Sonntag, 25. Dezember 2011

Bulldoggen Impressionen

Zum Fest und Jahreswechsel ein paar Impressionen zum Schmunzeln von unseren französischen und englischen Bulldoggen:

 
Zu Tisch:


Schneepflug:
Raufen nach Bulldog-Art ist im Schnee am schönsten:
 Und wieder vertragen.
 Wer ist der Größte im Land?
Aber jetzt erstmal ein wenig entspannen:


Fotos: © Claudia Fuhrmann und Christoph Jung

Sonntag, 11. Dezember 2011

Lundehund - der Ausnahmehund

Ein Beitrag von Nicole Kamphausen

Norwegischer Lundehund - FCI Gruppe 5, Section 2, 265 - Der Name 'Lundehund' leitet sich ab von dem Lundevogel (Fatercula arctica-artica). Er gilt als eine der Welt seltensten Hunderassen. Der Grund hierfür ist nicht nur in der weltweit geringen Population zu sehen, sondern insbesondere in der Tatsache, dass sich eine Anzahl seltener anatomischer Besonderheiten in derselben Rasse vereinigen. Einige dieser Merkmale finden sich bei anderen Hundeformen nur sporadisch. An jedem Fuß sind vornehmlich sechs Zehen ausgebildet, wobei oft eine siebente Zehe im Ansatz vorkommt. Er kann die Ohren so verschließen, dass der Gehörgang vor Staub und Feuchtigkeit geschützt ist; er hat Genickgelenke, die ihn in die Lage versetzen, seinen Kopf zurückzubeugen, so dass der Scheitel den Rücken berührt. Dies hat sich evolutionär deshalb so in der Wirbelsäule entwickelt, weil es für den hochspezialisierten Hund dann praktisch und lebensrettend sein kann, wenn er sich auf der Jagd in engen Erdgängen mit der Beute im Maul umdrehen muss. Darüber hinaus verfügt er über außergewöhnlich bewegliche Schultergelenke, die ihm ermöglichen, die Vorderbeine vollkommen zur Seite zu führen.

Der Lunde

Der Lundevogel (auch Papageientaucher genannt) wird gewöhnlich im August für zwei bis drei Wochen nachts bejagt. Da der Lundevogel es liebt, seine Nesthöhlengänge in steile Klippenabhänge zu graben, ist er für den Menschen unerreichbar. Der Lundehund aber bewegt sich dank seiner angepassten Füße  sicher in dem unwegsamen Gelände. Er fängt den Lundevogel in diesen Steilhangnestern lebend und apportiert ihn so zum Jäger, der ihn dann auf traditionelle Art tötet.

Neben Fisch war der Lunde nicht nur abwechselungsreiche Delikatesse, sondern auch eine unverzichtbare Eiweiß-Zufuhr für die Ernährung der darbenden Inselbewohner. Der volkstümliche Pfarrer Petter Dass prägte das Wort:  „Der Lunde schmeckt wie alles andere nach Fisch, da der Lunde vom Fisch lebt“. Die weitgehend mittellosen Insulaner waren angewiesen auf die begehrten 'Lunde-Daunen'. Diese boten der Inselbevölkerung ein wesentliches Zubrot zu dem Einkommen aus Fischerei und Bewirtschaftung des kargen Bodens. Der Lundehund stellte daher einen beträchtlichen Wert als Wirtschaftsfaktor da. Die meisten Bauern hielten sich zwischen 12-14, mitunter sogar 20 solcher Vogelhunde. Die Vogeljagd brachte dem Bauern weit mehr ein als seine Landwirtschaftseinkünfte. Darum kam es oft zu Streitigkeiten wegen der Anzahl der Hunde. Jeder beobachtete jeden sorgsam, denn: „Kein Bauer durfte mehr Lundehunde besitzen als sein Nachbar!" Auf der Vogelinsel (Flugløya) in Gildeskal bedeutete ein guter Lundehund genauso viel wie eine Kuh. Es wurde sprichwörtlich, dass in Måstad mit einem „Hundeleben“ nichts mehr zu vergleichen sei.

Vornehmlich gingen die Frauen und die halbwüchsigen Jungen und die Mägde mit den Hunden auf die Jagd. Da die Hunde das Jagen sehr selbständig durchführen, konnte sich regelmäßig ein nächtliches Plauderstündchen mit Kaffee-Kessel beim Schein der Mitternachtssonne entwickeln. Dies ist ein nicht zu vernachlässigender Gemeinschaft stiftender Faktor für eine kleine Not- und Trutzgemeinde. Ein Hund galt als gut, wenn er in einer Nacht 30 Vögel fing. Deshalb war ein Jäger darauf angewiesen, 2 bis 3 Hunde zu führen. Dann konnte die für einen Mann noch tragbare Last von 80-90 Vögeln erreicht werden.Überdurchschnittliche Hunde fingen sogar auf einem Jagdgang 80 Vögel. Verbürgt ist auch eine Einzelleistung von 130 Stück.
Eine außergewöhnliche Pfote

Die Pfote des Lundehundes weist fünf voll entwickelte dreigliedrige Zehen auf. Hinzu kommt eine zweigliedrige Zehe – entsprechend dem menschlichen Daumen. Dies ist auf einem Röntgenbild deutlich zu sehen. Zu diesen überzähligen Zehen gibt es Beuge- und Streckmuskeln, die fast den Muskeln im menschlichen Daumen entsprechen. Alle anderen Hunderassen verfügen über nur vier Zehen und die zugehörige Muskulatur.Der Lundehund hat acht Tretpolster (Ballen) an jedem Vorderfuß sowie sieben an jedem Hinterfuß. Hier hat das große Tretpolster eine ganz andere Form.

Die Ohren können aktiv geschlossen werden.

In Normalstellung stehen die Ohren gerade aufrecht. Der Lundehund ist aber in der Lage, seine Ohren selbstbestimmt nach vorn oder nach hinten zu schließen. Dies dient dazu, das Innenohr in den Nestgängen der Vögel vor Staub und draußen an den Felsenklippen vor Gischtwasser zu schützen. In dieser Stellung ist nur ein kleiner Trichter ganz außen am Ohr geöffnet. So kann der Lundehund dennoch die Laute der bejagten Vögel wahrnehmen.
Die Rute dient der Kommunikation.

In unterschiedlichen Stellungen gehalten, macht er auf die augenblickliche Verfassung des Hundes aufmerksam. Während des Spiels und der Ruhe ist die Rute leicht aufgerollt. Wenn der Hund angespannt ist oder läuft, hängt sie in einem konvexen Bogen herab; bei schnellem Lauf ist sie nach hinten gerichtet. Wenn der Hund unsicher ist, neigt sich die Rute ganz herab und verbirgt sich zwischen den Hinterläufen.

Große Gewandtheit

Der Lundehund beeindruckt durch seine genetisch angeborene Fähigkeit, sich in Geröll, Fels und Steilhängen traumwandlerisch sicher zu Recht zu finden. Dabei kommen ihm nicht nur seine speziell angepassten Pfoten, sondern auch die außergewöhnliche Beweglichkeit seiner Schultern und seines Genick-Gelenkes zu Hilfe. Nimmt man den Hund bei den Vorderbeinen, kann man sie senkrecht nach oben oder waagerecht zur Seite führen, ohne dass der Hund deswegen Unbehagen zeigt. Das Genickgelenk ist bauartlich in der Lage, dem Hund zu ermöglichen, den Kopf so weit nach hinten zu beugen, dass der Scheitel den Rücken berührt. Dies befähigt den Hund, sich auf der Jagd in einem engen Erdgang wieder zurück zu wenden. Ansonsten bestände die Gefahr, stecken zu bleiben und dort zu verenden. Bekanntlich muss mancher Jäger seinen erfahrenen Teckel gelegentlich aus einem Fuchs- oder Dachsbau wieder ausgraben. Der Lundehund hingegen ist vollkommen auf seine Umgebung und Lebensgewohnheiten angepasst. Bei anderen Säugetieren ist eigentlich nur das Rentier in der Lage, seinen Kopf so weit zurück zu dehnen. Der heutige Lundehund hat denselben Kiefer wie der „Varangerhund“, den man 5000 Jahre zurück datiert. Diese beiden Hunde haben im Vergleich zu anderen Hunden in jeder Kieferhälfte einen Zahn weniger.
Im 15. Jahrhundert

Im Januar 1432 traf ein Fischer aus Røst mit seinen beiden Söhnen auf der Insel Sandø überraschend auf kleine dunkelhaarige Männer, die eine unbekannte Sprache sprachen. Es handelte sich um den Italiener Piero Overini mit seiner Mannschaft, die ein Jahr zuvor dort mit ihrem Schiff gestrandet waren. Røst besteht aus 365 Inselchen. Overini schrieb später ein bedeutungsvolles Buch über seine Begegnung mit den Nordland-Fischern. Dies bewegte den Italiener Francesco Negri 1664 zu einem einjährigen Aufenthalt auf den Lofoten, wo er die Lundejagd in der Finmark beschrieb. Er berichtete wie Schønnebøl (1591), ohne es selbst zu erleben, von der Jagd auf den Lunde mit Hilfe des Lundehundes.Der Bischof von Bergen, Erik Pontoppidan, schrieb 1753 über die Hunde des Landes in „Det første forsøg på Norges naturlige Historie“ (Der erste Versuch Norwegens Naturgeschichte  zu beschreiben).

