Dienstag, 27. August 2013

Viel Rasse, volle Kasse - Das Geschäft mit der Hundezucht

Unter dem Titel "Viel Rasse, volle Kasse - Das Geschäft mit der Hundezucht" zeigte der WDR einen sehr sehenswerten Beitrag zum Thema. Im Gegensatz zur ersten "die story"-Reportage von Philipp Hampl, die hier vor genau zwei Jahren auf Kritik stieß, wurden nun Lösungen aus der Misere genannt. Tierarzt Dr. Unna fordert u.a. ein Umdenken der Verbraucher, wie er die Welpenkäufer in diesem Zusammenhang nennt. Er fordert uns Welpenkäufer auf, mehr auf die Gesundheit, hinsichtlich Zucht, Standard, Haltung und Sozialisation der Hunde zu achten.
Screenshot aus der Sendung des WDR
"Viel Rasse, volle Kasse - Das Geschäft mit der Hundezucht" 26.8.2013
Und das ist wirklich so. Gäbe es nicht die vielen "Hundefreunde", die Welpen aus Inzucht und Qualzucht (sei es die sichtbare wie bei Mops oder Japan Chin oder die unsichtbare wie bei Cavalier King Charles Spaniel oder Dobermann) kaufen würden, und gäbe es keine "Hundefreunde", die beim Hundehändler oder auf dem Markt ihren Hund kaufen würden - den Hunden würde sehr viel Elend erspart.

... und alle reden von Tierschutz und Liebe zum Hund

Dieser Bulldog wurde auf der VDH-Ausstellung in Leipzig am 25.8.13 auf den ersten Platz gestellt.
Man achte auf die Nasenfalte.
Im geltenden Standard heißt es:
"schwere Nasenfalten sind unerwünscht und sollten schwer bestraft werden." *
(Foto: Christoph Jung)

... und der VDH-Vorstand redet besonders gerne von Tierschutz.

In der o.a. ersten WDR-Sendung stand der Bulldog im Mittelpunkt. Damals redete sich der VDH damit heraus, dass er den Bulldog Zuchtverein ACEB aus dem VDH ausgeschlossen hatte und sich ab sofort selbst um die Gesundung dieser Rasse kümmern werde. Die Realität auf den Ausstellungen und in manchen Zuchtvereinen sieht diametral anders aus. Selbst der geltende Standard, der 2009 ausdrücklich zur Gesundung des Bulldogs geändert wurde, wird regelmäßig auf den VDH-Ausstellungen ignoriert (und nicht nur dort). Und der VDH ist seit 2011 direkt und unmittelbar für die Zucht des Bulldogs wie auch die Einladung und Instruktion der Ausstellungsrichter verantwortlich!

VDH Realität 2013
Siegerbulldog des VDH - widerspricht evident dem geltenden Standard*
(Foto: Christoph Jung)

Wir tragen die Verantwortung für das alltägliche Hundeelend mitten in Deutschland. 

Auch die einzelnen Züchter, die Zuchtverbände, das Zuchtsystem, die Tierärzteschaft, die machtvollen Sponsoren aus der Futter- und Pharma-Industrie, die dieses System erst am Laufen hält, die Hunde-Medien und schließlich auch der Gesetzgeber, alle tragen Verantwortung - WIR!!!



Christoph Jung


* Auszug aus dem gültigen FCI Standard vom 23. 03. 2011 / DE

FCI - Standard Nr. 149 BULLDOG


 "... die Haut auf dem Kopf und um ihn herum etwas lose mit feinen nicht übertriebenen Falten, die weder abstehen noch das Gesicht überlappen dürfen."

"... schwere Nasenfalten sind unerwünscht und sollten schwer bestraft werden."

Sonntag, 4. August 2013

Genanalyse bestätigt: Hunde gabs vor 33.000 Jahren

Es ist unstrittig und landläufig bekannt, dass der Hund das erste und älteste Haustier ist. Und es ist heute unter Wissenschaftlern ebenso unstrittig, dass der Hund allein vom Wolf (Canis Lupus) abstammt. Man weiß aber immer noch kaum etwas darüber, wann genau diese besondere und einzigartige Partnerschaft entstand. Und man weiß noch viel weniger darüber, wie es dazu kam, dass ausgerechnet aus dem für Menschen potenziell gefährlichen Beutegreifer und Nahrungskonkurrenten, dem Wolf, das erste Haustier und der "beste Freund" entstand.
Wolf (Canis Lupus)
(Foto: Christoph Jung)
Wie alt ist die Partnerschaft Mensch - Hund?

