Mittwoch, 11. Mai 2011

Hundezucht im VDH - Worte und Taten #1

Erst kürzlich hatte ich dem Präsidenten des Verbandes für das deutsche Hundewesen (VDH) Prof.Dr. Peter Friedrich zu seinem wegweisenden Artikel "Zuchtstrategien und ihre Anwendung" gratuliert, in dem er Missstände in der Hundezucht anspricht und tragfähige Lösungswege umreißt. Man weiß im VDH also, wie es gehen könnte: gesunde, vitale und wesensfeste Rassehunde züchten, denen alle Türen zu einem fröhlichen und langen Hundeleben offen stehen. Das hat mich wirklich gefreut.

"Allein mir fehlt der Glaube" hatte ich ebenfalls angeführt, denn die Worte von Friedrich prallen nur allzu hart auf eine zuweilen diametral gegensätzliche Praxis. Daher muss man den VDH allein an seinen Taten messen. Und das werde ich hier immer wieder tun, ganz konkret und nachvollziehbar. Gerne werde ich Erfolgsmeldungen verkünden, liebend gerne. Denn hinter jeder anderen Meldung stecken traurige Hundeschicksale, allein von Menschen erzeugtes Tierleid. Und mit ihren Hunden leiden auch Menschen. Ich weiß wovon ich spreche.

Heute: Thema Bulldog


Dewrie Drummer, Top VDH Bulldog der frühen 1970er Jahre: gesund ohne Übertreibungen und trotzdem ein typvoller, echter Bulldog - auch nach dem neuen Standard. Später wurde der Bulldog zunehmend zu seiner Karikatur verzüchtet.

Nachdem nun die Qualzuchterscheinungen bei dieser ersten Rasse der modernen Hundezucht inzwischen unübersehbar geworden sind, wurde er und 13 weitere Hunderassen2008 von der BBC auf eine Qualzuchtliste gestellt. Der für den Standard des Bulldogs seit 1875 verantwortliche Kennel Club hatte bereits Ende 2008 umfassende Maßnahmen zur Gesundung angekündigt. 2009 legte er unter anderem einen überarbeiteten Standard vor, der keinen Raum mehr für die tierquälerischen Übertreibungen seiner Zucht lässt. Ende 2010 wurde dieser von der FCI offiziell verabschiedet und ist seither für alle Bulldog-Züchter der FCI verbindlich. Zugleich gab es klare Anweisungen zum Richten der Hunde, die tatsächlich und sehr erfreulich auf das Wohl der Hunde ausgerichtet sind. Doch die breite Masse der Züchter hatte nichts Besseres zu tun, als sich laut schreiend und massiv gegen jede Maßnahme im Interesse der Hunde zu wenden. Namentlich die britischen Zuchtvereinen aber auch der VDH-Club machten und machen Stimmung gegen die Maßnahmen des Kennel Clubs und der FCI. Züchter und Halter, die den neuen Standard verteidigten wurden zugleich als Züchter von Hänflingen und Boxern diffamiert.**

Wo steht nun der VDH?

Der linke Bulldog ist der einzig echte für VDH-Europasieger-Richter Darmanin. Wie solche breiten Schultern durch solch schmale Hüften geboren werden sollen, sagt er nicht. (s.u.*) Screenshot aus Darmanin Website vom 11.05.2011http://www.sutusbulldogs.co.uk/
Es ist mir nicht bekannt, dass der VDH auch nur ansatzweise sein Gewicht für die Maßnahmen des Kennel Clubs geltend gemacht hätte. Leider ganz im Gegenteil. Schon 2009 wurde mit Carol Newman eine ausgemachte und führende Gegnerin eines gemäßigten, gesunden Bulldogs als Richterin auf die VDH-Europasieger-Show berufen. Nun, da konnte man noch formal argumentieren, dass der neue Standard noch nicht von der FCI verabschiedet worden sei. Doch auch jetzt am Wochenende - nachdem die FCI sich klar für die Gesundung des Bulldogs positioniert hat - wieder das gleiche Bild. Mit Ann Wildman (GB) als Richterin für die FCI Jahrhundert-Show und Anthony Darmanin (GB) als Richter der VDH-Europasieger-Show wurden zwei erklärte Gegner des neuen Standards berufen. Tony Darmanin ist ein, wenn nicht sogar der führende Agitator gegen die Maßnahmen zur Gesundung des Bulldogs und für den heutigen extremen Qualzuchtbulldog*. Seine Berufung für die Europasieger-Show 2011 kann man nur als Provokation und Zynismus pur bezeichnen. Solche Taten lassen die so begrüßenswerten Worte von Prof. Friedrich zu Makulatur werden, die noch nicht einmal das Papier wert sind, auf dem sie gedruckt wurden.

