Montag, 10. Mai 2010

Ein guter Hund hat keine Farbe

Dass verschiedene Hunde verschiedene Fellfarben aufweisen, war zunächst keine Mode moderner Rassehundezucht. Hunde wurden schon immer passend zu den Anforderungen ihres Einsatzzweckes gezüchtet. Und so entstanden Jagdhunde mit Fellfarben, die es dem Jäger erleichtern, seinen Hund auszumachen. Die Fellfarbe der Herdenschutzhunde beispielsweise orientiert sich an der Farbe der zu beschützenden Herden.

Eine Fehlfarbe kommt selten alleine

Mit Hilfe der Genetik versteht man heute recht genau, wie das mit den Fellfarben funktioniert. Am Institut für Genetik der Universität Vetsuisse in Zürich hat man sich speziell diesem Thema gewidmet. Fellfarben wie blau, apricot oder creme entstehen durch sogenannte Farbverdünnungs-Mutationen, die zumeist aber auch zugleich Krankheiten hervorrufen. "Denn die Farbe geht oft einher mit ganz speziellen Fellproblemen. Angefangen von einer fehlerhaften Fellstruktur, mit mehr oder weniger kahlen Stellen über den Körper verteilt, bis hin zu kompletter Kahlheit verbunden mit Hautproblemen, Ekzemen, eitrigen Pickeln, trockener, rissiger Haut. Außerdem ist bei den betroffenen Hunden oft auch eine mehr oder weniger starke Immunschwäche vorhanden." schreibt die langjährig erfahrene Züchterin von Französischen Bulldoggen Gudrun Schäfer.

Qualzuchtgutachten: auf Merle und Blau verzichten

Seriöse Zuchtverbände und Züchter verzichten daher auf eine Farbverdünnung wie blau.
Ein ähnliches Problem liegt den Merle-Farben zugrunde. Für die oft bläulichen Scheckungen des Fells und Fehlfarben der Augen ist ein Defekt des Gens verantwortlich, das - nicht nur aber auch - für die Pigment-Erzeugung zuständig ist. Wenn zwei Merle-Träger verpaart werden, kann es gar zu schwersten Erkrankungen des Nachwuchses kommen. Hunde mit dem Merle-Defektgen haben nicht nur ein erhöhtes Risiko der Taubheit und anderer Erkrankungen der Sinnesorgane vielmehr insgesamt eine niedrigere Lebenserwartung. Das Gutachten für die Bundesregierung zum Tierschutzgesetz von 1999 (Qualzuchtgutachten) empfiehlt daher ausdrücklich, auf die Zucht mit Merle und den hier genannten Farbvarianten zu verzichten.

Leider stoßen diese Hinweise des Qualzuchtgutachtens bei einem Teil der Zuchtvereine und Züchter auf taube Ohren. Im Interesse ihres Profits werden die Fortschritte der Genetik in der heutigen Rassehundezucht sogar dazu genutzt, noch gewagtere Farbexperimente durchzuführen. So haben die Farbverdünnungs-Mutationen heute Einzug bei den Französischen Bulldoggen gefunden. Einige Züchter versuchen über Sonderfarben wie Blau oder Schoko Extra-Profite einzufahren. Hundeverbraucher sollen für Welpen mit exklusiven Farben bis zu 4.500 Euro zahlen. Bully-Freund und auch die Mehrheit der Bully-Züchter lehnen solche Auswüchse der Zucht allerdings ab.

Genetische Isolierung wegen Farbe

Und selbst wenn die konkreten blauen oder schoko Welpen ohne manifeste Krankheitszeichen sind, so wird mit der Zucht auf Farbe zumindest ein Zeichen gesetzt, das genau in die falsche Richtung geht. Es ist aus Sicht der Gesundheit dieser eh schon so gebeutelten Rasse unverantwortlich, nun auch noch den Wahnsinn der Zucht auf solche Farben einzuführen, anstatt alles zu tun, dass die Rasse erst einmal gesundheitlich auf die Beine kommt. Für Züchter, die wirklich aus Liebhaberei zu den Hunden züchten, ist der Hauptaspekt einer Verpaarung die Gesundheit der Hunde und der Population insgesamt. Im Interesse des Wohls seiner Hunde würde ein seriöser Züchter nie auf Farbe selektieren oder gar neue Farben "kreieren".

