In vielen Produkten der Hundefutterindustrie steckt ein hoher Getreideanteil. Mais, Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Reis werden uns als Qualitätsmerkmal einer gesunden Hundeernährung in der Werbung präsentiert. In vielen Fertigfutter, besonders Trockenfutter, stellt Getreide sogar den Hauptanteil, nicht selten sogar mehr als 50%. Und trotzdem - folgt man den Versprechungen von Mars, Nestlé, Hill`s oder Eukanuba - soll eine solche Nahrung als Alleinfutter über Jahre taugen. Es gibt aber viele ernsthafte Stimmen, die vor solchem "Alleinfutter" warnen und überhaupt die Pet-Fastfood als gesund infrage stellen.
Was ist die "natürliche" Ernährung des Hundes?
Ich will nur einer Überlegung in diesem Zusammenhang einmal nachgehen.
Wenn wir wissen wollen, was die "natürliche" Ernährung unserer Hunde ist, so müssen wir uns die Geschichte des Menschen anschauen und, welche Rolle der Hund dabei spielte. Von Jagdhunden oder Schoßhündchen des Adels einmal abgesehen, ernährten sich die meisten Hunde über Jahrtausende von den Resten der menschlichen Ernährung sowie einigen selbst gefangenen Mäusen und Ratten. Hinzu kam noch der Verzehr von Kot und Aas. Im Grunde wurde alles verspeist, was man auf Haus und Hof finden konnte. Getreide war lange Zeit nur wenig darunter.
Denn die einfachen Menschen hatten selbst nur wenig Getreide und dann Mehl zur Verfügung. Die frühen Getreidesorten waren wenig ergiebig. Die Verarbeitung zu Mehl war aufwändig. Frühe Formen von Brot, wie etwa sonnengetrocknete Fladen, gibt es seit etwa 10.000 Jahren, Sauerteigbrot erst seit gut 5.000 Jahren. Die Kunst des Brotbackens gelangte erst vor 2-3.000 Jahren vom alten Ägypten nach Europa; in der Mitte und im Norden Europas etablierte sie sich noch später.
Für das einfache Volk war Brot in unseren Breiten bis in die Neuzeit ein eher teures Grundnahrungsmittel. Brot wurde hoch geachtet und es war verpönt, Brot wegzuschmeißen. Noch bei meinen Eltern wurde selbst der letzte harte Kanten Brot verwertet. Zahlreiche Speisen, wie etwa Knödel oder Aufläufe, wurden alleine dafür entwickelt, altbackenes Brot zu verwerten. Ansonsten ernährten sich die Menschen von Kohl, Pastinaken, später Kartoffeln und anderem Gemüse, Obst, Fett, Milch, Eiern und hie und da auch etwas Fleisch.
Getreide spielte nur eine ganz untergeordnete Rolle für den Hund
Die Ernährung des Hundes wird analog ausgesehen haben, hinzu kamen Schlachtabfälle und Knochen und die oben angesprochenen Ergänzungen. Das heißt, die Ernährung des Hundes bestand nie hauptsächlich oder auch nur schwerpunktmäßig aus Getreideprodukten. Natürlich fressen Hunde auch Getreideprodukte wie Brot oder Nudeln gerne, wenn sie etwas aromatisiert sind, etwa ein Leberwurstbrot. Und kein gesunder Hund wird hiervon Schaden nehmen. Doch wie sieht es mit einer Ernährung aus, die überwiegend aus Getreide besteht und das dauerhaft und als industrielle Fastfood mit möglicherweise dutzenden Zusatzstoffen?
Von seinen Wurzeln her ist der Hund auf Fleisch ausgerichtet. Im Zusammenleben mit dem Menschen stellte sich die Ernährung ein wenig um. Gemüse spielte eine zunehmend wichtige Rolle. Getreide und Getreideprodukte zählten aber nie zur Hauptnahrungsquelle der Hunde unserer Breiten.
