Mittwoch, 29. Juni 2011

Wachtel: Grundlegende Reform der Hundezucht notwendig!

Mit einem eindringlichen Appell meldet sich der große Kynologe unserer Zeit Dr. Hellmuth Wachtel zu Wort. In der aktuellen Ausgabe des Hundemagazins WUFF ist sein Artikel veröffentlicht: "Der Rassehund: Irrwege der Schauzucht und ein Weg zur Lösung".

Wachtel zeichnet den grundlegenden Irrweg der modernen Rassehundezucht, die Hunde auf Ausstellungen nach dem Exterieur zu bewerten. In der Folge kommt es durch Inzucht, viel zu häufige Verwendung einzelner Deckrüden notwendigerweise zur Verbreitung von Erbkrankheiten und Inzuchtdepression. Nachdem dieser Weg nun bei einigen Begleithunderassen über mehr als 100 Jahre praktiziert wurde, ist vielfach die Lebensfähigkeit ganzer Populationen vor dem Ende.

Wachtel sieht in einer grundlegenden Reform mit der Abkehr von Ausstellungen als Stätte der Zuchtauswahl eine zwingende Voraussetzung für eine Perspektive der Rassehundezucht. Hierzu macht er konkrete Vorschläge, Vorschläge, die praxisnah sind und einfach zu realisieren - wenn man nur wollte.

Soweit erst einmal der Hinweis auf den Artikel von Hellmuth Wachtel. Wir werden noch genauer darauf eingehen.

Donnerstag, 16. Juni 2011

Hunde schwitzen mit der Nase

Hunde kommen mit Hitze schlechter zurecht als mit Kälte. Ihnen fehlt eine Funktion der Haut. Die Haut ist das größte aller Organe beim Hund wie beim Mensch. Menschen können aber über die Haut ihre Temperatur senken. Sie schwitzen und über das Schwitzen entsteht Verdunstungskälte, die das Blut kühlt. Hunde können das nicht. Daher können sie höhere Temperaturen des Körpers, die etwa durch sommerliche Hitze, körperliche Anstrengung oder mentale Erregung entstehen, schlechter ableiten. Lange nahm man an, dass Hunde ihre Temperatur durch Poren zwischen den Zehen und im wesentlichen durch das Hecheln kühlen. Messungen der Wissenschafter zeigten aber, dass Hunde immer durch die Nase ein- und dann durch den Mund ausatmen. Die Verdunstungskälte, die unmittelbar durch das Hecheln erzeugt wird, wird also lediglich beim Ausatmen auf der kleinen Fläche der Zunge wirksam.

Thermoregulation durch die Nase

Professor Dr. Oechtering von der Uni Leipzig hat nun nachgewiesen, dass der Nase die wesentliche Funktion bei der Thermoregulation der Hunde zukommt. Was bei uns die Haut leistet, leistet eine ebenso riesige, dicht gefaltete Oberfläche in der Nase des Hundes. Diese wird aus extrem feinem und gut durchbluteten Faltengewebe gebildet, das beim Einatmen belüftet werden.

Die Nase der Hunde hat also drei vitale Funktionen: die Atmung, das Riechen und die Regulierung der Körpertemperatur. 

Oechtering hat herausgefunden, dass nur der vordere Teil der Nase zum Riechen gebraucht wird. Das Riechephitel, das die Riechsignale an das Gehirn weiterleitet, sitzt etwa in der Mitte einer Hundenase. Welche Funktion sollte dann der Rest der Nase haben? Die Funktion der Thermoregulation durch die Nase der Hunde hatte man in der Wissenschaft bisher nicht erkannt. Aber sie nutzt mehr als die Häfte der Nase. Sie nimmt in der Hundenase den größten Platz ein. Oechterings Entdeckung ist eine Sensation für das Verständnis des Hundes. Wir können nun viel besser nachvollziehen, wie sein Körper funktioniert und insbesondere die Hechelatmung.

Mops, Boxer, Bully und Co
Gesunder Mops mit Fang und
ohne Glubschaugen, in Brehms Tierleben 1915

Von vitaler Bedeutung ist diese Erkenntnis für die kurzschnäuzigen Rassen wie etwa Mops, Pekinese, Bully, Boxer oder Bulldog. Durch die Extremzucht der letzten 30 Jahre wurden die Nasen immer kürzer. Entsprechend sind die Funktionen eingeschränkt, ja weitgehend zerstört. Die Show-Zucht nimmt den Hunden vitale Funktionen. Bisher dachte man nur an die gestörte Atmung in Folge der so genannten Brachyzephalie. In der Literatur wird das Brachyzephale Atemnotsyndrom (BAS) beschrieben. Erfahrenen Kennern der Plattnasen war aber schon immer aufgefallen, dass sich extremes Hecheln auch ohne Atemnot zeigen kann. Es ist die mangelnde, ja fast verlorene Fähigkeit der Nase, die innere Temperatur dieser Hunde herunterzukühlen, die zur gestörten Atmung hinzukommt. Ein wahrer Teufelskreis für diese armen Hunde. Daher kann in akuten Notfällen eine einseitig auf die Verbesserung der Sauerstoffzufuhr ausgelegte Therapie nicht fruchten, wenn nicht zugleich Maßnahmen zur Senkung der Temperatur eingeleitet werden. Nun können wir besser Verstehen, warum extreme Plattnasen nicht nur unter Atemnot, vielmehr auch unter großer Empfindlichkeit bei hohen Temperaturen oder Erregung leiden.

