Samstag, 14. Januar 2012

Der Cavalier-King-Charles-Spaniel - Traumhund und Sorgenkind zugleich

Ü
ber Ängste und Sorgen der Cavalierliebhaber
(Teil 1 von 2)
von Elke Grabhorn

Der Cavalier - ein Traumhund

Vor gut 20 Jahren suchten meine Eltern nach einem kleinen und leicht zu führenden Hund und mit Hector ist der erste Cavalier bei ihnen eingezogen. Hector war ein Blenheim- Rüde, der mit seinem typischen Cavalier-Charme die gesamte Familie so verzaubert hat, dass wir alle uns seitdem ein Leben ohne Cavalier nicht mehr vorstellen können, obwohl seit ich denken kann Cocker unsere Familienhunde waren.
Heute lebt Rap, ein Blenheim, bei meiner Mutter und bei mir sind es gleich zwei Cavalier-Jungs, der Tricolour Jasper und der Black and Tan Ceddy. Unsere Cavaliere sind einfach Traumhunde, sie gehören zur Familie und bereichern unser Leben.
 
Die Freundlichkeit und Sanftheit der Cavaliere ist sprichwörtlich, sie sind wirklich so, jede Aggression und andere Verhaltensauffälligkeiten sind absolut untypisch für sie.
Kleine freundliche Hunde, wie geschaffen um auch in heutiger Zeit unser Leben auf dem Land und in der Stadt zu begleiten. Verträglich mit Mensch und Tier, sensibel, fröhlich und leicht zu erziehen, machen sie ihrem Namen alle Ehre.

Jeder Cavalierliebhaber möchte – wenn er überhaupt einen Hund "halten" kann – immer wieder sein Leben mit einem Cavalier teilen.

Leider treten beim Cavalier mehrere schwere Erbkrankheiten auf, die dem Cavalierfreund Ängste und Sorgen bereiten und viele nachdenken lassen, ob die Feststellung:
"Einmal Cavalier – Immer Cavalier!" auch weiterhin uneingeschränkt gelten kann.

Der Cavalier - ein Sorgenkind

Etwas zur Geschichte der Rasse

Obwohl wir die kleinen bunten Spaniels schon von Gemälden aus dem 16. Jahrhundert kennen, sind unsere heutigen Cavaliere eigentlich eine viel jüngere Rasse, noch nicht einmal 100 Jahre alt.
Das Aussehen der "früheren Cavaliere" hatte sich im Laufe der Jahrhunderte durch die Einzüchtung von Möpsen und anderen kurznasigen Hunden stark verändert.
 
Erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurde durch das von einem reichen amerikanischen Züchter ausgerufene Preisgeld Interesse daran geweckt, eine Rückzüchtung dieses alten Spaniel-Typs zu erreichen.
Mitte der 1920er Jahre wurde der Rassestandard nach dem Bild des berühmten Cavaliers "Ann's son" formuliert und in den 1940er Jahren wurde schließlich der erste Cavalier-King-Charles-Spaniel beim Kennel Club eingetragen.
Anders als andere Hunderassen, die aus einer längeren Entwicklung heraus entstanden sind, stammen unsere heutigen Cavaliere also von sehr wenigen Hunden ab.
 
Die schnell angestrebte Anerkennung als eigenständige Rasse, schließlich wollte man die Hunde auch auf Ausstellungen zeigen, begrenzte den Genpool sehr früh. Durch die Jahre des 2. Weltkriegs, in denen nur noch wenige Hunde zur Zucht eingesetzt wurden, verstärkte sich die "enge Zucht" in den frühen Jahren unserer Cavalier-Rasse zusätzlich.

Erbkrankheiten

In Veröffentlichungen über die Syringomyelie - wie auch in der Dissertation von Dr. C. Rusbridge - ist zu lesen, dass sich die Abstammung aller in einer Studie erfassten SM-kranken Hunde auf eine in den 1950er Jahren geborene Hündin und die Welpen ihres einzigen Wurfs zurückverfolgen lässt http://igitur-archive.library.uu.nl/dissertations/2007-0320-201201/full.pdf (S. 149).
 
Dies verdeutlicht, wie Erbkrankheiten, unter denen unsere heutigen Hunde leiden, vor Jahrzehnten ihren Ursprung finden und wie die Anlagen im Laufe der Jahre weit in die Population getragen werden.

Dr. C. Rusbridge spricht in ihrer Dissertation (link s.o., S. 167) auch darüber, dass Hunde einiger herzgesunder und "langlebiger" Linien besonders oft in der Zucht eingesetzt wurden. Züchter, die mit dem Zuchteinsatz ihrer gesunden Hunde Gutes erreichen wollten, haben dadurch ungewollt und unbewusst dazu beigetragen, dass die SM-Anlagen, die ihre Hunde neben den gesunden Herzen leider auch in sich trugen, weit unter den Cavalieren verbreitet wurden.

