Mittwoch, 29. Februar 2012

Pedigree Dogs Exposed: Three Years On

3Jahre nach der bahnbrechenden BBC-Dokumentation von Jamima Harrison zu den Missständen in der Rassehundezucht, wurde nun am 27.02.2012 der zweite Teil in der BBC ausgestrahlt. Leider konnte man den Beitrag nicht in Deutschland empfangen, aber auf Youtube kann man das nachholen:
Man kann PDE direkt bei der Produktionsfirma als DVD bestellen!

Nachtrag 1.3.: Die Youtube-Clips wurden aufgrund der Urheberrechte der Produktionsfirma gelöscht. Man kann sich nur dafür stark machen, dass "Pedigree Dogs Exposed" und "Pedigree Dogs Exposed: Three Years On" endlich einmal auch im deutschen TV gesendet werden. 

Sonntag, 26. Februar 2012

Verantwortungsvolle Zucht - 27 Doggen auf einen Streich?

27Welpen der Hunderasse Deutsche Dogge auf einen Schlag - die Meldung ging in diesen Tagen breit durch die Medien. 27 süße Welpen wurden gezeigt und liebevolle Käufer derselben gesucht - von einer "Züchterin" im VDH-Club DDC, dem ältesten deutschen Hundezuchtverein überhaupt.

Wenn man genauer hinschaut ist das Ganze alles andere als süß. Und es ist auch alles andere als tierschutzgerecht oder gar verantwortungsbewusst gegenüber dem Wohl der Hunde. Einen Großhund wie die Deutsche Dogge artgerecht zu halten, muss nicht nur gefühlt vielmehr auch gekonnt werden - vom Hundeverstand und vom Geldbeutel wie auch den Lebensverhältnissen her. Wer kann heute schon - selbst bei bestem Willen - in unserer, die Hunde so extrem reglementierenden Gesellschaft eine Deutsche Dogge artgerecht halten?
  • Ist es "kontrollierte Zucht" (O-Ton VDH), 27 Welpen auf einen Schlag zu produzieren?
  • Wie sollen 27 Hunde aus 2 Würfen ordentlich sozialisiert werden - gerade bei später so kräftigen Hunden wie Doggen eine elementare Voraussetzung für ein erträgliches Leben?
  • Wo sollen denn die 27 geeigneten Halter herkommen? 
  • Was hat ein solches "Zucht"gebaren mit Liebe oder auch nur Respekt vor den Hunden zu tun?
Eine Deutsche Dogge braucht mehr Kompetenz als Cavalier, Bully &Co

Heute 27 süße, kleine Welpen, die in den Medien unhinterfragt zur Schau getragen werden - in 18 Monaten 27 ein Meter große und überaus starke Kandidaten fürs Tierheim? Hauptsache der "Züchter" hat sein Konto gefüllt, nach mir die Sintflut, da können sich dann die Nothundeleute drum kümmern. Wir werden in 18 Monaten beim DDC und bei der Hobby-Produzentin nach dem Verbleib der 27 Hunde fragen. Ich hoffe, Stern-TV und die anderen Medien, die heute diese Würfe noch unhinterfragt beklatschen, tun das auch.

Meine Meinung: Ein trauriges Beispiel für verantwortungsloses und tierschutzrelevantes Vermehren.

Meine Meinung: Die in letzter Zeit verbreitete Unsitte der Mehrfachwürfe mag zwar gut für den Profit der (kommerziellen) "Züchter" sein, sollte aber in einem seriösen Zuchtverein (in der Regel) verboten sein. Jeder Wurf erfordert die volle Sorgfalt und Aufmerksamkeit eines wirklich seine Hunderasse liebenden Züchters. Jeder Züchter weiß wie anspruchsvoll es ist, jeden einzelnen Welpen eines Wurfs ordentlich zu solzialisieren.


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Text: Christoph Jung Foto: Claudia Fuhrmann

Donnerstag, 9. Februar 2012

Azawakhzucht in Europa: Versuch einer aktuellen Bilanz

E
ine Bilanz von Elisabeth Naumann und Werner Röder


Die FCI-Rasse "Azawakh" ist die hiesige Population der Herden-, Lager- und Jagdwindhunde der Tamaschek-Nomaden im afrikanischen Sahel. Azawakhs gehören zu den wenigen  Gebrauchshundrassen, die noch unter ursprünglichen Bedingungen in ihren Enstehungsisolaten auffindbar sind.

Von kynologischer und ethologischer Seite stellt sich die Frage, auf welche Weise solche historischen Bestände des canis familiaris heutzutage am Leben erhalten werden können: In staatlich subventionierten Schutzgebieten unter musealer Aufrechterhaltung der alten Mensch-Hund-Beziehungen, durch Schaffung von zoologischen Zentren mit den Umweltbedingungen der ehemaligen Habitate, über die gesellschaftliche Wiederbelebung von Haltungs- und Verwendungsbrauchtum - so etwa in der arabischen Welt -  oder durch die Propagierung als "Nationalrassen" zur Förderung kultureller Identität. Schließlich bietet sich die Möglichkeit, Vertreter bedrohter Bestände in westliche Länder mit etablierten Zuchtsystemen zu verpflanzen, um die Rasse in das dortige "Hundewesen" zu integrieren.

Im Unterschied zu extrem geprägten Schlägen wie etwa exotischen Herdenschutzhunden erschien dies bei den vielseitig talentierten Azawakhs als gangbarer Weg mit Möglichkeiten für eine überwiegend artgerechte Haltung. Begonnen hat der Versuch  in den 1970er Jahren von Seiten des ehemaligen Kolonialpatrons Frankreich. Unsere Untersuchung ist nicht zuletzt auf die Frage abgestellt, inwieweit ein Überleben als originäre Rasse im Exil aus populationsgenetischer Sicht durchsetzbar ist.

Der Beitrag geht dabei von kynologischen Positionen aus, die der Mitautor im Zentralorgan des DWZRV, Unsere Windhunde, November 2008, Themenheft Azawakh, beschrieben hat (siehe Werner Röder, The Fatal Attraction. Muss der Azawakh das Schicksal seiner europäischen Artgenossen teilen? S.36 - 41; auch bei www.arbeitskreis-azawakh.com).

Die in dieser Untersuchung erfassten 24 europäischen AZ-Würfe aus dem Jahr 2011 weisen die folgenden kompletten Inzuchtkoeffizienten (IK)  und die Ahnenverlustkoeffizienten (AVK) auf, letztere unter Berücksichtigung von fünf Generationen.


