Sonntag, 18. September 2011

Inzucht und Lebenserwartung beim Leonberger

Im Juli 2011 wurde an der Veterinärmedizinischen Universität Wien eine neue Studie zum Thema Inzucht und Vitalität bei Hunden veröffentlicht. Das Thema der Diplom-Arbeit war die "Assoziation zwischen Inzuchtkoeffizienten und Wurfgröße sowie Situation zur Lebenserwartung" bei der Hunderasse Leonberger. Die Untersuchung basiert auf einer Auswertung von nicht weniger als 7582 (aus 8537) Leonberger-Würfen zwischen 1932 und 2009. Angeregt wurde diese Untersuchung durch die Initiative Pro Leonberger. Zum Thema Leonberger haben wir hier schon berichtet.

Für den Petwatch-Blog hat die Initiative Pro Leonberger folgende Informationen zur Studie der Uni Wien zusammengestellt, die sicher für alle Hundefreunde von Interesse sind (Hervorhebungen CJ):

Unser Anliegen ist der Leonberger Hund, unsere Intention die Verbesserung seiner Gesundheit, seiner Vitalität. Um unsere Darstellungen zur diesbezüglichen Situation des Leonbergers im Rahmen von Pro Leonberger von fachlicher, neutraler Seite überprüfen zu lassen, baten wir die bekannte Genetikerin, Frau Prof. Dr. Sommerfeld-Stur, Uni Wien, um Mithilfe. Aus ihrer Einwilligung entstand eine Untersuchung in Form einer Diplomarbeit, die unsere Aussagen bestätigt und desweiteren aufzeigt, wo sich die gesundheitlichen Knackpunkte beim Leonberger befinden und wie damit umgegangen werden kann, was sich ebenfalls mit unseren bisherigen Darlegungen deckt.

Hier ein paar Zitate aus dem Ergebnis der wissenschaftlichen Auswertung:

"Eine Assoziation zwischen Lebenserwartung und Inzuchtcoeffizient (p = 0,517) konnte für den Leonberger nicht nachgewiesen werden. (Tabelle 9;Abbildung 5)."  
Seite 46, Punkt 5.2

"Als durchschnittliches Todesalter wurde für den Leonberger ein Alter von 7,55 Jahren ermittelt (Abbildung 6)."  
Seite 46, unten

"Das Ergebnis deckt sich nahezu mit einer amerikanischen Studie zum Gesundheitsstatus des Leonbergers aus dem Jahre 2000, bei der die Hunde ein durchschnittliches Alter von 83 Monaten (knapp 7 Jahre) erreichten (LEONBERGER CLUB OF AMERICA, 2002)."  
Seite 47, oben

"DANCKERT u. KRAFT (1997) berichten bei ihrer Untersuchung der Lebenserwartung an verschiedenen Hunderassen von einem durchschnittlichen Sterbealter von 10,3 Jahren und einer mittleren Lebenserwartung von 8 Jahren für Leonberger."  
Seite 47, Absatz 2

"Bei ihrer Studie mit 15,881 Todesdaten von 165 Hunderassen ermittelten ADAMS et al. (2010) ein durchschnittliches Todesalter von 11 Jahren und 3 Monaten. Explizit für den Leonberger wurde anhand von 47 Datensätzen ein Sterbealter von 7,08 Jahren berechnet."  
Seite 47, Absatz 3

"Vergleicht man den Verlauf des mittleren Todesalters der Leonberger über die Jahre hinweg, wird eine Tendenz zu kürzerer Lebenserwartung deutlich. Erreichten die Hunde die in den Jahren 1957-1989 geboren wurden, durchschnittlich 9,02 Jahre (n=476), so lag das mittlere Alter von Hunden die zwischen 1995-1999 geboren wurden nur noch bei 7,9 Jahren (n=782) (Abbildung 9)."   Seite 47, Absatz 7
"Ähnlich den Ergebnissen anderer Studien, wurden bei der vorliegenden Leonbergerpopulation folgende Gründe als häufigste Todesursache berechnet (Tabelle 10): Tumorerkrankungen (n=571, 21,87%), Herzprobleme (n=279, 10,69%) und "Alter" (n=171, 6,55%). Unter den Tumorerkrankungen ist das Osteosarkom mit 13,10% überrepräsentiert. Als Hauptursache nennt der LEONBERGER CLUB OF AMERICA (2002) Krebs (n=37, 37%), "Alter" (n=12, 12%) und Herzinsuffizienz (n=9, 9%) bzw. plötzlicher Herztod (n=8, 8%).
Die Ergebnisse der aktuellen Studie stimmen auch mit den Untersuchungen von ADAMS et al. (2010) überein,...
Somit zählt der Leonberger in dieser Studie zu den Rassen mit dem verhältnismäßig höchsten Anteil an Tumorerkrankungen
."  Seite 49, ab Absatz 2           

