Dienstag, 28. Oktober 2008

Eine Wende in der Hundezucht bahnt sich an

Ich konnte es zuerst kaum glauben, was ich da auf der Website des Kennel Clubs las. Der wichtigste Hundeclub der Welt hat eine Wende vollzogen zu mehr Gesundheit für unsere Hunde. Gerade der Kennel Club, der maßgeblich mitverantwortlich dafür ist, dass sogar Rassestandards den Moden und züchterischen Übertreibungen angepasst wurden. Gerade der Kennel Club, der mit Crufts ein Monsterspektakel der Eitelkeiten und Champion-Geilheit Jahr für Jahr austrägt und damit gute Geschäfte macht.

Jetzt diese Wende!
+ Auf freies Atmen, Laufen, Sehen und das Wohl der Hunde ganz allgemein überarbeitete Standards.
+ Eine offen Absage an die Seuche der Inzucht oder Linienzucht.
+ Eine grundlegende Wende im Ausstellungs(un)wesen - nicht mehr die "schönsten" Hunde sollen prämiert werden, nun mehr nur die Gesündesten.
+ Eine Datenbank, mit der jede Verpaarung hinsichtlich DNA und Populationsgenetik bewertet werden soll.

Kaum zu glauben!


Pekinese nach dem alten, jetzt vom KC revidierten, Standard

Da höre ich die Stimmen vieler Züchter und Zuchtverbandsfunktionäre, dass sei doch alles garnicht möglich und auch garnicht nötig, man züchte nur gesunde Hunde. Da erinnere ich mich, wie oft Dr.Hellmuth Wachtel, der schon vor 10 Jahren solche Vorschläge machte, als weltfremder Theoretiker diskriminiert wurde. Ich erinnere mich an die zahlreichen teils unflätigen Auslassungen von Züchtern, man könne als Nicht-Züchter doch garnicht mitreden, und sich so jede Kritik verbitten. Ich erinnere mich an die Wetten mit meiner Frau auf die vorderen Plätze bei Ausstellungen - ja wir lagen fast immer richtig, die schwersten, extremsten, "typischsten" Exemplare wurden prämiert.

Im zweiten Quartal dieses Jahres wurden solche Erfahungen für mich von ganz besonderer persönlicher Bedeutung.
Wir suchten nach einem Welpen, einem English Bulldog-Welpen. Aber er sollte gesund sein, frei atmen (welch dreiste Forderung), nicht genetisch verarmt, die Elterntiere nicht zu schwer und dann noch gut sozialisiert sein. Das hört sich fast nach der Quadratur des Kreises an, aber ich hab sie immer wieder gesehen, vitale, kerngesunde Bulldogs. Selten zwar, zu selten, aber es gibt sie. So einer sollte es sein und nur so einer. Ansonsten wollten wir lieber keinen Bulldog-Welpen holen.

Nun, ich kenne die Bulldog-Szene ein bischen und meine Erwartungen waren eh nicht groß. Aber was ich da erleben musste, schlug meine schlimmsten Befürchtungen. Extrem tiefgelegte Hunde, schon in der Jugend keuschend, kaum Nase, kaum Hals dafür riesige Nasenfalten. Herumeiern bis zu patzigen Reaktionen auf Fragen wie nach Kaiserschnitt. Ich frage mich immer wieder, warum die Behörden hier nicht nach dem gültigen Tierschutzgesetz vorgehen.
Zahlreiche Händler tummeln sich im Markt mit Handy-Nummern und Welpen auf Bestellung. Ich schätze, dass weit mehr als das Doppelte der vom VDH gemeldeten 121 (2007) Welpen über Händler und Wald-und-Wiesen-Züchter zwielichtiger Verbände vermarktet werden. Alle natürlich mit "Papieren".

Etliche Züchter im benachbarten Ausland bieten den Service der bequemen Lieferung per Luftpost an. Immer wieder Züchter, denen man anmerkt, dass sie eigentlich nichts mit der Rasse zu tun haben. Bei der Frage nach Gesundheitschecks kam regelmäßig der Verweis auf die Impfungen der Welpen oder andere Selbstverständlichkeiten, wenn überhaupt eine Antwort kam. Auch die Frage nach dem Stammbaum wurde nur selten beantwortet. Lediglich beim ACEB/VDH kann man die Stammbäume regelmäßig einsehen. Am meisten enttäuschten mich die Züchter, die das grösste Schild "Gesundheit" vor ihrem Zwinger stehen haben. Ein bischen nachgebohrt, zeigten sich kaum belastbare Merkmale einer wirklich gesundheitsorientierten Zucht. Unter Verweis, man könne den Stammbaum kopieren und dann für Importwelpen aus Osteuropa mißbrauchen, wurde sogar die Offenlegung des Stammbaums verweigert. Ich könnte noch lange berichten. Leider hatten die wenigen Züchterinnen, denen ich Vertrauen schenke, zu dieser Zeit keinen Wurf absehbar.

Wir waren schon fast entschlossen von einem Bulldog-Welpen Abstand zu nehmen, da trafen wir auf Bruno, einem Welpen aus einem Zwinger des ACEB/VDH. Ein Züchter, der kein grünes Schild am Zwinger hängen hat. Aber zu der Zeit der einzige Wurf, der unseren Anforderungen entsprach.
Heute ist Bruno acht Monate, ein putzmunteres, kerngesundes Kerlchen mit einem herrlichen Bulldog-Charakter. Glück. Glück gehabt...



...aber wie oft ist es anders?


"The Kennel Club" verantwortet auch den Standard des Bulldogs. Mal sehen, was dort überarbeitet wird.
Eher wichtiger als die Überarbeitung des Standards erscheint mir beim Bulldog in Deutschland die Umorientierung der Beteiligten in der Zucht. Eine neue Ethik der Zucht für Züchter, Zuchtrichter, aber auch Halter ist dringend notwendig, der Verzicht auf Übertypisierungen, die Einführung einer DNA- und Gendatenbank, Transparenz und weniger Vertuschung der Realitäten. Man kann es kaum glauben, in Deutschland hat nur ein einziger von 11 Bulldog-Zuchtverbänden eine Zuchtordnung oder ZTP für den Bulldog veröffentlicht. Es gibt keine einsehbaren Zuchtbücher der letzten Jahre, keine Dokumentation z.B. von Kaiserschnitten, geschweige denn eine öffentlich zugängliche Datenbank, wie sie z.B. bei den Whippets oder in Finnland, um nur zwei Beispiele zu nennen, schon lange ganz selbstverständlich ist.

Vorsicht ist angebracht, aber - wie sollte der Start in eine Wende zu mehr Gesundheit in der Rassenhundezucht besser aussehen als das was der immerhin wichtigste Hundeverband der Welt, The Kennel Club, jetzt vorgelegt hat!?!