Als Cavalierfreundin freue ich mich immer, wenn ich das Bild eines Cavaliers in einem Buch oder in einer Zeitschrift entdecke. Das Gesicht eines Cavaliers auf dem Titelbild eines Buches, in dem es um typische Erbkrankheiten bei Hunden und Katzen geht, macht mich aber traurig.

Diese kleinen Hunde und ihre Menschen haben es nicht verdient, dass bei 50% der fünfjährigen Cavaliere (http://cavalierhealth.org/mitral_valve_disease.htm , "in Depth") und bei über 70% der sechs und mehr Jahre alten Cavaliere Untersuchungen den Befund MVD bzw. SM ergeben! (http://veterinaryrecord.bmj.com/content/early/2011/06/12/vr.d1726.abstract).

Dies sind nur zwei von einigen Krankheiten, die der Cavalier von seinen Vorfahren erben kann, sie stellen jedoch heute wegen ihrer Schwere und leider auch wegen ihrer Verbreitung innerhalb der Rasse die gravierendsten Gesundheitsprobleme des Cavaliers dar.

Krankheitsbilder

Neben Krankheiten wie z. B. der Patellaluxation oder der Hüftgelenksdysplasie, von denen alle Hunderassen betroffen sein können, kommen beim Cavalier weitere "rassetypische" Krankheiten vor.

Sei es der in einigen Linien auftretende fortschreitende Hörverlust, bei dem die Hunde nur in ihrer frühen Jugend "richtig gut" hören, die Hörfähigkeit sich aber schnell – vermutlich durch eine Degeneration der Hörnerven – verschlechtert, bis die Hunde im Alter von 3 bis 5 Jahren vollständig taub sind http://www.cavalierhealth.org/deafness.htm#Veterinary_Neuroanatomy.
Auch bei seltenen Krankheitsbildern wie z. B. dem Eosinophilen Granulom werden Cavaliere als eine von wenigen betroffenen Rassen genannt http://www.vetcontact.com/de/art.php?a=2247. Hier die Beschreibung einiger Krankheiten, die besonders große Sorgen bereiten:

Episodic Falling Syndrome (EFS)

Bei EFS handelt es sich um eine Erkrankung, die bisher nur beim Cavalier beobachtet wurde. Laut Aussagen von Prof. Penderis (Universität Glasgow) kommt sie relativ häufig vor, wenn auch zum Glück eher selten dramatische Symptome beobachtet werden. Weil leichte Symptome übersehen oder als Epilepsie gedeutet werden, wird die Verbreitung von EFS innerhalb der Population eher unterschätzt.

Die Krankheit äußert sich durch vorübergehend ("episodisch") auftretende   Bewegungsstörungen. Der Bewegungsablauf kann beim Gehen "einfrieren", der Hund ist unfähig, die Füße voreinander zu setzen, dabei hält er den Kopf gesenkt oder zu einer Seite gedreht. Ein anderes Symptom ist das Umfallen (Falling) des Hundes begleitet von Krämpfen der Gliedmaßen. Der Hund ist während eines solchen Anfalls nicht in der Lage, seine Bewegungen zu kontrollieren bzw. bewusst zu steuern. Es können auch Krämpfe der Gesichtsmuskulatur auftreten, die auf den Beobachter ganz besonders beängstigend wirken.
Im Internet finden sich sehr traurige Videos, die ganz junge Cavaliere mit akuten Anfällen zeigen. Anders als bei epileptischen Anfällen, mit denen die Symptome mitunter verwechselt werden (können), ist der Hund während der "Episode" bei vollem Bewusstsein und nimmt seine Umwelt wahr http://www.youtube.com/watch?v=s3fQtElVxUo&feature=related. Deshalb ist es besonders wichtig, sich die eigene Aufregung in diesem Moment nicht anmerken zu lassen und beruhigend auf den Hund einzuwirken.

Je nach Schwere und Dauer des Anfalls ist der Hund danach sofort wieder völlig "normal", kann aber auch ermüdet sein und ein ausgesprochenes Ruhebedürfnis zeigen.

Es ist nicht bekannt, ob Hunde während eines Anfalls oder in den "Zwischenintervallen" Schmerzen empfinden http://www.youtube.com/watch?v=ZfVfLrwb-Ds&feature=related.
Seit 2011 ist ein Gentest verfügbar, die Krankheit wird durch ein Gen rezessiv vererbt. Mit dem Gentest kann verhindert werden, dass zwei Anlagenträger miteinander verpaart werden. Damit wird - wenn denn alle Züchter den Gentest einsetzen und ihre Zucht danach planen! - verhindert, dass zukünftig Welpen geboren werden, die an dieser Erbkrankheit leiden.
Halter betroffener Cavaliere möchte ich an dieser Stelle auf das EFS-Infoportal hinweisen.
Hier finden sie neben Informationen zur Behandlung auch Kontaktmöglichkeiten für direkte Hilfestellung und Beratung http://cavalierepisodicfalling.com/first.html.

