Donnerstag, 6. August 2009

Warum ein Windhund ? - Teil 3

von Dr. Margrit Miekeley - Dritter und letzter Teil

Züchter, die in den Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts in Zuchtbüchern Artikel verfassten, warnen bereits eindringlich vor Inzucht und ihren Konsequenzen (heute bekannt als "Inzucht-Depression"). Das waren die praktischen Erfahrungen, die sie mit dieser Zuchtmethode machten. Heute bestätigen Genetiker diese, weil Inzucht auf die Vitalität der Hunde einen nachteiligen Einfluss hat. Ungeachtet dessen wird diese Zuchtmethode auch heute noch im 21. Jahrhundert sehr häufig anwendet, um erwünschte Merkmale zu erhalten und erfolgreiche Hunde zu züchten. Es sind aber meistens die Züchter, die Champion-Titel zählen. Sie schwören auf diese Zuchtmethode, weil sie sich von ihr versprechen, weitere Champions hervor zu bringen (Champion- oder Elitezucht). Dabei wird verschwiegen, dass einige mit ihren Hunden Dauerpatient in Tierkliniken sind. Auch wenn es um die gemäßigtere Form der Linienzucht geht, so schadet sie auf lange Zeit gesehen dem Erbgut der Hunde. Diese Schäden werden durch eine relativ lange Generationsfolge bei Hunden erst spät sichtbar. Prof. Hannes Lohi von der Universität Helsinki warnt auf dem Seminar während des Saluki World Congress, der 2008 in Finnland stattfand, eindringlich vor Inzucht bei Rassehunden. Sie homogenisiert weitere Gene, was im Major Histokompabilitätskomplex (MHC) des Hundegenom dramatische Folgen aufweist, gerade im Hinblick auf die Abwehr von Krankheiten. Dieser Genbereich ist nämlich für das Immunsystem von Lebewesen verantwortlich. Es rühmen sich einige Züchter auch heute noch damit, seit vielen Jahren eine "konsequente Linienzucht" zu betreiben, um einen bestimmten Zwingertyp zu erhalten. Dieses Vorhaben lässt sich aber nicht durch die "Einbahnstraße" einer Verwandtschaftszucht realisieren, sondern eher durch das überlegte Intervall mäßige Verpaaren der Zuchthündinnen mit Fremdrüden, die dem erwünschten Typ entsprechen. Bei einigen Windhundrassen sieht es mittlerweile so aus, dass Hunde aus erfolgreichen Linien oder die selbst besonders viele Championtitel im Ausstellungs- oder Sportwesen errungen haben, in beinahe allen Ahnentafeln vorkommen; es somit kaum noch Hunde gibt, die nicht miteinander verwandt sind. Das fällt besonders auf, wenn man selbst wieder einen Welpen sucht. Sehr erfolgreiche Hunde in Schau und im Sport werden mit eben solchen verpaart (Elitezucht). Der Genpool wird durch solche Maßnahmen in einer Population kleiner. Hinzu kommt noch, dass bei manchen Windhundrassen ein Trend zur Aufteilung in Schau- und Leistungshunde zu erkennen ist. So etwas darf auf keinen Fall sein, weil Form und Funktion gerade bei einem Windhund eine Einheit bilden! Diese Hunderasse wurde einstmals für die Jagd gezüchtet. Eine schwerpunktmäßige Ausrichtung auf ein Betätigungsfeld, wie bspw. auf das Ausstellungswesen, kann einen solchen Hund anatomisch und verhaltensmäßig so verändern, dass er diese ursprüngliche Funktion nur schwer oder gar nicht mehr ausüben kann. Übertriebene Rassemerkmale, wie bspw. Schwanenhals, abfallende Rückenlinie, zu stark gewinkelte Hinterhand, atypisches Gangwerk, können die eigentliche Funktion des Windhundes beeinträchtigen oder verhindern. Auf diese falsch verstandene Auslegung eines Standards sollten Richter zugunsten der Gesundheit von Windhunden vermehrt achten. Jede züchterische Einschränkung, wie bspw. auf Farben oder Muster (hier ist die Diskussion um Weißanteile beim Azawakh oder um die Stromung beim Saluki zu nennen), geht auf Kosten einer Vielfalt der Gene und führt weiterhin zu einer Verarmung notwendiger Gene im Hundegenom.

Barsois

Als Biologin, die sich seit vierzig Jahren schwerpunktmäßig mit Genetik beschäftigt, aber ebenso praktische Zuchterfahrungen mit Wirbeltieren unterschiedlicher Art besitzt, wird man gerade von den Züchtern belächelt, die "praktische Hundezucht" als etwas ganz anderes ansehen, die nämlich ihre "eigenen" genetischen Gesetze haben soll!
Es wird einem vorgeworfen, dass man als "Theoretikerin" nicht mitreden kann und Kritik sei deshalb fehl am Platze. Diese Mutmaßungen werden wiederum von den Leuten geäußert, die sich seit vielen Jahren züchterisch "im Kreise drehen". Somit ist es eine sehr simple Art, unbequeme Leute zum Schweigen zu bringen, um sein eigenes Tun zu rechtfertigen. Jedoch - Unkenntnis schützt vor Torheit nicht!