Der Hundeenthusiast Sigurd Skaun war der erste, der den Lundehund für die Außenwelt „entdeckte“. Schriften aus dem 15. Jahrhundert berichteten von Hunden auf der Insel Vaerøy und Lovunden, die zum Lundefang verwendet wurden. Nach einer Reise auf die Insel Bodøbeschrieb er 1925 die Rasse  in der Zeitschrift der norwegischen Jäger- und Fischereivereinigung in dem Artikel: “Eine norwegische Vogelhunderasse, die in Vergessenheit gerät“. 1937 las Eleanor Christie den Artikel und beschloss, diese Hunderasse näher kennen zu lernen. Bei Monrad Mikalsen in Måstad fand sie schließlich noch eine Population von 50 reinrassigen Lundehunden. Die Abgeschlossenheit der Inseln nach Außen war wohl auch die Ursache für die genetische Einzigartigkeit des Lundehundes. Monrad Mikalsen beschaffte Eleanor Christie 4 große Welpen, die alle gegen Hundekrankheiten geimpft wurden. Es waren die Hündinnen „Hild“, „Lucy“, „Urd“ sowie der Rüde „Ask“, die Frau Christie im Februar 1939 bekam. Der Bestand erreichte 1943 noch 60 Hunde, im gleichen Jahr erkannte der Norwegische Kennel Klub den Lundehund als eigenständige Rasse an. 1942 kam die Staupeepidemie nach Vaerøy. Wegen des Krieges konnte kein Impfstoff beschafft werden und so starben alle Tiere bis auf einen Hund, der aber keine Welpen mehr bekam. Mikalsen verlor 1963 erneut seine Hunde durch die Staupeepidemie. Auf der Insel Vaerøy  lebte dann kein reinrassiger Lundehund mehr. Frau Christie sandte Mikalsen sodann per Luftfracht wieder zwei Welpen. Ein netter Zufall brachte es mit sich, dass sie genau an Monrad Mkalsens 75. Geburtstag eintrafen. Erfreut meldete er sich und rief ins Telefon: „Sie liegen bei Katrine im Bett!“ Der Norwegische Lundehund Club wurde 1962 gegründet, mit dem Ziel, die Rasse zu erhalten und zu veredeln.
Besonderheiten und Wesen des Lundehundes auf einen Blick

Der Lundehund ist ein lebhafter, verspielter, menschenfreundlicher, aufgeweckter, kluger und sehr charmanter kleiner Hund mit eigenem Kopf. Seinen Bezugspersonen gegenüber loyal und anhänglich und niemals aggressiv. In Norwegen ist der Lundehund als Familienhund sehr beliebt. Er gilt als sauber wie eine Katze und verbringt viel Zeit damit, sich zu putzen.

Leider ist er eine wenig fruchtbare Rasse. Dies dürfte auch auf die genetische Anpassung an seinen ursprünglich kargen Lebensraum sein, der die Aufzucht von mehr Nachwuchs eigentlich unmöglich machte. Pro Wurf fallen nur 1 - 5 Welpen, vereinzelt wurden 6 Welpen gewölft. Die Lebenserwartung liegt bei circa 12-14 Jahren - wenn er gesund ist. Doch scheint die heutige Zuchtpopulation der Lundehunde stark von zuchtbedingten Erbkrankheiten belastet. Dazu im nächsten Artikel mehr.

Zur Autorin:
Nicole Kamphausen hält seit 2001 Lundehunde. Sie war von 2006 - 2008 Kassiererin (Geschäftsführender Vorstand) im DCNH der dem VDH untersteht. Sie engagiert sich für eine Wende in der Zucht dieser so besonderen Hunderasse, speziell hinsichtlich des Themas Lundehund-Syndrom.

Donnerstag, 1. Dezember 2011

Rasse bei Hund und Katz

Wir gehen bei unseren Heimtieren gerne und oft mit dem Begriff "Rasse" um. Die einen mögen eine bestimmte Hunde- oder Katzenrasse, die anderen lehnen jede "Rasse" pauschal ab. Extremisten wie Peta stellen den Begriff der "Rasse" bei Hund und Katz in reißerischer Aufmachung sogar auf eine Stufe mit der menschenverachtenden Ideologie des Völkermords der Hitler-Faschisten.

Was ist aber mit "Rasse" gemeint?

Zunächst muss man feststellen, dass der Begriff Rasse hinsichtlich Menschen und Tieren eine grundlegend unterschiedliche Bedeutung hat. Bei Tieren, durchweg Haustieren, meint Rasse eine Kategorisierung hinsichtlich bestimmter Merkmale in Bezug auf den Nutzwert für den Menschen. Diese Kategorisierung ist eine ökonomische oder kulturelle, aber keine objektiv biologische oder zoologische. Aus deren Sicht zählen alle Hunde zu einer einzigen Unterart des Wolfes. Trotzdem wissen wir, dass es völlig unterschiedliche Typen von Hunden gibt. Man denke an Jagdhunde oder etwa einen Mops, man denke an einen Herdenschutzhund oder einen Pudel. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Hunderassen sind bereits vom Aussehen her erstaunlich. Noch prägnanter sind sie vom Wesen her.

Hunde waren bis Anfang 1900 der Lieferwagen des "kleinen" Mannes.
Ein Windhund würde sich hier schlecht machen.
Hunderassen als Produkt der Arbeit für und mit dem Menschen

Seit Jahrtausenden arbeiten Hunde für den Menschen in den vielfältigsten Positionen. Wenn man sich einmal genauer mit diesem Thema beschäftigt, so sieht man Hunde in wesentlich mehr Arbeitsverhältnissen im Dienste des Menschen als die bekannten als Hüte-, Jagd- oder Wachhund. In praktisch allen Bereichen der menschlichen Produktion und in den meisten Kulturen gab es Hunde als Arbeiter über tausende Jahre hinweg. Diese vierbeinigen Helfer mussten bestimmte Qualitäten haben, um ihre Arbeitsaufgabe ausführen zu können. Über die Generationen hinweg wurden diese Qualitäten immer prägnanter ausgeprägt, um eben die jeweilige Arbeit optimal ausüben zu können. So enstanden die einzelnen Hunderassen.

Schon in der Steinzeit kann man differenzierte Hunderassen nachweisen, in der Antike werden sie bereits zahlreich als solche beschrieben und um 1850 wurden 200 Hunderassen in Europa dokumentiert. Von einigen wenigen Schoßhündchenrassen abgesehen war jede einzelne Hunderasse das Produkt einer ganz bestimmten, vierbeinigen Arbeitsrolle in der Produktion des Menschen. Unsere heutigen Hunderassen basieren zum Großteil auf diesen alten Arbeitshunderassen. Hunde-Rassen sind damit auch ein Teil unserer Geschichte und Kultur.
Völlig unterschiedliche Wesensmerkmale gefragt.
Obere Reihe: Jagdhund, Hütehund, Herdenschutzhund.

Pferderassen als Produkt der Arbeit für und mit dem Menschen

Ähnlich sieht es bei den zahlreichen Pferderassen aus. Man unterschiedet hier Warm- und Kaltblüter. Diese Kategorisierung ist nun ebenfalls keine biologische und erst recht keine medizinische, etwa dass man die Pferde anhand ihrer Körpertemperatur unterteilen könnte. Aber auch Pferde waren und sind in ihrer Arbeit für den Menschen höchst unterschiedlich gefordert und das ebenfalls seit Jahrtausenden. So bildeten sich Pferdetypen für die schwere Arbeit beim Rücken des geschlagenen Holzes im Wald, als starke und zugleich coole Zugpferde für den Brauereiwagen in der Großstadt oder als "heißblütiges", nervöses Rennpferd auf der Bahn heraus. Auch hier hat die Einteilung in die verschiedenen Pferderassen seinen objektiven Hintergund in der Arbeit für den Menschen.

Etliche andere Haustierrassen, Rinder, Schafe, Hühner oder Gänse beziehen ihre Einteilung in Rassen aus dem unterschiedlichen "Nutzwert" für den Menschen zumeist unter dem Aspekt des unmittelbaren Nahrungslieferanten.

Katzenrassen als Marketingprodukt


In den vergangenen zwei Jahrzehnten sind Rassekatzen in Mode gekommen. In der TV-Sendung HundKatzeMaus werden uns seit Monaten jeden Samstag neue Hauskatzenrassen vorgestellt. Krumme Ohren, extrem große Augen, Schwanzlosigkeit, skurrile Fellformen werden frei aus Marketingaspekten heraus zu Rassemerkmalen erkoren und "rein" gezüchtet. Die Rasse-Merkmale sind aber im Unterschied zu den erstgenannten regelmäßig ohne jeden geschichtlichen oder funktionalen Hintergrund. Was hier mit dem Begriff "Rasse" bezeichnet wird, ist in den allermeisten Fällen lediglich das Marketingprodukt geschäftstüchtiger Katzenproduzenten der letzten 50 Jahre. Die unterschiedlichen "Rassen" der Hauskatze haben keinen unterschiedlichen Hintergrund in verschiedenen Arbeitsaufgaben. Hauskatzen hatten und haben immer dieselbe Aufgabe als Polizisten gegen das Ungeziefer an Haus und Hof, namentlich Mäuse und Ratten. Sie differenzieren sich lediglich hie und da in regionale Schläge mit gewissen Anpassungen etwa an extreme Klimabedingungen. Die heutigen "Rassekatzen" sind in den allermeisten Fällen gezielt geschaffene Kunstprodukte für den zahlungsbereiten Kunden in den Großstädten Europas und Nordamerikas. Zum Teil werden Mutationen kultiviert, zum anderen Extremzucht auf die Betonung bestimmter Körpermerkmale praktiziert, um so überhaupt erst eine neue Rasse zu schaffen.

