Dienstag, 17. Mai 2011

Bulldogs in Geschichte und Gegenwart

Gerade ist mein neues Buch erschienen. Es geht um eine sehr alte Hunderasse, die zugleich die erste Rasse der modernen Rassehundezucht ist, den Bulldog: "Bulldogs in Geschichte und Gegenwart". Ich hatte nun das Glück, von frühester Kindheit an mit Bulldogs aufgewachsen zu sein. Und ich hatte das Pech, dass mir eine Hunderasse ans Herz gewachsen ist, der die Zucht spätestens seit Mitte der 1970er Jahre die Gesundheit geraubt hat. Aber der Bulldog ist es wert, für ihn Partei zu ergreifen und für seine Zukunft zu kämpfen.

Bulldogs sind charmante Charaktertypen

Der Bulldog gilt nicht zufällig seit langem als der Nationalhund der Briten, der mit John Bull die guten Tugenden der Nation verkörpern soll. Kein anderer Hund, ja kein anderes Tier wird so häufig als Symbol bei Filmen, Sportvereinen, in der Werbung, bei Namen für Autos, Traktoren, Motorräder, Flugzeuge oder Schiffe, ja selbst japanische Fastfood (s.Abb) und unüberschaubar vielen weiteren Gelegenheiten gebraucht. Der Bulldog ist ein Spiegel der Menschheit. Seit nachweisbar über 300 Jahren wird das auch bewusst genutzt, selbst in der Politik. Kaum ein Krieg des British Empire seit Queen Elisabeth I. bei dem nicht an den Mut und Kampfgeist des Bulldogs appelliert wurde. Der Bulldog ist ein ganz besonderer Charaktertyp. Die Erklärung findet man in seiner Historie.

Gladiator in den Pits und Arenen

Tierkämpfe haben eine uralte Tradition, die man locker über mehr als 2.500 Jahre nachweisen kann. Hunde waren effektvolle und zugleich billige Gladiatoren für diese grausamen Spektakel der antiken und mittelalterlichen Unterhaltungsbranche. Der römische Schriftsteller Claudian beschreibt im Jahr 390 die britischen Hunde als "stark genug, das Genick eines großen Stieres zu brechen". Auch die typisch bulldoggige Kampfesweise dieser Hunde ist von Claudian dokumentiert: "Der britische Hund, der die Schnauze des Stieres auf den Boden bringt."  Konsul Quintus Aurelius Symmachus berichtet von britischen Bullen-Hunden im Kolosseum. Hier findet man um 400 auch die erste schriftliche Verwendung der Bezeichnung "Bulldog", natürlich in der damaligen Sprache Latein.
Bull-Baiting um 1820 aus: Sammlung Dr.Fleig Stiftung
Der heutige Bulldog stammt in direkter Linie von diesen echten Kampfhunden ab. Schon damals konnte man mit einem Champion der Arenen ein Vermögen machen und so wurden die Hunde über Jahrhundete auf Spitzenleistungen im Kampf gezüchtet. Aber das nicht allein. Ein solcher Kampfhund  wäre viel zu gefährlich, selbst für seinen Besitzer und die Richter im Pit, wenn er nicht zugleich eine extrem hohe Kontrollierbarkeit, Gelassenheit und Freundlichkeit zu Menschen hätte. Diese beiden Antagonisten machten den echten Kampfhund aus, jederzeit kontrollierbar und außerhalb des Pits lammfromm. Phlegma und Leidenschaft nennt es 1903 der Hundemaler und Kynologe Richard Strebel, selbst Bulldog-Halter und Mitbegründer des deutschen Bulldog-Vereins. Phlegma zwischen den Kämpfen und beim Gong in der Arena in Sekundenbruchteilen mit 150% in den Kampf um Leben und Tod. Dem Bulldog blieb schon damals an Grausamkeiten durch den Menschen nichts erspart.






Es ist ein Verdienst der modernen Rassehundezucht, dass aus dem Kämpfer nach 1840 ein Begleiter wurde und die eine Seite seines Erbes, die Gelassenheit und das wetigehende (s.u.) Fehlen von Aggressivität gegenüber Menschen zu den bestimmenden Eigenschaften wurde. Doch noch immer ist das alte Erbe lebendig. Bulldogs kämpfen auch heute noch ritualisiert auf besondere Art. Gerne wird auch ein Besen zum Stier der Arenen erklärt und dann wie damals attackiert. Scheinbar tief schlafend kann der Bulldog auf dem Sofa liegen, um dann ganz plötzlich mit erstaunlicher Schnelligkeit und grollendem Bass einem (vermeintlichen) Störenfried entgegenzuschießen. Seine Entschlossenheit lässt keine Zweifel und es gibt zahlreiche Berichte, dass Bulldogs ihre Familie in der Not ohne Rücksicht auf das eigene Leben beschützen.

