Montag, 10. September 2018

Den Bulldog retten?!

Man mag ihn oder man hasst ihn. Beim englischen Bulldog scheiden sich die Geister. Ob man ihn nun mag oder nicht, er ist die erste und älteste Hunderasse der modernen Rassehundezucht. Der Bulldog zählt ebenso zu den ältesten Hunderassen der Welt überhaupt und lässt sich bis zu den Römern und Kelten nachverfolgen. Dort dienten Bulldogs bis ins britische Empire hinein als Kampfhunde in den Arenen des Tierkampfes. Durch seine Kampfkraft, seinen Mut, seine Entschlossenheit und sein Durchhaltevermögen wurde der Bulldog legendär.
Der Bulldog ist weltweit der am meisten als Symbol oder Maskottchen verwendete Hund. Ob Autos, Traktoren, Flugzeuge, Schiffe, Baseball- oder Footballmannschaften, Universitäten, Herrenparfum, Bier - es gibt kaum ein Thema, das nicht mit dem Bulldog wirbt. Selbst Schlankheitsmittel wie Almased werben in teuren Kampagnen mit Bulldog. Das ist kein Zufall. Der Bulldog hat einen einzigartigen Charakter. Er hat Charme, Coolness, Contenance bis hin zum scheinbaren Phlegma und zugleich einen unbändigen, ungestümen Willen mit - wenn er will - enormer Durchschlagskraft. Nicht umsonst ist er britischer Nationalhund und Churchill rief im Zweiten Weltkrieg seine Truppen auf, sie sollten "kämpfen wie ein Bulldog" - in England damals wie heute eine verbreitete Losung.
The Perfect Bulldog von 1900 - auch exakt der perfekte Bulldog entsprechend heute geltendem FCI-Standard - ohne Qualzuchtmerkmale.
Heutiger Bulldog auf der World Dog Show 2017 des VDH in Leipzig. Solche Hunde widersprechen eklatant dem Standard und müssten disqualifiziert werden (Nasenfalte, Rute, Gewicht, Körperbau etc). In der Realität erhalten solche und noch wesentlich schlimmer missgebildete Exemplare auf den VDH-Shows höchste Bewertungen und Championate.

Die erste und älteste moderne Hunderasse

Freilich war dies ein anderer Bulldog als der, den wir heute in den Ringen der Ausstellungen ansehen müssen. Der Bulldog ist nicht nur die erste, vielmehr auch der am meisten von ihr gebeutelte und geschundene Hund der modernen Rassezucht. Weite Teile muss man heute als Qualzucht bezeichnen, Hunde, denen die Show-Zucht einen Körper verpasst, der ihnen die Teilnahme am normalen Leben ihrer so geliebten Menschen zur Qual werden lässt. Es ist ein Skandal, dass unser Staat und wir alle so etwas mitten in Europa geschehen lassen. Jeder Tier- und besonders jeder Hundefreund müsste aufstehen und ein "Stopp!" dieser systematischen Tierquälerei einfordern. Die, die sich dann zuweilen melden, machen es sich leider oft zu einfach, wenn gleich ein Zuchtverbot gefordert wird. Damit ist nichts gewonnen. So macht man es sich zu einfach. Nicht die Hunderasse, das Opfer, gehört verboten, vielmehr die Qualzucht und die ganz allgemein. Den Tätern sollte das Handwerk gelegt werden! Das gilt leider auch für viele weitere Hunderassen, denken wir an Dobermann, Lundehund, Bully oder Mops - um nur einige zu nennen.
Bereits 1846 wurde der Bulldog als Begleiter britischer Gentlemen kommerziell gezüchtet.
Mein Traumhund...

Der Bulldog ist ob seines charismatischen, uns Menschen überaus herzlich zugewandten und trotzdem eigenwilligen, derben Charakters mein Traumhund. Schon in meiner frühesten Kindheit zog er mich in den Bann. Als ich in den 1990er Jahren endlich den ersten "eigenen" Bulldog zu mir holen konnte, war ich noch vollkommen naiv hinsichtlich der Abgründe der Hundezucht. So begann ich, so musste ich beginnen, mich für meinen besten Freund zu engagieren, für sein Wohl und seine Gesundheit. Ein ganze Menge Dinge wurden seither bewegt. U.a. entstand so das "Schwarzbuch Hund - Die Menschen und ihr bester Freund", dessen umfassend überarbeitete und aktualisierte Neuauflage für Oktober geplant ist.