Dieser Hintergrund für die Benutzung des Begriffs "Rasse" bei Haustieren ist vielleicht hilfreich, um selbige ein Stück besser zu verstehen und zu respektieren. Zugleich hilft das Verständnis des Rassebegriffs bei Haustieren, eine Perspektive aus der Misere der heutigen Heimtierzucht und -haltung zu finden.

Impressionen einer Heimtier-Ausstellung, Halle (Saale) im November 2011 (Danke für die Fotos an Katja)




Freitag, 11. November 2011

Inzest in der Hundezucht

Zum 5.November war ich eingeladen, bei der Tagung der Zuchtverantwortlichen der VDH-Vereine zu sprechen (Verband für das deutsche Hundewesen). Diese Einladung nahm ich gerne an. Wenn wir eine Wende in der Hundezucht fordern, so geht das nur MIT den Züchtern. Ein Kernpunkt meiner Rede war das Thema Inzucht oder besser gesagt der eindringliche

Appell an eine Abkehr von Inzucht.

Hier beim Petwatch-Blog erschienen schon etliche Abhandlungen, die die Bedeutung einer heterogenen Genausstattung für die individuelle Gesundheit, besonders aber auch die Gesundheit der Population einer Hunderasse belegen. Ich möchte nur auf den gerade erschienenen Artikel von Dr. Margrit Miekeley "Epigenetik - Vision oder Wirklichkeit in der Hundezucht?" verweisen.

Vor den Zuchtverantwortlichen des VDH forderte ich 4 Sofortmaßnahmen:
  1. Ein generelles Verbot von Inzestzucht. Ein solches Verbot sollte auch für das Ausstellen von Abkömmlingen solchen züchterischen Fehlhandelns gelten.
  2. Eine generelle Deckbeschränkung für Rüden. Die quasi uferlose Verwendung einzelner Champion-Rüden (Matador, Popular Sires) bei manchen Hunderassen ist nicht nur ein Katalysator der genetischen Verarmung einer Population. Sie ist zudem eine der Hauptursachen für die, ja man muss sagen, Verseuchung ganzer Populationen mit Gendefekten.
  3. Analog müssen solche Beschränkungen für die künstliche Besamung gelten. Die Reproduktionsmedizin ist heute auf dem besten Wege zu einem weiteren Katalysator von Inzucht zu degenerieren. Künstliche Besamung muss zudem strikt verboten sein, wenn sie als Ersatz für verloren gegangene Deckfähigkeit dienen soll.
  4. Mindeststandards für den Ahnenverlust sollten eingeführt werden. Schon eine so einfache Regel, wie dass kein Ahne im Stammbaum doppelt vorkommen solle, würde bei vielen Begleithunde-Populationen einen Fortschritt bedeuten.
Das sind Forderungen zur sofortigen Bekämpfung der schlimmsten Auswüchse in der heutigen Rassehundezucht. Natürlich ersetzen solche Maßnahmen keineswegs konkrete Programme zur Verbesserung der Populationsgenetik einer Hunderasse.

Schauen wir uns hier die Forderung zum Verbot von Inzestzucht an. Aus Sicht der Gesundheit der unmittelbaren Nachkommen oder aus Sicht der Gesundheit der Population gibt es keinen einzigen Grund, Inzestzucht zu betreiben. Solche Zuchtmaßnahmen dienen in aller Regel lediglich der Produktion genormter Welpen für den Markt und das Show-Buzz. Ansonsten sind die Folgen für das Wohl der Hunde zumeist fatal, besonders die langfristigen. Solche Warnungen sind alles andere als neu. Bereits 1904 warnte Tierarzt und Züchter Wilhelm Hinz in seiner Dissertation:

"Wenn wir uns heute der Inzucht als Mittel zum Zwecke bedienen, so dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass wird damit ein zweischneidiges Schwert schwingen. Denn wie sich durch Inzucht die von uns eigenmächtig aufgestellten Vorzüge in der Nachkommenschaft potenzieren, vervielfältigen sich ebenso leicht die Nachteile."
Wissenschaftliche Untersuchungen haben nachgewiesen,
dass 10% mehr Inzucht den
Verlust von 1 Jahr Lebenserwartung bedeutet.
Hunde mit heterogener Genausstattung haben im Durchschnitt
eine längere Lebenserwartung als ingezüchtete.

(Foto CJ: Geheime Mischung eines Mushers)
Und dieses Thema der Inzestzucht ist leider immer noch akut - trotz aller vollkommen eindeutigen Warnungen aus der Wissenschaft.

In der Zuchtordnung des VDH lautet die Bestimmung:

"Paarungen von Verwandten 1.Grades  – Inzest  (Eltern x Kinder/Vollgeschwister untereinander/Halbgeschwister    untereinander) – bedürfen der Ausnahmegenehmigung des Rassehunde-Zuchtvereins." (§4 Abs 3)

Entsprechend finden wir in zahlreichen Zuchtordnungen der Zuchtvereine analoge Bestimmungen, wie z.B.:

beim Beagle Club Deutschland e.V.:
"4.1.6 Inzestzucht
Paarungen von Verwandten ersten Grades und Halbgeschwistern bedürfen der vorherigen schriftlichen Genehmigung des Zuchtleiters. Die Genehmigung gilt für einen Wurf
."

oder - bereits etwas strenger - im Deutschen Club für nordische Hunde e.V.:
"5.3. Inzuchtpaarungen
Paarungen aus Verwandten 1. Grades (Vollgeschwister, Eltern – Kind) sowie Verpaarungen mit einem Inzuchtkoeffizienten von mehr als 20% sind genehmigungspflichtig und min. vier Wochen vorher beim LFBZ zu beantragen. Eine ausführliche kynologische Begründung mit Darlegung des Zuchtzieles ist dem Antrag beizufügen. Weitere oder abweichende Regelungen sind gegebenenfalls in den rassespezifischen Anhängen aufgeführt.
"

Außerhalb des VDHs gibt es zahlreiche Zuchtvereine, die ähnliche, aber auch etliche, die keinerlei Bestimmungen für die Inzestzucht vorlegen. Es gibt sogar Züchter, die die Mär verbreiten, per konsequenter Inzucht könne man eine Rasse von Gendefekten befreien. Das ist eine abenteuerliche Behauptung, die jeder wissenschaftlichen Erkenntnis widerspricht. Zwar kann man bestimmte, bekannte Gendefekt ausmerzen, aber die Wahrscheinlichkeit, dass komplexe Gendefekte zusammenkommen, erhöht sich zugleich. Eine ingezüchtete Population verliert tendenziell ihre Überlebensfähigkeit und Widerstandkraft gegenüber Störungen aller Art. Über Generationen ingezüchtete Labormäuse zum Beispiel sterben binnen 24 Stunden, wenn sie normales Leitungswasser trinken.

Der Verzicht auf Inzestverpaarungen ist in der Hundezucht keineswegs ein Novum.

So enthält die ZO der "Deutschen Hunde Sport-Union e.V." (DHSU) die kurze, aber unzweideutige Bestimmung:

"Eine Inzestverpaarung ist in der DHSU strengstens untersagt."

Auch verschiedene VDH-Zuchtvereine haben sich bereits für ein Verbot von Inzestzucht entschieden wie der PSK Pinscher-Schnauzer e.V 1895, um nur ein Beispiel zu nennen.

Es wäre sehr wünschenswert, wenn solche uneingeschränkten Verbote des Inzests Schule machen würden. Wenn der VDH oder andere Verbände den Weg einer gesunden Rassehundezucht gehen wollen, wird man an einem solchen Verbot von Inzestverpaarungen nicht vorbeikommen.
(ein Beitrag von Christoph Jung)

    Sonntag, 6. November 2011

    Epigenetik - Vision oder Wirklichkeit in der Hundezucht?

    von Dr. Margrit Miekeley - Kurzfassung -
    Was mal aus diesen Welpen an Mutters Milchbar wird,
    entscheiden nicht nur ihre Gene, sondern
    ganz entscheidend auch ihre Aufzucht und spätere Haltung
    (Foto ©Sh.Chuat)
    Haben Sie schon mal was von Epigenetik gehört? Wenn nicht, ist es bestimmt keine Bildungslücke, da dieser Wissenschaftszweig der Genetik noch recht jung ist. Als Biologin stellte ich mir vor einiger Zeit die Frage, ob die Inhalte der Epigenetik auch für die Hundezucht relevant sind? Nachfolgend werde ich auf einige eingehen:

    Es ist noch nicht lange in der klassischen Genetik bekannt, dass Gene interaktiv von einem zum anderen Chromosom pendeln. Vor zehn Jahren wurde der Aufbau der menschlichen DNA (Doppelhelix) entschlüsselt und nun untersuchen Wissenschaftler ihre Funktion. Erst vor fünf Jahren enträtselten Genetiker ebenso das Hundegenom, was der Humanmedizin neue Möglichkeiten bei der Erforschung von Erbkrankheiten eröffnete (Dog Genome Project).

    Die Epigenetik geht bei einer genetischen Disposition für eine bestimmte Erkrankung davon aus, dass die Krankheit bei einem entsprechenden Lebensstil des Betroffenen nicht unbedingt ausbrechen muss.