Legt man zugrunde, dass einzelne Zuchtverbände in Anlehnung an den Forschungsstand erst bei einem IK über 10 und einem AVK unter 75 die Zuchttauglichkeit verneinen, bewegen sich die Werte mehrheitlich im "grünen Bereich". Die meisten Azawakhzüchterinnen und -züchter  werden sich in den unmittelbar bevorstehenden Jahren weiterhin auf solche - allerdings dann ansteigende - Toleranzwerte ihrer künftigen Würfe berufen können. Auf den ersten Blick mag deshalb die zunehmende Popularisierung der Rasse mit dem entsprechenden Anstieg der Nachwuchsproduktion als schöner Erfolg bei der Erhaltung des Azawakhs unabhängig von seinem bedrohten Weiterleben in den Ursprungsgebieten begriffen werden.

Ist diese Zukunftshoffnung berechtigt?

Zu einem gegenteiligen Befund führt die Beschäftigung mit den genetischen Langzeitperspektiven des  Zuchtbestands. Ihre Bewertung ist bei einer minoritären Rassepopulation mit zahlenmäßig sehr kleinen importierten Gründergruppen und der sich daraus ergebenden In-, Eng- und Linienzucht unerlässlich. Als Problemstellung legen wir die wissenschaftliche Vorgabe zugrunde, die für die erbgesundheitliche Nachhaltigkeit einer Rasse den  Mindestanteil von etwa 200  untereinander nicht verwandten Exemplaren ansetzt. Ihre Zahl bewegt sich in Europa und Übersee in einer Größenordnung unter 50. Die  Ergebnisse dieser Studie lassen ein schnelles, sich selbst generierendes Absinken befürchten. Inzwischen orientiert sich  auch der Verband für das Deutsche Hundewesen in seiner Aufnahmeordnung von 2009 (VDH-AO) an den Erkenntnissen der Populationsgenetik. Danach kann ein Rassezuchtverein nur dann die vorläufige Mitgliedschaft im deutschen FCI- Dachverband beantragen, wenn er die Existenz von zehn zur Zucht geeigneten Hündinnen und von vier zuchtverwendungsfähigen Rüden notariell nachweist. Entscheidend dabei: "Die 14 Hunde dürfen keine gleichen Ahnen in der 1. und 2. Generation aufweisen"  (§ 9). Die ordentliche Mitgliedschaft wird erst gewährt, wenn dieses Zuchtpotential zwischenzeitlich "deutlich erhöht worden ist" und alle vierzehn  Hündinnen und Rüden "zu einem möglichst hohen Anteil eingesetzt worden" und dabei "entsprechend gesunde Würfe gefallen" sind (§ 12). Auch der VDH  setzt damit ein Warnzeichen gegen Engzucht und Vererberdominanz besonders erfolgreicher Show-Rüden.

Wir haben die Würfe des Jahrs 2011 über die  IK- und AVK-Indikatoren hinaus in Bezug auf ihre Bindung an die "Gründerväter" der europäischen Rassepopulation in den Blick genommen. Im Vordergrund  stehen die beiden Vererber Gefell de Garde-Epee (1990) und Firhoun Kel Tarbanassen (1991). Sie wurden zunächst unter dem Aspekt der Deckrüden-Verfügbarkeit und sodann angesichts ihrer vorzüglichen Konformation als "Popular Sires" eingesetzt. Gefell fand mittels Gefriersperma 2010 ein weiteres Mal Eingang in den Bestand.

Der eigene genetische Hintergrund der beiden Rüden ist für das Weitere von zusätzlichem Interesse:
Im Folgenden wird dargestellt, in welchen Azawakhwürfen des Zuchtjahrs 2011 und in welchem Grad das Erbgut von Firhoun/Gefell und ihrer Geschwister vertreten ist. Die Angaben sind nach den väterlichen und mütterlichen Ahnen der Würfe differenziert.


91,66 Prozent der Würfe haben väterlicherseits Firhoun-Ahnen. Lediglich Wurf Nr.10 und 23 gehen auf der väterlichen Seite nicht auf Firhoun zurück, dafür ist letzterer im Wurf Nr.10 mütterlicherseits vier Mal vertreten. Bei der Rückführung auf Gefell und Wurfgeschwister verbleiben nur die Würfe Nr. 5 und 23 (Importrüde) ohne diesen Hintergrund, es ergibt sich ebenfalls ein Anteil von 91,66 Prozent.


Firhoun und Gefell/Greboun sind bei 75 bzw. 62,5 Prozent der Mütter in deren Ahnentafeln vertreten. Die Höchstwerte liegen bei den Würfen Nr. 5 und 10,  mit jeweils vier und Nr.13 mit drei Firhoun-Einträgen sowie bei den Würfen Nr. 6 und 8 mit dreimaliger Gefell-Präsenz.
Die Würfe Nr. 2, 3,4, 9 und 12 stammen von Import-Hündinnen ab.

Das Ausmaß der sich anbahnenden Selbstblockade der Azawakhzucht wird durch das Gesamtbild des elterlichen Hintergrunds noch deutlicher:


Fazit:
2011 gab es keinen Wurf in Italien, Deutschland, Frankreich, Polen, Russland, England, Norwegen und der Schweiz, in dem Firhoun und/oder Gefell/Greboun bzw. deren Wurfgeschwister nicht vertreten sind.


Nun wird gefragt werden, inwieweit denn dieser Befund für die Weiterentwicklung der Rasse Azawakh als unzuträglich, ja bedrohlich anzusehen ist. Gilt nicht seit anderthalb Jahrhunderten die "Linienzucht" mit möglichst vielen Champions in der Ahnentafel als der Königsweg zu  erfolgreichen Züchter- und Ausstellerkarrieren? Und was soll's, wenn sich dabei sogar die Inzucht-Parameter - wie eingangs aufgeführt - weiterhin im Bereich des derzeit Akzeptablen bewegen?