Drye Eye Curly Coat / Rough Coat Syndrome
CCDE (Congenital Keratoconjunctivitis Sicca und Ichthyosiform Dermatosis)

Die betroffenen Hunde bilden keine Tränenflüssigkeit und leiden darum unter schweren und extrem schmerzhaften Entzündungen von Bindehaut und Hornhaut sowie – als Folge – an Hornhautgeschwüren.

Ihre Haut ist extrem trocken und schuppig, es treten Entzündungen auf. Besonders bei stark betroffenen Pfoten können die Hunde vor Schmerzen weder stehen noch gehen. Das Fell fühlt sich rauh und ölig an. Eine lockige Fellveränderung und Augenprobleme betroffener Hunde sind bereits in Welpentagen offensichtlich.

Leider kann weder durch eine ständige Versorgung mit Augenmedikamenten noch durch tägliche Hautbehandlung mit medizinischen Bädern und Salben für die betroffenen Hunde eine Schmerzfreiheit erreicht werden. Deshalb sehen sich Halter bei dieser schweren Erkrankung meist früh vor die traurige Entscheidung gestellt, ihren Hund von seinen Leiden erlösen zu lassen  http://www.cavaliercampaign.com/#/otherhealth-issues-page2/4547905633.

Das gemeinsame Auftreten von Augen- und Hauterkrankung ist in dieser Form nur bei Cavalieren bekannt. Auch für diese Erbkrankheit ist seit 2011 ein Gentest verfügbar.

Mitral-Valve-Disease (MVD)

Im Oktober 2010 habe ich in einen ausführlichen Aufsatz über die Herzkrankheit MVD verfasst  http://petwatch.blogspot.com/2010/11/cavaliere-haben-sehr-viel-herz.html.
 
Die Forschungen werden mit großem Aufwand weiter betrieben. Auf der Seite von Rod Russel wird über neue Studien berichtet http://www.cavalierhealth.org/mitral_valve_disease.htm.
 
Diese beziehen sich zum einen auf diagnostische Verfahren wie etwa auf den Einsatz von Röntgenuntersuchungen, den Nutzen spezieller Doppler-"Protokolle" oder Herz-MRT-Untersuchungen und zum anderen natürlich auch auf Tests der Wirksamkeit verschiedener Medikamente.

Die Frage, wie eine Prognose für den Verlauf der Erkrankung gegeben werden könnte, ist auch heute nicht geklärt. Immerhin ist bekannt, dass es eine "bösartige" und schnell fortschreitende Form gibt und andererseits eine Variante, bei der ein weniger dramatischer und besser therapierbarer Verlauf zu erwarten ist.

Der genaue Erbgang ist noch nicht bekannt, so konnten auch Hoffnungen auf die Entwicklung eines DNA Testes bisher nicht erfüllt werden.

Syringomyelie (SM) und Chiari-like malformation (CM)

Bei der Syringomyelie (SM) handelt es sich um eine neurologische Erkrankung. Diese Erkrankung kann bei Menschen und verschiedenen Tierarten auftreten. Bei Hunden sind vornehmlich die Rassen Brüsseler Zwerggriffon und Cavalier-King-Charles-Spaniel betroffen.
Als Folge einer Störung der freien Zirkulation der Hirnflüssigkeit (Liquor) kann es im Rückenmarkskanal zur Ausbildung einer Art "Zyste" (Syrinx) kommen.

Je nach Lage, Symmetrie und Ausdehnung dieser Syrinx treten keine, "nur geringe" oder massive Symptome auf.
Beispielhaft kann als ein Symptom unter vielen das von Videos bekannte sog. "Phantomkratzen" genannt werden. Ein Kratzen, das vorwiegend auf die betroffene Körperseite im Nacken-Schulterbereich gerichtet ist. Eine Besonderheit besteht darin, dass zwar eine Kratzbewegung ausgeführt, der Körper dabei aber kaum oder gar nicht berührt wird. Diese Bewegung kann von stärksten Schmerzäußerungen begleitet sein. Traurig ist die häufig zu lesende Feststellung, dass betroffene Hunde offensichtlich versuchen, ihre Schmerzen weg zu kratzen. Menschen die an dieser Krankheit leiden, beschreiben diesen Schmerz als unerträglich. Dass dies bei klinisch schwer betroffenen Hunden zutrifft, weiß jeder, der die grauenvollen Schmerzschreie bei den Videos gehört hat.

Es ist noch nicht ausreichend erforscht, in welchen Fällen es bei einem SM-betroffenen Hund zu einem Auftreten und ggf. auch zu einer Zunahme der klinischen Symptomatik kommt. Bekannt ist, dass es sich bei der Syringomyelie um eine spät einsetzende und fortschreitende Erkrankung handelt.

Ende Teil 1.
Teil 2 folgt in einigen Tagen hier im Petwatch-Blog.


Fotos: Rena und Lutz Peter Gellert