Freitag, 13. August 2010

Die heile Welt mancher Collie Züchter

In der HundeWelt, Ausgabe September 2010, ist ein Artikel über den Collie erschienen. Neben Statements des Deutschen Collie Clubs findet man dort ebenfalls kritische Hinweise zur Zucht, die auf meine Zuarbeit für die Redaktion zurückgehen. Auch werden aus meinem Text einige Zitate gebracht. Die beiden Collie-Zuchtvereine im VDH nehmen diesen Artikel nun zum Anlass, in zuweilen beleidigendem Ton jede kritische Aussage wegzubügeln. In der nächsten Nummer der HundeWelt wird diese in geeigneter Form hierzu Stellung nehmen. Da ich auch persönlich angegriffen werde und ich das nicht bis zur kommenden Nummer der HundeWelt stehen lassen will (rechtliche Schritte sowieso vorbehalten), hier eine erste Info zu meiner Sicht der Dinge. Ein ausführliches, umfangreich begründetes Statement wird noch folgen.

In dem HundeWelt-Artikel wird u.a. auf das Problem mit dem MDR1-Defekt hingewiesen, der - so eine US-Studie - über 54% der Collies direkt betrifft. Hintergrund ist ferner der Beschluss des VDH-Vorstandes, der im Juni 2009 ein Zuchtlenkung für Träger des MDR1-Defektes, die homozygote Merkmalsträger (-/-) vermeiden soll, festgelegt hatte. Dieser Beschluss konnte dann im Oktober 2009 von den beiden Collie-Zuchtvereinen unter Hinweis, dass ein Zuchtverbot für MDR1-Hunde zu Problemen hinsichtlich der "genetischen Diversität und einer denkbaren unerwünschten Festigung anderer Negativmerkmale eine Zentrale Rolle" spiele, zurückgewiesen werden (Protokoll vom 16.10.2009).
Beim MDR1-Defekt ist die Blut-Hirn-Schranke geschädigt. Das führt u.a. zu einer multiplen Medikamentenunverträglichkeit. Zudem gibt es Hinweise auf eine Störung der Stresssteuerung durch diesen Gendefekt. Der MDR-1-Defekt kann aus Sicht der Gesundheit der Hunde somit als ernst zunehmende Erbkrankheit eingestuft werden, auch wenn die meisten Hunde glücklicherweise ohne Symptomatik bleiben. ("Krankheit ist die Störung der Funktion eines Organs..." hier: der Blut-Hirn-Schranke)

Darüber hinaus habe ich darauf hingewiesen, dass blue-merle Hunde (die es in mehreren Rassen gibt) zu 1-3% taub sein können.
Sheepdogs in Vero Shaw 1881
Erst 2009 wurde eine Untersuchung des Department of Comparative Biomedical Sciences der School of Veterinary Medicine, Baton Rouge, USA veröffentlicht, die zu der Feststellung kommt, dass von den Trägern des Merle-Defektes durchschnittlich 4,6% einseitig taub und weitere 4,6% beidseitig taub sind! Bei Trägern nur eines Merle-Gens sind 2,7 einseitig bzw. 0,9% beidseitig betroffen (gerundet 1-3%), bei Merle MM sind sogar 10 bzw. 15% taub. Die Untersuchung belegt den Zusammenhang zwischen Merle und Taubheit, und zwar Merle in jeder Ausprägung. Auch andere Organe können durch Merle geschädigt werden.
Das Merle-Gen ist in einem nicht unwesentlichen Teil der Collie-Population vorhanden und  verantwortlich für eine der drei vom Standard erlaubten Farben. In meiner Einschätzung für HundeWelt hatte ich lediglich die niedrigen Zahlen zur Taubheit genannt, die für die Träger nur eines Merle-Gens ermittelt wurden. Ansonsten muss man das Risiko als noch deutlich höher beziffern.
Und natürlich kann man einen Gendefekt, der zu einem solchen Taubheitsrisiko führt und zudem weitere gesundheitliche Risiken birgt, als Erbkrankheit bezeichnen. Damit wird unterstrichen, dass die Empfehlung der Gutachterkommission zu §11b Tierschutzgesetz richtig war, "auf eine Zucht mit Merle-Trägern generell zu verzichten".

Nach Angaben des Clubs für Britische Hütehunde (CfbrH) ist zudem bei 8,6% der untersuchten Hunde die Veranlagung für das Collie-Eye-Syndrom (CEA) festgestellt worden (In Gegendarstellung auf deren Website, August 2010). Der DCC behauptet hingegen, dass CEA "fast gar keine Rolle mehr spielt" (Gegendarstellung DCC auf der Website). Entweder man definiert gut 8% der Hunde als vernachlässigbar, oder die Hunde des DCC sind signifikant gesünder als die des CfbrH?

Wenn man alleine diese drei genetischen Probleme, wie sie hier dargelegt wurden, hochrechnet und wenn man die Begründung der Zuchtvereine selbst gegen ein Verbot der Zucht mit Trägern des MDR1-Defektes anschaut, so ist es keine Übertreibung, festzustellen, dass es möglicherweise viel zu wenige Hunde gibt, die von überhaupt keiner Erbkrankheit betroffen sind. Alleine aus den hier genannten Zahlen und Argumenten sollten Fragen zur gesundheitlichen Situation der Collie-Zucht erlaubt, ja erwünscht sein. Denn nur wenn man ein Problem beim Namen nennt, kann man es auch zum Wohle der Hunde bekämpfen. Was nutzt es den Hunden, wenn ein Problem weggeredet oder es einfach als potenziell gesundheitsschädlich wegzensiert und zu einer Gen-"Variante" schöngeredet wird? Qualifiziert man sich so zum vermeintlichen "Freund der Collies"?

Eine Hundefreundin meint zum Argumentationsniveau der beiden Collie-Vereine:
"Es gibt immer mehrere Möglichkeiten, auf Kritik zu reagieren. Eine sehr souveräne Variante ist es, die kritischen Argumente schlicht zu widerlegen. Die Variante, die am sichersten zeigt, dass der Kritisierte keine Pfeile im Köcher hat, ist diejenige, den Kritiker zu denunzieren, persönlich zu werden." (Änderung vom 17.8.)

Auf die weiteren von den Vereinen angeführten Punkte werden wir in einem nächsten Artikel ausführlich eingehen. Dabei werden auch etliche weitere Behauptungen von DCC und CfbrH in deren Gegendarstellungen der Haltlosigkeit überführt.

* und der CfbrH fährt fort: "Solche Behauptungen, die aus dem vorigen Jahrhundert stammen, sind längst durch Studien widerlegt worden." Widerlegt ist einzig, dass diese Behautung des CfbrH falsch ist, siehe die o.a. Untersuchung von 2009
 
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