Die Antwort findet sich bei der Minderzahl der Zuchtpopulation, ihrer beengten Gründungsbasis und in einer zeitnahen Zukunftsprojektion. Zu beachten ist dabei  der Umstand, dass unsere anglo-europäischen Rassen  im 19. und frühen 20.Jahrhundert aus einem großen Reservoir von Gebrauchshunden und historischen Landschlägen entstanden und von einer Vielzahl weitflächig verteilter Züchter produziert worden sind. Die ursprünglich breite genetische Basis dieser Rassen ist erst in einem längeren Zeitverlauf als Folge rigider "Standards" und des Ausstellungswesens in einem Ausmaß eingeschränkt worden, das zu den zunehmend auftretenden morphologischen Defekten und Erbkrankheiten bis hin zu sog. Qualzuchten geführt hat. Im Vergleich ist die Situation von importierten exotischen Rassen mit minimalen europäischen Gründungsgruppen und wenigen Züchtern erheblich prekärer.

Praxisbezogen gesagt:
Die 2011 geborenen Azawakhs dürften bei ihrem Zuchteinsatz in ein paar Jahren europaweit kaum noch Vermehrungspartner finden, die nicht ebenso wie sie selbst kompakte Firhoun/Gefell - Abstammungen haben. Die daraus folgenden Paarungsresultate werden die in obigem Diagramm angezeigten Abstammungsverengungen potenzieren und damit auch zur kontinuierlichen Veränderung der heutigen IK- und AVK-Werte in Richtung auf zuchtpolitisch nicht mehr vertretbare Grenzen führen. Azawakhzüchterinnen und -züchter sollten diesen Prozess nicht nach dem Motto "Nach mir die Sintflut" verdrängen. Ein populationsgenetisch negativer Zustand kann hier ungleich schneller als bei den historischen Rassen des europäischen Hundewesens zum Tragen kommen.

Ein Vergleich mit den Befunden des Jahres 2010 wurde zur Kontrolle herangezogen. Für 28 Würfe waren die Abstammungsdaten zu ermitteln. Es gibt  - wie vermutlich auch 2011 - einige "entlegene" Würfe, die mit den uns zugänglichen Quellen nicht dokumentierbar waren. Auf das Ergebnis dürften sie ohne substanziellen Einfluss sein.
(Wurf  Nr.29 ist virtuell und dient der graphischen Darstellung.)
Wurf Nr.1 entstammt einem Bruder/ Schwester - Inzest mit ENCI- Papieren (!), Wurf Nr. 28 ist eine direkte Gefell - Nachzucht unter Einsatz von Gefriersperma.

Die Import-Würfe Nr. 5 und 18 weisen die Optimalwerte von 0,00 (IK) und 100 (AVK) auf.
(Wurf Nr. 29 ist wie oben fiktiv.)
Lediglich Wurf Nr. 5 (Deutschland) ist von Firhoun/Gefell-Ahnen frei. Die beiden Abkömmlinge stehen jedoch der europäischen Zucht nicht mehr zur Verfügung.

Vergleichsrelevant sind die folgenden Feststellungen: 2010 finden sich Extremwerte des Firhoun/Gefell-Faktors bei acht Würfen:  Nr. 13 und 15 (fünf Mal Firhoun), Nr.1 und 21 (vier Mal Firhoun) sowie Nr. 8, 9, 13 und 14 (vier Mal Gefell). 2011 ist der Spitzenanteil von "Popular Sires" auf bis zu sieben Nennungen in einem Wurf gestiegen. Die Anzahl der Würfe oberhalb der Vierermarke hat sich von zwei (2010 bei insgesamt 28) auf sieben (unter nur 24 Würfen 2011) erhöht.

Die gelegentliche Verwendung einer Importhündin kann Ahnenverlust nicht wettmachen, wenn im Pedigree eines Wurfs Popular Sires und/oder inzestgezüchtete Vorfahren enthalten sind. Die in solchen Fällen mitunter zu findende Bezeicnung "desert bred" im Sinn einer COO (Country of Origin) - Qualifizierung  verstellt die Sicht auf die Problematik.

Die Azawakhzucht bewegt sich heute erneut auf jenen "genetischen Flaschenhals" zu, der von Elisabeth Naumann bereits für die Jahre 1975 bis 2000 aufgezeigt worden ist.
(Siehe: Genetische Verarmung beim Azawakh?, veröffentlicht u.a. in www.arbeitskreis-azawakh.com).

Als Erinnerung an den damaligen Befund:

Ausbildung des genetischen Flaschenhalses am Beispiel einer  Azawakh-Linienzucht im vergangenen Jahrhundert:
Öffnung des genetischen Flaschenhalses durch  Einsatz von Ursprungslandimporten, hier am Beispiel einer deutschen Azawakhzucht:

Die für beide Diagramme verwendeten IK- und AVK-Werte stützten sich auf 4 Generationen.

Der in den 1990er Jahren einsetzende Zugang von (allerdings überwiegend weiblichen) Azawakhwelpen aus dem Sahel führte auch bei anderen, häufig neu begründeten Zuchtstätten  in Europa, den USA und Lateinamerika zu einer Rehabilitierung des Gen-Pools. Die Auswirkungen auf den Rassebestand insgesamt waren durchaus bemerkbar. Dies betraf zum einen Vitalität, Sozialverhalten und Leistung (vgl. u.a. Elisabeth Naumann, Wie sähe das Deutsche Windhundzuchtbuch Band XLII (2006/2007) aus, wenn es keine Azawakh-Importe gäbe? In: www.arbeitskreis-azawakh.com, 2010).
Zu beobachten war die damals erreichte genetische Diversifizierung auch im Bereich des Ausstellungsbetriebs (vgl. Werner Röder, Wie steht's um die Rasse Azawakh? Beobachtungen und Überlegungen anlässlich der Jahresausstellung 2010. In: Azawakh Jahresjournal 2010, hrsg. von Gudrun Büxe jun. und Dennis Pomrehn, 2011).

Dieser rund um die Jahrtausendwende vor allem seitens der Association Burkinabe Idi du Sahel (ABIS) bewirkte Erneuerungsprozess durch COO-Importe erscheint mit Blick auf die gegenwärtig sich wieder abzeichnende populationsgenetische Krisenlage nach wie vor als das Mittel der Wahl, wenn die Abstammungsenge unter künftigen Zuchtgenerationen gemindert und daneben züchterische Kompetenzzentren für ein erbgesundheitlich ungefährdetes Fortleben der Rasse auf längere Sicht ermöglicht werden sollen.