Farben als wichtigstes Thema mancher Züchter

Beim Cavalier King Charles Spaniel, einer von verschiedenen Erbkrankheiten gebeutelten Rasse, philosophiert ein Großteil der Züchter in epischer Breite über die verschiedenen Farbschläge wie Blenheim und Tricolour, die als "Parti-Colours" nicht mit den beiden "Whole-Colours" Ruby und Black and Tan vermischt werden sollen, anstatt ihre züchterische Energie der Gesundung ihrer Rasse zu widmen. Gleichwohl sterben diese liebenswerten Spaniels viel zu früh, meist an erblich bedingten Herzerkrankungen und erreichen nur eine durchschnittliche Lebenserwartung von 10 Jahren. Das sind locker 5 Jahre weniger, als bei einem Hund dieser Größe zu erwarten wäre. Innerhalb der Population dieser kleinen Spaniels soll der Anteil der herzkranken Hunde pro Lebensjahr um 10% steigen, sodass statistisch gesehen bei 50% der 5-jährigen Cavaliere mit einer Herzerkrankung zu rechnen ist und schließlich 100% der 10-jährigen Cavaliere betroffen sind.

Es ist überhaupt fraglich, ob man eine Unterteilung in Farbschläge aus Sicht des Wohls der Hunde vertreten kann. Selbst wenn die meisten Farbvarianten ohne unmittelbare gesundheitliche Zusatzrisiken auftreten, so engt doch die Trennung nach Farben den Genpool völlig unnötig weiter ein und schafft so erhöhte gesundheitliche Risiken für die ganze Population. Es ist noch nie im Interesse der Hunde gewesen, wenn man Farbschläge genetisch isoliert.

Der schwarz-weiße Neufundländer

In extremen Fällen wurden aus Profilierungs- und/oder Profitstreben der Züchter ganze Rassen lediglich aufgrund der Farbe getrennt. Der Neufundländer kam schon immer in drei Farbschlägen vor: schwarz, schwarz-weiß und braun. Aus Sicht der Hunde völlig willkürlich wurden aber Hunde des schwarz-weißen Farbschlags des Neufundländers isoliert und hieraus die neue "Rasse" Landseer kreiert - lediglich wegen einer Farbvariante. So wurde und wird die Population einer eh schon zahlenmäßig kleinen Rasse noch weiter verkleinert. Wie gesagt, aus Sicht des Wohls der Hunde gibt es keinen einzigen Grund, diese Isolierung alleine wegen einer Farbe vorzunehmen, zumal bei den Neufundländern eh alle drei Farbschäge zugelassen sind.

"Ridgeless Puppies shall be culled at birth!"

Bei anderen Rassen wie den Sennenhunden, Boxern oder Deutschen Schäferhunden geht regelmäßig wertvolles Zuchtmaterial verloren, weil ansonsten hervorragende Hunde einzig wegen vermeintlicher Farbfehler nicht zur Zucht zugelassen werden. Unter der Hand werden von unseriösen Züchern völlig gesunde Welpen getötet, nur weil deren Farbe nicht passt. Bis 2008 schrieb der Standard führende britische Rhodesian Ridgeback Club sogar ganz offiziell vor, dass kerngesunde Welpen ohne die Fellanomalie Ridge - eine Erbkrankheit - getötet werden sollen.

Willy Wertlos

Gerd Haucke hat das Thema in seinem Buch "Die Sache mit dem Hund" auf die Schippe genommen. "Willy Wertlos" nannte er seinen Boston Terrier. Wertlos, weil er ihn für die Hälfte bekommen hatte. Der Grund: ein Auge lag nicht "standardgerecht" im Zentrum des schwarzen Abzeichens.

Die Liebe zum Hund geht nicht über die Farbe. Ein guter Hund hat keine Farbe, wohl aber ein Recht auf körperliche Unversehrtheit.

Was muss das für ein Hunde"freund" sein, der den Tieren ein erhöhtes gesundheitliches Risiko allein wegen der Farbe seines Fells zumutet?

Im Interesse des Tierschutzes erscheint mir als sinnvoll:

  1. Zucht auf Farbe sollte grundsätzlich untersagt werden, wenn der Genpool lediglich wegen einer Mode eingeengt wird. Bei den meisten Rassen hat es in einem Wurf immer unterschiedliche Farben, derer man sich bedienen kann. Die Standards sollten nur minimale Vorschriften hinsichtlich der Farbe enthalten. Zuchtausschluß wegen einer angeblichen Fehlfarbe sollte nicht erlaubt sein.
  2. Gerade bei Populationen, die eh mit Erbkrankheiten und durch Extremzucht belastet sind, sind alle Farb-Kriterien für die Zuchtauswahl abzulehnen.
  3. Zuchten, die unmittelbar durch die Farb- oder Fellauswahl zu erhöhten gesundheitlichen Belastungen der Individuen oder der Population führen, wie etwa Merle, sind ebenfalls abzulehnen.

Literaturhinweis:
Unsere Stimmen für den Hund: Anmerkungen zur Lage des Rassehundes
 
Petwatch Blog