Mittwoch, 7. September 2011

Künstliche Besamung in der Hundezucht

Instrumentelle Samenübertragung oder künstliche Besamung ist eine Technik, die sich in den letzten Jahren rasant verbreitet hat. Selbst in der Humanmedizin sind diese Eingriffe in elementare Techniken des Lebens zur Routine geworden. In der Agrar-Industrie ist die instrumentelle Samenübertragung längst Standard, um so möglichst profitable Ergebnisse in der Fleisch- oder Milchproduktion zu erhalten - regelmäßig zu Lasten des Wohls der Tiere.

Die Veterinär-Medizin drängt seit Jahren mit Macht in den riesigen Markt der Hundezucht, um diese Technik zu vermarkten. 2007 hat sich die Arbeitsgruppe Reproduktionsmedizin in der Hundezucht (AGRH) gegründet. Praktisch alle Tiermedizin-Unis betreuen inzwischen dieses Feld auch bei Hunden. Überall sind Veterinäre unterwegs, um den Hundezüchtern ihre Dienste einer technisierten Fortpflanzung anzupreisen.

Tatsächlich gibt es einige gute Gründe, diese moderne Technik der Medizin zu nutzen.

Künstliche Besamung kann für das Wohl und die Gesundheit der Hunde sinnvoll sein, zum Beispiel
  • wenn hierdurch eine genetische Verbesserung der Population erzielt werden kann, etwa durch Genmaterial eines hervorragend passenden Rüden, der aber weit entfernt steht.
  • in Verbindung mit Nachzuchtbeurteilungen und Langzeitstudien, die besonders vitale und langlebig gesunde Hunde identifizieren, deren Samen dann in einer Genbank erhalten ist und zur Verbesserung der Population zielgerichtet verwendet werden könnten.
Künstliche Besamung kann aber auch zum Nachteil der Gesundheit der Hunde eingesetzt werden, zum Beispiel
  • wenn sie zur Zuchtverwendung von Hunden führt, die selbst nicht mehr imstande sind, sich natürlich zu vermehren. Das ist in meinen Augen aktive Förderung von Qualzucht!
    Viele Exzesse der Qualzucht der letzten Jahre haben die Veterinäre erst durch die instrumentelle Samenübertragung möglich gemacht. Im WDR wurde im August 2011 der Vorsitzende des AGRH, Dr. Konrad Blendinger, gezeigt, der zwei Bulldogs für die Zucht verpaarte. Diese armen Hunde waren durch Qualzucht nicht in der Lage, sich natürlich fortzupflanzen und zeigten zudem extreme Atemprobleme. In meinen Augen hat sich Dr. Blendinger hier aktiv an Qualzucht beteiligt und gegen §11b Tierschutzgesetz verstoßen. Ohne die aktive Mitwirkung der Veterinäre (auch beim Kaiserschnitt) wären solche krank gezüchteten Hunde einfach ausgestorben.
  • wenn damit bestimmte Champion-Rüden, Popular Sires, massenhaft und über die weltweite Population verteilt für die Zucht verwendet werden, samt ihrer Veranlagungen für Erbkrankheiten und angesichts der hinlänglich bekannten Schäden durch Inzucht und Homogenisierung des Erbgutes. Das ist genetische Qualzucht.
  • wenn sie quasi als Zwangsmaßnahme zur Befruchtung von Hündinnen eingesetzt wird, die von dem gewählten Rüden nicht gedeckt werden wollen. Auch Hündinnen, die aufgrund Degeneration mental nicht mehr zu einem natürlichen Deckakt bereit sind, sollten nicht durch instrumentelle Besamung in der Zucht gehalten werden.
Tierarzt zum Wohl der Tiere?
Dr. Konrad Blendinger samt einen übertypisierten Bulldog ab,
der nicht natürlich decken kann und extrem Atemnot zeigt.
Screenshot vom www.wdr.de/tv/diestory, Sendung vom 22.08.11
In der Praxis sieht es danach aus, dass die letztgenannten Gründe überwiegen und so die Fortschritte der Tiermedizin zum Nachteil der Gesundheit der Hunde eingesetzt werden. Im Interesse des Profits wird zunehmend die ganze Hundeproduktion technisiert, angefangen von der künstlichen Besamung über terminierte Kaiserschnitte bis hin zur Aufzucht der Welpen in Brutkästen und per Sonde. Die erwachsenen Hunde sind dann als Dauerpatienten in den Veterinärkliniken und Kunden diätischer Sonderfuttermittel dankbare Umsatzgaranten. Pecunia non olet.

Aus Tierschutzgründen sollte die künstliche Besamung in der Hundezucht verboten sein, mit Ausnahme der erstgenannten Gründe und weiterer im Interesse gesunder Hundepopulationen.

Berry Spruijt, Professor für Tierschutz an der Universität Utrecht:
"Wo Tiere sich nicht mehr selbst fortpflanzen können und das auch noch einschließlich Paarung und Geburt, sollte man diese Varianten einer Art auch nicht mehr am Leben halten. Es ist mir unbegreiflich, wie so etwas der Ausgangspunkt eines Tierarztes sein kann, der eigentlich die Gesundheit und das Wohl der Tiere befördern soll. Ich verstehe nicht, dass der Berufsverband der Veterinäre sich nicht klar distanziert und seine Mitglieder anweist, solche Dinge nicht zu tun."
(In der niederländischen TV-Dokumentation "Einde van de rashond"  vom 11.12.2010)

( ein Beitrag von Christoph Jung )