Die Chancen hierfür stehen derzeit nicht zum Besten: 
Letzte Welpenimporte sind 2007 aus Mali und Niger nach Europa gelangt. Als Folge einer bürokratisch überzogenen und gegenüber Drittweltländern strangulierenden Einfuhrrichtlinie der EU-Kommission war dies nur noch über den aufwändigen Zwischenaufenthalt in den Vereinigten Staaten möglich, wo auch die Mehrzahl dieser Importe verblieben ist. Die eigentliche Barriere bilden die seit vier Jahren für Fremde bestehenden "No-Go-Gebiete" in der Sahara- und Sahelregion, die von islamistischen Bewegungen, namentlich der Al Kaida des Maghreb, durch Geiselnahmen und Mordaktionen erzwungen worden sind. Die Ursprungsgebiete der Rasse sind bis auf weiteres für Ausländer nicht erreichbar. Ob und wann diese Savannen und Halbwüsten - wie regelmäßig zwischen 1992 und 2007 - für "Azawakh-Expeditionen" wieder zugänglich sein werden, ist noch nicht absehbar. Fakt dagegen ist, dass in fünf Jahren die letzten COO-Hündinnen aus der Zucht fallen und die wenigen in Europa verstreuten Importrüden selbst bei einem gezielten Einsatz keinen quantitativ nachhaltigen Einfluss ausüben können.

Hinzu kommt, dass der ursprüngliche Rassetypus gegenüber bereits homozygot durchgeformten Vertretern mittlerweilen geringere Erfolgsperspektiven bei Ausstellungsrichtern hat. Das vor allem bei neuen Azawakh-Liebhabern aufblühende Show-Hobby führt nicht zuletzt dazu, dass Züchterinnen und Züchter den Chancen dieses Markts nachgeben und sich an den entsprechenden Bedürfnissen künftiger Abnehmer orientieren. Deren Motive bei der Anschaffung eines Azawakhs haben in der Regel wenig mit der Absicht und den Fähigkeiten zu tun, die originären Eigenschaften der Rasse zu erkennen, sie bestmöglich zu erhalten und sie weiterzugeben. Marya Morales vom Azawakh Club of America hat sich zu Recht überlegt: "Why the Azawakh is Not for Everyone  - Up until now, the Azawakh has remained safely and securely tucked away as a rare breed… With AKC recognition on the horizon and growing interest from pet owners, it is those of us with a true passion and dedication to the breed that will have to help set out a path for the future of the Azawakh …" (www.azcablog.blogspot.com). Der gegenwärtige Stand der Zucht erfordert es, mit dem Gen-Pool des hiesigen Bestands diszipliniert und zielgerichtet umzugehen. Der Ausgang des Versuchs zur nachhaltigen Bewahrung einer Gebrauchshunderasse außerhalb ihrer angestammten Habitate ist offen.

Weitere Artikel zum Thema Azawakh:

Montag, 6. Februar 2012

Entwurf für ein neues Tierschutzgesetz - Schluss mit Qualzucht?

Die Bundesregierung hat den Entwurf eines neuen Tierschutzgesetzes vorgelegt. Für das Thema Qualzucht in der Hundezucht (und nicht nur da) sind insbesondere die Änderungen in §11b interessant. Ob nun endlich aus dem toten Recht ein wirklich wirksames Gesetz zum Schutz der Tiere vor den Fehlentwicklungen der Zucht wird, darf allerdings bezweifelt werden. Hier die Änderungen im Entwurf vom 09.01.2012 im Wortlaut:

§ 11b wird wie folgt geändert:

a)  Die bisherigen Absätze 1 und 2 werden durch folgenden neuen Absatz 1 ersetzt:

„(1) Es ist verboten, Wirbeltiere zu züchten oder durch bio- oder gentechnische Maßnahmen zu verändern, soweit züchterische Erkenntnisse oder Erkenntnisse, die Veränderungen durch bio- oder gentechnische Maßnahmen betreffen, erwarten lassen, dass als Folge der Zucht oder Veränderung
1.  bei der Nachzucht, den bio- oder gentechnisch veränderten Tieren selbst oder deren Nachkommen erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten oder
2.  bei den Nachkommen
a)   mit Leiden verbundene erblich bedingte Verhaltensstörungen auftreten,
b)  jeder artgemäße Kontakt mit Artgenossen bei ihnen selbst oder einem Artgenossen zu Schmerzen oder vermeidbaren Leiden oder Schäden führt oder
c)  die Haltung nur unter Schmerzen oder vermeidbaren Leiden möglich ist oder zu Schäden führt.“

b)  Der bisherige Absatz 3 wird der neue Absatz 2 und in ihm werden die Wörter „wenn damit gerechnet werden muss, dass deren Nachkommen Störungen oder Veränderungen im Sinne des Absatzes 1 oder 2 zeigen“ durch die Wörter „soweit züchterische Erkenntnisse oder Erkenntnisse, die Veränderungen durch bio- oder gentechnische Maßnahmen betreffen, erwarten lassen, dass deren Nachkommen Störungen oder Veränderungen im Sinne des Absatzes 1 zeigen werden“ ersetzt.

c)  Nach dem neuen Absatz 2 wird folgender Absatz 3 eingefügt:

„(3) Es ist verboten, Wirbeltiere auszustellen,
1.  die entgegen Absatz 1 gezüchtet oder verändert worden sind oder
2.  bei denen erblich bedingt
a)  Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten,
b) mit Leiden verbundene Verhaltensstörungen auftreten,
c)  jeder artgemäße Kontakt mit Artgenossen bei ihnen selbst oder einem Artgenossen zu Schmerzen oder vermeidbaren Leiden oder Schäden führt oder
d) die Haltung nur unter Schmerzen oder vermeidbaren Leiden möglich ist oder zu Schäden führt.“

(Hervorhebungen durch CJ)


***
Hier war ein Bildzitat von der Seite http://www.tangetoppen.org/mops.php?dog=632&sex=f , der Website der Mops- und Pinscher-Züchterin Elisabeth Olsen (Tangetoppen Kennel) aus Hønefoss, Norwegen. Ihr Mops, Tangetoppen's Wild Card, wurde zum FCI Jahrhundertsieger 2011 und Best of Breed (BOB) gekürt.
Dieser Mops - praktisch ohne Fang aber mit kugelrundem Kopf - wird von vielen Fachleuten als ein Beispiel für Qualzucht verwendet, wie zuletzt auf dem Leipziger Tierärztekongress
Eine als "Tierrechtler" firmierende Person geht nun als offenbar autorisierte Interessenvertreterin dieser Hundeproduzentin (allein 25 Zuchthunde werden beim Mops auf der HP ausgewiesen) gegen die Veröffentlichung im Petwatch-Blog vor. Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht hierzu habe ich das Bildzitat entfernt, da ich meine Zeit besser verwenden kann. Mehr siehe Anmerkung vom 10.3.2012 unten.
***


Nimmt man die Bestimmungen wirklich ernst, so wäre es das Ende der Qual- und Show-Zucht. Ich möchte aber erst einmal den Amts-Tierarzt sehen, der den Mut hat, sich hier zu engagieren und das Gericht sehen, das solche Verbrecher an der Gesundheit unserer Hunde endlich einmal einer gerechten Strafe zuführt. Der Halter, dieses Mopses, des FCI-Jahrhundertsiegers bei der VDH-Ausstellung in Dortmund 2011 dürfte dann statt mit einem Pokal mit einem Strafbescheid die Heimreise antreten - aber wer will schon an soviel Tierschutz im Tierschutz-Deutschland glauben?