"Auffallend bei der Auswertung der vorliegenden Daten war der Unterschied in der Lebenserwartung zwischen den Todesursachen "Alter" und "andere Todesursachen". Für die Todesursache "Alter" wurde eine mittlere Lebensdauer von 12,07 Jahren ermittelt, hingegen erreichten Hunde, die infolge einer diagnostizierten definierten Krankheit verstarben, durchschnittlich nur 7,24 Jahre (Abbildung 7). Diese Feststellung lässt darauf schließen, dass Leonberger durchaus ein hohes Alter erreichen können sofern sie nicht an einer der in der Rasse häufig auftretenden Erkrankungen frühzeitig sterben. Ganz ähnliche Ergebnisse fand MÄKI (2011) für den Berner Sennenhund. Diese Erkenntnis eröffnet aber auch Möglichkeiten zu einer Selektion auf höhere Lebenserwartung durch Selektion gegen genetisch bedingte Erkrankungen. Zuchtausschluß von Merkmalsträgern sowie von direkten Verwandten von Merkmalsträgern könnte sowohl die Häufigkeit von Erkrankungen in der Population reduzieren als auch die durchschnittliche Lebenserwartung der Rasse anheben."    Seite 49, letzer Absatz + Seite 50, Absatz 1

"In der untersuchten Leonberger-Population hat sich das Inzuchtniveau im Beobachtungszeitraum signifikant verringert, gleichzeitig hat sich die Wurfgröße erhöht. Die züchterischen Bemühungen zur Reduzierung des Inzuchtniveaus haben sich somit auf der Basis einer Assoziation zwischen Inzuchtniveau und Wurfgröße direkt positiv ausgewirkt. Die Zuchtpolitik mit Limitierung des Inzuchtniveaus sollte daher beibehalten werden
Keine Auswirkung hatte die Reduktion des Inzuchtniveaus auf die Lebenserwartung, die im Beobachtungszeitraum sank und auch keine Assoziation mit dem Inzuchtniveau erkennen ließ. Da das Todesalter aber vor allem durch die Todesursache beeinflußt wird und Hunde, die nicht auf Grund einer definierten Erkrankung starben, eine weit höhere Lebensspanne hatten, liegt in der Selektion gegen erbliche Erkrankungen die beste Möglichkeit die Lebenserwartung der Rasse züchterisch zu beeinflussen
."
Seite 50, Punkt 5.3

Interessant für uns ist, daß auch weitere Quellen, die bei dieser Studie zu Grunde gelegt wurden, mit unseren Erkenntnissen und Darlegungen konform gehen.
Auch werden in der Diplomarbeit Krebs- und Herzerkrankungen als genetisch bedingte Erkrankungen deklariert, deren Vorkommen und Häufigkeit in der Leonberger-Population durch Zuchtausschluß von Merkmalsträgern und deren direkten Verwandten reduziert werden kann - was sich ebenfalls mit unserer Ausführungen deckt.

Näheres und die Diplomarbeit in ungekürzter Fassung ist einzusehen unter:
http://pro-leonberger.com/leonberger-studie.htm

Wir hoffen sehr, dass diese Arbeit dazu beiträgt, ein Problembewusstsein zu schaffen, welches sowohl den zuchtbuchführenden Club als auch die Züchter im Einzelnen endlich die notwendigen Maßnahmen ergreifen läßt - zum Wohle des Leonberger Hundes.

Pro Leonberger, September 2011
www.pro-leonberger.com


( ein Beitrag von Christoph Jung ) (Fotos Elfi Hoffstadt)