Sonntag, 21. Mai 2017

3. Rostocker Vierbeinersymposium

A17.Juni 2017, 09:00 - 17:00 Uhr findet das 3. Rostocker Vierbeinersymposium statt. Das Motto lautet:
Wissenschaft trifft Hund
Der Wolf. Der Hund. Der Mensch.

Sehr geehrte Damen und Herren,
wir laden Sie recht herzlich zum 3. Rostocker Vierbeinersymposium ein. Im Mittelpunkt des diesjährigen Symposiums stehen Domestikation, Sozialverhalten und Bindung.

Veranstalter:
Universität Rostock, Agrar- und Umweltwissenschaftliche Fakultät
Kathrin Richter, Privatinitiative "Pfotenpenne"
Heike Rudnik, Tierklinik Rostock

Veranstaltungsort:
Hörsaal JLW8-HSL
Justus-von-Liebig-Weg 8, 18059 Rostock
Referenten:
Dr. Marie Nitzschner, Christoph Jung, Daniela Pörtl

Links:






Montag, 1. Mai 2017

Rezension: What is a Dog? von Ray and Lorna Coppinger

Im April 2016 erschien das neue Buch von Raymond Coppinger und Lorna Coppinger "What is a Dog?", das jetzt als Taschenbuch (in Englisch) verfügbar ist. Es enthält die Weiterführung ihrer bereits 2001 mit "Hunde" veröffentlichten Hypothese, dass der Hund auf und durch den Müllplatz zu einem domestizierten Tier wurde und der Müllplatz die natürliche ökologische Nische des Hundes sei.

Domestikation des Hundes erst vor 8.000 Jahren

Vor 7.000 bis 8.000 Jahren seien die ersten Hunde auf den Müllplätzen der Dörfer und Städte unserer ersten Ackerbauerkulturen entstanden. Die heutigen Straßenhunde oder "Village Dogs" seien die ursprünglichen und zugleich die natürlichen Hunde. Unsere bekannten Jagd-, Arbeits- und Begleithunde seien hingegen lediglich das Produkt "eugenischer" (!) Zuchtprogramme im Europa der letzten 200 Jahre. Überhaupt, so die Coppingers, gäbe es keine belastbaren Hinweise für Hundezucht älter als 2.000 Jahre. Dazu genügen ihnen Verweise auf die Bibel und Homer.

Kein bester Freund des Menschen

Für Ray Coppinger ist es, so wörtlich, ein hohles Statement, vom "besten Freund des Menschen" zu sprechen. Hunde seien nicht anders als Tauben, Hühner oder Ratten, alles "domestic animals" auf derselben Ebene. Der Hund habe lediglich den - so wörtlich Coppinger - Trick heraus, einen Menschen als Wirt für die Aufzucht seiner Welpen zu instrumentalisieren, um damit seinen Fortpflanzungserfolg zu erhöhen. Coppingers vergleichen dieses Verhalten ausdrücklich und wiederholt mit dem des Kuckucks. Sie stellen ferner die Behauptung auf, ein Hund würde wie eine Gans in seinen Lebenswochen 4 bis 14 auf ein beliebiges Objekt als Sozialpartner geprägt und - so wörtlich - sei es auch nur eine Milchkanne (diese Behauptung wird sogar im Summary wiederholt und durch vermeintliche Beobachtungen belegt). Es gäbe keinen genetischen Faktor für Zahmheit. Der ganze Tenor des Buchs unterstellt einen caniden Vierbeiner, dem jegliche emotionale oder kognitive Fähigkeit oder gar Verbindung zum Menschen abgesprochen wird - außer den hier dargestellten. Vielmehr wird ausführlich aufgelistet, welche Schäden der Hund anrichtet, dass zum Beispiel 70.000 Menschen im Jahr nicht an Tollwut sterben müssten und die Menschen besser schlafen könnten, würden Hunde von der Erde verschwinden (Seite 133).

Darcy Morey´s Idee von der ökologischen Nische Mensch

Nur wenigen Aussagen der Autoren von "What is a Dog?" kann der Rezensent zustimmen. Eine ist, dass sich der Hund selbst domestiziert habe. Dass der Hund sich die neue ökologische Nische, die durch den Menschen entstand, erschlossen habe, ist hingegen kein originärer Gedanke von Coppinger. Bereits 1994 hat der Archäologe Dracy F. Morey dieses Konzept der Erschließung der ökologischen Nische Mensch durch den Hund ausgeführt (1). Allerdings eben nicht mit dem zentralen und einzigen Element "menschlicher Abfall", wie es Ray und Lorna Coppinger tun, und eben ausgehend von einer Abstammung vom Wolf. Der emeritierte Biologie Professor Ray Coppinger behauptet zudem allen Ernstes, dass der Hund nicht vom Wolf abstamme, viel mehr dass dies angeblich "für alle Wissenschaftler unter uns" eine offene Frage sei.

