Donnerstag, 22. Oktober 2020

Fastdog - Online bestellt frei Haus - Wie kaufen wir unseren Hund?

Hundehaltung erlebt derzeit einen Boom. Corona lässt die Nachfrage nach oben schnellen. Zugleich sinkt das Angebot an Welpen und Auslandshunden. Die Grenzen sind nicht mehr so durchlässig. Das erschwert den internationalen Hundehandel, den legalen wie den illegalen.

Die Tierärztin Rowena Packer untersucht seit einigen Jahren das Kaufverhalten in diesem Markt. Die Professorin am Royal Veterinary College der University of London kommt zu keinem schmeichelhaften Ergebnis. Käufer von unter Qualzucht leidenden Rassen verdrängen aktiv das Leiden ihrer Hunde. Das Verhalten beim Kauf von Welpen oder Auslandshunden gleicht sich darüber hinaus dem Verhalten beim Kauf von Konsumartikeln an. Eine dänische Studie bestätigt diese Beobachtung (Prof. Peter Sandøe).

Die 4 "Sünden" beim Hundekauf

1. Kauf von Hunden mit Qualzuchtmerkmalen

In den letzten Jahren boomen Mops, Französischer Bully und Bulldog - Plattnasen. Dabei kann man die Hinweise auf das Leid durch die Fehlentwicklungen der Zucht nicht übersehen. Atemnot ist nur eines der Schicksale. Tatsächlich werden (nicht nur) diese Hunde immer extremer gezüchtet. Warum? Weil "Hundefreunde" sie so kaufen. Ähnliches gilt für exklusive Farben wie Merle oder Delute, für Verzwergung (Toys, Minis) oder Gigantismus. Die Liste der Gräuel, die wir unseren Hunden antun, ließe sich lange fortführen.

2. Kauf per Internet

Wie Packer und Sandøe belegen, werden immer mehr Hunde (Welpen oder Tierschutzhunde) direkt per Mausklick gekauft. Vom Sofa aus. Kein Besuch vor Ort beim Züchter oder im Tierheim. Kein Warten auf den Wurf. Bestellt wie ein DVD-Player. Lieferung möglichst sofort. Je jünger die Käufer, desto größer ist der Anteil solcher Fastdog-Konsumenten.

3. Kauf bei zwielichtigen Anbietern

Man "vertraut" den vollmundigen Versprechungen der Anbieter. Bequem. Verzichtet auf Besuche vor Ort, Besichtigung des Wurfs. So genannte Tierschutzorganisationen werden nicht hinterfragt, auf organisatorische und finanzielle Transparenz verzichtet. Man akzeptiert Züchter mit Handynummer und Lieferung vor Ort. Oder mit Verweigerung eines Besuchs beim Wurf. Auf solcher "Vertrauens"-grundlage würden diese "Hundefreunde" nicht mal eine Waschmaschine kaufen. Da wird verglichen, Testberichte gelesen, Bewertungen angeschaut.

4. Kauf auf Basis Emotion

Welpen sind immer niedlich. Das zählt zur Natur aller Säugetiere. Denn sie sind nach der Geburt von den Eltern vollkommen abhängig. Es ist tief in unseren Instinkten verankert, auf Welpen abzufahren, Hunde, Katzen, Ponys, Babys. Ähnlich mit dem Hund in Not. Anbieter, die auf Gefühle abstellen, sind unseriös (niedliche Welpen oder der Hund auf der Tötungsstation oder mit zig Handicaps). Gefühle spielen immer eine Rolle. Doch gerade bei so etwas Wichtigem wie einem Hund, einem neuen Freund, dem wir für 10 und mehr Jahre ein artgerechtes, schönes Leben bereiten wollen, sollte der Verstand eingeschaltet werden.

Verantwortung für das Wohl der Hunde übernehmen

Meint ein verantwortungsbewusstes Verhalten als Käufer.
WIR ermuntern Vermehrer und Qualzucht.
WIR lassen in diesem Milliardenmarkt den internationalen Hundehandel erblühen. 
WIR lassen mafiöse Strukturen auf Kosten des Wohls der Tiere zu.
WIR finanzieren dieses Leid. 

Hin- statt wegschauen

Kritisch hinschauen, was sich hinter vollmundigen Bekundungen von der angeblichen Liebe zu einer Rasse, dem selbstlosen Aufopfern für vermeintliche Nothunde steckt. Wir sollten Tranzparenz und Kontrolle einfordern - unserem Freund zu Liebe. Wir sollten das Tier real wertschätzen. Meint, dass man sich die Mühe macht, sich bereits lange vor einem Kauf kundig zu machen, zum Züchter zu fahren, sich die Tierschutzorganisation, das Tierheim vor Ort anzuschauen. Und ggfs auch ein paar Monate auf seinen Hund zu warten. Kein Hund hat es verdient, bei der Anschaffung wie ein Küchenmixer oder ein DVD Player oder eine Geburtstagsüberraschung behandelt zu werden. 

Ein Beitrag von Christoph Jung


Literatur

  • Bartels, T. & Wegner, W. (1998). Fehlentwicklungen in der Haustierzucht. Stuttgart: Enke 
  • Bartels, T. et al. (1999). Gutachten zur Auslegung von § 11b des Tierschutzgesetzes (Verbot von Qual-Züchtungen). Berlin: BMVEL 
  • Hauser, M. (2018). Zuchtkrank – Hunde im Modewahn. Ludwigsburg: Filmakademie Baden-Württemberg
  • Jung C., Pörtl D. (2019). Qualzucht - warum wir unsere Lieblinge quälen. TIERethik - Zeitschrift zur Mensch-Tier-Beziehung 01/2019 
  • Jung, C. & Pörtl, D. (2015). Tierisch beste Freunde: Mensch und Hund - von Streicheln, Stress und Oxytocin. Stuttgart: Schattauer Verlag für Medizin und Naturwissenschaften.
  • Jung, C. (2018). Schwarzbuch Hund: Qualzucht, Hundehandel, Futterschwindel Norderstedt: BoD.  
  • Jung, C. (2019). Qualzucht - warum wir unsere Lieblinge quälen https://petwatch.blogspot.com/2019/05/qualzucht-warum-wir-unsere-lieblinge.html
  • Packer, R. M. A., Murphy, D., Farnworth, M. J. (2017). Purchasing popular purebreds: Investigating the influence of breed-
  • Rowena M. A. Packer, Dan G. O’Neill, Francesca Fletcher, Mark J. Farnworth (2020) Come for the looks, stay for the personality? A mixed methods investigation of reacquisition and owner recommendation of Bulldogs, French Bulldogs and Pugs. PLOS ONE 15(8): e0237276.
  • Sandøe, P. et al. (2017). Why do people buy dogs with potential welfare problems related to extreme conformation and inherited disease? A representative study of Danish owners of four small dog breeds PLoSONE 12(2):e0172091. 







Freitag, 7. August 2020

Hunde erschnüffeln Covid-19 - zuverlässiger als jeder Test

S

chon sehr früh gab es ernst zunehmende Hinweise, dass Hunde das Virus Covid-19 (Coronavirus SARS-CoV-2) erschnüffeln können. Inzwischen liegen zwei wissenschaftliche Studien vor (s.u.), die das belegen. Und zwar sehr eindrucksvoll: Eine Studie aus Paris und eine aus Hannover. Sie belegen, dass Hunde das Virus mit extrem hoher Präzision und Sicherheit in der Region um 90% erkennen können. 

Das sind weit bessere Werte als die industriellen Tests. Zudem sind sie wesentlich billiger und schneller. 

