Samstag, 25. April 2015

Der besondere Hundeblick

Der Blick unseres Hundes kann das Herz von Herrchen und Frauchen zum schmelzen bringen. Auch Hunde scheinen den Blick vertrauter Menschen zu mögen. Dabei vermeiden Hunde untereinander meistens, sich in die Augen zu schauen. Es gilt häufig als Provokation, als eher aggressiver denn emotional entspannender Akt. Auch bei Menschen untereinander hat das "in die Augen schauen" zwei Bedeutungen. Es kann eine Geste der Dominanz, der Ermahnung sein. Unter vertrauten Menschen ist es zumeist eine Geste der Zuneigung, des Vertrauens und Mittel zur Stärkung der Bindung. Dabei wird das Hormon Oxytocin ausgeschüttet.

Oxytocin nicht nur zum "kuscheln"

Oxytocin, 1906 von Henry Dale entdeckt, wird gemeinhin als "Kuschelhormon" bezeichnet. Tatsächlich ist es ein neurobiologisches Steuerungselement zur Stärkung der Bindung von Menschen und anderen Säugetier-Spezies untereinander, innerhalb ihrer jeweiligen Spezies. Es spielt für die Mutter-Baby-Bindung eine grundlegende Rolle, wie etwa von der schwedischen Physiologie-Professorin Kerstin Uvnäs-Moberg nachgewiesen wurde, die zugleich deren stressreduzierende Wirkung beschrieb. Oxytocin als Steuerungselement hat seine verbindende Bedeutung aber nur bei individualisierten Beziehungen von Menschen untereinander bis hin zur Größenordnung einer Kleingruppe. Bei einer großen Anzahl von Individuen wirkt es zugleich als innere Abgrenzung der eigenen Kleingruppe gegenüber Außenstehenden.
Foto: Christoph Jung
Mensch und Hund verbindet Besonderes. Für die meisten Hundehalter ist diese Feststellung nichts Neues, eine Selbstverständlichkeit. Sie entspricht der täglichen, langjährig erlebten Erfahrung, oft über Generationen hinweg. Die Wissenschaft ist da etwas vorsichtiger mit ihren Aussagen. Da müssen erst einmal belastbare Belege her. Lange Zeit haben es Wissenschaftler als melancholische Verklärung angetan, dem Hund eine besondere Stellung einzuräumen. Seit einigen Jahren wird die Mensch-Hund-Beziehung von verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen systematisch erforscht. Schritt für Schritt werden die Erfahrungen aus der Praxis des Zusammenlebens mit Hund bestätigt und wissenschaftlich untermauert.

Erfahrungen der Hundefreunde werden wissenschaftlich bestätigt

Dabei wurde nachgewiesen, dass in der Beziehung Mensch - Hund ebenfalls Oxytocin aktiv ist. So lässt das Streicheln des Hundes vermehrt Oxytocin ausschütten wie Untersuchungen in Italien und Südafrika zeigten. Das gilt besonders im Zusammenhang mit der Begrüßung des Hundes durch den Halter, wie Therese Rehn von der Uni Uppsala in Schweden erst kürzlich belegen konnte. Es gibt inzwischen eine ganze Reihe von Studien, die eine entspannende, stressreduzierende Wirkung des Kontaktes von Mensch und Hund neurobiologisch nachweisen.
Foto: Christoph Jung
Japanische Forscher um Miho Nagasawa haben jetzt aktuell eine Studie veröffentlicht, die noch einen Schritt weitergeht. Erstmals wurde ein selbsterhaltender Oxytocin-basierter Regelkreis zwischen Mensch und Hund nachgewiesen. Wenn sich Hund und Halter, also vertraute Individuen, gegenseitig in die Augen schauen, so fördert das bei Beiden die Ausschüttung von Oxytocin. Die Forscher konnten nachweisen, dass eine oxytocinvermittelte Gefühls-Rückkopplung aktiv ist, die es ansonsten nur innerhalb einer Spezies, etwa unter vertrauten Menschen gibt. Hier wirkt zwischen Halter und Hund, also Vertretern zweier unterschiedlicher Spezies. Bei Wölfen, auch wenn sie vom Menschen handaufgezogen wurden, diesem also sehr vertraut sind, zeigt sich kein Oxytocinanstieg beim Blickkontakt. Zudem vermeiden selbst zahme Wölfe solchen Blickkontakt eher. Die Studie aus Japan ist der erste wissenschaftliche Nachweis eines zwischenartlichen selbsterhaltenden Oxytocin-Regelkreises überhaupt.
Foto: Christoph Jung
Die Wirkung von Mensch und Hund aufeinander ist einzigartig

Die Beziehung zwischen Mensch und Hund ist eine besondere. Sie hat sich in über 30.000 Jahren gemeinsamen Kampfs ums Überleben herausgebildet. Es ist eine Partnerschaft, die schon seit und mit ihrer Entstehung in der Altsteinzeit half, Stress abzubauen und zwar für Mensch und Hund resp. Wolf. Gemeinsam war man in den eiszeitlichen Mammutsteppen ein starkes Team. Weniger Stress im alltäglich Überlebenskampf bedeutete mehr Potential für die kreativen und kulturellen Fähigkeiten der Menschen, für deren Fähigkeit, größere soziale Strukturen mit Handel und Arbeitsteilung zu entwickeln. Auch die einzigartige Fähigkeit der Hundes, vielfältigste Aufgaben für den Menschen und in teils engster Teamwork mit dem Menschen zu übernehmen, hat hier ihre Wurzel.

29.000 Jahre alter Hundeschädel, dem man einen Mammutknochen ins Maul gelegt hat: "Dank an einen verdienten Jagdpartner?" fragen die Archäologen
(Anthropos Museum, Brno, mit freundlicher Genehmigung Mietje Germonpré)

Mehr als nur Selektion auf Zahmheit

Hormone wie Oxytocin, Serotonin oder Dopamin zeigen die tiefgehende Bedeutung der Bindung Mensch Hund bis auf neurobiologische Ebene an. Deren Wirkung wirft auch ein neues Licht auf die Entstehung und das Verstehen des Hundes. Sie erzählt uns viel mehr über den Menschen als bisher gedacht wurde. Und sie zeigt, dass die Entstehung des Hundes nicht allein aus genetischer Selektion zu erklären ist. Ein spannendes, bisher kaum erforschtes Kapitel auch der Menschheitsgeschichte. Zusammen mit der Neurologin Daniela Pörtl hat der Autor dieser Zeilen hierzu 2012 das Modell der aktiven sozialen Domestikation des Hundes vorgestellt.

Ein Beitrag von Christoph Jung, Diplom-Psychologe



 
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