    Denn es wurden Veränderungen im Erbgut gefunden, die in der Lage sind, Gene stumm zu schalten. Diese biochemischen Gen-Anhängsel sind in der Lage, Gene zu steuern, um sie entweder an- oder abzustellen. Ebenso fanden die Forscher heraus, dass durch traumatische Erlebnisse, Vergiftungen,  Belastungen, Hormoneinflüsse und durch das Klima Gene sich nachhaltig verändern können, so dass Krankheiten in Erscheinung treten. Auf diesem Wege entstehen entweder aktivierte Defektgene oder aber Suppressor-Gene werden außer Kraft gesetzt. Das Erstaunliche daran ist, dass diese veränderten Gene sogar an die Nachkommen der Erkrankten vererbt werden.  Darüber hinaus fanden die Forscher heraus, dass traumatische Erlebnisse, die vor oder nach der Geburt stattfanden, das Erbgut ebenso verändern können. Dieses Wissen ist neu und zugleich der Beweis dafür, dass Emotionen eine weitaus größere Bedeutung auf das Erbgut von Lebewesen ausüben als man bisher annahm. Die Epigenetiker erlangten alle diese Erkenntnisse durch Versuche mit Labormäusen, die bei einer veränderten Fütterung nicht nur ihr Aussehen veränderten (Farbe und Gewicht), sondern ebenso die biochemische Struktur ihrer Gene, die an ihre Nachkommen weitergegeben wurde. Diese durch Traumata entstandene Genveränderung konnte bei Menschen (USA, 11. Sept.) ebenso gefunden werden.
    Die Modifikation (Stumm- und Aktivschaltung) von Genen
    geschieht durch spezielle biochemische "Anhängsel" (Grafik ©Wikipedia)
    Wie kann man sich das alles vorstellen?

    An den Genen haben sich biochemische "Anhängsel" gebildet, die je nach Aufbau Histonmodifikation, Methylierung (in  Form von Wasserstoffketten) oder Micro-RNA genannt werden. Mit diesem Nachweis hat sich altbekanntes Wissen (Lamarck) bestätigt, dass die Umwelt einen unmittelbaren Einfluss auf Lebewesen ausübt, wobei diese Änderungen zum Fortbestand einer Art beitragen. Krankheit wird demnach nicht mehr als "Faux-Pas der Natur" angesehen, sondern sie gilt als eine Anpassungsmaßnahme zur Selektion einer Spezies. Die Evolution braucht dazu Jahrtausende - doch Zellen können das in Sekundenschnelle:

    Die Langerhans`schen Zellen sind bspw. in der Lage, blitzschnell auf einen erhöhten Glukosespiegel im Körper zu reagieren, indem Insulin (als Gegenspieler zum Glukagon) vermehrt ausgeschüttet wird. Ebenso wird die Zellalterung durch epigenetische Vorgänge an den Enden der Gene (in den  Telomeren) gesteuert. Vergleicht man die Genetik mit einem Computer, würden die Chromosomen und Gene zur Hardware gehören und die Epigenetik mit ihren biochemischen "Gen-Anhängseln" wäre die Software für die Programmierung der Gene.

    Nun soll der Frage nachgegangen werden, welche Faktoren sind bei der Aufzucht und Haltung von Hunden nach epigenetischen Gesichtspunkten von Bedeutung?

    An erster Stelle steht hier die Ernährung von Lebewesen. Sie hat mehr Einfluss auf Mensch und Tier als man bisher annahm. Ein Beispiel dafür führen uns die Bienen im Tierreich vor. Durch den unterschiedlichen Gehalt der Nahrung an Proteinen, die diese Insekten ihren Larven verabreichen, wird die zukünftige Aufgabe im Bienenstaat bereits im Larvenstadium festgelegt. Einige Epigenetiker konnten nachweisen, dass "Dynactin" als Inhibitor im Gelée Royale vorhanden ist, der gezielt Königinnen durch die Aktivierung spezieller Gene entstehen lässt.

    Deshalb kann man sich gut vorstellen, dass ebenfalls die Möglichkeit besteht, dass einige der heute üblichen Nahrungsergänzungen, wie bspw. Konservierungsstoffe, Geschmacksverstärker, synthetische Vitamine, Farb- und Duftstoffe, Antibiotika, Insektizide, Pestizide, Hormone, etc. bei der  Steuerung der Gene eine Rolle spielen könnten. Auf diesen neuen Erkenntnissen basierend ist die Pharmakologie nun dabei, Medikamente zu entwickeln, die gezielt auf spezifische Gene, die für das Entstehen von Krebs- und Herzerkrankungen verantwortlich sind, einzuwirken. Diese Medikamente sollen Gene entweder stumm oder aktiv schalten (Tumor-Suppressor-Gene), um  entartetes Zellwachstum zu verhindern oder zu stoppen.

    Auch Hundehalter sollten darauf achten, dass das Hundefutter möglichst frei von den oben genannten Ergänzungsmitteln ist und dass es frische natürliche Vitamine und Mineralien enthält. Es ist ganz wichtig, dass die Mitochondrien in den Zellen, die eine eigene Erbsubstanz (mtDNA) besitzen, leistungsfähig bleiben, damit  ausreichend Energie (in Form von ATP) zur aeroben Zellatmung vorhanden ist. Nur so ist eine angepasste Zellteilung gewährleistet.
    Das Mitochondrium mit eigener DNA (mtDNA) versorgt die Zelle mit Energie
    (Grafik ©Wikimedia)
    Die Epigenetik misst der gesunden Ernährung/Fütterung nicht nur eine besondere Bedeutung zu, sondern sie sieht in den natürlichen Farbstoffen (Pigmenten), die sich in der Nahrung/in dem Futter befinden, eine direkte Verbindung zur Gesundheit. Die Betonung liegt aber auf "natürlich". Ein Hundefutter sollte pigmentreich sein und Carotinoide (Möhren und Eidotter), Chlorophyll (Algen, Gemüse und Kräuter), Resveratrol, Antocyane, Lutein, Lycopen, etc. (Obst, Beeren, Omega-3-Öle) enthalten. Farbstoffe fördern nicht nur die Pigmentbildung im Körper eines Hundes, sondern sie stellen den Regulationsmechanismus für einen intakten und gut funktionierenden Hormonhaushalt dar, der Drüsen und lebenswichtige Organe leistungsfähig erhält - und das bis ins hohe Alter hinein. Bei diesen Hunden, die einen ausreichend hohen Pigmentanteil im Phänotyp vorweisen und damit offensichtlich einen ausgewogenen Hormonhaushalt besitzen, geht es erst mal nicht allein um die Einhaltung eines Rassestandards oder um die Bewertung von Äußerlichkeiten auf Hundeschauen, sondern vielmehr um die Gesunderhaltung eines Hundes und letztendlich um den Erhalt einer Rasse. Beim Hund kommen die  Pigmentfarbstoffe Eumelanin (Schwarz) und Phäomelanin (Rot) vor. Aus den vorgenannten gesundheitlichen Gründen ist es begrüßenswert, dass es Züchter gibt, die auf einen ausreichenden Pigmentanteil im Erscheinungsbild ihrer Zuchthunde achten (Lefzen, Nasenspiegel, Krallen, Haut). Auf keinen Fall kann der willkürliche Anteil der Farbe Weiß im Hundefell einer Rasse (Azawakh) als Pigmentverlust angesehen werden. Beim völligen Fehlen von Pigment (Albinismus) liegt sehr oft eine polygene, pathologische Verbindung zu Erkrankungen im neuronalen System vor. Es versteht sich von selbst, dass mit diesen Hunden nicht gezüchtet werden darf. Wenn Hunde Störungen im Pigmenthaushalt vorweisen, kann das ein erstes Zeichen für beginnende immunologisch und hormonell veränderte Vorgänge sein.
    Eine hellcremefarbene Saluki-Hündin mit hervorragendem
    Pigment in allen erwünschten Bereichen (Foto ©M.Miekeley)
    Von epigenetisch großer Bedeutung ist die erste Lebensphase der Welpen. In dieser Zeit sollte besonders auf liebevolle Haltungsbedingungen geachtet werden. Dass der Grad der Fürsorge sich auf das spätere Verhalten der Zöglinge sozial positiv auswirkt, ist schon seit langem in der Pädagogik bekannt, doch spätestens seit der Reformpädagogik. Wenn nun durch epigenetische Forschungsergebnisse eine direkte "Brücke zwischen biologischen und sozialen Prozessen geschlagen werden kann", wie der Epigenetiker Moshe Szyf (2008) schreibt, dann übernehmen Züchter ein großes Maß an Verantwortung für das spätere Verhalten und damit für das Schicksal ihrer gezüchteten Hunde. Denn alle Erfahrungen, die ein Welpe in den ersten Lebensmonaten und auch schon vor der Geburt macht, prägen sich nicht nur für ein Leben lang bei ihm ein, sondern sie werden ebenfalls an die nachfolgenden Generationen weitergegeben. Besonders das Gefühl der Geborgenheit, das der Welpe bei der Mutterhündin und auch im gesamten Hunderudel erfährt, übernimmt einen prägenden Einfluss auf das spätere Verhalten des Hundes. Traumatische Erlebnisse in jeder Form sind deshalb für die Welpen zu vermeiden. Eine Zucht mit schwer traumatisierten Hunden lehnt die Epigenetik ab. Aus tierzüchterischen Gründen muss der Handel mit Hunden (Puppy Mill) verboten sein.
    Fürsorge und Geborgenheit geben dem Welpen
    alle Voraussetzungen für einen optimalen Start ins Leben
    (Foto ©M.Lehtonen)
    Ebenso sollten Zuchthunde ausreichend bewegt werden. Die Bewegung dient der Gesunderhaltung sowie einer Überprüfung der körperlichen Fitness. Eine Leistungsüberprüfung, gerade bei der Zucht von Hetzhunden, müsste vor der Ankörung obligatorisch erfolgen, weil dadurch das Zuchtziel "Schönheit und Leistung" ausgewogen realisiert wird. Nur so kann, nämlich durch die Vermeidung einer einseitigen Ausrichtung, der erwünschte Phänotyp (Standard) erhalten bleiben. Es versteht sich von selbst, dass mit diesem Anliegen das Championat für S&L einen hohen züchterischen Stellenwert einnimmt und entsprechend zu honorieren ist.