Zucht auf extrem kurze Schnauzen zerstört vitale Funktionen


(Qualzucht-Mops ohne Fang und Nase wurde beim VDH in Dortmund alsFCI Jahrhundertsieger 2011
und Best of Breed (BOB) ausgezeichnet -Tangetoppen's Wild Card)

Das erweiterte Verständnis der Hundenase, ihrer komplexen Bedeutung für vitale Funktionen des Hundes sollte den Züchtern, den Veranstaltern der Hunde-Ausstellungen und auch den Welpenkäufern dringend als weitere Warnung vor der Zucht auf extreme Kurzschnäuzigkeit dienen. Eine solche Zucht ist nichts anderes als Qualzucht. Mit dem Kauf solcher Welpen macht man sich objektiv zum Mittäter. Professor Oechtering appelliert: 

"Es ist höchste Zeit für ein radikales Überdenken der brachyzephalen Zucht. Letztlich handelt es sich bei der Brachyzephalie um eine zu 100 Prozent Menschen gemachte Erkrankung. Wir Tierärzte als die Experten für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Tiere müssen eine sehr viel aktivere Rolle in der öffentlichen Diskussion übernehmen. Zuchtverbände und ihre wissenschaftliche Berater stehen vor der großen Herausforderung, diese alten Rassen zu retten. Erste erkennbare zaghafte Anstrengungen in dieser Richtung reichen dabei jedoch keineswegs aus, vielmehr müssen die Zuchtstandards rigoros überarbeitet werden und ausschließlich die Tiergesundheit in den Fokus stellen, nicht etwa das Aussehen. Etwas mehr Nase wird den einzigartigen Charakter dieser Hunde sicherlich nicht verderben." (Hervorhebungen durch CJ)

Mittwoch, 8. Juni 2011

Hundezucht im VDH - Worte und Taten #2

In loser Folge wollen wir Worte und Taten im Zuchtgeschehen des wichtigsten deutschen Hundeverbandes gegenüber stellen. Der Präsident des VDH Prof.Friedrich hatte in einem begrüßenswerten Artikel zu "Zuchtstrategien und ihre Anwendung" tragfähige Eckpunkte für eine Reform der Zucht von Rassehunden skizziert, die auch den Vorschlägen des Dortmunder Appells für eine Wende in der Hundezucht entsprechen. Leider stehen seinen hoffnungsvollen Worten heute noch - teils diametral - entgegengesetze Taten im VDH gegenüber.

Auf Empfehlung des britischen Tierschutzverbandes RSPCA waren Ende 2008 nicht weniger als 14 Hunderassen auf den Qualzucht-Index gesetzt worden, darunter der Bulldog. Der Kennel Club änderte umgehend den Standard. Die breite Masse der Bulldog-Züchter, -Richter und -Funktionäre lief Sturm gegen diese Maßnahmen zur Gesundung des Bulldogs. Doch die FCI verabschiedete Ende 2010 den neuen Standard. Er wird weiterhin von weiten Teilen der Show-Zucht bekämpft. So wurden für die Europasieger-Ausstellung des VDH sowie FCI-Jahrhundertsieger-Ausstellung Anfang Mai in Dortmund Richter eingeladen, die erklärte Gegner des neuen Standards sind.

Wie zu befürchten war, wurde der neue Standard in Dortmund demonstrativ ignoriert. Urteilen Sie selbst - hier anhand des Themas Nasenfalte:

"schwere Nasenfalten sind unerwünscht und sollten schwer bestraft werden."

Solche Hunde wurden 2011 auf der VDH-Veranstaltung zu Europa- und Jahrhundertsiegern gekürt (Quelle: Ergebnisdienst des VDH) - Worte und Taten #2:


VDH-Europasieger 2011 und Best of Breed (BOB)  Hundename: Jackpot of the Tivoli Bulls
 - schwere Nasenfalte, sowie - ebenso dem Standard widersprechend - praktisch keine Nase und starker Vorbiss (Ein Hund mit solchen Handicaps wird zum VDH-Europasieger und BOB - unglaublich!)


Oder man schaue sich die FCI-Jahrhundertsiger  - Best of Breed (BOB)  
Hundename: Elvy oder Earl an auf:  http://www.eppins.nl/index.html



Es geht auch anders. Bulldogs ohne Qualzucht und die Perversionen der Show-Zucht.

Weitgehend gesund gebauter Bulldog, selbstverständlich ohne schwere Nasenfalte um 1900

Weitgehend gesund gebauter Bulldog (VDH), selbstverständlich ohne schwere Nasenfalte um 1970


 
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