Anmerkung vom 10.3.2012

Der o.a. Vorgang demonstriert zwei Kennzeichen der Qualzuchtszene:

1.) Warum die plötzliche Scham, den Champion zu zeigen?

Warum hat eine hoch prämierte Züchterin etwas dagegen, wenn ein Bild von ihrem hochdekorierten internationalen Champion gezeigt wird? Warum wird zugleich nicht gegen die Klassifizierung als Qualzucht vorgegangen? Warum lässt sich die Züchterin eines VDH/FCI-Champions, die sich im Übrigen nie an den Herausgeber dieses Blogs gewandt hat, von solchen Leuten (sie 2.) vertreten? Ist das etwa der Geheimtipp der Show-Zucht-Szene im Kampf gegen Tierschutz und die Rechte ihrer geschundenen Zuchtprodukte - nachweisliche Verbindungen zu VDH/FCI-Spezialzuchtrichtern und FCI/Ex-VDH-"Züchtern" sind ja vorhanden?

2.) Qualzucht im Tierschutzmantel


...
Es ist ein Kennzeichen der Show-Zuchtszene, dass sie ihr Treiben mit einer Nebelwand aus vorgeblicher Liebe zu den Hunden und Tierschutz etc. bemäntelt. Offen kann man eben nicht zu dem bewusst angezüchteten Leid der Tiere stehen. In der Realität werden daher ernsthafte Kritiker der heutigen Rassehundezucht wie Dr. Hans Mosser, der Herausgeber des Hundemagazins WUFF, der Tierarzt und international führende Brachyzephalen-Spezialist Prof.Dr. Gerhard Oechtering oder der Herausgeber dieses Blogs von solchen Personen verleumdet und teils auch bedroht.

...


Mittwoch, 1. Februar 2012

Der Cavalier-King-Charles-Spaniel - Traumhund und Sorgenkind zugleich

Ü
ber Ängste und Sorgen der Cavalierliebhaber
(Teil 2 von 2)
von Elke Grabhorn

Bei der Syringomyelie (SM) handelt es sich um eine neurologische Erkrankung. Diese Erkrankung kann bei Menschen und verschiedenen Tierarten auftreten. Bei Hunden sind vornehmlich die Rassen Brüsseler Zwerggriffon und Cavalier-King-Charles-Spaniel betroffen. Als Folge einer Störung der freien Zirkulation der Hirnflüssigkeit (Liquor) kann es im Rückenmarkskanal zur Ausbildung einer Art "Zyste" (Syrinx) kommen. ...
Verbreitung Syringomyelie

Forschungen haben ergeben, dass der Anteil betroffener Hunde in jüngerem Alter deutlich unter dem bei älteren Hunden liegt. Im Juni 2011 berichtete Dr. C. Rusbridge über eine Studie http://veterinaryrecord.bmj.com/content/early/2011/06/12/vr.d1726.abstract, bei der in den Jahren 2004 bis 2010 in England und in Holland 555 Cavaliere, die alle keine(!) klinischen SM-Symptome zeigten, mit MRT untersucht wurden. Neben der Frage, wie viele Hunde an Syringomyelie erkrankt sind, ging es darum, ob bei Betroffenen ein Einfluss von Alter und Geschlecht zu erkennen ist.

Das Geschlecht hatte keine erkennbare Bedeutung, wohl aber das Lebensalter der Hunde. Die Untersuchungen der asymptomatischen(!) Cavaliere ergab bei 25% der einjährigen Hunde die Diagnose SM. Der Anteil der betroffenen Cavaliere stieg mit zunehmendem Alter und lag schließlich bei den sechs und mehr Jahre alten Hunden bei 70%, danach tritt SM bei unseren Cavalieren häufiger auf als MVD.
Da Hunde mit klinischen Symptomen von dieser Studie ausgenommen worden waren, ist die Verbreitung der  Erkrankung insgesamt sogar noch höher anzusetzen, kommentiert Dr. C. Rusbridge die schlimmen Ergebnisse.

Spezialisten fordern wegen des höheren Anteils betroffener Hunde bei zunehmendem Alter, dass die für Zuchthunde als unverzichtbar angesehene MRT-Untersuchung (derzeit einzige sichere Diagnosemöglichkeit) mit ca. 2,5 Jahren erfolgen und in einem höheren Lebensalter wiederholt werden soll.

Wenn auf den Seiten der deutschen Cavalierclubs von 1% bzw. von 3% bis 5% betroffenen Cavalieren gesprochen wird, dürfte es sich um Schätzungen der Vereine zu symptomatisch(!) betroffenen Hunde handeln, die auf den bei den Vereinen eingehenden Rückmeldungen von Haltern/Züchtern symptomatisch SM-erkrankter Cavaliere basieren.

Die Chiari-like malformation (CM)

ist eine anatomische Veränderung, bei der durch eine Verkürzung eines hinteren Schädelknochens ein Missverhältnis zwischen dem Raum des knöchernen Schädels und der Größe des Gehirns entsteht. Diese anatomische Besonderheit besteht bei über 90% aller Cavaliere.
Die Malformation kann dazu führen, dass das Hinterhauptsloch (Foramen Magnum) durch hintere Hirnanteile blockiert wird und damit ein Hindernis für die Zirkulation des Liquors entsteht. Dr. C. Rusbridge brachte in der BBC-Dokumentation PDE den erschreckenden Vergleich, dass ein Fuß in einen zu kleinen Schuh gepresst wird http://www.youtube.com/watch?v=-qPLDMSPRXA.
Während Spezialisten lange davon ausgingen, dass CM "alleine" keine Symptome verursacht, sind in englischen Foren, in denen Halter betroffener Hunde schreiben, Berichte zu lesen, nach denen auch bei "SM-frei"-gescannten Hunden mit CM eine Schmerzsymptomatik besteht.



