Christoph Jung: Vor 2 Jahren hast du mit anderen "Gesunde Bulldoggen" ins Leben gerufen. Was war der konkrete Anlass hierfür?
Claudia Fuhrmann: Hierfür gab es mehrere Gründe. Wir wollten eine Aufklärungsseite für Welpeninteressenten gestalten, um über Besonderheiten und Krankheiten der Rassen zu informieren. Besitzer sollten die Möglichkeit bekommen, Erfahrungsberichte zu verfassen. Generell haben wir Anfragen von Menschen, die Rat suchen, sei es vor dem Hundekauf oder auch bzgl. der typischen Erbkrankheiten der französischen Bulldoggen.
Französische Bulldogge und Cavalier - 2 Hunderassen, die den Menschen lieben, aber leider vom Menschen missbraucht werden. |
Spocky: Ein charakter- und temperamentvoller Bully-Rüde, der gerne frei Atmen würde. Wo ist hier die Schnauze - zum Atmen ... sowie DAS Organ zur Thermoregulation? |
Christoph Jung: Wurden seither Fortschritte erzielt?
Claudia Fuhrmann: Ich sehe Fortschritte, dass es mittlerweile viel mehr Informationen über die Rasse gibt. Jedem Welpenkäufer sollte mittlerweile bewusst sein, dass die „Geiz-ist-geil“ Mentalität sich mit der gesunden Bulldogge nicht vereinbaren lässt, man einen wohlgezogenen Bulldog weder im Discounter, noch über das Internet kaufen kann. Es ist immer noch eine sehr übertypisierte Rasse, die immense Forderungen an Züchter und Halter stellt.
Spocky kann nach umfangreicher Sanierung der Atemwege endlich wieder durchatmen und Hund sein. |
Sportliche Bulldoggen halten auch gut mit großen Hunden mit. |
Hier wird mittlerweile weniger schöngeredet, viele Züchter sprechen offensiv die Problematik der gesunden Bulldoggen an. Es wäre schön, wenn jeder Welpenkäufer das Glück eines gesunden, wesensfesten, im Standard stehenden Bulldog genießen dürfte.
Christoph Jung: Was muss sich ändern, damit diese Hunde, die ein so faszinierendes Wesen haben, vom Züchter das Zeug zu uneingeschränkter Lebensfreude mitbringen?
Claudia Fuhrmann: Die Gesundheit der Zuchthunde muss seitens der Züchter, Vereine und Verbände im realistischen Rahmen kontrolliert werden. Man sollte sich z.B. an evaluierte Gutachter, aber zumindest anerkannte Fachtierärzte wenden, welche die Tiere auswerten.
In der Ruhe liegt die Kraft. |
Drei verschiedene Bulldogtypen sind sich einig, wenn es ums Bewachen des Hauses geht |
Christoph Jung: Was hälst du von neuen Moden wie "blauen" Bullys?
Claudia Fuhrmann: Wer ein blaues Tier haben möchte, sollte sich einen Papageien oder Koi kaufen. Blaue Bulldoggen halte ich für so überflüssig wie schlappohrige Schäferhunde, oder stummelrutige Windhunde.
Ein wesensfester Bulldog lässt sich nicht beirren. |
Der Standard sollte schon eingehalten werden, wenn man sich mit der Rassehundezucht beschäftigt, sonst macht Rassehundezucht für mich keinen Sinn. Das gesundheitliche Risiko der Gendefekte kommt noch dazu. Gewissenhafte Züchter spielen Roulette, wenn überhaupt, nur im Casino.
Christoph Jung: Genau, und man holt darüber hinaus ohne Not zusätzliche Probleme für die Zuchtauswahl in die Population. Jetzt muss man auch noch darauf achten, nicht zwei Träger dieses Gendefektes, der die Farbe erzeugt, miteinander zu verpaaren. Kein Züchter oder Halter, dem das Wohl des Bullys am Herzen liegt, würde so ein Problem freiwillig in eine eh schon so gesundheitlich belastete Hunderasse holen. Auch die Käufer solcher "Farben" sollten sich hinsichtlich ihrer Verantwortung für den Tierschutz an die Nase packen.
Christoph Jung: Was können wir tun, damit die Misere in der Zucht endlich ein Ende hat?
Claudia Fuhrmann: Einfach mit gesunden Hunden züchten, sich mit der Genetik und der Peripherie der Zuchthunde beschäftigen. Kontrolle der Ahnen und Nachzuchten, soweit es möglich ist.
Die Keilwirbelproblematik lässt sich z.B. schon sehr gut verdünnen, daher haben wir die Zuchtzulassung für Hunde von 6 auf 4 Keilwirbel reduziert, um hier wirklich die gefährliche Baustelle „instabile Wirbelsäule“ zu entschärfen. Lähmungen des Rückens lassen sich nicht so hübsch operieren, wie Brachyzephalie!
Ein quirliger, lebensfroher Bulldog, der sich nicht bewegen kann, ist Qualzucht!
Ein gesundes Skelett ist ebenfalls eine Grundvoraussetzung für ein sorgenfreies Bullyleben. |
Und wenn trotz sorgfältigster Gesundheitsuntersuchungen kranke Hunde hervorgehen, muss man diese als Chance sehen, weiter zu forschen, die Ursachen zu finden und dies nicht als fürchterliches Unglück sehen. Neugierig bleiben und, wenn der gesunde Zuchthund sich nicht als Top-Vererber herausstellt, mutig genug sein, dem Schatz einen Sofaplatz zu gönnen und sich anderweitig zu orientieren. Austausch unter Züchtern sollte nicht als üble Nachrede missinterpretiert werden, wenn es um Defizite in der Gesundheit geht. Es ist schade um viele gute Züchter mit Liebe zur Rasse und Sachverstand, die aufgrund dessen bereits aufgegeben haben.
Wir müssen die vielgepriesene Wende in der Hundezucht einfach auch wirklich anpacken. Es wurde viel geredet, die Theorie funktioniert perfekt, nun muss auch endlich mal die Praxis folgen. Ich warte darauf… und hoffe noch…
Christoph Jung: Claudia, vielen Dank für deine Ausführungen und uns gemeinsam ein wenig Glück für "Gesunde Bulldoggen".
"It is unbelievable that we need invasive surgery just to repair the basic needs of the dog. Breathing is the most basic need and this is no way acceptable from any ethical point we have today."
Professor Dr. Gerhard Oechtering,
weltweit führender Spezialist in Sachen Brachyzephalie und Atmung bei den Hunden, im BBC-Beitrag "Pedigree Dogs Exposed: Three Years On" vom 27.02.2012
weltweit führender Spezialist in Sachen Brachyzephalie und Atmung bei den Hunden, im BBC-Beitrag "Pedigree Dogs Exposed: Three Years On" vom 27.02.2012
Fotos: Claudia Fuhrmann