Sonntag, 20. Mai 2018

14.000 Jahre emotionale Bindung zwischen Mensch und Hund

Es gibt nicht wenige Wissenschaftler, die ein besonderes emotionales Band zwischen Mensch und Hund in Frage stellen. Positive Effekte auf die Psyche des Menschen seien nicht wirklich nachweisbar, so vertritt es John Bradshaw, Anthrozoologe aus Bristol. Der durch seine Bücher auch in Deutschland bekannte und von Medien und Hundefachleuten oft zitierte, kürzlich verstorbene Biologie-Professor Ray Coppinger sieht im Hund lediglich einen Schmarotzer, dessen Natur es sei, menschlichen Müll zu verwerten. Ähnlich sehen es die Wiener Verhaltensbiologinnen Friederike Range  und Zsófia Virányi, die ein Dasein als Aasfresser für Hunde und das eines kollektiven Jägers von Huftieren für Wölfe als deren jeweils charakteristische Natur  beschreiben. Coppinger kanzelt eine Charakterisierung des Hundes als "besten Freund des Menschen" mit so wörtlich "hohles Statement" ab.

Manche Wissenschaftler bezweifeln die besondere Rolle des Hundes

Die Natur des Hundes als Vertilger von Aas und menschlichen Fäkalien zu beschreiben, meint kein hohes Ansehen für unseren treuen Begleiter seit wohl 35.000 Jahren. Für viele Menschen unseres Kulturraumes ist die Vorstellung eines Tieres als Partner oder Freund des Menschen auf Augenhöhe  im Wortsinne Gotteslästerung. Die Ideologie von der Sonderstellung des Menschen als Ebenbild eines Gottes, dem alle anderen Kreaturen der Welt zu dienen hätten, erscheint mir immer noch lebendig, wenn auch kaum in einer solch platten Form.

Es gibt immer mehr wissenschaftlich handfest begründete Hinweise, das speziell Hunde und Menschen psychisch sehr ähnlich ticken, sozial wie emotional eng verbunden sind. Kaum möglich scheint jedoch eine belegbare Antwort auf die Frage, ob schon Steinzeitmenschen ein emotionales Band zu ihren Hunden entwickelt hatten. Schließlich versteinern Gefühle nicht. Doch selbst Gefühle hinterlassen Spuren.
Pütz Martin, Jürgen Vogel, Ralf Schmitz (LVR-LandesMuseum Bonn)
Archäologische Spuren der Gefühle

Wir haben sogar die Spur von Gefühlen zwischen Mensch und Hund, die 14.200 Jahre alt ist. Sie führt uns nach Deutschland, genauer Oberkassel bei Bonn. Das berühmte Doppelgrab wurde in den letzten Jahren von verschiedenen internationalen Wissenschaftlergruppen noch einmal gründlich untersucht. Zunächst einmal überrascht, dass es sich um die Überreste von zwei Hunden handelt, einen älteren und einen Welpen. Dabei wurde bestätigt, dass es sich um voll domestizierte Hunde und nicht etwa um Wölfe handelt. Eine Arbeitsgruppe um Luc Janssens von der Universität Leiden untersuchte die Reste dieser Hunde, die zwischen einer etwa 20 jährigen Frau und einem mittelalten Mann begraben worden waren, noch genauer. Anfang des Jahres wurden die Ergebnisse in dem Fachmagazin "Journal of Archaeological Science" veröffentlicht.

Ein 14.000 Jahre alter Welpe mit Staupe 

Die Überreste des Welpen verrieten dabei Erstaunliches. Anhand von Spuren in den Zähnen konnte nachgewiesen werden, dass der Welpe schwer an Staupe (Morbillivirus) erkrankt war. Die Wissenschaftler schätzen, dass der Welpe binnen drei Wochen an seiner Erkrankung hätte sterben müssen. Doch er überlebte drei bis vier Monate und währenddessen nicht weniger als drei Schübe dieser auch heute noch unheilbaren Viruserkrankung. Dies sei nur durch intensive Pflege durch seine Menschen erklärbar. Sie müssen den Welpen gewärmt, ihn mit Wasser und Futter versorgt haben. Da der Welpe keinen Nutzen als Arbeitstier gehabt habe, könne man von einer einzigartigen Beziehung der Pflege zwischen Menschen und Hunden vor 14.000 Jahren ausgehen, so Luc Janssens*.

Gemeinsam leben, arbeiten, fühlen

Die Befunde der Arbeitsgruppe um Luc Janssens kann man als Beleg werten, dass das tiefe emotionale Band zwischen Mensch und Hund keine neumodische Sentimentalität, vielmehr ein uralter Teil unseres Kultur- und Gefühlslebens ist. Das verwundert nicht, sieht man den Hund nicht abschätzig als Müllverwerter vielmehr als Partner bei der Arbeit und im Überlebenskampf der Eiszeit, sieht man den Hund als Teil unserer Sozialität. Genau das schlagen Daniela Pörtl und der Autor dieses Artikels mit dem Modell der "Aktiven sozialen Domestikation des Hundes" vor. Auf Grundlage dieser Zusammenarbeit beim Jagen, Wachen, Verteidigen, Transportieren, Hüten von Schafen, beim gemeinsamen Schlafen in den Zelten, beim gemeinsamen Spiel als Kinder entwickelten sich tiefes gegenseitiges Verständnis und emotionale Bindung. Das lässt sich mittlerweile sogar am Computer live nachvollziehen, wenn Professor Gregory Berns seine Hunde in den Computertomografen legt und beim fMRT zuschaut, wie bei Hund und Mensch die gleichen Hirnregionen aktiv werden.

Ein Beitrag von Christoph Jung

*(Luc Janssens in der Presseerklärung der Uni Leiden: "That would mean keeping it warm and clean and giving it food and water, even though, while it was sick, the dog would not have been of any practical use as a working animal. This, together with the fact that the dogs were buried with people who we may assume were their owners, suggests that there was a unique relationship of care between humans and dogs as long as 14,000 years ago.")
https://www.universiteitleiden.nl/en/news/2018/02/emotional-bond-between-humans-and-dogs-goes-back-14000-years

Luc Janssens, Liane Giemsch, Ralf Schmitz, Martin Street, Stefan Van Dongen and Philippe Crombé  (2018). A new look at an old dog: Bonn-Oberkassel reconsidered, Journal of Archaeological Science, https://doi.org/10.1016/j.jas.2018.01.004

Mehr zu diesem Thema und den genetischen, epigenetischen und neurobiologischen Hintergründen der Mensch - Hund Beziehung könnt ihr erfahren auf dem 

4. Rostocker Vierbeinerforum


Es referieren:
  • Irene Sommerfeld-Stur, Genetikerin
    Wie wird der Hund zum Hund - Grundlagen der Genetik und Epigenetik
  • Daniela Pörtl, Ärztin mit Schwerpunkt Neurologie und Psychiatrie
    Die Mensch-Hund Beziehung im Spannungsfeld von Umwelt, Epigenetik und Genetik
  • Christoph Jung, Diplom-Psychologe und Publizist
    Vom Allrounder zum Spezi - Hund extrem: Ästhetik und Leistung vs. Ethik 
Samstag, 16. Juni 2018 
von
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Hörsaal der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock
Justus-von-Liebig-Weg 8
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