaltern eine Art Zweiklassengesellschaft. Die Guten und die Bösen. Wobei die tatsächlichen schwarzen Schafe unter den Hundehaltern durch diesen geplanten Hundeführschein nicht herausgefiltert werden können, sondern im Gegenteil, ihr Verhalten durch den Hundeführschein noch legitimiert wird...
"

Wir rufen zur Solidarität mit den österreichischen Hundefreunden auf.


Erst 2008 hatte die niederländische Regierung das Pitbull-Gesetz (Regeling Agressieve Dieren) zu Fall gebracht. 1056 Hunde waren getötet worden, ohne jegliche individuelle "Schuld", lediglich augrund einer vermuteten äusserlichen Rassezugehörigkeit. Zugleich hatte eine Kommission die völlige Wirkungslosigkeit dieser Vernichtungskampagne gegen Hunde nachgewiesen.

Auch der Koalitionsvertrag der neuen schleswig-holsteinischen Landesregierung stellt im Oktober 2009 fest: "...wollen die Bürgerinnen und Bürger vor verantwortungslosen Hundehaltern schützen. Die Rasseliste hat sich als nicht geeignet erwiesen und wird daher im Gefahrhundegesetz abgeschafft." (S.48)

Das Problem ist am anderen Ende der Leine.