Fragt sich, warum sie nicht massiv eingesetzt werden? Doch kommen wir erst einmal zu den Ergebnissen. "Ein Forscherteam unter der Leitung der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo) veröffentlichte heute in Zusammenarbeit mit der Bundeswehr, der Medizinischen Hochschule Hannover und dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf im Fachmagazin BMC Infectious Diseases eine Studie über Hunde, die mit dem SARS-CoV-2-Virus infizierte Menschen erschnüffeln können. Die Hunde mussten lediglich eine Woche trainiert werden, um zwischen Proben von SARS-CoV-2-infizierten Patienten und nicht infizierten Kontrollen zu unterscheiden. Die Methode könnte in öffentlichen Bereichen wie Flughäfen, bei Sportveranstaltungen, an Grenzen oder anderen Massenveranstaltungen als Ergänzung zu Laboruntersuchungen eingesetzt werden, um eine weitere Verbreitung des Virus oder Ausbrüche zu verhindern." So heißt es in der Erklärung der TiHo Hannover vom 27.Juli 2020

Besser als jeder Test der Pharmakonzerne: Sensitivität von 83% und Spezifität von 96%

Extrem beachtlich ist die Präzision, mit der exakt das SARS-CoV-2-Virus identifiziert wurde. Die Hunde konnten zwischen Proben infizierter (positiver) und nicht infizierter (negativer) Individuen mit einer durchschnittlichen Sensitivität von 83 Prozent und einer Spezifität von 96 Prozent unterscheiden. Die Sensitivität benennt die Erkennung positiver Proben. Die Spezifität die Erkennung der negativen Kontrollproben. So wird weiter berichtet. In den Test kamen über 1000 Proben.

Covid-19-Spürhund; Foto TiHo Hannover
Covid-19 Spürhund - Foto: TiHo Hannover
Nach nur einer Woche Training

Sicher, die Hunde, die in der Studie eingesetzt wurden, waren bereits ausgebildete Spürhunde. Doch finde ich es höchst eindrucksvoll, dass die Hunde nach nur einer Woche soweit kamen. Sie sind dann schon einsatzbereit. Und das mit der hohen Leistungsfähigkeit.

Warum werden Hunde nicht breit eingesetzt?

Bemerkenswert ist auch, dass Massenmedien, Behörden und Regierungen dieses Angebot der Hunde weitgehend ignorieren. Ginge es schlicht um den Schutz der Bevölkerung vor dem Virus, müssten doch schnellstens soviele Hunde wie möglich zum Einsatz kommen. Gerade an Plätzen wie den Flughäfen und Grenzen, jetzt in der Urlaubszeit, könnten diese Hunde - wie von den Wissenschaftler vorgeschlagen - breit zum Einsatz können und eine Verbreitung des Virus wirkungsvoll verhindern helfen. Oder solche Hunde im Altenheim. Ein Besuch am Tag und ein zuverlässiges Frühwarnsystem wäre installiert, das diesen Menschen ein menschenwürdiges Leben zurück geben könnte. Und das sind nur zwei oder drei Beispiele.

Ein Kommentar von Christoph Jung


Die 2 Studien:

Dominique Grandjean et al. Scent dog identification of samples from COVID-19 patients – a pilot study, 2020 doi: https://doi.org/10.1101/2020.06.03.132134
https://www.biorxiv.org/content/10.1101/2020.06.03.132134v1

Jendrny et al. (2020): Scent dog identification of samples from COVID-19 patients – a pilotstudy, BMC Infectious Diseases, https://doi.org/10.1186/s12879-020-05281-3
https://bmcinfectdis.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12879-020-05281-3





Dienstag, 14. Juli 2020

Hundejahre - Menschenjahre. Wie alt ist Dein Hund?

Lange Zeit war es die unumstrittene Faustformel: 7 Hundejahre entsprechen 1 Menschenjahr. Das heißt ein Hund mit 10 Jahren ist einem 70-jährigen Menschen vergleichbar was das Alter angeht. Das haut grob hin.

7 Hundejahre = 1 Menschenjahr

Wenn man genauer hinschaut, fielen schon immer Ungereimtheiten ins Auge. Während kleine Hunde wie ein Yorkshire Terrier oder ein Zwergschnauzer mit 10 in aller Regel noch top fit daher kommen, sind große Hunde wie ein Berner Sennen oder gar eine Deutsche Dogge im selben Alter bereits Methusalems - sollten sie es überhaupt erreichen. Auch unter den Rassen gibt es riesige Unterschiede.

Update: Die Formel der Tierärzte

Der US-Tierärzteverband (American Veterinary Medical Association) hat diese Formel verfeinert. Als allgemeine Richtlinie empfiehlt er folgende Rechnung:
  • das erste Jahr eines mittelgroßen Hundes entspricht einem Menschenalter von 15 Jahren
  • das zweite Jahr dann 9 Menschenjahren
  • die weiteren danach jeweils 5 Menschenjahren.
Dabei wurden die Erkenntnisse aus einer Studie aus Göttingen von 2013 zu der unterschiedlichen Lebenserwartung großer und kleiner Hunde einberechnet. So entstand folgende Tabelle:
Alterstabelle der US-Tierärzte (Quelle AKC)
Bemerkenswert ist das Thema Größe und Alter bei Hunden schon. Denn in der Natur läuft es normalerweise genau anders herum. Große werden älter als kleine. Der Elefant zum Beispiel und die Maus.

Die epigentische Uhr des Alterns

Bei Säugetieren hat man seit einigen Jahren eine innere Uhr des Alterns entdeckt und weiter erforscht. Sie wird aus der Methylierung der DNA abgeleitet. Der Hintergrund: Unser Erbgut ist keineswegs so starr, wie es die Biologen noch vor wenigen Jahren beschrieben (und einige noch heute so sehen, Thema Mutation und Selektion). Das Genom ist ein hoch aktives Element unseres Körpers. Es passt sich ständig den Umweltbedingungen an. Es verändert sich durch unser Denken, Fühlen und Handeln. Das wird durch An- und Abschalten der Informationen auf dem Genom reguliert. Ein Mechanismus der diese Regelung wiederum ermöglicht, wird als Methylierung bezeichnet. Mit zunehmendem Alter nimmt die Aktivität der Methylierung ab. Das geschieht so zuverlässig, dass sich hieraus eine Uhr des Alterns ableiten lässt. Beim Menschen wurde sie umfassend untersucht auf der Suche nach dem Jungbrunnen des Lebens. Diese Uhr läuft bei allen Säugetieren nach gleichem Muster.

Die epigentische Uhr beim Hund

Genetiker aus Kalifornien untersuchten diese Uhr erstmals beim Hund. Die Studie wurde 2019 vorab und jetzt offiziell veröffentlicht. Dazu schauen sie sich die Methylierung der DNA von 104 Labrador Retrievern über eine Spanne von 16 Jahren an. Hieraus entwickelten sie eine Formel zum Vergleich mit der Methylierung beim Menschen: Die Kurve entspricht einem natürlichen Logarithmus, dem 31 hinzugerechnet werden. Hier ein Online-Rechner dazu. So entstand folgende Grafik:
Studie mit 104 Labrador Retrievern über 16 Lebensjahre (Grafik aus dieser Studie)
Interessant aber nicht der Weisheit letzter Schluss

Die Studie gibt wichtige Einblicke in die Alterungsprozesse beim Hund. Es wurde aber nur eine einzige Hunderasse angeschaut. Wie oben schon erwähnt, gibt es große Unterschiede unter den Hunden. Selbst bei gleicher Größe sind sie erheblich. Eine Englische Bulldogge ist mit 8 Jahren (leider, der Qualzucht sei Dank) schon sehr alt, während ein Pudel mit demselben Gewicht gerade ins beste Alter gekommen ist. Meint, solche Rechnungen sind durchaus nützlich, aber auch nur dann, wenn sie mit Verstand angewendet werden.

Ein Beitrag von Christoph Jung.