Erst die Nahrungsmittelindustrie will dies nun ändern. Und so bleibt die Frage nach dem warum. Die Bedürfnisse des Hundes können nicht Ausgangspunkt für den hohen Getreideanteil in so vielen Pet-Fastfood-Produkten sein. Es dürften wohl eher die Bedürfnisse der Nahrungsmittelkonzerne bestimmend sein, die ihre Getreidereste aus der Produktion von "Nahrungsmitteln" für den Menschen möglichst gewinnbringend entsorgen will.
zum Thema: Spiegel-Artikel "Maskierter Müll"
Freitag, 20. August 2010
Freitag, 13. August 2010
Die heile Welt mancher Collie Züchter
In der HundeWelt, Ausgabe September 2010, ist ein Artikel über den Collie erschienen. Neben Statements des Deutschen Collie Clubs findet man dort ebenfalls kritische Hinweise zur Zucht, die auf meine Zuarbeit für die Redaktion zurückgehen. Auch werden aus meinem Text einige Zitate gebracht. Die beiden Collie-Zuchtvereine im VDH nehmen diesen Artikel nun zum Anlass, in zuweilen beleidigendem Ton jede kritische Aussage wegzubügeln. In der nächsten Nummer der HundeWelt wird diese in geeigneter Form hierzu Stellung nehmen. Da ich auch persönlich angegriffen werde und ich das nicht bis zur kommenden Nummer der HundeWelt stehen lassen will (rechtliche Schritte sowieso vorbehalten), hier eine erste Info zu meiner Sicht der Dinge. Ein ausführliches, umfangreich begründetes Statement wird noch folgen.
In dem HundeWelt-Artikel wird u.a. auf das Problem mit dem MDR1-Defekt hingewiesen, der - so eine US-Studie - über 54% der Collies direkt betrifft. Hintergrund ist ferner der Beschluss des VDH-Vorstandes, der im Juni 2009 ein Zuchtlenkung für Träger des MDR1-Defektes, die homozygote Merkmalsträger (-/-) vermeiden soll, festgelegt hatte. Dieser Beschluss konnte dann im Oktober 2009 von den beiden Collie-Zuchtvereinen unter Hinweis, dass ein Zuchtverbot für MDR1-Hunde zu Problemen hinsichtlich der "genetischen Diversität und einer denkbaren unerwünschten Festigung anderer Negativmerkmale eine Zentrale Rolle" spiele, zurückgewiesen werden (Protokoll vom 16.10.2009).
Beim MDR1-Defekt ist die Blut-Hirn-Schranke geschädigt. Das führt u.a. zu einer multiplen Medikamentenunverträglichkeit. Zudem gibt es Hinweise auf eine Störung der Stresssteuerung durch diesen Gendefekt. Der MDR-1-Defekt kann aus Sicht der Gesundheit der Hunde somit als ernst zunehmende Erbkrankheit eingestuft werden, auch wenn die meisten Hunde glücklicherweise ohne Symptomatik bleiben. ("Krankheit ist die Störung der Funktion eines Organs..." hier: der Blut-Hirn-Schranke)
Darüber hinaus habe ich darauf hingewiesen, dass blue-merle Hunde (die es in mehreren Rassen gibt) zu 1-3% taub sein können.
Erst 2009 wurde eine Untersuchung des Department of Comparative Biomedical Sciences der School of Veterinary Medicine, Baton Rouge, USA veröffentlicht, die zu der Feststellung kommt, dass von den Trägern des Merle-Defektes durchschnittlich 4,6% einseitig taub und weitere 4,6% beidseitig taub sind! Bei Trägern nur eines Merle-Gens sind 2,7 einseitig bzw. 0,9% beidseitig betroffen (gerundet 1-3%), bei Merle MM sind sogar 10 bzw. 15% taub. Die Untersuchung belegt den Zusammenhang zwischen Merle und Taubheit, und zwar Merle in jeder Ausprägung. Auch andere Organe können durch Merle geschädigt werden.