...von VDH und Tierschutz verraten

2010 interessierte sich sogar die VDH-Spitze für das Wohl des Bulldogs und holte mich ins Boot für eine Wende in der Zucht des Bulldogs. Anfang 2012 musste man feststellen, dass diese gescheitert war - zumindest vorerst. Die breite Masse der Züchter hatte - von Mallorca aus gesteuert - einen Weg gefunden, sich dieser Wende zu entziehen und trotzdem im Geschäft zu bleiben. Sie meldeten ihren Zwinger bei einem FCI-Verband in Griechenland, der Ukraine, Slowakei, Ungarn, Aserbaidschan oder anderen Ländern an und konnten so weiter auf den Shows des VDH ihre V1-Bewertungen und Championate holen. Ein laut FCI-Statuten zwar illegaler aber mit etwas Bakschisch locker machbarer Weg. Den Welpenkäufern in Deutschland werden dann irgendwelche Märchen erzählt, wenn es denen überhaupt auffällt. Diese "Züchter" können für viel Geld die Nachkommen eines VDH-Champions vermarkten und sich mit den VDH-Bewertungen den Anschein einer seriösen Zucht geben. Die "Züchter" haben den weiteren monetären Vorteil, dass rein gar keine Kontrolle ihrer Zucht mehr stattfindet und sie offizielle FCI-Papiere auf Zuruf  bekommen. So können dann auch noch Kuckuckswelpen problemlos vermarktet werden. Der VDH profitiert daran ebenso, denn er verdient eh mehr als die Hälfte seiner Einnahmen mit den Ausstellungen. Zugleich hat er sich faktisch der züchterischen Verantwortung für diese in der öffentlichen Kritik stehende Hunderasse entledigt. Auf der Strecke bleibt das Wohl des Hundes.
Beim Jubiläum des Österreichischen Bulldog-Klubs durfte ich die Rede halten. Ich habe meine Kritik an den Missständen der Rassehundezucht deutlich genannt. Trotzdem oder gerade deswegen gab es sehr viel Zustimmung.

Österreich: Es geht auch anders!

Am 8. September 2018 feierte der Österreichische Bulldog-Klub (ÖBUK) sein 120-jähriges Jubiläum im Gebäude des Österreichischen Kynologenverbands (ÖKV). Der Klub ist der älteste Hundeverein Österreichs. Präsident Günther Stadler hatte mich eingeladen. Ich konnte mir ein Bild machen und mit vielen Verantwortlichen wie Welpenkäufern sprechen und natürlich die Bulldogs anschauen. Es macht viel Hoffnung, was da unter Leitung von Präsident Stadler, seiner Vorgängerin Sabina Raser und der Zuchtverantwortlichen, Tierärztin Dr. Eva Müller, auf den Weg gebracht wird. Der Klub engagiert sich für einen gesunden Bulldog und das nicht nur in Worten. Wir sehen Bulldogs, die problemlos am Leben ihrer Familie teilnehmen können, fit und munter mit einer normalen Lebenserwartung. Der offizielle FCI-Standard wurde 2009 extra in diese Richtung geändert, eine Richtung, die der ÖBUK konsequent geht. Eigentlich sollte das eine Selbstverständlichkeit sein. Doch wird selbst der geltende Standard ignoriert wenn es um die extremsten Bulldogs mit riesigen Nasenfalten und plumpem Körperbau geht. Die Österreicher sind hier die positive Ausnahme. Nur wenige Züchter wie die verbliebenen drei im VDH, vorne dran Bettina Selle-Treiber (Smooth Power Pack) und vielleicht eine Handvoll weiterer Züchterinnen gehen ebenso diesen Weg. Doch es ist der einzige Weg mit einer Zukunft für den Bulldog.
ÖKV Zuchtrichterin Gabriela Höllbacher und die Clubsieger. Hier liegen Welten zwischen den kranken Hunden auf den VDH-Shows und den vitalen beim ÖKV.

Es geht um mehr als "nur" den Bulldog

Der Welpenmarkt des Bulldogs wird immer mehr von der mafiös organiserten Szene des Welpenhandels und der unseriösen "Züchter" nach oben beschriebenem Muster beherrscht. Nach meiner Schätzung kommen weit mehr als 90% aller Welpen aus solchen Quellen, die einzig ein hochprofitables Geschäft zulasten der Hunde, der Welpen und besonders der Mutterhündinnen darstellen. Der Bulldog ist jedoch nur ein Kristallisationspunkt der ganzen Missstände in weiten Teilen der Hundezucht mit Stichworten wie "Qualzucht" und "Hundehandel". Leider ist Hundehandel in der EU legal. Es gibt zwar auch den illegalen Hundehandel, etwa wenn Welpen zu jung in Europa vermarktet werden, aber das ist nur ein kleiner Teil. Die breite Masse der Puppy Mills mit der nötigen europaweiten Vermarktung ist in der EU legal. Deshalb greift auch die Forderung nach einem Stopp des illegalen Hundehandels viel zu kurz. Hundehandel als solches gehört EU-weit verboten. Nur seriöse Züchter selbst sollten ihre selbst gezüchteten Hunde gegen Entgelt direkt an die Hundehalter veräußern dürfen.

Es gibt keine Lobby für eine gesunde, artgerechte Hundezucht. Im Gegenteil, holen sich die Welpenkäufer immer öfter ihren Hund aus dieser Szene und befeuern damit diese systematische Tierquälerei. Das ist die Realität des Tierschutzes. Deshalb ist das Engagement des ÖKUB für eine Wende in der Zucht des Bulldogs nicht hoch genug zu bewerten. Es ist der einzig richtige Weg, diese tollen Hunde, dieses Kulturgut der Menschheit zu retten und für die kommenden Generationen zu erhalten.
Edna (Züchterin und Besitzerin Dr. Eva Müller) gewann den Veteranen-Titel. Ein munteres Bulldog-Mädchen, dem man ihre 12 Jahre nicht anmerkt - toll!
Es ist unsere Verantwortung, unser Teil echter Freundschaft zu unserem besten Freund, genau hierfür Sorge zu tragen. Und das betrifft alle Hunde. Sie brauchen unsere Fürsorge und sie haben diese allemal verdient.

Wir haben Verantwortung, nicht nur für den eigenen Hund.


Bulldogs in Geschichte und Gegenwart

Ein Beitrag von Christoph Jung