Freitag, 3. Juli 2020

Der beste und der älteste Freund des Menschen

Vor drei Jahren Jahren fanden sibirische Wissenschaftler auf einer Insel im Polarmeer - Schochow genannt - einen Schlitten und direkt daneben die Überreste von 11 Hunden. Das Erstaunliche: 10 dieser 11 Hunde konnten einem sehr einheitlichen Typ zugeordnet werden. Es war der Typ eines Schlittenhundes ähnlich dem heutigen Siberian Husky oder Malamute. Der elfte war ein schwerer Typ, deutlich zu unterscheiden. Mit den Methoden der Archäologen wurden die Fossilien schließlich auf ein Alter von 9.500 Jahren geschätzt. Die Wissenschaftler um Wladimir Pitulko und Aleksej Kasparow kamen zu dem Schluss, dass „man annehmen kann, dass Schlittenhundeteams in Sibirien bereits vor 15.000 Jahren aktiv gewesen sein könnten.“ Es gilt als der bis dahin älteste Nachweis von spezialisierten Hunden, so etwas wie erste Hunderassen. Es dokumentiert eine Kultur der Zusammenarbeit von Mensch und Hund bereits in der Altsteinzeit.
Hundeschädel von der Schochow-Insel (Foto: Elena Pawlowa)
Die Spur der Gene

In diesen Tagen erhält diese Untersuchung eine große Bestätigung. Einer internationalen Forschergruppe um Mikkel-Holder Sinding von der Universität Kopenhagen gelang es, das komplette Genom dieser Hunde zu sequenzieren. So kann man ungeahnte Einblicke in die frühe Vergangenheit gewinnen. Diese Hunde sind tatsächlich ganz eng verwandt mit den heutigen Schlittenhunden, am meisten noch mit den heutigen Grönlandhunden. Zudem konnte nachgewiesen werden, dass es in der ganzen langen Zeit keine Kreuzungen mit Wölfen gegeben hat. Zwar gab es Flaschenhälse und einiges hin- und her über die tausenden von Jahren hinweg, doch es besteht eine direkte Linie der heutigen Schlittenhunde zu denen aus der Altsteinzeit.

Wie entstand der Hund?

Das wirft ein weiteres Licht auf die Frage, wie der Hund entstanden ist. War er ein Schmarotzer auf den ersten Müllkippen der Menschheit - wie es Wissenschaftler aus den USA um Coppinger oder Österreich um Range und Marshall-Pescini beschreiben und gerne auch den Medien verbreitet wird? Bereits 2008 in der ersten Auflage von „Schwarzbuch Hund - Die Menschen und ihr bester Freund“ habe ich begründet, weshalb ich dieses Modell ablehne und eine Kultur der Zusammenarbeit als Triebkraft der Domestikation des Wolfes hin zum Hund annehme. Mit „Tierisch beste Freunde - Mensch und Hund - von Streicheln, Stress und Oxytocin“ habe ich 2014 zusammen mit der Neurologin und Psychiaterin Daniela Pörtl diese Annahme umfassend und allseitig begründet und das Modell der „Aktiven sozialen Domestikation des Hundes“ vorgeschlagen. Schließlich veröffentlichten wir den Artikel "How old are (Pet) Dog Breeds?", wo wir der Entstehung der Hunderassen genauer nachgehen.
Partnerschaft baut Stress ab

Der Hund ist tatsächlich nicht nur der beste, vielmehr auch der älteste Freund des Menschen. Man jagte zusammen, man wachte gemeinsam über das Lager, Welpen und Kinder spielten miteinander, man wärmte sich gegenseitig in den kalten Nächten. Durch diese Partnerschaft entstand nicht nur der Hund. Auch die Evolution des Menschen wurde maßgeblich vorangetrieben. Schließlich konnte das Leben durch diese interspezifische Partnerschaft für beide Seiten entspannter angegangen werden. Das Stressniveau konnte gesenkt werden. Das wiederum ist eine entscheidende Grundlage für die Entwicklung sozialer Toleranz. So wurde in unserer Psyche die Grundlage für die modernen Gesellschaften vorbereitet.

Unsere Denkweise - in der Praxis ohne Respekt vor den Tieren

Es ist kein Zufall, dass das Modell vom Hund als Schmarotzer im Müll eine so große Verbreitung findet, obgleich es hierzu keinerlei direkte Beweise gibt, ja alle Grundannahme infrage gestellt werden können. Es gab damals nicht einmal die zu Grunde gelegten Müllkippen. Der Mensch der Altsteinzeit verwertete alles. Und wenn Müll trotzdem mal anfiel, wurde dieser nicht gleich am Lager deponiert, eben um keine Beutegreifer anzulocken. Das Modell vom Hund als Schmarotzer passt allerdings hervorragend in unsere heutige Denkweise, die real von einer Missachtung gegenüber den Tieren geprägt ist. Eine Denkweise, die das Vegetieren von Milliarden Leben in der Massentierhaltung zulässt, die ein ungekanntes Artensterben verursacht. Für die Zukunft unserer eigenen Spezies täte es nur gut, die Leistung der Tiere mit Respekt anzuerkennen.

Ich stehe auf dem Standpunkt, dass wir ohne die Hilfe von Hund, Katze, Pferd noch in der Steinzeit verharren würden. Wir haben ihnen viel zu verdanken und es gibt nur eine Zukunft: gemeinsam.

Artikel in wissenschaftlichen Journals von uns zu diesem Thema:

  • Pörtl D., Jung C. (2019) Physiological pathways to rapid prosocial evolution - Hier wird die Rolle der Epigenetik und der sozialen Interaktivität bei der Domestikation des Hundes diskutiert. Biologia Futura Vol 70, Issue 2 (publ. 30.07.2019; open access; Editor-in-Chief: Adam Miklosi)
  • Jung C. (2019) Why cod don't like to sunbathe: Quantity and quality in the animal kingdom. Animal Sentience 23(49) Kommentar zu "Why do we want to think humans are different?"
  • Jung C., Pörtl D. (2019) How old are (Pet) Dog Breeds? Pet Behaviour Science No 7 2019 open access
  • Jung C., Pörtl D. (2019) Qualzucht - warum wir unsere Lieblinge quälen. TIERethik - Zeitschrift zur Mensch-Tier-Beziehung 01/2019 - Hier ein Bericht dazu in der Zeitschrift "Mensch-Heimtier
  • Jung C., Pörtl D. (2018) Scavenging Hypothesis: Lack of evidence for Dog Domestication on the Waste Dump. Dog Behavior Vol 4, No 2 2018 DOI: https://doi.org/10.4454/db.v4i2.73
    Hier wird das Modell von einer Domestikation des Hundes auf der Müllkippe und die Modelle vom Wesen des Hundes als Aasfresser grundlegend und allseitig widerlegt. Das Modell der "Aktiven sozialen Domestikation des Hundes" wird als konstruktive Lösung vorgestellt. open access / kostenloser Download

Ein Artikel von Christoph Jung

Dienstag, 16. Juni 2020

Bullys und Bulldogs

Unser neues Buch ist herausgekommen: Bullys und Bulldogs: Eine Liebeserklärung an starke Typen. Bulldoggen sind etwas ganz besonderes. Das ist nicht nur so dahingesagt. Bullys und Bulldogs haben nicht nur ein markantes Aussehen. Sie betören durch ihren einzigartigen Charme und Charakter. So gibt es keine andere Hunderasse, die so oft als Symbol verwendet wird. Aber leider gibt es auch eine sehr dunkle Schattenseite.

Wir erzählen mit vielen Geschichten aus ihrem Zusammenleben mit Bully und Bulldog. Wir geben Tipps für eine glückliche gemeinsame Zeit. Dazu starten wir beim Welpenkauf, gehen zu Erziehung und Sauberkeit, der Gewöhnung an Donner und Knallerei, der Ernährung und schließlich zum Leben mit dem alten, grau gewordenen Freund.