Das Merle-Gen ist in einem nicht unwesentlichen Teil der Collie-Population vorhanden und verantwortlich für eine der drei vom Standard erlaubten Farben. In meiner Einschätzung für HundeWelt hatte ich lediglich die niedrigen Zahlen zur Taubheit genannt, die für die Träger nur eines Merle-Gens ermittelt wurden. Ansonsten muss man das Risiko als noch deutlich höher beziffern.
Und natürlich kann man einen Gendefekt, der zu einem solchen Taubheitsrisiko führt und zudem weitere gesundheitliche Risiken birgt, als Erbkrankheit bezeichnen. Damit wird unterstrichen, dass die Empfehlung der Gutachterkommission zu §11b Tierschutzgesetz richtig war, "auf eine Zucht mit Merle-Trägern generell zu verzichten".
Nach Angaben des Clubs für Britische Hütehunde (CfbrH) ist zudem bei 8,6% der untersuchten Hunde die Veranlagung für das Collie-Eye-Syndrom (CEA) festgestellt worden (In Gegendarstellung auf deren Website, August 2010). Der DCC behauptet hingegen, dass CEA "fast gar keine Rolle mehr spielt" (Gegendarstellung DCC auf der Website). Entweder man definiert gut 8% der Hunde als vernachlässigbar, oder die Hunde des DCC sind signifikant gesünder als die des CfbrH?
Wenn man alleine diese drei genetischen Probleme, wie sie hier dargelegt wurden, hochrechnet und wenn man die Begründung der Zuchtvereine selbst gegen ein Verbot der Zucht mit Trägern des MDR1-Defektes anschaut, so ist es keine Übertreibung, festzustellen, dass es möglicherweise viel zu wenige Hunde gibt, die von überhaupt keiner Erbkrankheit betroffen sind. Alleine aus den hier genannten Zahlen und Argumenten sollten Fragen zur gesundheitlichen Situation der Collie-Zucht erlaubt, ja erwünscht sein. Denn nur wenn man ein Problem beim Namen nennt, kann man es auch zum Wohle der Hunde bekämpfen. Was nutzt es den Hunden, wenn ein Problem weggeredet oder es einfach als potenziell gesundheitsschädlich wegzensiert und zu einer Gen-"Variante" schöngeredet wird? Qualifiziert man sich so zum vermeintlichen "Freund der Collies"?
Eine Hundefreundin meint zum Argumentationsniveau der beiden Collie-Vereine:
"Es gibt immer mehrere Möglichkeiten, auf Kritik zu reagieren. Eine sehr souveräne Variante ist es, die kritischen Argumente schlicht zu widerlegen. Die Variante, die am sichersten zeigt, dass der Kritisierte keine Pfeile im Köcher hat, ist diejenige, den Kritiker zu denunzieren, persönlich zu werden." (Änderung vom 17.8.)
Auf die weiteren von den Vereinen angeführten Punkte werden wir in einem nächsten Artikel ausführlich eingehen. Dabei werden auch etliche weitere Behauptungen von DCC und CfbrH in deren Gegendarstellungen der Haltlosigkeit überführt.
* und der CfbrH fährt fort: "Solche Behauptungen, die aus dem vorigen Jahrhundert stammen, sind längst durch Studien widerlegt worden." Widerlegt ist einzig, dass diese Behautung des CfbrH falsch ist, siehe die o.a. Untersuchung von 2009
In dem HundeWelt-Artikel wird u.a. auf das Problem mit dem MDR1-Defekt hingewiesen, der - so eine US-Studie - über 54% der Collies direkt betrifft. Hintergrund ist ferner der Beschluss des VDH-Vorstandes, der im Juni 2009 ein Zuchtlenkung für Träger des MDR1-Defektes, die homozygote Merkmalsträger (-/-) vermeiden soll, festgelegt hatte. Dieser Beschluss konnte dann im Oktober 2009 von den beiden Collie-Zuchtvereinen unter Hinweis, dass ein Zuchtverbot für MDR1-Hunde zu Problemen hinsichtlich der "genetischen Diversität und einer denkbaren unerwünschten Festigung anderer Negativmerkmale eine Zentrale Rolle" spiele, zurückgewiesen werden (Protokoll vom 16.10.2009).