    Welche Faktoren legen die Basis, dass epigenetische Abläufe wenig optimal  vonstatten gehen können?

    Hier steht die Inzucht (Verpaarung von Verwandten) bei Hunden an erster Stelle! Sie stellt eine altbekannte und bewährte Methode in der Tierzucht dar, dass erwünschte Merkmale in einer Linie sich manifestieren. Jedoch bei einem zu lange währenden Ahnenverlust, treten immer mehr rezessive Gene dominant in Erscheinung. Ebenso wird das Hundegenom in wichtigen Bereichen immer homozygoter. Das bedeutet, dass immer mehr Gene, die einstmals polygen mit Aussehen und Gesundheit in Verbindung standen, nicht mehr vorhanden sind (Genverarmung). Hier sind die Züchter von Rassehunden gefragt, dass sie die Deckrüden für ihre Hündinnen nicht nach der Anzahl der erreichten Titel aussuchen, die dann auch noch aus  verwandten Linien stammen. Vorrangig sollte das Zuchtziel der genetischen Vielfalt im Major Histocompabilitäts Complex (MHC) verfolgt werden, weil dieser Bereich im Hundegenom für das Immunsystem von großer Bedeutung ist. Diese Gene müssen heterozygot (mischerbig) vorhanden sein, damit sie sich flexibel auf veränderte Umweltbedingungen einstellen können. Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass diese genetische Vielfalt bei unseren Windhundrassen nicht dadurch realisiert wird, indem verschiedene Rassen untereinander gekreuzt werden! Das ist eine Methode, die Rasse und ihre geschätzten Eigenarten zu eliminieren. Dieses Vorgehen kann nach meiner Einschätzung nur die absolute Ausnahme in einem außerordentlichen Notfall sein, bspw. bei einer sehr kleinen Population mit einem außergewöhnlich hohen Inzucht-Quotienten. Grundsätzlich muss der genetische Ist-Zustand einer Rasse/Linie zuerst einmal ermittelt und danach von Experten evaluiert werden. Eine gezielte Auswahl des Zuchtpartners nach obigen Kriterien (bspw. S&L sowie genetischer Vielfalt) ist zukünftig von besonderer Tragweite für die gesamte Rassehundezucht. Wie ich weiß, besteht an einigen Laboratorien, die Universitäten angeschlossen sind, bereits die Möglichkeit, dass DNA-Analysen (auf eine DLA-Übereinstimmung) stattfinden, um die Struktur der Zuchtpartner in diesem genetischen Bereich vergleichend  zu untersuchen. DLA bedeutet Dog Leukocyte Antigen.

    Warum ist es so wichtig, dass gerade im Hundegenom und zwar speziell im MHC-Komplex eine hohe genetische Variabilität vorliegt?

    Diese speziellen MHC-Gene im Hundegenom haben nicht nur die Aufgabe, sich auf veränderte Umweltbedingungen einzustellen, was sie nur bei einer Heterozygosität (Variabilität) können, sondern sie halten das Abwehrsystem eines Organismus funktionstüchtig. Damit reagieren sie sofort auf Eindringlinge (Pilze, Bakterien, Viren). Das bedeutet, dass die Anzahl der Granulozyten (Phagozyten=Fresszellen) sich adäquat erhöht. Wenn das Immunsystem jedoch durch Homozygotierung der MHC-Gene (besonders durch Inzucht) nicht mehr dazu in der Lage ist, dann werden Eindringlinge nicht mehr erkannt, und es stellen sich beim Hund immer mehr Krankheiten ein, die auf ein geschwächtes Immunsystem hinweisen.
    Bewegung beim Freilauf hält fit und bedeutet
    für meinen Saluki-Rüden Lebensfreude pur
    (Foto ©M.Miekeley)
    Es ist demzufolge auf lange Sicht gesehen unerlässlich, dass bei  Rassehunden ein Zuchtprogramm zur gesundheitlichen Qualitätssicherung aufgestellt wird, so dass man auch Trägern von Erbkrankheiten kennt sowie Defektgene ermittelt und Marker für genetische Erkrankungen entwickelt. Das kann allerdings nur durch die Bereitschaft der Züchter/Halter geschehen, die Blutproben ihrer Hunde zur Verfügung stellen. Beim konsequenten Verfolgen dieser Vorgehensweise ist es dann möglich, Träger von Erbkrankheiten mit gesunden Hunden zu verpaaren, das wiederum der genetischen Vielfalt einer Rasse zugute kommt. Selbstverständlich muss das Procedere vom Verband mit Experten sorgfältig geplant und organisiert werden. Doch bis dahin sind grundsätzlich Outcross-Verpaarungen und Deckeinsätze mit alten Rüden, die einen höheren Zuchtwert als junge darstellen, zu favorisieren.

    Bei dem Verfolgen dieses Ansinnens (eine hohe genetische Vielfalt im Hundegenom) ist es geradezu selbstverständlich, dass Deckeinsätze von ein und dem selben Rüden (Superrüden) eingeschränkt werden. Das verlangt eine allgemeine Limitierung des Deckeinsatzes, um eine unnötige weitere Homogenisierung der gesamten Population zu verhindern.

    Wie lassen sich alle diese Ansprüche grundsätzlich realisieren?

    Es muss zuerst einmal ein Umdenken stattfinden, was Krankheit bedeutet! Anschließend sollte die Notwendigkeit erkannt werden zu handeln. Krankheit kann auch eine Chance sein, weil sie uns Menschen Möglichkeiten aufzeigt, gemeinsam neue Wege zu beschreiten. Sie ist aber auf keinen Fall ein Grund zur Diffamierung, weil jeder davon betroffen werden kann. Deshalb bietet sie uns eine Möglichkeit, zum Wohle unseres besten Freundes zusammen zu arbeiten. Packen wir es also an!

    Text   © Dr. Margrit Miekeley im Oktober 2010
    Fotos © siehe Hinweise

    www.meinewindhunde.de
    Miekeley@aol.com

    Hinweis:

    Eine detaillierte Literaturliste befindet sich unter dem vollständigen Artikel mit gleichem Titel.

    Donnerstag, 3. November 2011

    Deutscher Rekord bei Tierversuchen

    Ernüchternd: Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat die Zahlen 2010 für die Tierversuche in Deutschland veröffentlicht. Noch nie wurden in den letzten 10 Jahren soviele Tiere für Versuche missbraucht wie im vergangenen Jahr. Es sind alleine 70.000 mehr als 2009. Das ist eine alarmierende Entwicklung. Statt auf Tierversuche perspektivisch ganz zu verzichten bzw. lediglich in absolut wichtigen Ausnahmefällen, Tierversuche einzusetzen, werden diese sogar stetig ausgeweitet. Ein Grund für die festgestellte Zunahme der Tierversuche soll die industrielle Gentechnik in der Nahrungsmittelproduktion sein. Die Zahl der missbrauchten Hunde ging von 5.000 in 2000 auf 3.000 im Jahr 2010 zurück. Dagegen stieg die Zahl der Affen stark an.

    DAS ist die Tierschutzrealität in Deutschland.

    Hier Tierversuche, dort die Exzesse in der Hundezucht, die ebenfalls vom Staat unbehelligt bleiben. Zwar hat das Qualzuchtgutachten von 1999 eine Fülle von relevanten Qualzuchtpraktiken aufgelistet, aber diese werden von zweifelhaften Züchtern einfach ignoriert, wie hier auf Petwatch dutzendfach bewiesen wurde. In den ganzen Jahren seit Verabschiedung des heute geltenden Tierschutzgesetzes gab es nach einer Untersuchung von Prof.Dr. Jörg Luy ganze 3 Verurteilungen nach §11b TSchG, davon ist lediglich eine rechtsgültig. Zudem blüht der internationale, eu-weite Handel* mit Hunden wie noch nie in der Geschichte. Das Tierschutzrecht hat sich als totes Recht erwiesen.

    Tierschutzrecht - totes Recht

    In 2010 trieb Undine Kurth, parlamentarische Geschäftsführerin und Tierschutzbeauftragte der Grünen-Fraktion im Bundestag, eine Initiative für ein wirkungsvolleres Tierschutzgesetz voran. Doch schon bei den Beratungen war klar: Es gibt einen scharfen Gegenwind. Vorne dran wehrt sich die Lobby der Agrar- und Lebensmittelindustrie in Berlin und besonders in Brüssel mit aller Macht gegen jede Verschärfung des Tierschutzes. Sie fürchtet um die Profite in der industriellen Fleischproduktion und will den Weg für gentechnisch manipulierte Tiere weiter ebnen. Es sind oft dieselben Konzerne, die hier gegen die Rechte der Tiere agieren, die uns dort über ihre bunten und mit großem Aufwand bei jeder Tiersendung und in jedem Hundemagazin beworbenen Tochterlabels beim Hunde- und Katzenfutter vorgaukeln wollen, alles zum Wohle unserer Lieblinge zu tun. Darüber hinaus gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Nutznießer am Elend der Tiere.

    Deshalb bin ich für eine:

    Große Initiative aller Tierfreunde für ein neues Tierschutzgesetz zum besseren Schutz der Tiere!

