Der Lundehund, auf den ersten Blick kein sonderlich auffälliger Vertreter seiner Art, hat eine ganz besondere Stellung unter den Hunden. Wir haben hier bereits aufgezeichnet, welche besonderen Leistungen er zeigen kann. Er ist extrem gelenkig, fast wie eine Katze, er kann seine Ohren aktiv schließen und hat sechs Zehen. Der Lundehund ist zudem ein prägnantes Beispiel, welche Veränderungen die speziellen Anforderungen an den Arbeitseinsatz für die Menschen, welche Veränderungen die Evolution hervorbringen kann. Hätte der große Naturforscher Charles Darwin den Lundehund gekannt, er hätte sicher einen Platz ihm in seinen wegweisenden Werken gewidmet. Aber der Lundehund ist ganz nebenbei auch ein hervorragender Familienhund und Begleiter in unseren Tagen.
Wir mussten in einem zweiten Artikel leider ebenfalls davon berichten, dass in der Population dieser Hunderasse eine Krankheit verbreitet ist, die populär als "Lundehund Syndrom" (LS) bezeichnet wird. Es handelt sich um eine schwerwiegende Störung des Verdauungssystems, die in aller Regel über kurz oder lang zum Tode führt. Manche vergleichen LS mit dem Morbus Crohn beim Menschen. Die "Rheinische Post" brachte gerade einen Bericht zu LS (Das sinnlose Leiden der Lundehunde). Die Wissenschaft geht von der Erblichkeit von LS aus. Führende Spezialisten auf diesem Gebiet wie Prof. Dr. Ingo Nolte von der TiHo Hannover fordern deshalb die Zuchtszene seit Jahren auf, auf Anlageträger in der Zucht zu verzichten und die Krankheit systematisch zu bekämpfen.
Wie kann man einem Freund sowas antun?
Doch leider scheinen diese Stimmen in der Züchterschaft ohne ernsthafte Konsequenzen zu verhallen. Statt sich mit wirklich allen erdenklichen Mitteln um die Ausmerzung dieser heimtückischen (und teuren) Krankheit zu kümmern, leugnet ein Teil der Zucht sogar diese Krankheit oder verniedlicht sie; kritische Stimmen werden zuweilen gar unter der Gürtellinie gekontert. Tenor: Halb so wild. Solche Leute bezeichnen sich trotzdem als Freunde des Lundehundes. Wie kann man einem Freund aber eine solche Krankheit antun? Und man fragt sich als Hundefreund:
Kann man einer solchen Zucht-Szene sein Vertrauen schenken?
Nicole Kamphausen hat nun einen "Offenen Brief" an den Präsidenten des Verbandes für das deutsche Hundewesen (VDH) geschickt, den wir hier in Auszügen wiedergeben:
Offener Brief an den VDH
"Sehr geehrter Herr Professor Friedrich,
es ist offensichtlich, dass die züchterische Lage des Lundehundes unter dem Dach des VDH tierschutzrelevant ist und von daher fällt es mir umso schwerer, meine Enttäuschung in Worte zu fassen. Mein erster Brief enthielt folgenden Absatz: „In unserem Telefongespräch haben Sie mir vermittelt, dass auch Sie der Meinung sind, dass es so mit der Zucht nicht weitergehen darf und bei mir Hoffnung geweckt.“ Angesichts des Leides vieler Hunde, das durch Fehlleistungen der Zucht entsteht, haben Sie mir im März 2011 zugesagt, dass es bis Ende 2011 eine Wende in der Lundehundzucht geben wird. Dieses Versprechen haben Sie nicht eingehalten. ...
Herr Professor Friedrich: Warum halten Sie mich hin? Warum schauen Sie dieser Qualzucht so lange zu?
Letzte Woche erhielt ich einen Anruf meiner Lundehundfreunde. Ihr Lundehund ist in den Armen seines Frauchens eingeschlafen. Dieser Hund wurde noch nicht einmal sieben Jahre alt und war bereits seit längerer Zeit erkrankt. Auch seine Geschwister sind an der heimtückischen Lundehund-Krankheit gestorben.
