Foto: Piotr Wojtal |
Karte Mammutfundorte (Pat Shipman) |
Studien weisen auch heute noch höhere Jagderfolge durch die Kooperation mit dem Hund nach. Das galt erst recht in der Steinzeit und bei der Jagd auf das Großwild der damaligen Kaltsteppen, Wollnashörner, Steppenwisente und vor allem Mammuts. Beim Finden und Ausspähen der Herden, beim Treiben und Stellen des zu erlegenden Individuums, beim Erlegen und schließlich beim Sichern und Abtransport der Beute. Ohne die Zusammenabeit mit dem Hund seien solche Erfolge nicht erklärbar, so Shipman. Die Menschen, die mit dem Hund zusammengearbeitet haben, hätten eine bessere Ernährung und somit auch erfolgreichere Vermehrung gehabt.
Primitiver Hundeschlitten aus späterer Zeit |
Nutzung der überlegenen Sinnesleistungen des Wolfes/Hundes
Neben dem besseren Jagderfolg und infolge besserer Ernährungslage hatte die Kooperation mit dem Wolf und später Hund weitere Vorteile. Die Kooperation brachte einen besseren Schutz vor Angreifern und ein höheres Durchsetzungsvermögen gegen Konkurrenten, vier- oder zweibeinige. Der anatomisch moderne Mensch konnte sich zudem auf die weit überlegenen Sinnesleistungen des Wolfes resp. Hundes verlassen. Hunde riechen "tausendfach" besser als Menschen, haben ein größeres Spektrum des Hörsinns, sehen bei Nacht wesentlich mehr. Der Mensch konnte sich auf dessen hervorragendende Sinnesleistungen zunehmend verlassen. Das erleichterte es dem Großhirn, immer mehr intellektuelle Ressourcen für den technologischen und kulturellen Fortschritt bereitzustellen. Auch das hatte weitreichende Folgen für den Siegeszug des AMH.
Weniger Stress, höhere Leistungsfähigkeit...
Der wichtigste Vorteil liegt jedoch im Verborgenen, ist aber heute noch lebendig und für jeden Hundefreund spürbar, ja der wesentliche Faktor der Partnerschaft Mensch-Hund. Das Verstehen und Vertrauen zwischen Mensch und Hund, der gegenseitige Stessabbau durch die erfolgreiche Kooperation und die neurobiologischen Folgen dieses "Wohlfühl"-Szenarios: Dem Menschen der Altsteinzeit brachte es einen Schub in der Entwicklung seiner psychischen, geistigen, handwerklichen und sozialen Fähigkeiten. In Wechselwirkung mit den direkt sichtbaren Vorteilen wie dem besseren Jagderfolg und höheren Schutz vor Feinden wirkten diese als neurobiologischer Katalysator für die individuelle und kollektive Leistungsfähigkeit unserer Vorfahren. Das allgemeine Stressniveau konnte heruntergefahren, Hormone wie Serotonin, Oxytoxin oder Dopamin verstärkt produziert werden. Dieser Prozess ist als eine epigenetische Modulation cerebraler Funktionssysteme zugunsten prosozialer Beruhigungssysteme zu verstehen.
29.000 Jahre alter Hundeschädel, dem man einen Mammutknochen ins Maul gelegt hat: Dank an einen verdienten Jagdpartner? Anthropos Museum, Brno, mit freundlicher Genehmigung Mietje Germonpré. |
...bei Mensch wie Hund
Solche Einflüsse, zumindest in Teilen, kann man auch beim Hund unterstellen. Hunde verstehen den Menschen wie kein anderes Tier. Wir gehen davon aus, dass auch der Hund in jener Zeit seine Aktivität des Spegelneuronensystems steigerte und seine Fähigkeiten zu interspezifischer Empathie und Theory of Mind sprunghaft verbesserte. Die kollektive Jagd zweier Spezies zumal auf wehrhaftes und intelligentes Großwild, die komplexe Handlungsabläufe beinhaltet, basiert auf der Unterordnung des individuellen Mitglieds der Jagdgemeinschaft unter deren Gesamtplan. Als der Wolf zum Hund wurde, ordnete er sich zugleich aktiv den sozialen Regeln seiner Menschengruppe unter. Das ist auch heute noch eines der Alleinstellungsmerkmale der Mensch-Hund-Beziehung. Der Hund war dazu nur in der Lage, weil auch bei ihm die hier angesprochenen neurobiologischen Veränderungen wirkten. Der Hund ist mehr als ein zahmer Wolf, er hat eine neue Qualität entwickelt. Diese wirkt insbesondere im interpezifischen Verständnis, der kognitiven Flexibilität, vermindertem Konkurrenzverhalten und massiver Zunahme der Hemmbarkeit. In der Folge konnte er die unterschiedlichsten, zum Teil gegensätzlichen Arbeitsaufgaben für den Menschen leisten. Diese Fähigkeiten basieren auf differenzierten Triebausprägen und eben der aktiven Einordnung unter die sozialen Regeln des Menschen. Wir nennen diesen Prozess die "aktive soziale Domestikation des Hundes".
Husky (Mary) und Wolf (Foto: Christoph Jung) |
Kommen wir noch einmal zurück auf die Wirkungen dieser Kooperation auf den Menschen. Wir unterscheiden:
a.) unmittelbare Wirkungen der Kooperation Mensch - Wolf/Hund in der Steinzeit
- größerer Erfolg bei der Jagd
- besserer Schutz vor Feinden
- mehr Durchsetzungskraft gegen Konkurrenten
- neue Transportoptionen, Hund als Zugtier verfügbar
- Spielpartner für die Kinder
- verschiedene: Hund als Wärmekissen, Nahrungsreserve, Orientierungshilfe, Schädlings- und Unratvernichter
- mehr hochwertige Nahrung zur Steigerung der Hirnleistung verfügbar
- weniger Hirnressourcen für Sinnesleistungen nötig
- weniger Stressbelastung und
- mehr Oxytocin und Dopamin - steigern intellektuelle und psychische Leistungsfähigkeit sowie körperliche Widerstandskraft und letztlich Fertilität von Individuum und Gruppe
Literaturhinweise:
- Neandertal Demise: An Archaeological Analysis of the Modern Human Superiority Complex. (2014) Villa P, Roebroeks W
- Complete Mitochondrial Genomes of Ancient Canids Suggest a European Origin of Domestic Dogs, Thalmann et al. in Science 15 November 2013
- Psychosocial and psychophysiological effects of human-animal interactions: the possible role of oxytocin. (2012) Andrea Beetz et al.
- Die aktive soziale Domestikation des Hundes: Ein neurobiologisch begründetes Modell zur Mensch-Hund-Beziehung (2014) Daniela Pörtl, Christoph Jung
- How do you kill 86 mammoths? Taphonomic investigations of mammoth megasites, Pat Shipman, Quaternary International (2014), http://dx.doi.org/10.1016/j.quaint.2014.04.048
Ein Beitrag von Christoph Jung