Beim MDR1-Defekt ist die Blut-Hirn-Schranke geschädigt. Das führt u.a. zu einer multiplen Medikamentenunverträglichkeit. Zudem gibt es Hinweise auf eine Störung der Stresssteuerung durch diesen Gendefekt. Der MDR-1-Defekt kann aus Sicht der Gesundheit der Hunde somit als ernst zunehmende Erbkrankheit eingestuft werden, auch wenn die meisten Hunde glücklicherweise ohne Symptomatik bleiben. ("Krankheit ist die Störung der Funktion eines Organs..." hier: der Blut-Hirn-Schranke)
Darüber hinaus habe ich darauf hingewiesen, dass blue-merle Hunde (die es in mehreren Rassen gibt) zu 1-3% taub sein können.
Sheepdogs in Vero Shaw 1881 |
Das Merle-Gen ist in einem nicht unwesentlichen Teil der Collie-Population vorhanden und verantwortlich für eine der drei vom Standard erlaubten Farben. In meiner Einschätzung für HundeWelt hatte ich lediglich die niedrigen Zahlen zur Taubheit genannt, die für die Träger nur eines Merle-Gens ermittelt wurden. Ansonsten muss man das Risiko als noch deutlich höher beziffern.
Und natürlich kann man einen Gendefekt, der zu einem solchen Taubheitsrisiko führt und zudem weitere gesundheitliche Risiken birgt, als Erbkrankheit bezeichnen. Damit wird unterstrichen, dass die Empfehlung der Gutachterkommission zu §11b Tierschutzgesetz richtig war, "auf eine Zucht mit Merle-Trägern generell zu verzichten".
Nach Angaben des Clubs für Britische Hütehunde (CfbrH) ist zudem bei 8,6% der untersuchten Hunde die Veranlagung für das Collie-Eye-Syndrom (CEA) festgestellt worden (In Gegendarstellung auf deren Website, August 2010). Der DCC behauptet hingegen, dass CEA "fast gar keine Rolle mehr spielt" (Gegendarstellung DCC auf der Website). Entweder man definiert gut 8% der Hunde als vernachlässigbar, oder die Hunde des DCC sind signifikant gesünder als die des CfbrH?
Wenn man alleine diese drei genetischen Probleme, wie sie hier dargelegt wurden, hochrechnet und wenn man die Begründung der Zuchtvereine selbst gegen ein Verbot der Zucht mit Trägern des MDR1-Defektes anschaut, so ist es keine Übertreibung, festzustellen, dass es möglicherweise viel zu wenige Hunde gibt, die von überhaupt keiner Erbkrankheit betroffen sind. Alleine aus den hier genannten Zahlen und Argumenten sollten Fragen zur gesundheitlichen Situation der Collie-Zucht erlaubt, ja erwünscht sein. Denn nur wenn man ein Problem beim Namen nennt, kann man es auch zum Wohle der Hunde bekämpfen. Was nutzt es den Hunden, wenn ein Problem weggeredet oder es einfach als potenziell gesundheitsschädlich wegzensiert und zu einer Gen-"Variante" schöngeredet wird? Qualifiziert man sich so zum vermeintlichen "Freund der Collies"?
Eine Hundefreundin meint zum Argumentationsniveau der beiden Collie-Vereine:
"Es gibt immer mehrere Möglichkeiten, auf Kritik zu reagieren. Eine sehr souveräne Variante ist es, die kritischen Argumente schlicht zu widerlegen. Die Variante, die am sichersten zeigt, dass der Kritisierte keine Pfeile im Köcher hat, ist diejenige, den Kritiker zu denunzieren, persönlich zu werden." (Änderung vom 17.8.)