Aus meinen experimentellen Zuchterfahrungen wahrend meiner Biologie-Studien, besonders an Fischen und Kleinsäugern, bleibe ich auch heute noch bei meiner propagierten Forderung: "Möglichst KEINE Inzucht" und appelliere dafür, dass Halter und Züchter mit Wissenschaftlern zusammen arbeiten und ihnen DNA-Analysen ihrer Hunde zur Verfügung stellen, um gerade bei Zuchthunden die Beschaffenheit ihrer Gene zu ermitteln, um mit dem Ziel verpaaren zu können, eine größere Vielfalt durch langjährige Züchtungen homogen gewordener Gene wieder zu erreichen. Auch so ist es möglich, das körpereigene Abwehrsystem gegen Krankheiten zu stabilisieren. Deshalb reicht es nicht aus, einmal einen Outcross vorzunehmen, auch nicht mit einem Direktimport aus den Heimatländern. Durch eine Studie an der Universität Helsinki konnte bewiesen werden, dass diese Hunde einen höheren Anteil an heterozygoten Genen besitzen als Hunde aus westlichen Linien (s. Seminar SWC; Studie Prof. Hannes Lohi, Universität Helsinki). Deshalb sind stark einschränkende Maßnahmen von Zuchtmöglichkeiten abzulehnen (bspw. keine Imp.0 x Imp.0 Verpaarungen), weil Importhunde aus den Heimatländern als bedeutendes genetisches Potenzial für "Blutauffrischungen" anzusehen sind.

Windhunde sollen etwas Besonderes bleiben. Das geht aber nur, wenn sie gesund sind! Es ist ein unbeschreiblich schöner Anblick, sie in vollem Galopp und in weiten Sprüngen über die Ebene dahin fliegen zu sehen. Ich finde es sehr traurig, wenn einige von ihnen in jungen Jahren aus Gründen von Zuchtfehlern uns verlassen. Genau so gut sollte es jeden Einfluss Nehmenden nachdenklich stimmen, wenn allein im deutschen Windhund-Zucht-und-Rennverband jährlich fast 1500 Welpen geboren werden (es kommen noch Hunde anderer Rassen hinzu), die alle bei Leuten ein gutes Zuhause finden sollen, die genügend Zeit, Kenntnis und Muße haben, einen solchen "Leichtathleten" richtig zu halten. Es ist heutzutage kaum noch möglich, diesem "Leistungssportler" unter den Hunden im freien Gelände gefahrlos ausreichend Bewegung zu verschaffen. Es ist wirklich ein Glück für uns Windhundleute, dass uns im Verband zahlreiche Vereine genügend Möglichkeiten anbieten, an Trainings, Rennen und Coursings ausreichend teilzunehmen. Das alles macht dem Hund sowie dem Menschen großen Spaß und alle sind nach einem solchen aktiven Trainingssonntag wieder zufrieden. Leider gibt es heute immer mehr Menschen, die Hunde, wie eine unbequem gewordene Sache, ins Tierheim abschieben. Dann landen diese "Aristokraten" genau so gut dort, wie andere Hunde auch. Solange die Zahl geborener Welpen höher ist als Welpennachfragen, bleibt die Sorge zurecht bestehen, wo die "Überproduktion" bleibt? Deshalb wäre eine Reduzierung der Zuchtaktivitäten im Interesse aller ungeborenen Windhunde. Menschliche Eitelkeit und Egoismus sollten der Vernunft zum Wohle der Hunde weichen.
Ebenso lehne ich es ab, wenn Windhunde in Käfigen und Zwingern gehalten werden. Die Anzahl der Windhunde im Rudel sollte überschaubar bleiben, weil der Mensch ansonsten dem Einzellebewesen kaum noch gerecht wird.


Irgendwann habe ich mich mal entschieden, nie Hunde züchten zu wollen, weil ich mir sehr gut vorstellen kann, wie schwierig es ist, sich von den niedlichen Welpen zu trennen, was natürlich sein muss. Inzwischen bin ich froh, dass ich konsequent bei meiner Entscheidung geblieben bin, weil es wirklich genügend Welpen gibt, die alle ein passendes Zuhause suchen. Auf Internetseiten und in Hundemagazinen werden sie inzwischen angeboten. Doch auch Hunde aus Hilfsorganisationen dürfen nicht vergessen werden, die ebenso ein neues Heim bei netten Menschen suchen. Das alles bestätigt letztendlich meinen Entschluss!

fliegender Saluki im Freilauf

Ja, ich liebe Windhunde, das steht seit fast vier Jahrzehnten fest, deshalb begrüße und unterstütze ich die Initiative des DORTMUNDER APPELLS.


Im Juli 2009
Dr. Margrit Miekeley
www.meinewindhunde.de
Text und Fotos © Dr. Margrit Miekeley


Dr. Margrit Miekeley ist Autorin des Buches "Ein Leben mit Windhunden und anderen Tieren. Geschichten und Erfahrungen", das 2005 im Kynos Verlag erschienen ist. Das Buch ist bereits vergriffen, jedoch sind noch ein paar Exemplare bei der Autorin vorhanden. Unter Miekeley@aol.com kann ein Buch zum Preis von € 13,50 (zzgl. Kosten für Porto und Verpackung) bestellt werden.