Vertreter der Qualzucht als VDH-Europasieger-Richter

Man sollte sich einmal anschauen, welchen Bulldog Darmanin auch heute noch propagiert. Es ist genau der übertypisierte, extreme Hund, der nicht richtig atmen kann, der nicht frei laufen kann, der nur noch per Kaiserschnitt geboren werden kann. Genau der Bulldog, den man als bemitleidenswertes Zeugnis perverser Fehlentwicklungen der Spezies Mensch bezeichnen muss. Ein solch extremer Typ Bulldog wurde im übrigen erst seit Mitte der 1970er Jahre gezüchtet und ist auch nur mit Hilfe der modernen Tiermedizin überhaupt machbar und lebensfähig. Auch Teile der Tiermedizin spielen hier keine rühmliche Rolle. Die Praxis beim Extrem-Bulldog widerspräche sogar der Standes-Ethik der Veterinäre, wie jüngst Berry Spruijt, Professor für Tierschutz an der Universität Utrecht, feststellt und auch juristische Maßnahmen gegen diese Zuchtpraxis fordert (Dokumentation "Einde van de rashond").

Mit einer Untersuchung im Auftrag des Kennel Clubs haben Wissenschaftler die Kaiserschnittquoten verschiedener Hunderassen festgestellt. Für den Bulldog wurde eine Kaiserschnittquote von nicht weniger als 86,1% ermittelt nur noch getoppt von den 92% beim Boston Terrier, der Rasse von Jahrhundert-Richterin Wildman. (Proportion of litters of purebred dogs born by caesarean section, Feb 2010). Allein solche Quoten disqualifizierten Leute wie Wildman und Darmanin als Richter wie auch als Züchter, zumal wenn sie solche Fehlentwicklungen nicht nur mitverantworten vielmehr auch noch direkt oder indirekt verteidigen.

Hundezucht und Tierschutz schauen zu bei 86% Kaiserschnittquote


Der eigentliche Skandal ist, dass solche Verhältnisse in der Hunde- und Tierschutzwelt praktisch ohne Protest hingenommen werden und von Zuchtverbänden wie im VDH gar faktisch verteidigt werden, was nun wieder einmal praktisch demonstriert wurde. Und wir haben hier ja noch nicht einmal von dem ganzen Leiden gesprochen, das den Hunden durch die Extremzucht seit 30 Jahren angetan wird, zum Beispiel von Atemnot und Hitzestau wie sie gerade bei Wetterlagen wie heute den Hunden solcher Zuchten das Leben zur Qual werden lässt...

Top Champion von 1966 - hätte beim VDH in Dortmund 2011 als "Hänfling" oder "Boxer" keine Chance

* Man sollte sich einmal die Auslassungen dieses VDH-Europasieger-Richters 2011 zum neuen Standard anschauen, in denen er keinen Zweifel lässt, wo er auch heute noch steht. Ein führender Vertreter der Qualzucht.
"By comparing the illustrations of the current standard and those of the proposed interim standard we can see that all the breed hallmarks which make up the Bulldog of today will be gone." Das beweist nur, dass dieser Richter lediglich die letzten 30 (Qualzucht-)Jahre aus der Geschichte dieser uralten Rasse zur Kenntnis genommen hat.
Alle Fotos sind Screenshots aus Darmanin Website vom 11.05.2011 http://www.sutusbulldogs.co.uk/

**Nachtrag
Noch bis heute, 15.Mai 2011 12h, wird der alte, ungültige Standard auf der Website des VDH-Vereins propagiert. Während man die Ergebnisse der Dortmunder Show im Detail auflistet und bereits mit "namhaften Richtern" für die nächsten Shows wirbt, hatte man offenbar nicht die Zeit, den neuen gültigen FCI-Standard per Copy&Paste aus der seit Januar vorliegenden offiziellen deutschen Übersetzung in die Website des VDH-Vereins einzustellen.
 
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