Auf die weiteren von den Vereinen angeführten Punkte werden wir in einem nächsten Artikel ausführlich eingehen. Dabei werden auch etliche weitere Behauptungen von DCC und CfbrH in deren Gegendarstellungen der Haltlosigkeit überführt.
* und der CfbrH fährt fort: "Solche Behauptungen, die aus dem vorigen Jahrhundert stammen, sind längst durch Studien widerlegt worden." Widerlegt ist einzig, dass diese Behautung des CfbrH falsch ist, siehe die o.a. Untersuchung von 2009
Montag, 2. August 2010
14.000 Jahre alt: Ältester Hund Europas
Der Hund vom Kesslerloch.
Schon 1873 wurde in der Höhle Kesslerloch in der Schweiz nahe Schaffhausen ein Oberkiefer entdeckt, der scheinbar einem Wolf gehörte. Lange Jahre hatte sich die Archäologie kaum um solche Tierknochen gekümmert. Doch sind solche Wolfs- oder Hundefossilien nicht nur für den Zoologen interessant. Sie geben auch spannende Einblicke in die Geschichte der Menschheit. Hunde entstanden nur mit dem Menschen. Sie sind die ersten Tiere, die domestiziert wurden oder vielleicht sich selbst domestizierten. Es stellt sich die Frage, ob die Zusammenarbeit mit dem Hund ein entscheidender Vorteil für die Evolution unserer Vorfahren selbst war und wie die Geschichte ohne die Hilfe des Hundes verlaufen wäre, zum Beispiel die Herausbildung der Viehhaltung.
Doch zurück zum Oberkiefer aus dem Kesslerloch. Die Archäozoologen Hannes Napierala und Hans-Peter Uerpmann von der Uni Tübingen haben sich den Knochen näher angeschaut und jüngst ihre Ergebnisse im Fachmagazin "International Journal of Osteoarchaeology" veröffentlicht. Ihr Befund ist eine kleine Sensation:
Napierala und Uerpmann können detailliert nachweisen, dass es sich um ein etwa 14.000 Jahre altes Hundefossil, und nicht das eines Wolfes, handelt.
Hierzu haben die Archäozoologen exakte Vermessungen des Oberkiefers vorgenommen und mit heutigen wie fossiler Wölfen verglichen. Die Ergebnisse werden detailliert dokumentiert. Die Form des vorderen Backenzahns P4 (Prämolaren) wie auch die Form der hinteren Backenzähne (Molaren) lassen sich klar von denen eines Wolfes abgrenzen. Zähne wie Kiefer sind deutlich verkleinert, was allgemein als ein Kennzeichen von Domestikation angesehen wird. Die Zähne verändern sich in der Evolution deutlich langsamer als ein Kieferknochen. Auch die Größe der Zähne liegt klar unterhalb der Spanne der gemessenen Werte heutiger und fossiler Wölfe, wie auch konkret der Fossilien von Mietje Germonpré , Oberkassel und auch im Kesslerloch gefundenen Wölfe. Zudem sind die typischen Abstände zwischen Zähnen (Diastema) bereits voll ausgebildet. Schließlich konnte der Fund von einer anderen Kaniden-Gruppe, den Cuon (alpinus, Rothund), abgegrenzt werden. Es konnten nachgewiesen werden, dass es sich um einen Canis-Knochen handelt.