Anfang Dezember 2011 berichtet Rod Russel auf seiner Cavalierhealth-Seite, dass britische Forscher bei der Untersuchung von 42 klinisch auffälligen Cavalieren festgestellt haben, dass bei 25% keine SM – wohl aber CM nachweisbar war, CM "alleine" also auch Schmerzen zur Folge haben kann http://www.cavalierhealth.org/syringomyelia.htm. Derzeit sind den Forschern keine sicheren Aussagen darüber möglich, unter welchen Bedingungen die CM zur Ausbildung einer Syrinx führt.

Verbreitung Chiari-like malformation (CM )

International wird von einer Verbreitung der CM beim Cavalier ausgegangen, die um 95% liegt. In Übereinstimmung hiermit haben auch Untersuchungen in Deutschland ergeben, dass fast alle Cavaliere eine CM aufweisen. So stellt Dr. Biel in ihrer Dissertation fest (S. 103) http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2009/7043/pdf/BielMiriam_2009_06_04.pdf, dass bei den 42 von ihr untersuchten Cavalieren alle(!) eine Veränderung der Schädelhöhle zeigen. Da eine Veränderung in dieser Form bei keiner anderen Hunderasse auftrete, könne fast von einem "Rassestandard" gesprochen werden.
Die Deutsche Gesellschaft für Kynologische Forschung kündigt derzeit auf ihrer Internetseite http://www.gkf-bonn.de/index.php/startseite.html ein aktuelles Forschungsprojekt zur "Bestimmung der Prävalenz der Chiara-ähnlichen Malformation beim Cavalier King Charles Spaniel in der Bundesrepublik Deutschland" von Dr. Schmidt in Gießen an. Es bleibt die vage Hoffnung, dass sich andere Zahlen als in der Doktorarbeit von Miriam Biel aus dem Jahre 2009 ergeben und als es internationale Studien befürchten lassen.

Primär sekretorische Otitis media (PSOM)

Bei dieser Erkrankung entsteht im Mittelohr ein zähflüssiger Schleimpfropf, der das Trommelfell vorwölbt http://vet.osu.edu/assets/pdf/hospital/companionAnimals/cavalierKingCharlesSpaniel.pdf. Die Ursache besteht in einer unzureichenden Belüftung dieses Bereichs durch eine Verlegung der eustachischen Röhre.

Die möglichen Symptome sind vielfältig. Es kann eine Gesichtslähmung auftreten, der Kopf kann schief gehalten werden, die Hörfähigkeit kann eingeschränkt sein. Kopf und Nackenbereich können extrem schmerzempfindlich sein. Ebenso wird ein heftiges und von Schmerzäußerungen begleitetes Kratzen an Ohren, Kopf und Nacken beobachtet, was teilweise mit SM-Symptomen zu verwechseln sein kann. Gangstörungen werden beschrieben und das Auftreten von Krampfanfällen. Die Diagnose kann über CT- und MRT-Untersuchungen gestellt werden.
Als Therapie ist eine OP (Inzision des Trommelfells) mit Ausspülung des Pfropfes und Antibiotika-Gabe möglich. Das Risiko, dass erneut ein solcher Pfropf entsteht, ist gegeben, da mit der OP zwar die Ursache der Beschwerden beseitigt, nicht aber die Entstehung eines Schleimpfropfes verhindert wird. Mit weiteren, aufwändigeren OP-Verfahren wird versucht, einen "Rückfall" auszuschließen.

Chronische Schmerzen beim Hund

Aus der Human-Medizin ist bekannt, dass es ein Schmerzgedächtnis gibt und chronisch kranke Menschen mit "Dauerschmerz" im Rahmen einer Schmerztherapie speziell behandelt werden müssen.

Wie sieht es bei Hunden aus? In einem DogWorld online Artikel: http://www.dogworld.co.uk/News/25-Measure ist zu lesen, dass im Rahmen eines Doktoranden-Stipendiums ein dreijähriges Forschungsprojekt an der Universität in Bristol gestartet ist, bei dem untersucht werden soll, wie chronische Schmerzen festgestellt, objektiv "gemessen" und behandelt werden können, um dadurch die Lebensqualität zu verbessern und auch um ggf. ein schmerzbedingt verändertes Verhalten positiv zu beeinflussen.

Die Frage nach einer "Messbareit" von Schmerzen beschäftigt besorgte Hundehalter, die ihre Hunde beobachten und nie wirklich sicher sein können, ob ihr schmerzfrei erscheinender Hund nicht doch Schmerz empfindet. Wir wissen, dass Hunde sich oft nichts "anmerken" lassen oder nur ganz subtile Schmerzzeichen zeigen. Selten sieht man einem Hund seine Schmerzen wohl so an wie der 3-jährigen SM-kranken Molly, die im Blog von Jemima Harrison (PDE) abgebildet ist.

Irgendwie macht es traurig, dass zu der Studie in Bristol neben Hunden mit Arthrose auch SM-kranke Hunde herangezogen werden, wobei die Ergebnisse auf andere Erkrankungen mit ausgeprägten chronischen Schmerzzuständen übertragbar sein sollen.

Die aktuelle Situation

Einige "nur-Hundefreunde" und auch Züchter wenden sich von den Cavalieren ab, in den Niederlanden versucht eine Tierrechtsorganisation notfalls per Gerichtsbeschluss ein gesetzliches Zuchtverbot von Cavalieren zu erstreiten.

In erschreckender Deutlichkeit stellen die "Tierrechtler" die katastrophale gesundheitliche Situation der Cavaliere dar. http://dierenrecht.org/fileadmin/documenten/Definitief_rapport_CKCS.pdf  Wer in diesem "Rapport" eine Schrift erwartet, die leicht als reißerisch und ohne Substanz abgetan werden kann, wird entsetzt darüber sein, dass diese Beschreibungen auf internationalen wissenschaftlichen Studien beruhen und darum natürlich auch umso niederziehender auf den Leser und Cavalierliebhaber wirken.