Wir berichten von unserem Engagement gegen Qualzucht und markieren den Weg zu gesunden Bulldoggen.

Alles ist in kleine, unterhaltsame Artikel gefasst. Mehr als 100 Fotos untermalen lebendig diese so wunderschöne Verbindung von Menschen mit ihren Fell tragenden Kindern.

Bei buch.de:
https://www.thalia.de/shop/home/artikeldetails/ID148391613.html

Bei Lehmanns:
https://www.lehmanns.de/shop/sachbuch-ratgeber/53826226-9783751929844-bullys-und-bulldogs

Bei buecher.de
https://www.buecher.de/shop/buecher/bullys-und-bulldogs/fuhrmann-claudia-jung-christoph/products_products/detail/prod_id/59445324/

Bei Amazon:
https://tinyurl.com/y9nxesg6




Sonntag, 7. Juni 2020

FCI verharmlost Qualzucht

Der wichtigste Dachverband der Hundezucht weltweit, die Fédération Cynologique International (FCI) verbreitet dieser Tage auf Youtube ein Video unter dem Titel "Save Our Brachy Breeds - #becausewecare". Es richtet sich gegen die Maßnahmen der Niederlande, die die Zucht extremer Kurznasen verboten haben.

Das Video lässt erfolgreiche Züchter der FCI-Ausstellungsszene zu Wort kommen. Züchter von Französischer Bulldogge, Mops, Bulldog, Boston Terrier, Boxer, Shih-Tzu, Griffon und anderen, die mit World-Champion- und anderen Titeln nur so überhäuft sind. Sozusagen die Crème de la Crème der Ausstellungsszene.

Diese Züchter verbindet eine weitere Gemeinsamkeit: Sie leugnen allesamt die gesundheitlichen Probleme der brachyzephalen Hunderassen. So auch - als Beispiel - Tierarzt und Züchter Constantinos Andreou aus Zypern, der schlicht in die Kamera behauptet, die Hunde seien gesund, es gäbe keine Probleme.
Screenshot aus dem FCI-Video Save Our Brachy Breeds
Für mich am krassesten der Zynismus der zwei Bulldog-Züchter/innen.

So Elizabeth Hugo Milam aus den USA, die sich mit einem Welpen mit extremer Nasenfalte filmen lässt. So eine Nasenfalte schnürt die Atemfähigkeit der eh schon gebeutelten Hunde nur noch weiter ein. Zudem sind solche Falten ein Herd für Keime und Entzündungen. Sie jucken ein Leben lang. Das ist Qualzucht, Tierquälerei! Im übrigen sind solche Nasenfalten im offiziellen Standard der FCI  wie des Kennel Clubs selber glasklar und ausdrücklich verboten. "Schwere Nasenfalten sind unerwünscht sollen schwer bestraft werden" - bestimmt der Standard wörtlich (FCI-Standard 149 für den Bulldog, S.4). Eine solche, klare Bestimmung wird von diesen Tierquälern und deren Kunden schlicht ignoriert.

Dasselbe gilt bei Stefan Sinko aus Slovenien. Er behauptet ganz frech, seine Hunde seien gesund, während die beiden völlig übertypisierten Bulldogs an seiner Leine unüberhörbar keuchen - im Stehen bei kühlen Temperaturen* wohlgemerkt (*wie aus Jahreszeit und Kleidung von S.Sinko zu schließen ist). Auch bei diesen Bulldogs liegt die Annahme manifestierter Qualzucht nahe. Für die FCI ist es Werbung.
Screenshot aus dem FCI-Video Save Our Brachy Breeds
Für mich persönlich schießt allerdings eine Mops-Züchterin aus Norwegen den Vogel ab. Es ist die Züchterin des Mopses, der 2011 in Dortmund zum Jahrhundertsieger gekürt wurde. Ein armes Tier mit kugelrundem Kopf, das von Professor Oechtering und mir auf dem Leipziger Tierärztekongress öffentlich und gut begründet als Musterbeispiel für Qualzucht vorgestellt worden war. Übrigens damals im Beisein von Prof. Friedrich, dem Präsidenten des VDH, der nicht widersprach.
Prof.Dr. Oechtering bei der OP einer laut FCI-Video nicht vorhandenen Behinderung und Podiumsdiskussion auf dem Tierärztekongress (Scan aus Wuff)
Die Züchterin des Jahrhundertsieger-Qualzucht-Mopses, Elisabeth Juverud (damals Olsen) mit ihrem Zwinger Tangetoppen, bedankte sich bei mir seinerzeit, indem sie eine zweifelhafte Figur per Email ausdrücklich beauftragte, mich mundtot zu machen - wie vor Gericht aktenkundig wurde.

Es ist aus menschlicher und aus Sicht des Tierschutzes eine Schande, welche Figuren die FCI da in ihrem Namen sprechen lässt.

Ein Kommentar von 
Christoph Jung




Dienstag, 28. April 2020

Suizid: Wie viele Menschen töten zuerst ihre Haustiere? COVID-19 wird zu mehr Suiziden führen. Wie wird sich das auf Haustiere auswirken?

Ein Beitrag von Professor Harold Herzog:
Am Morgen des 26. Dezembers 2019 wurde die Polizei in Bellingham, US-Staat Washington, nach Meldungen über Schüsse in die Wohnung von Kevin und Lynn Heimsoth gerufen. Sie fanden Lynn Heimsoth, die Direktorin der örtlichen Grundschule, tot vor. Nachdem er seine Frau getötet hatte, erschoss sich Mr. Heimsoth, aber er starb nicht. Die Polizei fand auch die Leichen von Sukha, dem Therapiehund, den Frau Heimsoth immer für die Kinder mit in die Schule genommen hatte, sowie die Katze der Familie. Kevin Heimsoth wurde wegen Mordes und Tierquälerei angeklagt.

Laut Thomas Joiner, Psychologe an der Florida State University, ereignen sich in den USA jede Woche zwischen 11 und 17 Mord-Suizide. Was die Schießerei in Bellingham so ungewöhnlich machte, war, dass darüber hinaus zwei der Opfer Tiere waren. Nachrichten über Menschen, die ihre Haustiere töten, bevor sie sich selbst das Leben nehmen, sind selten.

Eine von mir durchgeführte Analyse legt jedoch nahe, dass diese Vorfälle erheblich häufiger auftreten als bekannt ist. Und sie werfen wichtige Fragen auf. Erhöhen sich beispielsweise die Zahlen aufgrund von COVID-19? Und warum beinhalten so viele dieser Fälle sowohl einen Mord als auch einen Suizid?

"Erweiterter Suizid mit Haustieren"

Es wird manchmal behauptet, dass Haustiere Suizide verhindern. Aber, wie ich kürzlich ausgeführt habe, gibt es kaum Belege für diese Annahme. In einem kürzlich in der Zeitschrift Anthrozoos veröffentlichten Artikel stellte ein Team australischer Forscher unter Leitung von Dr. Janette Young fest, dass viele ältere Menschen meinen, dass ihnen ihre Haustiere Sinn im Leben schenken. Sie befragten sie zu ihren Beziehungen zu ihren Haustieren. Überraschend berichtete ein Drittel der Tierhalter spontan, ihre Haustiere hätten dazu beigetragen, dass sie keinen Suizid begingen. Die Forscher wiesen allerdings ebenso auf die Schattenseiten der Verbindung zwischen Haustier und Suizid hin, etwa wenn Menschen ihre Haustiere töten, bevor sie sich selbst das Leben nehmen.

