Donnerstag, 22. Oktober 2020

Fastdog - Online bestellt frei Haus - Wie kaufen wir unseren Hund?

Hundehaltung erlebt derzeit einen Boom. Corona lässt die Nachfrage nach oben schnellen. Zugleich sinkt das Angebot an Welpen und Auslandshunden. Die Grenzen sind nicht mehr so durchlässig. Das erschwert den internationalen Hundehandel, den legalen wie den illegalen.

Die Tierärztin Rowena Packer untersucht seit einigen Jahren das Kaufverhalten in diesem Markt. Die Professorin am Royal Veterinary College der University of London kommt zu keinem schmeichelhaften Ergebnis. Käufer von unter Qualzucht leidenden Rassen verdrängen aktiv das Leiden ihrer Hunde. Das Verhalten beim Kauf von Welpen oder Auslandshunden gleicht sich darüber hinaus dem Verhalten beim Kauf von Konsumartikeln an. Eine dänische Studie bestätigt diese Beobachtung (Prof. Peter Sandøe).

Die 4 "Sünden" beim Hundekauf

1. Kauf von Hunden mit Qualzuchtmerkmalen

In den letzten Jahren boomen Mops, Französischer Bully und Bulldog - Plattnasen. Dabei kann man die Hinweise auf das Leid durch die Fehlentwicklungen der Zucht nicht übersehen. Atemnot ist nur eines der Schicksale. Tatsächlich werden (nicht nur) diese Hunde immer extremer gezüchtet. Warum? Weil "Hundefreunde" sie so kaufen. Ähnliches gilt für exklusive Farben wie Merle oder Delute, für Verzwergung (Toys, Minis) oder Gigantismus. Die Liste der Gräuel, die wir unseren Hunden antun, ließe sich lange fortführen.

2. Kauf per Internet

Wie Packer und Sandøe belegen, werden immer mehr Hunde (Welpen oder Tierschutzhunde) direkt per Mausklick gekauft. Vom Sofa aus. Kein Besuch vor Ort beim Züchter oder im Tierheim. Kein Warten auf den Wurf. Bestellt wie ein DVD-Player. Lieferung möglichst sofort. Je jünger die Käufer, desto größer ist der Anteil solcher Fastdog-Konsumenten.

3. Kauf bei zwielichtigen Anbietern

Man "vertraut" den vollmundigen Versprechungen der Anbieter. Bequem. Verzichtet auf Besuche vor Ort, Besichtigung des Wurfs. So genannte Tierschutzorganisationen werden nicht hinterfragt, auf organisatorische und finanzielle Transparenz verzichtet. Man akzeptiert Züchter mit Handynummer und Lieferung vor Ort. Oder mit Verweigerung eines Besuchs beim Wurf. Auf solcher "Vertrauens"-grundlage würden diese "Hundefreunde" nicht mal eine Waschmaschine kaufen. Da wird verglichen, Testberichte gelesen, Bewertungen angeschaut.

4. Kauf auf Basis Emotion

Welpen sind immer niedlich. Das zählt zur Natur aller Säugetiere. Denn sie sind nach der Geburt von den Eltern vollkommen abhängig. Es ist tief in unseren Instinkten verankert, auf Welpen abzufahren, Hunde, Katzen, Ponys, Babys. Ähnlich mit dem Hund in Not. Anbieter, die auf Gefühle abstellen, sind unseriös (niedliche Welpen oder der Hund auf der Tötungsstation oder mit zig Handicaps). Gefühle spielen immer eine Rolle. Doch gerade bei so etwas Wichtigem wie einem Hund, einem neuen Freund, dem wir für 10 und mehr Jahre ein artgerechtes, schönes Leben bereiten wollen, sollte der Verstand eingeschaltet werden.

Verantwortung für das Wohl der Hunde übernehmen

Meint ein verantwortungsbewusstes Verhalten als Käufer.
WIR ermuntern Vermehrer und Qualzucht.
WIR lassen in diesem Milliardenmarkt den internationalen Hundehandel erblühen. 
WIR lassen mafiöse Strukturen auf Kosten des Wohls der Tiere zu.
WIR finanzieren dieses Leid. 

Hin- statt wegschauen

Kritisch hinschauen, was sich hinter vollmundigen Bekundungen von der angeblichen Liebe zu einer Rasse, dem selbstlosen Aufopfern für vermeintliche Nothunde steckt. Wir sollten Tranzparenz und Kontrolle einfordern - unserem Freund zu Liebe. Wir sollten das Tier real wertschätzen. Meint, dass man sich die Mühe macht, sich bereits lange vor einem Kauf kundig zu machen, zum Züchter zu fahren, sich die Tierschutzorganisation, das Tierheim vor Ort anzuschauen. Und ggfs auch ein paar Monate auf seinen Hund zu warten. Kein Hund hat es verdient, bei der Anschaffung wie ein Küchenmixer oder ein DVD Player oder eine Geburtstagsüberraschung behandelt zu werden. 

Ein Beitrag von Christoph Jung


Literatur

  • Bartels, T. & Wegner, W. (1998). Fehlentwicklungen in der Haustierzucht. Stuttgart: Enke 
  • Bartels, T. et al. (1999). Gutachten zur Auslegung von § 11b des Tierschutzgesetzes (Verbot von Qual-Züchtungen). Berlin: BMVEL 
  • Hauser, M. (2018). Zuchtkrank – Hunde im Modewahn. Ludwigsburg: Filmakademie Baden-Württemberg
  • Jung C., Pörtl D. (2019). Qualzucht - warum wir unsere Lieblinge quälen. TIERethik - Zeitschrift zur Mensch-Tier-Beziehung 01/2019 
  • Jung, C. & Pörtl, D. (2015). Tierisch beste Freunde: Mensch und Hund - von Streicheln, Stress und Oxytocin. Stuttgart: Schattauer Verlag für Medizin und Naturwissenschaften.
  • Jung, C. (2018). Schwarzbuch Hund: Qualzucht, Hundehandel, Futterschwindel Norderstedt: BoD.  
  • Jung, C. (2019). Qualzucht - warum wir unsere Lieblinge quälen https://petwatch.blogspot.com/2019/05/qualzucht-warum-wir-unsere-lieblinge.html
  • Packer, R. M. A., Murphy, D., Farnworth, M. J. (2017). Purchasing popular purebreds: Investigating the influence of breed-
  • Rowena M. A. Packer, Dan G. O’Neill, Francesca Fletcher, Mark J. Farnworth (2020) Come for the looks, stay for the personality? A mixed methods investigation of reacquisition and owner recommendation of Bulldogs, French Bulldogs and Pugs. PLOS ONE 15(8): e0237276.
  • Sandøe, P. et al. (2017). Why do people buy dogs with potential welfare problems related to extreme conformation and inherited disease? A representative study of Danish owners of four small dog breeds PLoSONE 12(2):e0172091.