Die Tierrechtsorganisation zitiert aus dem og. "Rapport" und nennt zum Auftreten der verschiedenen Erbkrankheiten beim Cavalier folgende Zahlen http://dierenrecht.org/los-persbericht/?tx_ttnews[tt_news]=758&cHash=d949ddc897c555803a676d2c434921bb :

95%         der Hunde haben eine Chiari-like Malformation (CM)
50%        
sind klinisch auffällig an CM/SM erkrankt
40%        
haben ein Herzgeräusch (100% mit 10 Jahren)
20-30%   
haben chronische Kniebeschwerden (Patella Luxation)
30%        
leiden an einer chronischen Augenkrankheit
40%        
leiden an einer Ohrkrankheit (PSOM)
10%        
(mindestens) haben Hüftgelenksdysplasie

Dr. C. Rusbridge verdeutlicht im Februar 2011 in einem "offenen Brief", den sie zur Unterstützung der Niederländischen Cavalierzüchter verfasst hat  http://www.veterinaryneurologist.co.uk/docs/letter%20animal%20foundation%20_netherlands.pdf, dass noch sehr viel bei der Forschung ungeklärt sei. Sie betont, dass im Gegensatz zu einigen anderen Hunderassen die Probleme des Cavaliers nicht auf Standard oder Aussehen zurück zu führen seien.

Sie stellt das aktuelle Zuchtprotokoll vor und erklärt, dass der Fortgang der Forschungen - eventuell auch die Entwicklung eines DNA Testes - vor weitergehenden Entscheidungen abgewartet werden müssten. Nur wenn sich der traurige Beweis ergeben würde, dass eine zu enge Verbindung von SM und der bei (fast) allen Cavalieren vorhandenen CM bestehe und deshalb kein "Wegzüchten" möglich sei, müsse über "drastischere" Maßnahmen, eventuell sogar die Einführung neuer DNA durch eine andere Rasse nachgedacht werden.

Was kann getan werden?

Als wesentlichste Zuchtmaßnahme sehen die Spezialisten sowohl bei MVD als auch bei SM die Durchführung eingehender Gesundheitsuntersuchungen der Zuchthunde an http://www.ccd-cavaliere.de/zucht-SMinterv.html.

Es sollen nicht nur die Untersuchungsergebnisse der Zuchthunde selber, sondern auch die ihrer Eltern berücksichtigt werden. Anhand der Ergebnisse sollen möglichst risikoarme Verpaarungen geplant werden. Das Ziel aller "Zuchtprotokolle" der Spezialisten besteht derzeit bei MVD und SM darin, zumindest das Erkrankungsalter nach oben zu verschieben. Hierfür wird auch ein möglichst hohes Mindestalter für den Zuchteinsatz gefordert.

Wegen des noch ungeklärten Erbgangs und auch wegen der großen Zahl der Anlagenträger innerhalb der Gesamtpopulation erscheint das Ziel eines kompletten und raschen "Wegzüchtens" bei beiden Erbkrankheiten offensichtlich zu ehrgeizig und unrealistisch.

Die Formulierung "risikoarme Verpaarung" wird gebraucht, weil leider auch gesunde Zuchthunde erkrankten Nachwuchs haben können. Solange der genaue Erbgang nicht geklärt und auch kein DNA-Test verfügbar ist, können nur durch eine Kombination aus dem Züchterwissen über Gesundheit und "Langlebigkeit" ihrer Hunde und den Ergebnissen aller verfügbaren Untersuchungen http://tierneurologie-berlin.de/app/download/5783741113/Klassifikation+CKCS+Deutschland+2012.pdf  Verpaarungen  geplant werden, bei denen das Risiko einer Erkrankung für die Nachkommen möglichst gering ist http://tierneurologie-berlin.de/app/download/4442180302/Vetimpulse+01032011+CMSM+MRI+scheme.pdf.

Im Oktober 2011 hat Dr. C. Rusbridge erste Auswertungen veröffentlicht, mit denen dokumentiert ist, dass Verpaarungen auf der Grundlage der Empfehlungen die Sicherheit für SM-freien Nachwuchs erhöhen http://clarerusbridge-news.blogspot.com/2011/10/effectiveness-of-breeding-guidelines.html .
Die Auswertungen beziehen sich auf den Brüsseler Zwerggriffon und den Cavalier-King-Charles-Spaniel. Für den Cavalier werden folgende Ergebnisse genannt:
  • Waren beide Elternteile SM-frei-gescannt, waren auch 70% der Nachkommen SM-frei.
  • Die Verpaarung eines SM-freien mit einem SM-betroffenen Hund brachte nur zu 23% SM-freie Nachkommen.
  • Wie zu erwarten, hatten Eltern, die beide SM betroffen sind, mit nur 8% den geringsten Anteil an SM-freien Nachkommen.

Die Zahlen machen aus meiner Sicht mehr als deutlich, dass MRT-Untersuchungen in der Cavalierzucht unverzichtbar sind.

Dass die beiden verfügbaren Genteste (CCDE und EFS) ohne jede Ausnahme zu nutzen sind und eine Verpaarung von Anlagenträgern damit grundsätzlich ausgeschlossen wird, sollte eine Selbstverständlichkeit sein, die eigentlich nicht weiter erwähnt zu werden braucht.

Was wird getan?

Die Internetseiten der drei deutschen Cavaliervereine im VDH informieren über die verschiedenen Erkrankungen. Während ICC und VK in der jüngsten Zeit keine geänderten Zuchtvorgaben veröffentlicht haben, hat der CCD neue "Zuchtstufen" eingeführt.

Dieser Verein schreibt auch sehr ausführlich über SM-Symptome, sinnvolles Vorgehen bei bestehendem Verdacht, über Behandlungsmöglichkeiten (incl. Schema von Dr. Rusbridge) und nennt Adressen für MRT-Untersuchungen. In Kooperation mit dem Verein bieten Dr. König und Dr. Deutschland in Berlin für Zuchthunde Untersuchungen zu besonderen Konditionen an.