100 Jahre Bulldog - rechts Ideal-Bulldog nach Strebel 1903, links Lady von 2009

Bulldogs sind sehr emotional und zeigen ihre Freude überaus deutlich, genau wie ihren Groll. Aber Bulldogs haben nicht nur das Kampfhunde-Erbe in sich. Die breite Mehrheit der Bulldogs arbeitete früher als Wachhunde der großen Gehöfte (Bandogs, Kettenhunde genannt), als Treibhunde der Rinderhirten, als Schutzhunde der Händler und die Saupacker des Adels. All diese Eigenschaften finden wir auch heute noch im Bulldog. Das Ganze wird beherrscht durch ein überaus menschenfreundliches, dem Menschen zugewandtes Wesen. Der Bulldog ist dabei in einem Zwiespalt. Einerseits hat er einen starken Eigensinn und ist nie unterwürfig, andererseits gibt er alles, um mit Herrchen und Frauchen ein inniges Verhältnis zu pflegen. Diese Mischung erzeugt den besonderen Charme des Bulldogs, an den ich nun seit mehr als 50 Jahren mein Herz verloren habe. Der Bulldog, der gesunde Bulldog, ist ein idealer Begleiter auch für die heutige Zeit. Und selbst heutigen Convenience-Ansprüchen mag er genügen. Er braucht keine Arbeitsaufgaben, ist mit einem halbstündigen Spaziergang im Grünen meist zufrieden (er liebt aber auch längere Touren, wenns nur nicht zu warm ist) und kann problemlos mit auf Reisen oder in eine Gaststätte genommen werden. Nur eines braucht er - die Liebe von Frauchen und Herrchen.

Kein Hochglanz-Werbeprospekt

Im Sommer 2009 sprach mich der Kynos Verlag an, ob ich nicht Interesse hätte, ein neues Buch zum Bulldog zu schreiben. Ich wies die Geschäftsführerin Frau Rau darauf hin, dass sie von mir keine aalglatte Hochglanz-Werbebroschüre erwarten könne, dass ich durchaus sehr kritisch zum heutigen Zuchtgebaren stünde. Frau Rau wusste Bescheid und sie wollte ein ehrliches Buch. Ich nahm gerne an und sie hielt Wort. Ich brauchte nicht sonderlich lange. Recherchearbeit war kaum mehr notwendig, da ich bereits seit vielen Jahren ein umfangreiches Archiv aufgebaut habe. Und inhaltlich wusste ich schon lange, was ich schreiben wollte und musste.

Geheimnis Rassehund

Das eigentliche Problem war, dass es eine Werbung für diese so wunderbaren Hunde werden sollte - aber ohne Beschönigungen. Gerade wenn man die Hunde liebt, muss man Missstände schonungslos aufdecken und eine Änderung derselben zum Wohle der Hunde einfordern. Ob das gelungen ist, muss der Leser entscheiden.
Qualzucht-Bulldog - im Sonderband des "The Bulldog Club" zum 125j. Jubiläum 2000

Die Geschichte des Bulldogs ist auch ein Blick in die Geschichte der Menschheit wie auch unserer Hunde allgemein. Man versteht viel besser, was nun den Rassehund ausmacht. In all den verschiedenen Hunderassen sind jeweils besondere Pakete von Eigenschaften lebendig, die das Erbe ihrer speziellen Aufgaben im Dienste unserer Vorfahren konzentrieren. Jede Hunderasse hat ihr besonderes Paket, jeweils einzigartig. Und jeder Rassehund erzählt damit eine eigene Facette der Partnerschaft in der meist harten gemeinsamen Arbeit von Mensch und Hund. Diese Vielfalt letztlich auch unseres eigenen kulturellen Erbes gilt es zu erhalten. Ob das beim Bulldog noch gelingt, darf bezweifelt werden angesichts der Ignoranz der breiten Mehrheit seiner Züchter, der Zuchtverbände und wohl auch mancher "Liebhaber" - selbst heute noch. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt.

 
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