Dieses Phänomen wurde lediglich in zwei kleinen Studien angeschaut. Im ersten Artikel aus dem Jahr 2013 beschreibt Dr. Brian Cooke sieben Fälle aus den amerikanischen Medien, in denen Menschen ihre Hunde und dann sich selbst töteten. Cooke nennt diese Fälle "erweiterte Suizide mit Haustier". Einige Jahre später berichteten der Anthrozoologe James Oxley und seine Kollegen über drei weitere Fälle in Großbritannien.
Wir streicheln und wir essen sie: Unser paradoxes Verhältnis zu Tieren (auf Deutsch im Hanser Verlag erschienen)
Muster erweiterter Suizide mit Haustieren

Das Durchkämmen von Medienberichten ist die einzige Methode, mit der solche Suizide unter Beteiligung von Haustieren bisher untersucht wurden. Mithilfe von Internet-Suchmaschinen habe ich 30 Artikel in amerikanischen Zeitungen gefunden, die zwischen 2010 und 2020 veröffentlicht wurden und von erweiterten Suiziden mit Hunden oder Katzen berichteten. Die sieben von Cooke gemeldeten Vorfällen dazu genommen, enthielt meine Datenbank schließlich 37 Suizide mit Haustieren in den Vereinigten Staaten. Bei einer so großen Stichprobe entstanden einige Muster.

Die tragischen Statistiken sprechen für sich:

Die Zahlen. Insgesamt starben in den 37 Fällen 81 Menschen. Dazu zählten 28 Männer, 33 Frauen und 20 Kinder. Darüber hinaus wurden 74 Hunde und drei Katzen getötet.

Die Opfer. Unerwarteterweise waren 80 Prozent der Fälle Mord-Suizide. In all diesen Fällen handelte es sich bei den menschlichen Opfern um Familienmitglieder oder langjährige Partner. Bei 85 Prozent der Mord-Suizide zählte zu den Opfern ein Ehepartner oder eine Freundin. In 11 Fällen wurden zudem ein oder mehrere Kinder ermordet. Zwei Männer wurden von ihren Frauen getötet, ein Mann von seiner Schwester und zwei Mütter von ihren erwachsenen Kindern.

Haustierarten. In allen 37 Fällen starb ein Hund. In drei Fällen wurde dazu die Familienkatze getötet. Der extremste Vorfall betraf eine Tierschutzbeauftragte aus Ohio, die ein Tierheim betrieb. Sie tötete sich selbst und 32 kleine Hunde, indem sie den Motor ihres Auto in einer geschlossenen Garage laufen ließ. Ein Hund überlebte.

Geschlecht und Alter der Täter. Siebzig Prozent der Mordfälle wurden männlichen Tätern und 15 Prozent Frauen zugeschrieben. In den anderen 15 Prozent wurde die Person, die der Täter war, im Medienbericht nicht genannt. Das Durchschnittsalter der Täter betrug 47 Jahre. Die jüngste war eine 32-jährige Mutter, die an einer Wochenbett Depression litt. Sie tötete ihren Mann, ihr drei Monate altes Kind und den Familienhund, bevor sie die Waffe auf sich selbst richtete. Die ältesten Opfer waren ein Ehepaar. Sowohl der Ehemann als auch die Ehefrau waren zum Zeitpunkt der Schießerei 83 Jahre alt. Sie haben auch ihren Hund mit in de Tod genommen.

Methoden. Waffen wurden bei allen Mord-Suiziden mit einer Ausnahme eingesetzt. Ausnahme war ein von Cooke (2013) beschriebener Fall, in dem ein Mann sich selbst, seine 16-jährige Tochter und ihren Hund in einem Minivan per Kohlenmonoxidvergiftung tötete. Waffen wurden jedoch nur in zwei der sieben Fälle von erweiterten Suiziden mit einem Haustier eingesetzt, in denen jedoch kein Mord begangen wurde. Die Methoden ohne Waffen waren das Springen von einer Brücke, das Fahren des Autos in einen See, eine Überdosierung von Tabletten, das Werfen vor einen Zug sowie eine Kohlenmonoxidvergiftung.

Motive. Die Medienberichte geben wenig Aufschluss darüber, warum Einzelpersonen ihre Haustiere und Familienmitglieder töteten, bevor sie sich selbst töteten. Zwei der Opfer wurden als depressiv gemeldet. In nur zwei Fällen, wo an beiden ältere Paare beteiligt waren, schien es, dass der Tod das Ergebnis eines Suizidpaktes gewesen sein könnte.

Fehlgeschlagene Versuche. In vier Fällen wurde der Suizid verpfuscht. In drei Fällen starben die Haustiere, nicht jedoch die suizidale Person. Der andere Fall betraf einen Suizid mit Kohlenmonoxid (Auto), bei dem der Mitbewohner des Verstorbenen und sein Hund offenbar aus Versehen mit starben.

Was können wir aus diesen Fällen lernen?

Erweiterte Suizide mit Haustieren spiegeln ein allgemeines Muster wider: Laut einem kürzlich veröffentlichten Beitrag des Bloggers Joni Johnston von Psychology Today, sind die Täter von Mord-Suiziden in der Regel Männer und die Opfer in der Regel Frauen. In jedem vierten Fall gibt es mehrere Opfer, von denen etwa 10 Prozent Kinder unter 16 Jahren betreffen.

Die Fälle, in denen ich Haustiere gefunden habe, passen genau zu diesem Muster. Darüber hinaus haben Täter von Mord-Suiziden in der Regel psychische Probleme, es finden sich familiäre Gewalt und unerwünschte Erlebnisse. Aber im großen Ganzen gaben die Medienberichte, die ich fand, wenig Einblick in den psychologischen Zustand der Täter.

Menschen betrachten ihre Hunde wirklich als „Familienmitglieder“. Zwischen 70 und 90 Prozent der Amerikaner fühlen so. In ungefähr 39 Prozent der Haushalte in den USA leben Hunde, in 25 Prozent Katzen. Aber warum waren 95 Prozent der Tiere in den hie beschriebenen Fällen Hunde im Vergleich zu nur drei mit Katzen? Außerdem wurde in keinem Fall eine Katze getötet, ohne dass auch der Familienhund starb. Das stark verzerrte Verhältnis von Hunden zu Katzen, die von Suizidalen getötet wurden, legt nahe, dass Hunde, jedoch nicht Katzen, als Familienmitglieder angesehen werden, wenn es um erweiterte Suizide geht.

Nur die Spitze des Eisbergs?

Im vergangenen Jahr starben etwa 48.000 Amerikaner durch Suizid. Davon sind lediglich 0,5 Prozent Mord-Suizide. Dies wirft die Frage auf, warum 80 Prozent der Suizide, bei denen ein Haustier getötet wurde, auch mit einem Mord verbunden sind. Der Grund für diese enorme Schräglage ist die selektive Berichterstattung in den Medien. Die ganz überwiegende Mehrzahl der Suizide in den USA erhält keine Schlagzeilen; Mord-Suizide dagegen schon. Sogar manche der acht Fälle, in denen nur der Halter und ein Haustier starben, hatten darüber hinausgehendes News-Potenzial. So handelte es sich bei einem um einen bekannten Country-Musikstar, bei einem wetieren um den Tod vor einem Zug. Und im letzten Fall setzte der Tierhalter auch noch sein Haus in Brand, nachdem er seinen Hund erschossen hatte.

Kurz zusammengefasst:
Die Statistiken über Suizide mit Beteiligung eines Haustieres basieren auf Presseberichten. Schlussfolgerung ist, dass diese Fälle lediglich die Spitze eines großen Eisbergs widerspiegeln können. Wenn ich richtig liege, werden wahrscheinlich jedes Jahr Hunderte, vielleicht Tausende von Haustieren bei Suiziden getötet, die eben nicht für Schlagzeilen sorgen und daher in keiner Statistik auftauchen.