Als neue Zuchtstufen werden die "Standardzucht", die "Körzucht" und die "Premium-Körzucht" genannt. Neben Anforderungen an die besondere Erfüllung des Standards (Ausstellungserfolge) für die Kör-und Premium-Körzucht werden folgende Untersuchungen der Zuchthunde gefordert:
Bei Eltern von Welpen der Standardstufe reichen eine Patella-und auskultatorische Herzuntersuchung aus. Für die Eltern von Körzucht-Welpen wird zusätzlich eine Herzdoppler-Untersuchung gefordert.
Premium-Körzucht-Papiere erhalten Welpen, wenn von ihren mindestens 2,5 Jahre alten Eltern sowohl Herz-Doppler- als auch MRT-Scan-Untersuchungen vorliegen http://www.ccd-cavaliere.de/zucht-zo-zzp.html.
Erstmals bestätigt ein deutscher Cavalierclub somit offiziell die Wichtigkeit zusätzlicher Gesundheitsvorsorge, die sowohl Herzdoppler und MRT-Scan beinhaltet als auch das Mindestalter von 2,5 Jahren für den ersten Zuchteinsatz erfordert. Damit ist für die Cavalierzucht in Deutschland - in Übereinstimmung mit den Empfehlungen von Experten wie Dr. C. Rusbridge und anderen - ein Maßstab gesetzt, an dem ab sofort alle deutschen Cavalier-Züchter zu messen sind.

Den Cavalierinteressenten sollte dies bei der Züchter- und Welpensuche als Orientierungs- und Entscheidungshilfe dienen. Engagierte Züchter, die zum Wohle der Cavaliere ohnehin mehr leisten als ihre Vereine ihnen vorschreiben, können es jetzt - zumindest im CCD - durch besondere Ahnentafeln ihrer Welpen dokumentieren.

Auch wenn damit "ein Anfang" gemacht wurde, bleibt Unverständnis und die Frage, wie bei der Zucht einer belasteten Hunderasse eine Gesundheitsvorsorge "in Stufen" zu begründen bzw. zu rechtfertigen sein könnte. Für den Cavalierliebhaber ist enttäuschend, dass die Konsequenz fehlte, die wichtigen Gesundheitsvorgaben als "Pflicht für alle ohne Ausnahme!" in die Zuchtordnung aufzunehmen.

Welcher Hundefreund soll verstehen, dass in den drei dem VDH angeschlossenen Cavaliervereinen und sogar innerhalb eines Vereins keine einheitlichen "Gesundheitspflichten" gelten?

Zudem hinterlässt es einen äußerst schalen Nachgeschmack, wenn zu leistende Gesundheitsvorsorge auch nur ansatzweise an Schönheit "gekoppelt" wird und bei der Zucht mit "normal-schönen" Hunden (ohne Ausstellungserfolg) der minimalste Untersuchungsumfang gefordert wird.

Für Cavalierfreunde ist wichtig, dass ihr Hund gesund ist, Schönheit in den Augen irgendeines Ausstellungsrichters dürfte für sie eine geringere und für den Cavalier selber wohl gar keine Rolle spielen.

Cavalierliebhaber

Die Frage nach den Untersuchungen der Zuchthunde darf für Welpeninteressenten kein Tabu-Thema sein, weil die Verantwortung eines Hundehalters für das neue Familienmitglied nicht erst beim Einzug, sondern bereits bei der Auswahl seines Welpen beginnt.

Cavalierinteressenten müssen darauf achten, dass die Eltern ihres potentiellen Welpen genau SO untersucht wurden wie die Eltern eines "Premium-Welpen" und dass die beiden Gen-Teste (EFS und CCDE) eingesetzt wurden. Auch wenn Gesundheit damit immer noch nicht garantiert werden kann, ist zumindest das Risiko für die besonders verbreiteten schweren Erbkrankheiten - soweit derzeit möglich - verringert.

Mit anderen Worten: Cavalierfreunde können und müssen ihren Beitrag leisten, die Zucht gesunder Cavaliere gemeinsam mit den engagierten und freiwillig "mehr" leistenden Züchtern zu fördern, indem sie beim Kontakt mit Züchtern keinen Zweifel daran lassen, dass nur bei Nachweis aller wichtigen Untersuchungen überhaupt ein Kaufinteresse besteht!

Verantwortung

Wenn in der Hundezucht mit "strengen Auflagen" und "kontrollierter Zucht" geworben wird, wenn mit dem Qualitätsanspruch angetreten wird, eine Rasse pflegen, erhalten und verbessern zu wollen, sollten sich die hohen Gesundheitsanforderungen doch auch in den Pflicht(!)-Untersuchungen einer Zuchtordnung widerspiegeln. Die Pflicht zur optimalen Gesundheitsvorsorge muss doch - im wahrsten Sinne des Wortes! - Standard einer jeden Zuchtordnung sein!

In der Hundezucht darf einfach keine Möglichkeit ungenutzt bleiben, um das Risiko schwerer Erkrankungen zu minimieren und um allen Welpen eine bestmögliche Basis für ein langes und schmerzfreies Leben zu schaffen.
Bei Hunderassen, die von mehreren schwerwiegenden Erbkrankheiten betroffen sind, nimmt zwangsläufig der Umfang der erforderlichen Untersuchungen und Vorsorgemaßnahmen zu. Je mehr Merkmale bei einer Selektion zu beachten sind, desto wichtiger ist die Zusammenarbeit von Züchtern, Genetikern und Veterinären, um nicht noch neue und zusätzliche Probleme für die Gesundheit der Hunde zu schaffen. Für diese Zusammenarbeit ist es sicher unabdingbar, dass der Expertenrat auch bezüglich Umfang und Durchführungsweise der Gesundheitsvorsorge beachtet wird.

Dieser Aufwand muss in vollem Umfang betrieben werden, wenn wir unserer Verantwortung gegenüber den Hunden noch gerecht werden wollen, wenn die Zucht von Rassehunden noch zu rechtfertigen und mit unserer Liebe zu Hunden vereinbar sein soll. Dafür brauchen wir gar keine Begriffe wie Ethik und Moral zu bemühen, da sollte es ausreichen, unser Gewissen zu prüfen und dabei unseren Hunden in die Augen zu sehen.


Ganz im Sinne des "Dortmunder Appells: Für eine Wende in der Hundezucht" soll dies Appell und Bitte sein, alles zu unternehmen, um die drohende Katastrophe und unsägliches Leid von Cavalieren zu verhindern.


von Elke Grabhorn, Düsseldorf im Januar 2012
-www.ckc-spaniel.de / info@ckc-spaniel.de-


Ende Teil 2 von 2.
Teil 1 wurde am 14. Januar 2012 hier im Petwatch-Blog veröffentlicht.


Fotos: Rena und Lutz Peter Gellert

Mein Dank an Elke Grabhorn für die so gründliche, sachliche und aufklärende Sicht auf die Lage, die aus meiner Sicht ein Zeugnis ihrer Liebe zu den Cavalieren, nicht nur ihren eigenen, ist. Hundefreundin im besten Sinne. - Christoph Jung.