Aus Amerika erhielt ich die schreckliche Nachricht, dass zwei junge Hunde verstorben sind wieder an diesem für den Lundehund typischen Krankheitsbild, das dem Morbus Crohn beim Menschen ähnelt. Kein Medikament hat bei ihnen angeschlagen. Die Hündin wurde noch nicht einmal zwei Jahre alt. Der Vater dieser Hündin wurde in Deutschland geboren. Der Rüde verstarb im Alter von drei Jahren, obwohl seine Besitzerin eine Tierärztin ist. Beide Hunde stammen aus Verpaarungen wo auf 4 Generationen der Inzuchtfaktor 0% beträgt. Auch die Elterntiere dieser Verpaarungen haben einen Inzuchtfaktor von 0%. Diese Hunde, wie auch mein Vitani, sind aus einer Verbindung mit einem Inzuchtkoeffizienten von 0%.
Das Zuchtprogramm, das der Deutsche Club für nordische Hunde im VDH (DCNH) vorgelegt hat, ist aus folgendem Grund indiskutabel und inakzeptabel.
Ich denke, Sie gehen mit mir konform, dass Professor Dr. Ingo Nolte führend auf dem Gebiet der Gastroenterophatie ist. Professor Nolte ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates und hat zusammen mit Professor Dr. Steiner die wissenschaftliche Betreuung der Dissertation von Frau Berghoff übernommen.
Sie gehen auch mit mir konform, dass Professor Nolte auf dem Gebiet des Lundehundsyndrom führend in Deutschland ist.
Zitat Anfang: „Konsequenterweise sind auch klinisch nicht erkrankte Hunde mit abweichenden Laborwerten von der Zucht auszuschließen, mindestens bei betroffenen Lundehunden jedoch eine weitergehende Untersuchung anzuordnen. Nur so können auch subklinisch erkrankte Hunde und solche in der Frühphase der Erkrankung erkannt und von der Zucht ausgeschlossen werden ... .
... Zur Eindämmung der Gastroenteropathie beim Lundehund ist eine strenge Zuchthygiene, d. h. ein Zuchtausschluss betroffener Tiere unumgänglich“ Zitat Ende.
Auch macht es keinen Sinn, ein Forschungsprojekt „Lundehundsyndrom“ an der TiHo Hannover zu betreiben, wenn es nach Aussage von Dr. Renate Winkler, keinen Sinn macht, erkrankte Tiere aus der Zucht zu nehmen, weil das Lundehundsyndrom polygenen Genese vererbt wird. Professor Dr. Distl stellt 2008 in Dortmund seine Arbeit über die HD Vererbung beim Schäferhund vor. Auch HD ist polygene Genese vererbbar. Hier werden erkrankte Hunde aus der Zucht genommen.
Am 13.03.2012 habe ich die letzten Blutwerte meines Vitanis erhalten und weiß, dass die Zeit mit ihm nur noch sehr kurz sein wird. Er ist immerhin schon 10,5 Jahre alt. Sein Sohn starb bereits mit 2 Jahren und seine Tochter mit 4 Jahren am Lundehundsyndrom, ebenso sein Vater mit 5 Jahren und seine Mutter mit 9 Jahren.
Der DCNH macht es sich einfach, indem er dem VDH die Verantwortung überträgt. Stimmen Sie diesem Zuchtprogramm, was einem Tierversuch ohne Labor gleichzusetzen ist zu, überträgt man Ihnen beim Fehlschlagen die Schuld. Es ist auch kein Zuchtprogramm, weil dieses bereits schon in dieser Form seit Beginn der Lundehundzucht praktiziert wird. Es ändert sich überhaupt nichts.