Schließlich sagen die Forscher in einem kürzlich erschienenen Artikel in JAMA Psychiatry einen starken Anstieg der Suizide aufgrund der COVID-19-Pandemie voraus. In der Tat sagen sie, dass das derzeitige Zusammentreffen von sozialer Isolation, wirtschaftlichem Stress, eingeschränktem Zugang zu gemeinschaftlicher und religiöser Begleitung und Hindernissen hinsichtlich psychosozialer Dienste, ein perfekter Sturm“ für Suizid ist. Die Frage ist, wie vielen Haustieren als Kollateralschaden dabei Leid zugefügt werden wird.

(Seit Anfang dieses Jahres gab es in den USA fünf Presseberichte über Suizide mit Haustieren. Sie führten zum Tod von vier Männern, fünf Frauen, sieben Kindern, zehn Hunden und einer Katze.)


*  von Hal (Harold) Herzog Ph.D.
Professor Emeritus
Department of Psychology
Western Carolina University (USA)

Hal ist einer der führenden Wissenschaftler zur Mensch-Heimtier-Beziehung. Er hat zahlreiche wissenschaftliche Artikel und einige populäre Bestseller veröffentlicht.

Dieser Artikel erschien am 27.04.2020 im Original als:

"SUICIDE - How Many People Who Die By Suicide First Kill Their Pets?
COVID-19 will result in more suicides. What will the impact be on pets?"


Veröffentlichung auf Petwatch und Übersetzung ins Deutsche mit freundlicher Genehmigung von Hal Herzog  - besorgt durch Christoph Jung





Dienstag, 14. April 2020

Corona - Wenn im Zoo geschlachtet wird

Wir haben eine Liste erstellt, welche Tiere wir als Erstes schlachten müssen - erklärt Verena Kaspari, Direktorin des Tierparks Neumünster. Die Diplom-Biologin spricht den Gedanken aus, mit dem alle Zoodirektoren derzeit konfrontiert sind. Die Restriktionen der Bundesregierung zwingen sie dazu. „Unsere täglichen Kosten liegen bei 63.000 Euro," berichtet Andreas Michael Casdorff, Geschäftsführer des Zoos von Hannover. Sie fließen Tag für Tag ab. Und Besucher dürfen nicht rein, auch nicht unter den 2-Meter-Abstandsregeln und anderer Schutzmaßnahmen, die allesamt problemlos eingehalten werden könnten - besser als in Straßenbahn oder Supermarkt.

Schlachten, euthanasieren, entsorgen

Als Psychologe erlebe ich jetzt in Zeiten der sozialen Isolation, wie oft Hunde und Katzen ihren Herrchen und Frauchen beim psychischen Überleben helfen. Für nicht wenige sind sie der letzte Halt im Notstand der Psyche. Das alles habe ich in "Corona - unsere Psyche im Notstand" aufgeschrieben. Auf das Schicksal der Tiere gehe ich dort auch kurz ein. In der von Medien, Robert Koch-Institut und Politikern gemachten Öffentlichkeit kommt es dagegen nicht vor. Es ist eine große Schuld, die wir uns hier aufladen. Wie gehen wir mit unseren Tieren um? Wir lassen sie abschlachten. In den Zoos wird ihnen durch undifferenzierte Restriktionen die wirtschaftliche Grundlage genommen. Wir als reiche Gesellschaft sehen zu, wie sie kurzerhand entsorgt werden, wenn es uns mal nicht in die Zeit passt.
Screen von Welt-Online vom 14.04.2020
Nicht nur die Tiere in Zoos sind gefährdet. Hunderttausende so genannte "Versuchstiere" werden euthanasiert, weil in den Laboren die Arbeit ruhen muss. "Überall müssen Wissenschaftler die schwierige Entscheidung treffen, was sie nun mit den Forschungstieren tun sollen." Manch einer nimmt die gerade geschlüpften Schildkröten erst einmal mit heim, berichtet "Spektrum der Wissenschaften". Den Millionen Labormäusen wird dieses Glück nicht widerfahren. Lastwagenweise werden sie abgeholt. Was passiert mit den zigtausenden an Versuchshunden, meist Beagle? Alleine in Deutschland werden in den Laboren ganz offiziell und legal drei- bis viertausend pro Jahr getötet - zu Normalzeiten. Gesunde nicht-menschliche Tiere, einfach "entsorgt" zu Millionen. Was sind wir für eine Spezies?

Brigitte Bardot: "Ich habe die Welt noch nie als so unlebenswert, so zerstörerisch und auch so gewalttätig empfunden und mit so wenig Freiheit wie die heutige." (Welt 13.04.2020)

Wie sollen wir da noch in den Spiegel schauen?

Ja, unsere Psyche ist massiv gestresst. Wochenlang eingesperrt. Am Sorgentelefon meines Berufsverbandes hören wir immer mehr von häuslicher Gewalt. Ich für mein Teil lausche auch zwischen den Zeilen und frage nach. Es gibt häusliche Gewalt gegen Tiere. Da wird der Frust dann mit einem Tritt gegen die Katze oder den Hund rausgelassen. So sind wir halt - Kollateralschäden pauschaler Restriktionen. Den Medien und Mächtigen dieser Tage keine Zeile wert. Es gibt nicht einmal eine Statistik hierzu. Nur Tierärzte wissen zu berichten - unter der Hand.

Kollateralschäden, die nicht wieder gut zumachen sind

Durch die "seriösen" Medien geistern Meldungen, dass Hunde und besonders Katzen das Virus Sars-Cov-2 übertragen könnten. So pauschal ist das unseriös, Fake. Unter Laborbedingungen gelang es in China, eine mit einer massiven Dosis dieses Virus infizierte Katze erkranken zu lassen. Einzelne der mit ihr auf engsten Raum zusammengepferchten Katzen wurden infiziert, erkrankten aber nicht einmal. Bei Hunden gelang derselbe Versuch nicht. Unter normalen Bedingungen ist eine Covid-19 Infektion durch eine Katze oder einen Hund praktisch auszuschließen. Trotzdem sollen wir jetzt an Freigang gewöhnte Katzen einschließen. Die ersten werden bereits ausgesetzt. Die neue, lebensfeindliche Corona-Ordnung.

Wenn die Welpen an der Grenze verderben

Auf Petwatch habe ich bereits unzählige Male über den internationalen Hundehandel und die Vermehrer von Hunden und Katzen berichtet. Sie bedienen heute leider zwei Drittel des ganzen Welpenmarktes in Deutschland. Das ist schon mehr als schlimm genug. Jetzt sind die Grenzen geschlossen. Was passiert nun mit den ganzen Welpen, die schon in der Produktion sind? Hier kann man nicht einfach das Band abschalten und die Ware im Lager parken. Die Welpen werden geboren, sie werden alt. Zu alt um drei Monate später noch gewinnbringend vermarktet zu werden. In der Zwischenzeit kosten sie nur. Die eh schon brutale, unmenschliche Szene der Puppy-Mills, Vermehrer und Hundehändler wird keine Skrupel haben und die unverkäufliche Ware "entsorgen".
Corona - unsere Psyche im Notstand
Corona - unsere Psyche im Notstand

Schließlich leiden selbst unsere Tierheime. Kaum ein Tier wird in diesen Tagen vermittelt. Helfer springen ab oder können aufgrund der Restriktionen nicht helfen. Eine Tierheimleiterin berichtet mir, dass etliche Patenschaften zurückgezogen würden, da viele Leute Angst um ihre wirtschaftliche Existenz hätten. Sie es sich schlicht nicht mehr leisten könnten. Alles nur Spitzen eines Eisbergs der Unmenschlichkeit.

