Dienstag, 5. April 2011

FCI gegen Übertreibungen bei Rassehunden

Im aktuellen Newsletter geht der Weltverband der Hundezucht, die Fédération Cynologique Internationale, erstmals umfassend auf das Problem der rassetypischen Übertreibungen ein. In dem Artikel "Rassenspezifische Anweisungen für das Richten (Special Breed Specific Instructions - BSI) bezüglich Übertreibungen bei Rassehunden" werden zu nicht weniger als 43 Hunderassen Anweisungen erklärt mit dem Ziel, Übertreibungen und Extremzuchten zurückzudrängen.
Boxer (Screenshot von http://www.dogdotcom.be/de/BSI_SKK.aspx 04.04.2011)
Bei Untersuchungen des Schwedischen Kynologenverbandes in den letzten 5 Jahren wurden nicht weniger als 70 Hunderassen identifiziert, bei denen ein Bedarf zur Bekämpfung von züchterischen Übertreibungen gesehen wird. Dabei muss man wissen, dass die FCI ihre Rassestandards an sich nicht in Frage stellt. Qualzuchtanweisungen in den Standards selbst sind nicht einmal Gegenstand dieser Untersuchungen gewesen. Wenn man z.B. an die Forderung an eine runde Kopfform beim Mops oder das Mindestmaß von 80cm bei der Deutschen Dogge oder die geforderte "Fellpracht" beim Komondor denkt, so sind diese bereits im Standard angelegten Fehlentwicklungen nicht Gegenstand der Special Breed Specific Instructions der FCI.
Chow Chow (Screenshot von http://www.dogdotcom.be/de/BSI_SKK.aspx 04.04.2011)
Das große Thema der züchterisch verbreiteten Erbkrankheiten ist ebenfalls kein Gegenstand dieser Untersuchung oder Anweisung. Das Leiden, das bei Hunden durch wissentlich oder sogar bewusst verbreitete Erbkrankheiten angerichtet wird - man denke nur an die vielen Herzkrankheiten, Immunschwächen, Epilepsie oder auch den MDR1-Gendefekt - ist noch wesentlich krasser als das Leiden, das durch die in den BSI angeführten, sichtbaren Überzüchtungen von Menschen erzeugt wird.

Trotzdem ist es ein sehr begrüßenswerter und wichtiger Schritt, wenn nun die höchste Instanz der Rassehundezucht dieses Thema angeht. Das straft auch die ganzen Züchter und Zuchtvereine lügen, die bis heute konsequent den Fakt züchterischer Übertreibungen leugnen und als Miesmacherei einer Hunderasse diffamieren. Ganz im Gegenteil ist das Votum der FCI eine weitere Bestätigung für diejenigen Züchter und Halter, die sich ehrlich um das Wohl ihrer Hunderasse kümmern.

Festzuhalten bleibt auch, dass nun die höchste Instanz der Hundezucht das Ansinnen des Dortmunder Appells für eine Wende in der Hundezucht im Grunde für berechtigt und notwendig erklärt. Allerdings muss noch "Butter bei die Fische" kommen. Denn bisher ist es nur Papier und eine gute Absicht. Wie weit sich das Zuchtgeschehen im Tagesgeschäft hiervon beeindrucken lässt, wird sich noch herausstellen müssen.

Freitag, 1. April 2011

Ein wichtiges Urteil im Interesse der Hunde

Im Mai 2010 wurde in Sachsendorf/Thüringen ein kleines Mädchen von vier Staff-Mischlingen tot gebissen. Am 31.03.2011 wurde nun die Halterin dieser Hunde zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Bemerkenswert ist die Urteilsbegründung, wie auch die Argumentation der Staatsanwaltschaft.

Laut Medienberichten wird eine Mitschuld bei der Halterin gesehen, weil sie die Sozialisation der Hunde vernachlässigt habe. Argumentation der Staatsanwaltschaft: "Demnach hätte sie bei ordnungsgemäßer Haltung und Sozialisierung der Tiere die Gefahr absehen und vermeiden können. Stattdessen aber habe sie die vier Kampfhunde am Tag der Tat sich selbst überlassen." (MDR) Und die Thüringer Allgemeine berichtet: "Das Versagen Dritter sei nicht entscheidend gewesen. Es sei die Angeklagte gewesen, die mit der Haltung eines Hunderudels, das sich im Haus und auf dem Gundstück frei bewegte, die Gefahr gesetzt und aufrecht erhalten habe. Die Richterin verglich die Hunde mit einer Waffe, die im Haus ebenfalls so gelagert werden müsse, dass niemand dadurch zu Schaden komme."

Diese Argumentationslinie ist im Kern ein Pladoyer für die Rechte der Hunde. Ihnen wird das Recht zugestanden, sozialisiert zu werden. Zugleich wird die Verpflichtung des Halters betont, Sorge dafür zu tragen, dass die Hunde keinen Schaden anrichten können. In den Argumentationen der Gerichte bei früheren Urteilen war lediglich ein Fehlverhalten der Halter im akuten Fall unterstellt worden und so auch praktisch keine Schuld. Schuld wurde in Hunden allgemein gesucht, entsprechend reflexartig die Restriktionen gegen Hunde verschärft.

Recht der Hunde auf Sozialisation

Das Thema Sozialisation der Hunde wird in weiten Gebieten unserer Gesellschaft ausgeblendet. Man erwartet zwar von den Hunden, dass sie sich astrein in jeder Lage benehmen, aber eine Verantwortung des Menschen hierzu wird faktisch geleugnet. Das wurde zuletzt im Januar deutlich bei der Argumentation zur angeblichen Rechtmäßigkeit der Versteigerung von Hunden. Das Thema Sozialisation wurde von Amtstierarzt wie allen anderen staatlichen Organen völlig ausgeblendet. Auch Frank Weber von HundKatzeMaus/Vox blendete es in seinem Bericht aus, obwohl er mit mir genau hierzu ein Interview vor der Kamera geführt hatte. Das Thema Sozialisation der Hunde hat aber imense Bedeutung nicht zuletzt angesichts der immer massiveren Tendenz, Hunde nur noch als Ware und Konsumobjekt zu behandeln.
Lex Baiuvariorum um 800 (Bild Wikipedia)

Und der Herr büße die Tat des Hundes zur Hälfte

Unsere Ahnen waren da schon viel weiter. Die Mitverantwortung des Halters für die Taten seines Hundes war im Recht der späten Germanen klar geregelt. Das 1.200 Jahre alte Lex Baiuvariorum legt in seinem § 9 folgenden Grundsatz fest: "Und der Herr büße die Tat des Hundes zur Hälfte so, als er sie selbst begangen hätte." Dieses alte Recht, baut auf der Partnerschaft auf. Mit gefangen, mit gehangen. Nach heutigem Recht hält sich der Mensch dagegen schadlos, bürdet die Lasten dem Hund alleine auf und stielt sich selbst aus der Verantwortung. Das Amtsgericht Nordhausen hat hier im Sinne dieser alten Rechtsauffassung geurteilt.
 
Petwatch Blog