Freitag, 12. Dezember 2008

Kaiserschnitt - normale Zuchtpraxis oder Qualzucht?

Hunde sind sehr fruchtbare Tiere. Die Folgen sind weltweit gegenwärtig in Form von Dorf-, Straßen- oder Pariahunden. Das sind 90% des Bestandes an Hunden überhaupt. Selbstverständlich alle natürlich geboren und das ohne jede menschliche oder gar tierärztliche Hilfe.

Diese natürliche Fähigkeit, von essentieller Bedeutung für den Erhalt einer Art, ist den Hunden unter Obhut des Menschen innerhalb von etwa 40 Jahren in erheblichem Maße verloren gegangen. Es gibt eine Reihe von Rassen, bei denen natürliche Geburten schon die Ausnahme darstellen.

Kaiserschnitt-Geburten können unterschiedliche Ursachen haben; strukturelle aufgrund des Phänotypes der Rasse wie die übergrossen Köpfe bei den Bulldog-Rassen oder spontane wie die zunehmenden Komplikationen bei Geburten als Degenerationserscheinung einer Rasse.

Leider gibt es nur wenige Rassehunde-Vereine die sich dieses Problems ernsthaft annehmen. Die, die es am Nötigsten hätten, tun hier anscheinend noch am wenigsten bzw. garnichts - postive Ausnahmen abgesehen. Es ist allgemeiner Konsens unter seriösen Züchtern, dass spätestens nach dem zweiten Kaiserschnitt, egal aus welchem Grund, eine Hündin aus der Zucht genommen wird.
Das Landseer Magazin schreibt:
"Um das Risiko einer Gesundheitsgefährdung zu mindern, werden Landseerhündinnen nach einem zweiten Kaiserschnitt aus der Zucht genommen wie es die Zuchtordnungen vorschreiben. Glücklicherweise sind aber die meisten Landseer Geburten problemlos und verlaufen völlig normal."

Die erfahrene Bully-Züchterin Gudrun Schäfer, Vorsitzende des vor kurzem gegründeten Französische und Englische Bulldoggen e.V., ist persönlich sogar der Auffassung, dass die Zucht nach Möglichkeit ganz auf natürlich geworfene Elterntiere setzen solle und bestenfalls ein Elternteil per Kaiserschnitt zur Welt gekommen sein darf.

Aus dem Qualzuchtgutachten der Bundesregierung folgt, dass die Verwendung einer Hündin auch nach einer zweiten Kaiserschnitt-Geburt als Tierquälerei und Qualzucht anzusehen ist. Das Gutachten zu § 11b des Tierschutzgesetzes - Verbot von Qualzüchtungen - führt ausdrücklich an, dass ein "Zuchtausschluss nach dem 2. Kaiserschnitt" erfolgen soll.


Trotzdem, der Anteil der Kaiserschnitt-Geburten nimmt stetig weiter zu. Bei den Französischen Bulldoggen liegt er bei um die 50% und bei den Englischen Bulldoggen liegt erst gar keine Statistik hierzu vor. Es ist davon auszugehen, dass die Quote bei den Bulldogs eher noch höher ist als bei den Bullys.

Im Jahr 2008 wurden drei neue Zuchtordnungen für den Englischen Bulldog in Deutschland veröffentlicht. Was zunächst einmal sehr zu begrüßen ist, verschlägt einem bei näherem Hingucken den Atem.
Lediglich die Zuchtordnung des "Französische und Englische Bulldoggen e.V." legt strenge Maßstäbe im Interesse des Wohls und der Gesundheit der Bulldoggen an. Zum Thema Kaiserschnitt wird ein Zuchtausschluss nach dem 2. Kaiserschnitt ohne Wenn und Aber festgelegt.
Die Zuchtordnung der "Interessengemeinschaft Bulldoggen im MPRV e.V." spart das Thema ganz aus, als sei es bei den Bulldoggen nicht existent.
Der "Club für Englische Bulldogs e.V." allerdings mutet seinen Hündinnen per Zuchtordnung sogar noch mehr Kaiserschnitt-Geburten zu, als das Qualzuchtgutachtem empfiehlt. Es heßt: "Eine Hündin mit 3 Schnittgeburten scheidet aus der Zucht aus, auch wenn sie das 7.Lebensjahr noch nicht erreicht hat." (§ 4.3)

Kaiserschnittboom wegen Zucht aus Liebhaberei ?

Es ist kaum vorstellbar, dass man bei einer Zucht aus Liebhaberei zu den Hunden - vorgebliches Motiv aller Züchter im VDH und den hier genannten Vereinen - einer Hündin und der Rasse soviel Kaiserschnitt zumutet. Es ist ferner zu prüfen, ob die weitere Verwendung einer Hündin für die Zucht auch nach einer zweiten Kaiserschnitt-Geburt bereits als Tierquälerei und Qualzucht anzusehen ist.
Im Interesse
  • des Schutzes der Gesundheit der einzelnen Hündin
  • des Schutzes der Rasse vor weiterer Degeneration durch verantwortungslose Zucht
  • einer neuen Ethik der Zucht, die das Wohl der Hunde vor die Interessen des Kommerz stellt
müssen nachhaltige Maßnahmen zur Förderung der natürlichen Geburten bei unseren Rassehunden ergriffen werden

Im letzten Post über die Wende beim britischen Kennel Club sehr erfreut, sind wir hier wieder in den Tiefen der züchterischen Realität in Deutschland angekommen.