    *Handel = Kauf einer Ware (hier Hund, Welpe) zum Zwecke des Weiterverkaufs

    ( ein Beitrag von Christoph Jung )

      Mittwoch, 12. Oktober 2011

      Frühe Verhaltensentwicklung bei einem Azawakhwurf, Teil 2/2

      von Elisabeth Naumann, www.azawakhs.eu

      Verhaltensentwicklung bei einem Azawakhwurf in den ersten acht Lebenswochen - ein ontogenetischer Beitrag aus der Züchterpraxis:

      Untersucht wurde der O-Wurf in der VDH-Zuchtstätte >of Silverdale<, Wurftag 03.09.2010. Vater ist der Imp.1-Rüde Kalil of Silverdale (2000 - 2011), die Mutter Azenfouk (geb.2006) stammt aus der Region Menaka in Mali. Beide sind die Alpha-Tiere in einer gemischten Gruppe von damals elf Azawakhs zwischen drei und vierzehn Jahren mit drei Direktimporten und sieben F1-Nachkommen von Azawakhs aus den Ursprungsländern.  Die Niederkunft  am 64. Trächtigkeitstag verlief komplikationslos, menschliches Eingreifen war nicht notwendig. Es wurden ein Rüde (O'Noufou of Silverdale) und eine Hündin (Ofra of Silverdale) mit Ersttagsgewichten von 350 g und 400 g geboren. Örtlichkeit des Wurfs war das von den  Züchtern bewohnte Einfamilienhaus mit Nebengebäude in München mit Wintergarten und zwei für Hunde speziell eingerichteten Räumen sowie vier nach Bedarf trennbaren Spiel-, Ruhe- und  Lösebereichen im Freien. Den Azawakhs stehen Haus und Garten zur Verfügung, sie nehmen am Familienleben teil und folgen dabei in den Sozialbeziehungen eingeübten Verhaltensregeln. Je nach Alter und  individueller Neigung sind die Hunde bei Renn- und Coursingwettbewerben aktiv.
      Das Verhalten der zwei Welpen wurde vom Tag der Geburt an bis zur Abgabe an die neuen Besitzer in der 11. bzw. 12. Woche schriftlich und fotografisch dokumentiert.

      Zur Darstellung der altersabhängigen Verhaltensmuster  wurden alle Protokolle sowohl qualitativ als auch quantitativ folgendermaßen ausgewertet:
      • Aufschlüsselung von Verhaltensweisen und physiologischen Entwicklungsprozessen nach dem von Dr. Dorit Feddersen-Petersen erstellten Schema.
      • Gruppierung dieser Einheiten nach Zugehörigkeit zu Funktionskreisen sowie nach ihrem zeitlichen Auftreten im Entwicklungsverlauf.
      • Erstellung von vergleichenden Entwicklungsethogrammen.
      Das folgende Beobachtungsprotokoll hält fest, an welchem Lebenstag innerhalb von acht Wochen der Azawakhwurf zum ersten Mal die bei Feddersen - Petersen, a.a.O., S. 73 - 84 unter I bis VII  benannten Verhaltensindikatoren gezeigt hat.

      Entwicklungsprotokoll des Azawakhwurfs nach Lebenstagen (Bitte Grafiken anclicken)
       Entwicklungsprotokoll des Azawakhwurfs im Vergleich mit den bei Feddersen-Petersen dokumentierten Hunderassen und dem Wolf (Bitte Grafiken anclicken)
      Der Vergleich zeigt auf, ob und inwieweit Abweichungen von den bei Feddersen-Petersen verfügbaren Daten für die Rassen Labrador, Golden Retriever, Siberian Husky, Großpudel, Zwergpudel und Schäferhund  und dem europäischen Wolf hinsichtlich des ersten zeitlichen Auftretens vorliegen. Die Daten erlauben u.a. Korrelationen zwischen einzelnen der  neun untersuchten Würfe in jeweiligem Bezug auf die 72 vorgegebenen Verhaltensindikatoren.

      Der hier unternommene Versuch kann vorerst nur zu Thesen anregen. Deren  Prüfung und allfällige Vertiefung bleiben Sache der kynologischen Forschung. Im aktuellen Zusammenhang geht es darum, das Augenmerk auf erkennbare Besonderheiten von ursprünglichen Vertretern des canis familiaris zu richten.

      Vorweg ist festzuhalten, dass die hier erhobenen Daten insgesamt eine vergleichsweise frühzeitige Verhaltensentwicklung der Azawakhwelpen belegen. Dies ist in den Bereichen II (Lokomotion), III (Komfortverhalten), IV (Orientierung), V (Stoffwechsel) und VIb (Ausdrucksverhalten zwischen den Welpen) besonders auffällig. In der Abteilung VII (Verhaltensweisen der unbelebten Umwelt gegenüber) sprengt die sehr frühzeitige "Flucht auf unbekannte Umweltreize" den dortigen Rahmen. Dies würde einer Eigenheit der Rasse entsprechen  - und hier ohne erworbene Negativerfahrungen mit  ungewohnten Szenarien. Vieles deutet im Vergleich mit den beobachteten Welpen der "Kulturrassen" darauf hin, dass der Azawakhwurf Anlagen zugunsten einer frühzeitigen Verselbständigung (wie in der Ursprungsregion üblich)  sowie die physischen und verhaltensmäßigen Voraussetzungen für die Nutzung als Lager-, Herden- und Jagdhund mitbringt. Die durchschnittliche Nähe zu den  Daten für die übrigen Rassen ist beim Siberian Husky am größten, in Bezug auf den Deutschen Schäferhund am geringsten.

      Der Silverdale-Wurf verfügt über eine "desert bred" - Abstammung. Vergleichsbeobachtungen mit Azawakhwelpen aus europäischen Engzuchtlinien wären unter genotypischen Gesichtspunkten interessant.


      Anhang: Notizen aus dem Beobachtungsprotokoll

      Erste Umweltkontakte

      Die Welpen reagieren ab dem  4.Tag auf Berührungsreize. Ab dem 5.Tag werden sie in  einem Korb zu Azenfouks Fütterung in die Küche mitgenommen. Sie beginnen, auf akustische Reiz zu reagieren, speziell auf die von Azenfouks Futterschüssel verursachten Geräusche. Ab dem 6.Tag befindet sich ein Hundebett in der Wurfkiste. Die Hündin Ofra versucht, über den ca. 15 cm hohen Rand zu klettern. Am 12. Tag mussten die Wände der Wurfkiste erhöht werden.

      Ab dem 7.Tag: Besuche eines 14-jährigen Mädchens im Wurfzimmer. Sie bekommt die Welpen auf den Schoß gesetzt und streichelt sie. Azenfouk kennt sie gut, zeigt volles Vertrauen und fordert auch selbst Streicheleinheiten ein.
      .
      Am 8.Tag: Die Welpen werden in den Wintergarten getragen und dort von einer 86-jährigen Bekannten besucht, Besuchsdauer 1 Stunde. Azenfouk verweigert ihr den Handkontakt mit den Welpen, besteht aber darauf, selbst gestreichelt zu werden.

      Am 10.Tag: Die Augen beginnen sich zu öffnen. Bei der Hündin am 11.Tag vollzogen, beim Rüden am 12. Tag.

      16.Tag: Ofra reagiert auf olfaktorische Reize. Auf den  Kaffeetisch gesetzt geht sie gezielt auf den Pflaumenkuchen zu und schleckt. Nimmt erstmals einen  Hundekuchen auf.
      Selbst eine Nase aus dem Sahel lässt sich von Pflaumenkuchen verführen ;))
      Ab der 4. Woche: Tagesaufenthalt der Welpen ist ein Teil des Wintergartens mit Hundebett, offener Flugbox und zwei Babysesseln. Bei schönem Wetter Zugang zum Garten mit Tunnelsystem, Ballbad, Muschel, Plastikfolien, Reizangel, Kletterturm, Bällen und großen Plüschtieren, weitläufigem Rasen, Bäumen, Gebüsch, Hecke, Steingarten und Laubhügeln.

      Ab dem 17.Tag regelmäßiger Besuch einer 17-Jährigen mit ihrer Mutter und gelegentlich  ihrem 12-jährigen Bruder mit oft recht wilden Knuddelspielen. Besucher wurden angewiesen, stärkeres Beißen und Kratzen seitens der Welpen zu unterbinden (Schnauzengriff, lautes Verbot, Unterbrechen des Spiels). Dies war unsererseits schon ab dem 14.Tag so gehandhabt worden. Bei den hier beschriebenen Besuchen war nur eine einzige derartige Intervention seitens der Tochter nötig. Auch bei späteren Spielen mit Menschen haben die Welpen sodann grobes Zubeißen und Kratzen unterlassen. Bei allen Besuchen war die Mutterhündin dabei und hat für sich Zuwendung eingefordert. Ab der 4.Woche war auch der Vater des Wurfs anwesend.

      Am 19.Tag erste Autofahrt der Welpen.

      Verhalten der Mutterhündin

      Azenfouk ist die ranghöchste Hündin im Rudel. Sie hat sich diese Position durch Dominanzäußerungen gegenüber den anderen Hündinnen Schritt für Schritt erarbeitet. Die Rüden ließ sie unbehelligt. Als anerkannte Chefin ist sie souverän und eher sanftmütig. In den ersten drei Wochen hat sie keine Hündin in Türnähe des Wurfzimmers geduldet. Am 8. Tag hatte Mila, eine fünfjährige Hündin, mit der sich Azenfouk gut versteht, aus Versehen Zugang zur Wurfkiste. Es erfolgte  sofort ein ernsthafter Angriff der Mutter, die nur mit Nachdruck zu beherrschen war.

      Am 13.Tag kann ich mit Azenfouk erstmals das Grundstück verlassen. Während des dreißigminütigen Spaziergangs markiert sie, scharrt demonstrativ und hält Ausschau nach anderen Hunden. Diese werden mit gesträubtem Fell bedroht.

      Zwischen Tag 15 und 21 verlangt die Mutterhündin zunehmend nach Ausgang, wobei sie    die Welpen unter ihrem  Bettlager zu verbergen sucht. Sie nimmt vermehrt die Gelegenheit wahr, sich auf einem Sessel zeitweise von den Welpen abzusondern.

