Montag, 28. Mai 2012

Rassehund wohin?

Rassehund wohin? Argumente für eine Neuorientierung" - so der Titel des neuen Buches von Dr. Hellmuth Wachtel, das gerade im Kynos Verlag erschienen ist. Ich verfolge nun die Arbeit Wachtels seit vielen Jahren und es war sein Buch "Hundezucht 2000", das mir damals entscheidende Impulse gab, das System Hundezucht zu verstehen. Auch seine weiteren Veröffentlichungen z.B. im Hundemagazin "WUFF" sind wegweisend zum Verständnis des Rassehundes und der aus dem heutigen Zuchtsystem resultierenden Probleme und Aufgaben. Seine Auszeichnung mit dem DOGs-Award ehrt den Autor wie den Preis selbst. Wachtel ist einer der wenigen großen Kynologen unserer Zeit und einer der - leider - noch viel selteneren Fachleute, die die Missstände beim Namen nennen und ein aktiver Anwalt der Hunde sind. Also war klar, dass ich sein neues Buch nicht nur lese, vielmehr auch gründlich studiere.
Dr. Hellmuth Wachtel
Und es hat sich gelohnt. Man wird mit dem Buch arbeiten müssen, nicht nur heute. Manchen seiner Ausführungen kann ich nicht folgen, stoßen gar auf meinen Widerspruch, aber vielleicht hat Wachtel ja doch Recht!? Tatsache ist, dass der Rassehund ohne eine grundlegende Reform seines Zuchtsystems keine Zukunft hat, zumindest keine, die mit einem noch so großzügigen Verständnis von Tierschutz vereinbar wäre. Wachtel zeichnet konsequent, wie mit der Einführung der modernen Schauhundezucht nach 1873 zugleich ein gesundheitlicher Niedergang der Begleithunde aber auch später mancher Arbeitshunderassen, etwa dem Deutschen Schäferhund, einherging. Und er weist nach, dass diese Entwicklung keinen Zufall, vielmehr einen Fehler des Systems als Ursache hat: Inzucht und Verzicht auf Leistung. Durch die genetische Abschirmung verarmten die meisten Hunderassen genetisch soweit, das viele bereits in einer äußerst kritischen Situation sind. Und diese wider jeder biologischen und genetischen Erkenntnis praktizierte züchterische Fehlleistung hat erst in den letzten Jahrzehnten ihren Höhepunkt erreicht. Wachtel erläutert dabei wesentliche Gesetzmäßigkeiten der Populationsgenetik - allein das ist die Lektüre des Buches wert. Wachtel sieht darüber hinaus das Ausstellungssystem und hier insbesondere die Instanz des Einzelrichters im Ring als grundlegende Ursache für den Niedergang des Schaurassehundes.

Wachtel macht eine Fülle von teils kurzfristig und praxisnah umsetzbarer Vorschläge für eine Neuorientierung. Unter anderem zeichnet er die Vorteile bestimmter Designer-Dog Mischlinge wie des Labradoodle (Labrador und Großpudel). Durch den Heterosis-Effekt - nur - in dieser ersten Kreuzungsgeneration (F1) ist die Vitalität dieser Hunde signifikant erhöht. Auch die Wahrscheinlichkeit von Erbkrankheiten ist nach den Gesetzen der Genetik niedriger. Wachtel macht zahlreiche Vorschläge, wie die heutigen Hunderassen gerettet werden können, aber er spricht auch aus, was viele bereits ahnen: Manche Rassen wird man in der heutigen Form aufgeben müssen, da sie - platt gesagt - kaputt gezüchtet, genetisch extrem verarmt sind und aus sich selbst nicht mehr gerettet werden können. Er appelliert eindringlich an Züchter, Tierärzte und ebenso auch die Halter, sich für eine Neuorientierung einzusetzen.

Warum ruft niemand "Halt!"?