Domestizierung bereits lange vorher
Diese Befunde lassen nur eine Schlussfolgerung zu: Es handelt sich um den Oberkiefer eines etwa 14.000 Jahre alten Hundes (Bestimmung anhand Radiokohlenstoffdatierung). Die Ausprägung der hundetypischen Merkmale deutet zudem daraufhin, dass die Domestikation, also die genetische Isolation vom wilden Ahnen, dem Wolf, bereits lange vorher eingesetzt hatte. Napierala und Uerpmann fassen zusammen: Der Fund unterstützt die Auffasssung, dass der Hund bereits im Magdalénien (letzter Abschnitt der Altsteinzeit 18.000 – 12.000 BP) entstanden ist. ... Der Prozess der Domestikation muss bereits voran geschritten gewesen sein. Der "Hund vom Kesslerloch" stand nicht erst am Anfang eines Domestikationsprozesses.
Die Archäozoologen schließen nicht aus, dass dieser Hund von kleineren Wölfen aus dem mittleren Osten abstammen könnte. Anhand von genetischen Untersuchungen des gut erhaltenen Fossils wollen sie dieser Frage weiter nachgehen.
Die Entstehung unserer Hunde ist ein äußerst spannendes Kapitel auch unserer eigenen Geschichte. Noch widersprechen sich die Ergebnisse der verschiedenen Forscher im Detail erheblich. Doch kristallisiert sich immer mehr heraus, dass die gemeinsame Geschichte sehr alt ist. Das besondere Verdienst der Arbeit von Napierala und Uerpmann ist der relativ eindeutige, detailliert nachgewesene Befund.
Der Mensch ist offensichtlich viel enger mit dem Hund verbunden, als es gerade in unserer heutigen Gesellschaft gerne gesehen wird, die den Hund als lästigen Parasiten abqualifiziert, der auch noch wild um sich beißt. Heute konstatieren Archäologen jedoch ganz allgemein, dass die Grabungen in nahezu jeder großflächig untersuchten Siedlung Mittel- und Nordeuropas den Nachweis der Hundehaltung erbringen. Ausgrabungen auf einer Anhöhe an der Saale, nahe dem heutigen Salzmünde bei Halle, belegen Hundehaltung wie Wertschätzung des Hundes vor etwa 6.000 Jahren in unseren Breiten. Auch hier fand man zahlreiche Hunde, die neben ihren Besitzern beerdigt worden waren. Einige erhielten sogar ein eigenes Grab, wie ein junger Rüde aus der so genannten "Schönberger Zeit". Die Archäologen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt stellen zu den damaligen Kulturen fest: "Hunde scheinen dabei eine feste Rolle zu haben".
Bildnachweis: Fotos des Fossils vom Kesslerloch, mit freundlicher Genehmigung der Autoren der Studie
Schon 1873 wurde in der Höhle Kesslerloch in der Schweiz nahe Schaffhausen ein Oberkiefer entdeckt, der scheinbar einem Wolf gehörte. Lange Jahre hatte sich die Archäologie kaum um solche Tierknochen gekümmert. Doch sind solche Wolfs- oder Hundefossilien nicht nur für den Zoologen interessant. Sie geben auch spannende Einblicke in die Geschichte der Menschheit. Hunde entstanden nur mit dem Menschen. Sie sind die ersten Tiere, die domestiziert wurden oder vielleicht sich selbst domestizierten. Es stellt sich die Frage, ob die Zusammenarbeit mit dem Hund ein entscheidender Vorteil für die Evolution unserer Vorfahren selbst war und wie die Geschichte ohne die Hilfe des Hundes verlaufen wäre, zum Beispiel die Herausbildung der Viehhaltung.
Doch zurück zum Oberkiefer aus dem Kesslerloch. Die Archäozoologen Hannes Napierala und Hans-Peter Uerpmann von der Uni Tübingen haben sich den Knochen näher angeschaut und jüngst ihre Ergebnisse im Fachmagazin "International Journal of Osteoarchaeology" veröffentlicht. Ihr Befund ist eine kleine Sensation:
Napierala und Uerpmann können detailliert nachweisen, dass es sich um ein etwa 14.000 Jahre altes Hundefossil, und nicht das eines Wolfes, handelt.
