Sonntag, 29. Januar 2012

Milliardenmarkt Hunde-Produktion

In der aktuellen Ausgabe des "Stern" (5/2012) finden wir einen interessanten Artikel mit den Titel "Tierhandel - Das weltweite Millionengeschäft mit dem Deutschen Schäferhund". Basierend auf der langjährigen Arbeit des Schäferhund-Verein (SV) Mitglieds Jan Demeyere wird die Geldmacherei auf Kosten der Hunde entlarvt, die durch China-Exporte gerade einen Boom erfährt. Inzwischen sind diese Geschäfte ein Thema der deutschen Steuerfahndung. Aus deren internen Bericht dokumentiert "Stern":

"Detailliert beschreibt er, wie erhebliche Summen am Fiskus vorbeigeschleust werden. Viele Züchter, heißt es dort, versuchten ihre Hundezucht als ´steuerlich unbeachtliche Liebhaberei`darzustellen."
Und weiter:
"Der jährliche Umsatz der größten deutschen Zwinger wird nach den Berechnungen von Experten auf weit über 100 Millionen Euro geschätzt."

Allein mit Decktaxen Umsätze eines kleinen Unternehmens

Schon 2008 hatte Jan Demeyere allein anhand offizieller Unterlagen des SV nachgewiesen, dass etliche Schäferhundfabrikanten im SV alleine aus Decktaxen jährliche Umsätze im sechs- bis siebenstelligen Bereich erwirtschaften - und das über viele Jahre hinweg stetig. Der "Stern" gibt ein wenig Einblick in die Machenschaften von Teilen der Zucht- und Ausstellungsszene, wo auch die Show-Richter kräftig bei der Vermittlung im Hundehandel abkassieren, samt garantierter V1-Bewertungen und Championate für die Zukunft.

Das große Geschäfte aus Liebhaberei

Das Ganze läuft unter dem Grundsatz einer Zucht "lediglich aus Gründen der Liebhaberei" wie sie VDH und FCI vorschreiben (siehe auch Internationales Zuchtreglement der F.C.I., Präambel). Auch der evidente Verstoß gegen das satzungsgemäße Verbot von kommerzieller Zucht, das diese Dachverbände bei Strafe eines sofortigen Ausschlusses vorschreiben, interessiert real offenbar weniger als die Vorschriften des Papstes zur Verhütung - sowohl die Hundefabrikanten als auch die Verbände selbst. Andere Verbände geben sich gar nicht erst die Mühe, sich von solchem kommerziellen Gebaren abzugrenzen.

Schäferhund kein Einzelfall

Sicher nehmen die rein monetären Ausmaße der Geschäfte mit dem Deutschen Schäferhund eine Sonderstellung ein. Doch bei weitem nicht vom Kern der Sache her. Der Do Khyi, ebenfalls vom China-Boom erfasst, wird für diese Geschäfte gerade genetisch zugrunde gerichtet. Und hier geht es noch um die - vergleichsweise - "seriöse" Facette der Geschäftemacherei mit der Hundezucht. Realität im "Tierschutz"-Deutschland:

Krumme Geschäfte auf Kosten der Hunde: Die Regel und nicht die Ausnahme

Ein Großteil des Geschäftes in diesem jährlich 1-Milliarde-Euro-Markt allein in Deutschland (Berechnung auf Basis Ohr/Zeddies, Göttingen 2006) wird von Vermehrern, "Hobby-Züchtern" und EU-weitem Hundehandel abgedeckt. Der Hundehandel liefert inzwischen Welpen aus Ost- oder Südosteuropa in großem Stil nach Deutschland, die hier mit riesigen Profiten vermarktet werden. Erst kürzlich zeigte eine TV-Reportage zwei Hundehändler aus Polen, die mit einem PKW-Transport 13 Bulldog-Welpen allein an einen einzigen Käufer in Stuttgart liefern wollten, für 300 Euro das Stück. Verkauft werden diese Hunde dann für locker 800-1000 Euro je Welpen oben drauf und nicht selten getarnt als eigene Aufzucht mit "Pedigrees" von zwielichtigen Verbänden der Hundezucht oder gerne auch ausländischen FCI-"Dokumenten" - so genannte "Kuckuckswelpen" - Superprofite steuerfrei. Das lässt manche sämtliche Skrupel vergessen gegenüber Tier wie Mensch.
Screenshot ZDF-Sendung Zoom vom 11.01.2012 "Das Geschäft mit Hundebabys"
Für den arglosen Hundehalter ist das kaum durchschaubar und eine unabhängige Kontrolle gibt es in der Hundezucht nicht. Jeder, der des Schreibens mächtig ist, darf in Deutschland "Papiere" ausstellen und wenn man sieben Leute zusammenbekommt, kann man sogar einen e.V. als "Weltverband der Hundezucht" gründen und ganz legal Championate, Papiere und Zuchtzulassungen vergeben. Die Hundezucht zählt in Deutschland zu den Wirtschaftsbereichen mit den wenigsten staatlichen Auflagen bei praktisch nicht vorhandener Kontrolle. Die seriösen Züchter, zumeist im VDH organisiert, haben das Nachsehen - und natürlich zu allererst die Hunde.

Zwei Seiten einer Medaille: Krumme Geschäfte und Missstände der Zucht

Undurchsichtiges Geschäftsgebahren, krumme Deals der Show-Richter, internationaler Hundehandel am Rande der Legalität, Schwarzgeld, Schwarzarbeit und Steuerbetrug sind in der Hundezucht-Szene weit verbreitet und das nicht nur beim Deutschen Schäferhund. Dieses zwielichtige Geschäftsgebahren ist nur die andere Seite der Medaille der Missstände in der Zucht, wie Inzucht, Extremzucht, Zucht mit Erbkrankheiten oder der Show-Zucht. Das Ganze wird dann mühsam ummäntelt und vernebelt durch das Mantra einer selbstlosen Zucht nur aus Liebe zu der jeweiligen Hunderasse und dem allerorten selbst verpassten Heiligenschein der Gesundzucht, nein: "Qualzucht, was ist denn das? Wir haben nur die gesündesten Hunde!"

Gesetzliche Mindeststandards für die Zucht notwendig

Daher sehe ich in gesetzlichen Mindeststandards für die Zucht und die Zulassung als Züchter sowie einer unabhängigen Kontrolle einen unverzichtbaren Beitrag zum aktiven Tierschutz in der Hundezucht. Es ist eigentlich ein gesellschaftlicher Skandal, dass in einem 1-Milliarden-Markt im ansonsten so bürokratie-wütigen Deutschland fast unbehelligt und im großen Stil Schwarzarbeit und Schwarzgeldschieberei grassieren dürfen. Das Opfer sind die seriösen Züchter, die letztlich geprellten Hundehalter und zu allererst die Hunde, die diese Profitgier mit ihrem Wohl und ihrer Gesundheit und zuweilen mit ihrem noch ganz jungen Leben bezahlen müssen - Tierschutzrealität mitten in  Deutschland.


Ein Beitrag von Christoph Jung