Stimmen Sie dem nicht zu, wird man dem VDH die Schuld zuweisen, dass man keine gesunden Lundehunde züchten kann, weil der VDH das Zuchtprogramm abgelehnt hat. Norwegen wird dann wieder die Empfehlung geben, keine Lundehunde nach Deutschland zu exportieren. Ich hatte vom DCNH auch kein anderes Zuchtprogramm erwartet! Sie haben mir einmal gesagt, dass es um Politik geht. Auch hier steht jetzt wieder die Politik und nicht die Gesundheit der Hunde im Vordergrund.
Das vom DCNH eingereichte Zuchtprogramm beinhaltet, dass Lundehunde die an Katarakt erkrankt sind, in der Zucht eingesetzt werden. ...
Sehen Sie in dem veröffentlichten Bericht des DCNHs auch nur ansatzweise, dass zu dem Forschungsprojekt von Professor Dr. Distl aufgerufen wird. Warum gibt es nicht eine Verpflichtung für Zuchthunde bzw. für Mitglieder mit Lundehunden?
Es ist für einen VDH konformen Zuchtverein untragbar, dass der damalige Fachbereichsleiter Zucht, mir als Lundehundbesitzerin und Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands im DCNH (vielleicht ist das unter Vorstandsmitgliedern so üblich) dazu geraten hat, die Augenuntersuchung in Utrecht vornehmen zu lassen. Dort würde das negative Ergebnis auf Wunsch nicht eingetragen. Dies führt natürlich dazu, dass das Gesamtergebnis einer Rasse dadurch verfälscht wird, bzw. es keine erkrankten Hunde dieser Rasse gibt.
Meine Tochter sagte nach unserem ersten Telefonat zu mir: „Mama du glaubst doch nicht wirklich dass der VDH in dieser Sache etwas unternimmt. Es läuft doch! Auf Grund deiner Arbeit als Kassiererin im DCNH weißt du, dass der VDH 1,50 EUR pro Welpe erhält. Die machen sich doch nicht die Mühe und beschäftigen sich mit Problemen einer Rasse. Du wirst nur hingehalten!“
Geben Ihnen diese Worte nicht zu denken? Herr Professor Friedrich, Sie schulden mir die Antwort auf meine im Frühjahr 2011 gestellte Frage: „Wann wird die von Professor Dr. Ingo Nolte geforderte Zuchthygiene in der Lundehundzucht in Deutschland eingeführt?“
Sie gehen bestimmt auch hier mit mir konform, dass allein Ihre (VDH) Prüfung des vom DCNH eingereichten Zuchtprogramms die Kompetenz von Herrn Professor Nolte in Frage stellt.
In dem 15.03.2012 geführten Telefonat sagten Sie mir zu, dass Sie ein Treffen mit Ihnen, Herrn Professor Dr. Distl, Herrn Professor Dr. Nolte, Herrn Guido Schäfer und mir arrangieren wollen. Sie haben mir versprochen einen Termin bis spätestens 29.03.2012 zu nennen.
Wie schon telefonisch besprochen, lehne ich die Anwesenheit des Herrn ... ab. ... Darüber hinaus stellt er die LS-Problematik überhaupt infrage, was der eigentliche Tierschutz-Skandal ist. Ich denke, bei einer Gesprächsrunde im Interesse des Wohls der Hunde kann es nur darum gehen, wie man möglichst zeitnah zu einem praxiswirksamen Handeln zur Bekämpfung dieser schweren Erkrankung in der Population kommt.Mit Leuten, die die Relevanz des LS leugnen, gibt es für mich keine Gesprächsgrundlage.
Der VDH wirbt mit „kontrollierter“ Zucht als Alleinstellungsmerkmal. Wo bitte ist die Kontrolle, wenn es wie hier beim Lundehunde um jahrelange, bekannte und dokumentierte Zucht mit schweren Erbkrankheiten geht. Das darf man allein aus Tierschutzgründen nicht dulden!
Mit freundlichen Grüßen
Nicole Kamphausen"
Der Offene Brief kann von mir auf Wunsch im vollen Wortlaut per Email zugesandt werden, Christoph Jung.
Fotos: Nicole Kamphausen