Hierzu haben die Archäozoologen exakte Vermessungen des Oberkiefers vorgenommen und mit heutigen wie fossiler Wölfen verglichen. Die Ergebnisse werden detailliert dokumentiert. Die Form des vorderen Backenzahns P4 (Prämolaren) wie auch die Form der hinteren Backenzähne (Molaren) lassen sich klar von denen eines Wolfes abgrenzen. Zähne wie Kiefer sind deutlich verkleinert, was allgemein als ein Kennzeichen von Domestikation angesehen wird. Die Zähne verändern sich in der Evolution deutlich langsamer als ein Kieferknochen. Auch die Größe der Zähne liegt klar unterhalb der Spanne der gemessenen Werte heutiger und fossiler Wölfe, wie auch konkret der Fossilien von Mietje Germonpré , Oberkassel und auch im Kesslerloch gefundenen Wölfe. Zudem sind die typischen Abstände zwischen Zähnen (Diastema) bereits voll ausgebildet. Schließlich konnte der Fund von einer anderen Kaniden-Gruppe, den Cuon (alpinus, Rothund), abgegrenzt werden. Es konnten nachgewiesen werden, dass es sich um einen Canis-Knochen handelt.
Domestizierung bereits lange vorher
Diese Befunde lassen nur eine Schlussfolgerung zu: Es handelt sich um den Oberkiefer eines etwa 14.000 Jahre alten Hundes (Bestimmung anhand Radiokohlenstoffdatierung). Die Ausprägung der hundetypischen Merkmale deutet zudem daraufhin, dass die Domestikation, also die genetische Isolation vom wilden Ahnen, dem Wolf, bereits lange vorher eingesetzt hatte. Napierala und Uerpmann fassen zusammen: Der Fund unterstützt die Auffasssung, dass der Hund bereits im Magdalénien (letzter Abschnitt der Altsteinzeit 18.000 – 12.000 BP) entstanden ist. ... Der Prozess der Domestikation muss bereits voran geschritten gewesen sein. Der "Hund vom Kesslerloch" stand nicht erst am Anfang eines Domestikationsprozesses.
Die Archäozoologen schließen nicht aus, dass dieser Hund von kleineren Wölfen aus dem mittleren Osten abstammen könnte. Anhand von genetischen Untersuchungen des gut erhaltenen Fossils wollen sie dieser Frage weiter nachgehen.
Die Entstehung unserer Hunde ist ein äußerst spannendes Kapitel auch unserer eigenen Geschichte. Noch widersprechen sich die Ergebnisse der verschiedenen Forscher im Detail erheblich. Doch kristallisiert sich immer mehr heraus, dass die gemeinsame Geschichte sehr alt ist. Das besondere Verdienst der Arbeit von Napierala und Uerpmann ist der relativ eindeutige, detailliert nachgewesene Befund.
Der Mensch ist offensichtlich viel enger mit dem Hund verbunden, als es gerade in unserer heutigen Gesellschaft gerne gesehen wird, die den Hund als lästigen Parasiten abqualifiziert, der auch noch wild um sich beißt. Heute konstatieren Archäologen jedoch ganz allgemein, dass die Grabungen in nahezu jeder großflächig untersuchten Siedlung Mittel- und Nordeuropas den Nachweis der Hundehaltung erbringen. Ausgrabungen auf einer Anhöhe an der Saale, nahe dem heutigen Salzmünde bei Halle, belegen Hundehaltung wie Wertschätzung des Hundes vor etwa 6.000 Jahren in unseren Breiten. Auch hier fand man zahlreiche Hunde, die neben ihren Besitzern beerdigt worden waren. Einige erhielten sogar ein eigenes Grab, wie ein junger Rüde aus der so genannten "Schönberger Zeit". Die Archäologen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt stellen zu den damaligen Kulturen fest: "Hunde scheinen dabei eine feste Rolle zu haben".
Bildnachweis: Fotos des Fossils vom Kesslerloch, mit freundlicher Genehmigung der Autoren der Studie