"Wie ist es möglich, dass ein gerade für den Hund so wichtiger Körperteil, wie die Nase, bei immer mehr Rassen einfach weggezüchtet wurde? Dass eine einst wunderschöne, athletische Rasse, der Bullterrier, zum Zerrbild wurde? Weil ein schweinchenartiger Kopf das Fassen des Gegners im Hundkampf verhindern sollte... Und bei der Bulldogge die Hüften schmal und der Kopf übergroß werden mussten, was bei den meisten Hündinnen heute eine normale Geburt unmöglich macht? Und warum hat bei allen diesen Vorgängen, die ja nicht über Nacht gekommen sind, nie, nie jemand »halt« gerufen?!" (S.183 Hervorhebung CJ) - Eine Frage, die ich mir seit langen ebenfalls immer wieder stelle.

Manche Thesen Wachtels sind durchaus streitbar. Aber es waren immer streitbare Thesen, die letztlich zu großen Fortschritten führten. Es würde der Hundeszene nur gut tun, sich mit Wachtel sachlich und gründlich auseinanderzusetzen. Es ist eine der Ursachen für das Grassieren von Qualzucht und Erbkrankheiten, dass sich die Hundeszene ausgesprochen schwer damit tut, sich auch einmal mit kritischen oder unpässlichen Ansichten respektvoll auseinanderzusetzen. Der Hund hat es verdient, dass man mit Anstand und gegenseitigem Respekt um seine Zukunft streitet. Der Hund und namentlich der Rassehund ist zu 100% von uns abhängig. Wir sollten weniger von Tierschutz reden und mehr danach handeln. Die Lage des Rassehundes mitten unter uns stellt uns da allerdings kein gutes Zeugnis aus. Hellmuth Wachtel bewegt uns zum Nachdenken.


Eine Rezension von Christoph Jung

(Fotos: Archiv Hellmuth Wachtel, Kynos Verlag)

Freitag, 11. Mai 2012

Lundehündin "Lenchen" - ein Hundeleben.

Ein besonderer Nachruf von Theo Schnütgen

BBeim Besuch auf den Lofoten bei unseren Verwandten sahen wir einen Lundehund und waren sofort in ihn verliebt. Unser letzter Hund, ein Schipperke, war gestorben und wir suchten wieder einen Lebensgefährten. Unsere norwegischen Verwandten brachten uns in Verbindung zu einer norwegischen Züchterin. So bekamen wir "Lenchen" unsren Lündi.

"Mit so einem schönen Tier müßt Ihr aber züchten, da es so wenige noch davon gibt". Das wollten wir auch und bereiteten alles vor, um kleine Lündis zu bekommen. Alle Untersuchungen waren positiv abgeschlossen und wir freuten uns auf die Zukunft. Doch dann wurde Lenchen krank. Bauchwassersucht sagte man uns. Eine deutsche Tierärztin, die in Schweden praktiziert, informierte uns über die Wahrheit: "Wissen Sie, dass es ein Lundehund-Syndrom gibt, an dem die meisten Tiere dieser Rasse leiden".

Beim Club für nordische Hunde wich man auf Fragen aus. Die dümmste Erklärung kam von einem Norweger, Herrn G., der uns vorwarf, das Tier falsch gefüttert zu haben. Da wir öfters auf die Lofoten fahren, haben wir dort Trockenfisch in großen Mengen mit nach Hause genommen.

Über 80 mal sind wir mit Lenchen, wenn er krank wurde, zu Fachärzten und Kliniken gefahren. So langsam kam die Wahrheit heraus. Es war das Lundehund-Syndrom. Wir haben immer um das Leben des lieben Tieres gebangt. Die norwegische Züchterin stellte daraufhin die Zucht ein. Deutsche und amerikanische Universitäten berichteten nun über diese Krankheit. Doch die Züchter wollten davon nichts hören. Es werden weiter Lundehunde gezüchtet für den Profit und zum Sterben. Doch nun ist die Wahrheit nicht mehr aufzuhalten.

Unser Lenchen ist nun gestorben, und ich werde alles tun, um der Wahrheit eine Bresche zu schlagen und diese grausame Züchterei zu entlarven.

Theo Schnütgen, Talstr. 7, 56814 Greimersburg   10.5.12

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Hintergrund:
 
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