Die Schlachthöfe arbeiten ungestört

Währenddessen arbeiten die Schlachthöfe weiter, uneingeschränkt. Töten ist erlaubt. Im Zoo Tiere anschauen nicht. Die Versorgung der Labortiere schert keinen der Corona-Mächtigen, auch nicht die Welpen im internationalen Hundehandel, wie ebenso wenig die häusliche Gewalt gegen Tiere, kurz das ganze Elend der Tiere unter ihren Corona-Restriktionen. Wir sollten die Erfahrungen dieser Krise nutzen und unser Verhältnis zur Natur und den nicht-menschlichen Tieren grundsätzlich überdenken. Ansonsten wird unsere Spezies keine Zukunft haben - und auch keine verdient haben. Meine Meinung.

von
Christoph Jung
Diplom-Psychologe

Als Anmerkung zu diesem Post berichtet mir eine betroffene Familie:

"Der Bürgerservice des Auswärtigen Amtes unter der Telefonnummer 030 5000 3000 zuständig für die Corona Rückholungen hat mir soeben bestätigt, dass eine Rückholung mit Haustieren nicht möglich ist und ggf. persönlich mit privaten Fluggesellschaften geklärt werden muss. Diese fliegen aber kaum noch, was de facto für den Bürger heißt, der muss sich zwischen Rückreise und seinem geliebten Vierbeiner entscheiden."

Sonntag, 5. April 2020

Amazon zensiert Buch wegen Corona

Es geht um mein gerade veröffentlichtes Buch: "Corona - unsere Psyche im Notstand. Wie wir Isolation, Existenzangst, Stress verkraften können". Als Diplom-Psychologe untersuche ich, wie unsere Psyche in Zeiten einer Pandemie funktioniert. Im Mittelpunkt steht die enorme Herausforderung an die psychische Gesundheit.

Am 04.04.2020 erhielt ich von Amazon eine Email, dass sie mein Buch für Werbung, z.B. wenn ein entsprechendes Stichwort eingegeben wird, ablehnen (der Verkauf wird weiter gestattet) mit Begründung: "Ihre Werbeanzeige ist nicht für alle Zielgruppen geeignet." Aha, Corona und Stress für die Psyche ist nur ein Nischenthema!?

Ich frage nach einer Begründung. Die kam am 05.04. - O-Ton Amazon:
"Um ein gutes Kundenerlebnis zu gewährleisten, entfernen Sie bitte alle Produkte im Zusammenhang mit heiklen Ereignissen wie Naturkatastrophen, von Menschen verursachten Katastrophen, Gesundheitsnotständen, Tragödien, die viele Menschen betreffen, oder dem Tod von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens."

Aha, "gute Kundenerlebnisse" sind das Ziel.

Die ernsten Fragen werden weg zensiert. Unglaublich, aber wahr. Freiheitsrechte unter der Corona-Diktatur.
Die Vorgeschichte:

Schon Anfang März kam ein Verlag auf mich zu und fragte, ob ich nicht ein Buch zum Thema schreiben wolle. Gerne, denn es bewegt mich - persönlich wie politisch. Wir vereinbarten ein Konzept und 20 Probeseiten. Das alles wurde termingerecht erledigt. Der Verlag war begeistert. Dann Mitte März der Anruf. Völlig aufgelöst teilte mir meine Ansprechpartnerin mit, dass der Verlag das Projekt gestrichen habe. Der Grund lag nicht im Buch selber. Es kam, weil der Buchmarkt derzeit massiv einbreche - trotz häuslicher Isolation. Amazon habe die Bestellung von Büchern komplett eingestellt, liefere nur noch verzögert, 80% der Buchläden seien geschlossen.

So beschloss ich, das schon in Gedanken fertige Buch zu Ende zu schreiben. Im Buch komme ich zum Schluss:

Corona-Pandemie, Lockdown, Social Distancing sind eine Zerreißprobe für unsere Psyche.

Wie wirken sich soziale Isolation, Notstand, wirtschaftliche Existenzangst auf unsere Psyche aus? Was können wir tun, um psychisch gesund zu bleiben? Es stellt sich die Frage, ob nicht die Kollateralschäden des Krisenmanagements der Regierungen schlimmer sind, als Corona je sein könnte. Der Notstand als Stress und Chance für die Zukunft.
Genau auf diese 4.Phase weise ich hin
Ein Beitrag von
Christoph Jung
Diplom-Psychologe

"Corona - unsere Psyche im Notstand - Wie wir Isolation - Existenzangst - Stress verkraften können" - jetzt als Taschenbuch und e-book. ISBN-13: 979-8633343854   2,99 (e-Book), 12,80 (Print)




Freitag, 7. Februar 2020

Gutachten zu Plattnasen

Züchten mit kurzschnäuzigen Hunden

Gutachten der Universität Utrecht 
im Auftrag des niederländischen Ministeriums für Landwirtschaft, Natur und 
Lebensmittelqualität



Passend dazu das
Interview mit der Bully-Züchterin Claudia Fuhrmann:

Mittwoch, 5. Februar 2020

Qualzucht - nur ein Problem der Plattnasen?

Ein Interview: Ich bin Claudia Fuhrmann, wohne mittlerweile im Burgenland in Österreich und besitze seit 2004 Französische Bulldoggen. Der erste Rüde litt unter Atemproblemen und war die Inspiration die Zucht und Rassestandards zu hinterfragen und mich intensiv mit der Rasse zu beschäftigen. Aus meinen Erkenntnissen der Recherchen und vielen Reisen zu Züchtern, Ausstellungen, Fachtierärzten und Genetikern entstand 2010 die Homepage Gesunde Bulldoggen als Aufklärungsseite für interessierte Bullyliebhaber über die phänotypischen Besonderheiten und die Qualzuchtproblematik der Rasse. Wir verfassten etliche Artikel für verschiedene Online- und Printmagazine und kritisierten stets die Fehlentwicklung der Zucht innerhalb der Rasse. (Fortsetzung, unten nach dem Interview)

Fragen von Christoph Jung: Vor 10 Jahren haben wir uns in Berlin zum ersten Mal gesehen. Da waren wir als Experten zur Anhörung für ein neues Tierschutzgesetz im Bundestag eingeladen. Wir waren voller Hoffnung. Doch unsere ganz konkreten Vorschläge für ein Gesetz, das Qualzucht hätte wirksam verhindern können, wurden allesamt ignoriert. Was hat sich in der Praxis seither getan?

(Claudia) Ich sehe viele ignorante Züchter, die sich die Probleme weiterhin schönreden und eher nur Hunde produzieren als die Rasse zu erhalten oder zu verbessern. Ich sehe aber auch engagierte Züchter, die weit über den geforderten Standards der Vereine untersuchen und selektieren und ganz wunderbare Erfolge erzielen. Mein Fazit ist, dass jeder für sich sein eigenes ethisches Tierschutzgesetz zwischen Herz und Hirn erfinden und dieses dann verwirklichen muss. Von politischer Seite oder Verbandsebene kommen allenfalls seichte Forderungen, die man wieder Richtung Qualzucht und Profit wunderbar umgehen kann.
Claudia und Christoph vor der Anhörung im Bundestag zur Lesung der Novelle des Tierschutzgesetzes, 2010
Wenn von Qualzucht gesprochen wird, kann man den Eindruck bekommen, es beträfe nur die sogenannten Plattnasen. Doch es sind genug andere Rassen betroffen, etwa der Dobermann, von dem hier schon oft berichtet wurde. Was kannst du uns dazu sagen?