Skurrile Ignoranz

Freilich lässt er offen, wer dann Stammvater und -mutter der Hunde seien. Hier deutet er diffus einen Prozess der Hybridisierung mit einer unbekannten Canis-(Sub-)Spezies als inneren Motor zur Erschließung der Nische menschlicher Müll an. Als biologische Funktionen der Evolution werden daneben lediglich Mutation, Founder Effekt und schließlich "postzygotic selection" angeführt, sprich, dass der Mensch aus den bereits geworfenen Welpen selektiert, welcher Welpe getötet und welcher weiterleben darf. Die Erkenntnisse der modernen Genetik etwa zur Epigenetik oder Paläogenetik werden vollständig ignoriert. Vielmehr werden alle wissenschaftlichen Disziplinen, die Erkenntnisse liefern, die dem Müll-Konzept zuwiderlaufen schlicht ignoriert oder als nicht relevant abgekanzelt.
Das spiegelt sich in den Quellenangaben im Buch wieder. Von 188 Quellen stammen ganze 8 aus den letzten 5 Jahren, nur wenige mehr aus den letzen 10 Jahren. Dabei haben gerade die letzten Jahre eine Menge handfester, wissenschaftlich solide begründeter Belege gebracht, was die Abstammung des Hundes und seine Fähigkeiten in Bezug auf uns Menschen angehen. Die ernsthafte Wissenschaft ist sich über die verschiedenen beteiligten Disziplinen (Archäologie, Biologie, Paläogenetik, Paläontologie, etc) hinweg längst einig, dass der Hund einzig vom Wolf abstammt. Man ist sich ebenfalls einig, dass die Trennung der beiden Linien erstmals vor 15.000 oder mehr Jahren stattgefunden haben muss. Man hat Gräber aus der Steinzeit, teils aus Epochen lange vor der Sesshaftwerdung, gefunden, in denen Menschen mit Hunden gemeinsam bestattet wurden. Es waren Hunde und keine Wölfe, Füchse oder Schakale. Soviel Ehre für einen Paria vom vermeintlich existierenden Müllplatz? Paläogenetiker wie ein Svante Pääbo vom MPI Leipzig können anhand der DNA sogar Unterformen fossiler Wölfe samt deren Alter sowie entsprechend fossile Hunde sicher bestimmen. Auch kann man immer genauer anhand der DNA rezenter Hunde und Wölfe den Stammbaum der Entwicklung nachzeichnen. Ein Schakal oder ein Fuchs kann als Ahne sicher ausgeschlossen werden. Das schert die Coppingers nicht.

Wo waren die Müllkippen der Steinzeit?

Die Coppingers machen sich nicht einmal die Mühe, auf die von ihnen unterstellten Müllberge der Jungsteinzeit vor 8.000 Jahren zu schauen. Die Archäologie liefert keinerlei Hinweise, dass die Menschen vor 7.000 oder gar 10.000 Jahren massenhaft Lebensmittel auf irgendeinen Müllplatz geworfen hätten. Ganz im Gegenteil, wurde Nahrung noch bis in die Neuzeit hinein sehr sorgfältig genutzt und kaum etwas Essbares - wie es heute leider üblich ist - einfach weggeschmissen. Was die sesshaften Menschen der Ackerbaukulturen nicht mehr selber aßen, bekamen die Schweine und Hühner - und eben auch die Jagd-, Wach- oder Schäferhunde. Die Sammler- und Jägerkulturen, die den Entwicklungsstand der Menschheit noch vor wenigen tausend Jahren in den meisten Gebieten der Erde repräsentierten, waren Meister in der Verwertung schlicht von allem, was die Beute hergab. Hier wurden selbst Knochen und Sehnen praktisch restlos verwertet. Knochen, die als Werkzeug, Rohling für Schnitzereien oder Baumaterial nicht taugten, wurden noch in der ausgehenden Eiszeit als Brennmaterial verwendet. Wie sollte sich da eine neue ökologische Nische auftun, die zumal so ergiebig sein musste, dass eine neue Subspezies entstehen und sich ganze Populationen dieser neuen Subspezies - woher auch immer kommend - bilden konnten? Coppingers legen detaillierte Berechnungen vor - aber welche? Ihr Ergebnis, dass 15 Menschen mit ihrem Müll einen Hund ernähren, basiert auf ihren Beobachtungen der Müllproduktion des heutigen Menschen, konkret von Megacities wie Mexiko, Städten wie Tijuana oder ostafrikanischen Dörfern auf Pemba. Von achtlos weggeworfenem Müll eines Jäger- und Sammler-Clans oder einer steinzeitlichen Ackerbauersiedlung konnte demgegenüber kein Hund je satt werden.

Wenn es diese Nische nicht war, dann eben eine andere...

Das Schlusswort dieser Rezension überlasse ich Ray and Lorna Coppinger selber: "Where there dogs before the age of agriculture? Probably not, but if there were, they adaptet to a different niche." (Seite 43)


Eine Rezension von Christoph Jung

(1) Morey, D.F. 1994. The Early Evolution of the Domestic Dog. American Scientist 82:336-347.


 
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