Seit gut 10 Jahren interessieren sich die Wissenschaften, in erster Linie Genetiker, Zoologen und Archäologen, ernsthaft für die Entstehung des Hundes. Seither wird der Beginn der Hundwerdung immer weiter nach hinten verschoben. 2011 veröffentlichten russische Wissenschaftler um Nikolai Ovodov eine Untersuchung von Fossilien aus der Razboinichya Höhle im Altai-Gebirge Süd-Sibiriens. Die Vermessungen von 3 erhaltenen Schädeln sowie Unterkiefern ließen die Forscher zu der Überzeugung kommen, dass es sich hier eindeutig um frühe Hunde handeln müsse. Diese kräftigen Hunde seien vom Körperbau her ähnlich heutiger Grönlandhunde vorzustellen. Die eigentliche Sensation war das Alter dieser Hunde-Fossilien, das anhand bewährter Standardmethoden wie Radiocarbon-Messungen auf 33.000 Jahre datiert wurde.
Grönlandhund
(Foto: Wikipedia)
DNA-Analyse bestätigt 33.000 Jahre alte Hunde

Im März 2013 veröffentlichte ein weiteres Forscherteam aus Novosibirsk um Anna Drushkova von der russischen Akademie der Wissenschaften eine Untersuchung der DNA. Es gelang, aus den Fossilien DNA-Stränge zu isolieren und zu analysieren. Auch hier waren die Ergebnisse recht eindeutig. Die DNA gleicht heutigen Hunden signifikant und zwar um den Faktor 4 mehr als anderen damaligen Caniden oder heutigen Wölfen. Somit ist auf recht sicherer Grundlage der Nachweis erbracht, dass bereits in der Altsteinzeit und noch vor dem Höhepunkt der letzten Eiszeit (LGM vor 26.500 - 19.000 Jahren) erste Hunde den Menschen begleiteten.

Die Forscher weisen darauf hin, dass dieses Ergebnis noch nicht heiße, dass diese Hunde bereits direkte Vorfahren unserer heutigen Hunde gewesen sein müssen. Vielmehr sei es durchaus möglich, dass diese Population wieder erloschen sei, etwa die Hochphase der letzten Eiszeit, das LGM, nicht überstanden haben könnte. Ein ähnliches Schicksal könnte den Hund ähnlichen Alters ereilt haben, der 2008 von Mietje Germonpré von der Belgischen Akademie der Wissenschaften gefunden wurde.
Hundeschädel von Goyet (Belgien) - auf 31.000 Jahre datiert
(Foto und Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Mietje Germonpré)
Die Hinweise der Wissenschaft verdichten sich, dass die Partnerschaft mit dem Hund ein sehr alter Teil der Menschheitsgeschichte ist. Unsere Vorfahren wurden bereits vor mehr als 30.000 Jahren zumindest phasenweise und seit 15.000 oder vielleicht sogar noch sehr viel mehr Jahren durchgängig von Hunden begleitet. Zahlreiche Befunde belegen das Zeitfenster von 15 - 20.000 Jahren der Hundehaltung, also nach dem LGM. Vieles deutet auch darauf hin, dass die Hundwerdung zu unterschiedlichen Epochen und an unterschiedlichen Orten mehrfach und unabhängig voneinander stattgefunden hat.

Was wäre aus den Menschen geworden ohne den Partner Hund?

Es ist ein spannendes Stück Forschung, das noch vor uns liegt. Und es geht dabei nicht nur um den Hund. Denn die Geschichte des Hundes ist zugleich Teil der Menschheitsgeschichte. Unsere Geschichte ist seit 30.000 Jahen viel enger mit dem Hund verwoben als wir landläufig annehmen. Und ich neige zu der Ansicht, dass erst die Partnerschaft mit dem Hund uns Menschen manchen Sprung möglich machte wie etwa den Beginn der Viehhaltung vor 12.000 Jahren oder die Erschließung der nördlichen Lebensräume. Aber auch für die Herausbildung der hervorragenden intellektuellen und sozialen Leistungsfähigkeit unserer Vorfahren, der Cro Magnon, kann die Partnerschaft zum Hund ein entscheidender Katalysator gewesen sein. Wir sind wahrscheinlich psychisch und neurobiologisch viel enger mit dem Hund verbunden, als uns bisher bewusst und manchen Weltanschauungen oder Religionen lieb ist.


Ein Beitrag von Christoph Jung