(Claudia) Mich nervt es mittlerweile, dass das Thema Qualzucht ausschließlich nur um die Plattnasen herum zu existieren scheint. Zu Recht muss man hier vieles kritisieren, was wir auch gerne tun. Aber das Thema ist komplexer. Alleine das Problem der Atmung lässt sich nicht auf wenige cm der sichtbaren Nase reduzieren, wie man es jetzt z.B. in Holland versucht. Man kann keine Atemfunktion gescheit von außen beurteilen!
ohne Worte
Ich kenne Langnasen, die völlig geräuschfrei atmen, aber trotzdem ein maximal zu dickes Gaumensegel haben oder Bullys mit engen und kurzen Nasen mit perfekt ausgebildetem Gaumensegel, die ohne Probleme 10 km am Rad laufen. Will man das Thema von außen angehen, so züchten sie jetzt mit Gewalt 2 cm längere Nasen ran ohne Kenntnis über die inneren Strukturen zu haben, minimieren dadurch den Genpool und ignorieren fleischige Gaumensegel, weil sie nach wie vor nicht gescheit analysieren. Das wird eine Sackgasse werden. Es wäre einfach traurig, wenn diese unbedachten Selektionsversuche nicht den gewünschten Erfolg bringen und dann die Rasse als hoffnungslos verzüchtet verboten wird.

Qualzucht sehe ich bei so vielen Rassen, die Riesen werden riesiger, die Zwerge werden winziger, der Dobermann ist hoffnungslos ingezüchtet, die DCM eine viel schwieriger zu korrigierende Krankheit als unsere Atmung. Die Epilepsierate bei einigen Rassen explodiert, weil auch hier von Züchterseite so herrlich vertuscht werden kann. Qualzucht hat so viele traurige Seiten, in den Medien ist es aber immer nur der keuchende Mops oder Bully.

Zurück zu den Plattnasen, wie ist die Lage dort?

(Claudia) Man kann alles bekommen. Es gibt Trends zu winzigen, verkürzten Qualzuchten, die gerade noch eine unbewegliche Rückenlänge von 12 cm haben, ohne Gesicht, ohne Rute, erschaffen durch künstliche Befruchtungen und Kaiserschnittgeburten. Gerade in den USA sind diese Short Bullys extrem beliebt. Mit Hund hat es nicht mehr viel gemeinsam. Diese Kreationen sollten aus Tierschutzgründen komplett abgelehnt werden.

Dann gibt es eine unglaubliche Entwicklung in der Farbzucht, fast alle Farbschläge sind mittlerweile bei den Bullys vertreten. Einige Farbzüchter achten auf Gesundheit und haben tolle Linien kreiert, die die Bullyzucht durch den erweiterten Genpool sehr bereichern.

Dann gibt es mittlerweile immer mehr Züchter, die wieder mehr Nase und Körperlänge züchten möchten, einen sportlichen Verteter der Rasse bevorzugen. In den sozialen Medien tobt dann immer wieder der Streit darüber, ob diese Tiere denn nun reinrassig sind oder nicht. Ich glaub den Hund im gesunden Körper mit unbändiger Lebensfreude interessiert das wenig.

Der Trend und die Nachfrage gehen aber ganz klar in Richtung sportlicher, leistungsfähiger, kleiner Begleithund für die aktive Familie, die auch wandern will oder sich im Sommer auch mal mit Freund Hund ins Café setzen möchte, ohne Angst haben zu müssen, dass der Hund erstickt. Und das können die gesünder gezüchteten Bullys ohne Probleme auch leisten. Dies sollte eine Selbstverständlichkeit sein, wenn man von der Spezies Hund spricht!

Du züchtest selber Französische Bulldoggen, worauf achtest du ganz besonders?

(Claudia) Einfach nur auf Kondition und Fitness. Meine Hunde sind lebhafte, bewegliche, kleine Begleithunde, die durch einen etwas moderateren Körperbau extrem leistungsfähig sind. Das will ich erhalten. Mich interessieren keine Farben oder der Rassestandard, der Hund muss als Canide funktionieren. Dazu gehört eine uneingeschränkte Atmung, ein freies Gangwerk mit guter Sprungkraft durch gesunde Wirbelsäule, Hüfte, Bänder, Winkelung. Eine wedelnde Rute, die kommunizieren kann gehört genauso dazu wie eine komplikationslose Geburt mit sicheren Instinkten für die Aufzucht.
Das ist für mich entscheidend.

Christoph Jung mit seiner besten Freundin Madame, 1966
Als Jugendlicher war "Madame" meine erste und beste Freundin. Sie war eine Bully-Lady. Und sie war kerngesund. Mit ihr bin ich sogar auf Bäume geklettert. Sie hatte Energie ohne Ende, war voller Liebe und strotzte vor Gesundheit. Sie wurde 14 Jahre ohne je ernsthaft krank gewesen zu sein. Meint, gesunde und zugleich voll rassetypische Bullys sind möglich. Wie ist der Stand in deiner Zucht?

(Claudia) Ich denke schon, dass man solche robusten Bullys wieder züchten kann und ich weiß von anderen Züchtern, die bereits mehrere Generationen durchgezüchtet haben, dass es möglich ist. Bullys, die beschwerdefrei alt geworden sind, gibt es. Meine älteste Hündin wird jetzt 7 Jahre alt, ist immer noch geschmeidig und beweglich wie ein Junghund. Mit ein bißchen Glück kommt uns hier keine gesundheitliche Katastrophe mehr dazwischen.
Bäume klettern ist für uns kein Problem, hier die 10 Monate alte Enkelin meiner Importhündin

Was muss sich verändern, um Qualzucht ein Ende zu bereiten?

(Claudia) Zuerst muss der Käufer und Hundebesitzer begreifen, welche Bedürfnisse ein Hund tatsächlich hat. Wenn sich hier Erkenntnis breit macht, werden die Züchter auf ihren unbeweglichen, schnaufenden, rutenlosen Exemplaren hoffensichtlich sitzen bleiben. Der Käufer muss fordern, dann werden die Züchter auch umdenken. Hier ist Aufklärung wichtig. Züchter müssen zeigen, wie Freund Bully funktionieren kann. Die Nachfrage nach gesunden Hunden aus kontrollierter Zucht ist enorm.

Ideal wäre natürlich ein durchdachtes Netzwerk von Tierärzten und evaluierten Gutachtern, die Zucht und Auswertung kontrollieren und freigeben. Ein einheitliches Bewertungssystem von Röntgenbildern, eine sinnvolle Untersuchungsstrategie der Brachyzephalen inkl. Atemwege und Wirbelsäule würde für mich dazu gehören. Da die Zucht mittlerweile auf unzählige Vereine verstreut ist, halte ich hier ein transparentes und ehrliches Zusammenarbeiten aber leider für nicht ganz umsetzbar.

Liebe Claudia, herzlichen Dank für das Interview und dein Engagement für unsere besten Freunde.


Fortsetzung der Vorstellung von Claudia:

Auf den beiden HP’s www.gesunde-bulldogge.de in deutsch und www.gesunde-bulldoggen.com in englisch versuchen wir Lösungen und Wege aus dem Labyrinth der Fehlzucht aufzuzeigen.

Und da ich das Elend der anderen Zuchten nicht mehr leiden konnte, in der Zwischenzeit meine drei Rüden aus gesundheitlichen Gründen für bessere Lebensqualität operieren lassen musste, entschloss ich mich auf eigene Faust nach einer gesunden Hündin zu suchen und züchte nun im winzigen Rahmen seit 2015 meine eigenen Bullys. Es gibt für mich keine andere Rasse, die dieses lebenslustige, energische, herzliche Wesen ersetzen kann.

Es folgte die Umstrukturierung des Vereins Gesunde Bulldoggen e.V. und die Neugestaltung der üblichen Zuchtstandards. Seit 2014 untersuchen wir die Hunde per CT, um Aufschluß über die Beschaffenheit der Atemwege und des Wirbelkanals zu erlangen. Ärzte benutzen die Analyse der Computertomographie um Operationen und Korrekturen von Wirbelsäule und Atemwege zu planen. Wir haben diese Möglichkeit genutzt, um den gesundheitlichen Zustand der Zuchthunde zu diagnostizieren. Und mit sehr wenigen Ausnahmen sind unsere Nachzuchten wirklich fit und munter und haben keine Einschränkungen.




 
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