      Ab der dritten Woche erlaubt sie zunächst den Rüden die Kontaktaufnahme mit den Welpen, dann nach und nach den Hündinnen, wobei die älteste den ersten Zutritt hatte. Die Mutter  entfernt sich häufiger aus der Sichtweite der Welpen  und sucht Liegeplätze innerhalb des Rudels auf.

      Am 19.Tag Beginn der Fütterung, Anlegen der Halsbänder. Bei der Fütterung werden die Welpen auf Pfeife, Lockruf  und Namen geprägt. Ebenso Einübung von "Sitz" und "Schau mal her". Ab der 5. Woche rezidiert zuerst die rechte Milchleiste. Azenfouk beginnt, für die Welpen Futter zu erbrechen, stellt dies jedoch bald ein.

      Ab der 6.Woche zeigt sich Azenfouk zunehmend von den Aktivitäten der Welpen "genervt". Der Vater Kalil übernimmt immer mehr die Erziehungsaufgaben.

      Fluchtverhalten, Reaktion auf andere Hunde

      Ab dem 29.Tag wurde zum ersten Mal Fluchtverhalten beobachtet, zunächst bei ungewöhnlichen Geräuschen, dann auf unbekannten Bodenstrukturen und schließlich bei Begegnungen mit Rudelmitgliedern. Diese Fluchtreaktionen verschwanden innerhalb von zwei Wochen.

      Ab dem 40.Tag trat Fluchtverhalten gegenüber fremden Menschen auf, beim Rüden mehr als bei der Hündin. Bei fremden Hunden gab es ein solches Verhalten nicht. Im eigenen Rudel zeigte der Rüde O'Noufou ab der 5. Woche dagegen Expensionstendenzen: Mit durchgedrückten Läufen, erhobener Rute und gesträubtem Fell inszenierte er Attacken auf den 5-jährigen und dann den 3-jährigen Rüden. Beide flüchteten. Der Versuch beim 10-jährigen Rudelchef, dem Vater, scheiterte. Der drückte ihn auf den Boden und verhinderte jede weitere Bewegung. Fluchtversuche endeten mit den gleichen und dann auf Dauer wirksamen Unterwerfungsaktionen.

      Ab 45.Tag Ausführen der Welpen mit Leine und Brustgeschirr oder Halsband auf der Straße. Anders als die Hündin verweigert der Rüde am ersten Tag vor der Gartentür die Fortbewegung und schreit. Dies wiederholt sich auch beim Weitertragen und erneuten Versuchen. Am Tag darauf in Begleitung von Azenfouk: Die Mutterhündin ignoriert das Protestverhalten des Rüden und geht weiter und nun folgt ihr der Welpe schwanzwedelnd und an lockerer Leine. Ab diesem Zeitpunkt waren die Spaziergänge kein Problem mehr.
      Beim ersten Ausgang mit dem Vater setzt sich O'Noufou mit Imponiergehabe an die Spitze, der Rudelchef drängt ihn mit Körpereinsatz, Knurren und Drohmimik zurück. Beim Versuch, über einer Markierung des Vaters Urin abzusetzen, wird O'Noufou auf offener Straße von ihm so lange zu Boden gedrückt, bis er schreit und jede Bewegung aufgibt. Diese einmaligen Interventionen des Rudelführers genügen für das künftige Verhalten.

      48. Tag: Nachbarschaftsbesuch bei einem 6 Monate alten Riesenschnauzerrüden. O'Noufou betritt dessen Garten mit gesträubtem Fell in Imponierhaltung, bellt und knurrt mit gerunzeltem Nasenrücken und spitzen Mundwinkeln. Der Riesenschnauzer unterwirft sich aktiv, nimmt Spielhaltung ein und pfötelt. Es folgen einvernehmliche Rennspiele, die jeden  zweiten Tag wiederholt werden.

      Ab der 6. Woche erfolgte ein mehr oder weniger gängiges Sozialisierungsprogramm mit    täglichen Autofahrten, Begegnungen mit neuen Menschen und Hunden und dem Tierarzt, das Aufsuchen von Geschäften und Verkehrszentren und mit Wohnungsbesuchen bei Bekannten und Verwandten.

      Links:

      Samstag, 8. Oktober 2011

      Verstehen wir unsere Hunde wirklich? Interview mit Juliane Kaminski

      Auf Hounds&People wurde jetzt ein Interview mit Dr. Juliane Kaminski, Biologin und Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig veröffentlicht. Vielen wurde sie bekannt durch ihre Forschung mit Rico, dem Border Collie aus der Sendung "Wetten das...?", der selbständig neue Begriffe erschließen kann. Das war bis dato eine Fähigkeit, die man nur Menschen zutraute.

      Im Interview mit Hound&People gibt Juliane Kaminski einige hochinteressante Hinweise , die ich nur jedem Hundefreund und Hundehalter wärmstens ans Herz legen kann. Sie dienen nicht nur dem besseren Verstehen unserer Hunde (und von uns selbst), stellen aus meiner Sicht auch sehr wertvolle Hinweise für den Alltag dar, wertvoller als manches 300-Seiten-Hundererziehungsbuch!
      In diesem Experiment erhalten Hundewelpen durch Zeigen auf zwei identisch aussehende Gefässe einen Hinweis auf das Versteck des Futters .
      Foto: Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts

      Dienstag, 4. Oktober 2011

      Frühe Verhaltensentwicklung bei einem Azawakhwurf, Teil 1/2

      von Elisabeth Naumann, www.azawakhs.eu

      Als eine der wenigen noch anzutreffenden ursprünglichen und unter natürlichen Selektionsbedingungen und Gebrauchskriterien entstandenen Hunderassen zeigen Azawakhs in vielfacher Hinsicht Verhaltenseigenschaften, die in dieser Ausgeprägtheit bei neu geschaffenen "Kulturrassen"  kaum angetroffen werden. Die Verfasserin dieses Beitrags (Fachlehrerin für Gesundheits- und Krankenpflege, seit 2000 Züchterin von autochthonen Azawakhs und Teilnehmerin an Feldforschungen in den Ursprungsländern), stellt sich die Frage, ob und inwieweit die von ihr dokumentierten Entwicklungs- und Verhaltensabläufe  in  einem Azawakhwurf  mit solchen Rasseeigenschaften ontogenetisch korrespondieren. Angeregt wurde dies durch die Untersuchungen von  Dr. Dorit Feddersen-Petersen in "Hunde und ihre Menschen", 2. Auflage, Kosmos Verlag Stuttgart 2001 (vgl. S. 70  -  71.)  Schon in Hinblick auf das einzelne Sample kann der vorliegende Versuch nur ein Anstoß für weitergehende empirische Bemühungen sein. Er dürfte aber einiges Erkenntnisinteresse beanspruchen, nachdem die neuere kynologische Forschung dazu tendiert, den pränatalen Rahmendaten und den ersten Lebenswochen eines Hundewurfs eine  größere Aussagekraft als dem heute allgemein angestrebten Sozalisierungserfolg durch das Eingreifen des Menschen zuzuordnen.

      Zum Verständnis des vermuteten Zusammenhangs zwischen frühzeitigen Verhaltenstendenzen in einem Azawakhwurf und dem Charakterprofil der Rasse  ist ein Blick auf deren Entwicklungsgeschichte angezeigt.

      Herkunft

      Steppen, Savannen und Halbwüsten am Südrand der Sahara sind die Stammheimat des Azawakhs. Dieses Region hat in etwa die Größe Frankreichs und umfasst Staatsgebiete der heutigen Republiken  Mali, Niger und Burkina Faso  Sie ist Bestandteil der Sahelzone, eines zirka 200 bis 300 km breiten Halbtrockengürtels, der sich vom Atlantischen Ozean bis zum Horn von Afrika quer über den gesamten Kontinent erstreckt. Im sogenannten Mittleren Nigerbecken liegt das Wadi Assouagh  - ein zirka 40 km breites und mehr als 1000 km langes, schon seit langer Zeit trockenes Urstromtal. Seinen Namen  wählte man in Europa als Rassebezeichnung, weil erste Importe aus Randgebieten des "Azawakhtals" stammten. In Frankreich, der ehemaligen Kolonialmacht, wurde 1980 in Anlehnung an die wenigen Erstimporte eine Beschreibung erstellt und als "Rasse-Standard" bei der FCI hinterlegt. Als Züchter und Halter in der Ursprungsregion galten dabei die Tuareg. Tatsächlich aber ist der Hund seit eh und je Bestandteil der Lebens- und Wirtschaftsweise aller dort beheimateten  nomadischen Ethnien. Primärer Gebrauchszweck der Azawakhs war es, die Herden, das Lager und dessen Angehörige vor Raubtieren und unwillkommenen Fremden  zu schützen. Diese Funktion der Hunde hat die Verhaltensweise der Rasse weit mehr als die Nutzung ihres Hetztriebs für die bei der Oberschicht geschätzten, aber seit langem nicht mehr existierenden Gazellenjagd geprägt.
      Azawakh Vater, Mutter und ein Welpe
      Traditionelle Haltung und Zucht

      Die Betreuung der Herden war wie alle Handarbeit innerhalb der Tuareg-Hierarchie Aufgabe von Leibeigenen und Angehörigen unterworfener und akkulturierter Volksgruppen (Kel Tamaschek). Aufzucht, Haltung, Versorgung und alltäglicher Arbeitseinsatz der Hunde gehörten zu ihren Dienstbarkeiten. Als Folge des sozialen und ökonomischen Strukturwandels in den Tuareg-Oberschichten seit dem vergangenen Jahrhundert sind es heute vor allem die Nachkommen der ehemals abhängigen Bevölkerungsteile und Ethnien, die ihren Lebensunterhalt weiterhin durch kleinteilige nomadische Viehwirtschaft bestreiten. Sie setzen die traditionelle Azawakh-Haltung fort. Diese ist  den kärglichen Lebensumständen der Menschen angepasst, die ihre eigene Nahrung - Milch und Hirse - im Rahmen der  Möglichkeiten mit den Hunden teilen. Nach gelegentlichen Jagden auf Wildschweine oder Hasen oder dem seltenen  Schlachten einer Ziege gibt es Eingeweide und Knochen für die Hunde. Kleintiere der Savanne wie Erdhörnchen und Echsen dienen zur Aufbesserung ihrer Nahrung. In der Regel überstehen nur einige wenige Rüden zur Ergänzung des familieneigenen Hundebestands oder auf Wunsch künftiger Abnehmer die Wurfselektion. Erst bei Bedarf wird eine Hündin für die Weiterzucht aufgezogen. Erweist sich ein Hund als ungeeignet, sich in die Regeln des Zusammenlebens mit Mensch und Herde einzufügen, überlebt er nicht. Kranke oder ihren Aufgaben nicht gewachsene Tiere finden ebenfalls schnell ein natürliches oder durch Fütterungsentzug herbeigeführtes Ende. So ist die Rasse im Ursprungsland das Resultat einer strengen, am Gebrauchswert orientierten Auslese.

      Die Azawakhs des Sahel stellen eine "reinblütige" Landrasse dar, die sich in diesen abgeschiedenen Regionen unvermischt erhalten hat. Sie sind in derartigen Isolaten die einzigen Vertreter ihrer Spezies. An den Rändern der Wanderungs- und Siedlungsgebiete der Tuareg-, Bella- und Peul-Nomaden leben Azawakhs auch in den Dörfern bäuerlicher Volksgruppen, etwa der Haussa. Die Existenzgefährdung der Rasse  durch weitere wirtschaftliche, soziale und kulturelle Veränderungen und mit der Erschließung durch Handels- und Verkehrswege  wird auf Dauer zwar unvermeidlich sein, angesichts afrikanischer Modernisierungsresistenz aber nur einen langsamen Gang nehmen. Im Unterschied hierzu sind die aus wenigen Importen der 1970er- und 1980er- Jahre in Europa aufgebauten Bestände durch die Folgen von fortgesetzter In- und Engzucht akut gefährdet. Dies zeigt sich nicht nur in der von einer Züchtermehrheit im Rahmen des "Show-Business" erstrebten Übertypisierung bei Verzicht auf die ursprüngliche Funktionalität und unter Hinnahme hoher, von Dispositionen für Erbdefekte begleiteter Ahnenverlustraten, sondern auch in Veränderungen bei Vitalität und Sozialverhalten. Der hier beobachtete O-Wurf "of Silverdale" entstammt dem Versuch, die Rasse außerhalb ihres Ursprungsgebiets durch den aktuellen Einsatz von Importen aus dem Sahel genetisch überlebensfähig zu erhalten. Der Inzuchtkoeffizient des Wurfes beträgt 0,00%, der Ahnenverlustkoeffizient 100.

      Eigenschaften 

      Die natürliche Auslese hat mit dem Azawakh einen Hund geschaffen, der sich durch  physische Härte, Robustheit, Genügsamkeit und einen starken Selbsterhaltungsinstinkt auszeichnet. Azawakhs im Ursprungsgebiet müssen bisweilen trocken-heiße Temperaturen von 40 Grad Celsius und mehr ertragen und sogar gelegentliche Werte unter dem Gefrierpunkt. Sie trotzen Sandstürmen ebenso wie Wassermangel und Futterknappheit. Sie gehören damit zu den überlebenskräftigsten Hunderassen. Unter den Umweltbedingungen der Sahelzone ermöglicht dies ein  Höchstalter von vier bis sechs Jahren mit jährlicher Trächtigkeit der Hündinnen ab der ersten Hitze und einer entsprechend raschen Generationenabfolge. Neben nomadischer Mobilität trägt auch dies zur Erhaltung der genetischen Variabilität selbst innerhalb örtlich konstanter Bestände bei.  Die Lebenserwartung des Azawakhs unter hiesigen Bedingungen bewegt sich zwischen zehn und fünfzehn Jahren.
      Vater mit beiden Welpen
      Da unter den Gegebenheiten ihrer Heimat Wachsamkeit, Skepsis und  Misstrauen allem Fremden und Unbekannten gegenüber lebenserhaltend sind, ist das Wesen der Azawakhs in der Regel durch eine scheinbar "vornehme" Zurückhaltung Neuem gegenüber gekennzeichnet. Der Hund tendiert dazu, sich auf eine oder mehrere Bezugsperson(en) zu fixieren - und dies oftmals mit der Tendenz zur Ausschließlichkeit. Azawakhs können  in ihren individuellen Wesenszügen dennoch sehr unterschiedlich sein. Die Spannbreite reicht von extrem misstrauischen ("scheuen") Exemplaren über neutral-zurückhaltende oder gleichmütige Charaktere bis hin zu ausgesprochen freundlichen, extrovertierten Individuen, die allen Menschen überschwänglich zugetan sein können. Diese vor allem in der Ursprungsregion zu beobachtenden Verhaltensunterschiede mögen unter anderem auf das weite Spektrum  des Erbguts zurückzuführen sein, mit dem die dortige Population ausgestattet ist. Die hier angebotene Untersuchung lässt ebenso wie die Vorlagen bei Feddersen-Petersen derartige Verhaltensvariationen, die innerhalb eines Wurfs auftreten können, außer Acht. Registriert wird hier jeweils der früheste Zeitpunkt einer Manifestation. Insofern spielen  die Wurfstärken bei diesen ersten Ansätzen methodologisch keine Rolle.

      Generell ist der Azawakh ein Hund, der für die Kommunikation mit und die Prägung durch seine(n) Menschen sehr offen, das heißt in mannigfacher Richtung formbar ist. Ein Azawakh widerspiegelt -  neben seinen ererbten Veranlagungen - sehr deutlich das materielle und familiäre Ambiente, die Sorgfalt und Zuwendung und die Fähigkeiten und Kenntnisse, die ihre Züchter und Besitzer eingebracht haben. Es versteht sich von selbst, dass eine frühzeitige Sozialisation mit möglichst vielen fremden Menschen und neuen Situationen bei dieser Rasse ein Muss ist, wenn das Zusammenleben in unserer westlichen Zivilisation für Mensch und Hund zufriedenstellend verlaufen soll.

      Was von vielen Azawakh-Haltern, besonders solchen, die aus der Windhund-Szene kommen, oft verkannt wird, ist der stark ausgeprägte Besitzanspruch mit einem gehörigen Maß an Verteidigungsbereitschaft, die nicht als Aggressivität  missdeutet werden sollte. Diese Eigenschaften machen sich primär innerhalb des eigenen Territoriums bemerkbar und tragen eher defensive Züge. Man muss sich bewusst sein, dass Azawakhs in erster Linie Lager-, Wach- und (ziemlich unüblich aussehende) "Herdenschutzhunde" waren und sind und erst in zweiter Linie Jagdhunde. Da die freie Jagd mit Windhunden nur noch in wenigen europäischen und überseeischen Ländern möglich ist, passen sie bei uns eigentlich auch besser zu Leuten, die das Zusammenleben mit eigenständigen Arbeitshunden schätzen. Bahnrennen und Coursings kommen den natürlichen Anlagen des Azawakhs entgegen.
      Azawakhs sind nach menschlichen Begriffen schlau, einfallsreich und eigenständig genug, innerhalb einer Gruppe selbst das Regiment zu übernehmen, wenn man sie nicht von klein auf mit sehr konsequenter Beharrlichkeit, aber ohne Härte und Drill erzieht, ihnen also begreiflich macht, was sie tun sollen und was nicht. Die ausgeprägte Expansionstendenz im Sinne ihres Überlebens- und Komfortinstinkts erfordert vom Besitzer "Hundeverstand" und Durchsetzungsvermögen neben Geduld und Feingefühl. Von kundigen Besitzern lassen sich Azawakhs gut ausbilden und zeigen sich meist  ausgesprochen lernfreudig. Sie können zum Beispiel auch daran gewöhnt werden, sich ohne Leine in der Öffentlichkeit zu bewegen und selbst bei hohen Ablenkungsreizen zuverlässig mit ihrem Menschen, dem "Meutenchef", zu kooperieren. Begleithundprüfungen im Sinne des hiesigen Hundewesens können sie durchaus absolvieren.

      Azawakhs haben, neben einem unterschiedlich stark ausgeprägten oder geförderten Hetztrieb, ein natürliches Bewegungs- und Beschäftigungsbedürfnis, dem Rechnung getragen werden muss - entweder durch kontrollierten Freilauf, zum Beispiel neben Rad oder Pferd, durch  Rennbahn-Training und durch gemeinsames Arbeiten mit dem Besitzer, etwa in Form von Agility-Spielen. Bei entsprechender Sozialisation und Einübung  können Azawakhs sowohl mit Kindern als auch mit Hunden anderer Rassen und mit sonstigen Haustieren friedlich zusammenleben. Dabei ist freilich der überkommene Beschützertrieb des Lager- und Herdenhunds zu beachten.

      nächste Woche dann Teil 2/2
      :
      Verhaltensentwicklung bei einem Azawakhwurf in den ersten acht Lebenswochen - ein ontogenetischer Beitrag aus der Züchterpraxis