Samstag, 24. September 2011

Zucht aus Liebhaberei und das traurige Ende von Zucht-Hündin Goldi

In den Vereinen der Hundezucht wird das Mantra von einer "Zucht nur aus Liebhaberei zu den Hunden" gepflegt. Es ist gerade bei den Bulldog-Show-Züchtern, - Vermehrern, -Händlern und Ausstellungsrichtern zudem üblich, sich selbst im Marketing als Beförderer der Gesundzucht darzustellen. Doch nur die wenigsten können diese Versprechen einhalten. Das genaue Gegenteil ist leider meist der Fall.

Gerade die Hündinnen werden oft rücksichtslos ausgebeutet. 

Eine Variante des Hundehandels ist der Import bereits belegter Hündinnen, um sie in Deutschland auszuweiden und die Welpen mit deutschen Papieren gewinnbringender vermarkten zu können. Terminierte Kaiserschnitte sind ebenfalls neue Maschen einer möglichst profitbringenden Welpenernte, die gerade bei französischen Bullys und englischen Bulldogs mit Hilfe zweifelhafter Veterinäre Verbreitung findet. Die anstrengende Welpenaufzucht wird zudem nicht selten in Lohnarbeit an Dritte vergeben. Oft müssen ebenso fragwürdige Veterinäre bei der Verpaarung mit künstlicher Besamung aushelfen, da die Hunde nicht einmal mehr in der Lage sind, einen Begattungsakt durchzuführen.
Auch das ist Realität, gesunde Bulldogs mit natürlichen Geburten.
(Züchterin Bettina Selle-Treiber, Smoothpowerpack)
Allerdings kommen solche Methoden der Hundeproduktion nur selten ans Tageslicht, da die Hundezucht hier fließend in international aufgestellte, mafiöse Strukturen übergeht.

Hinter der Fassade der "Zucht aus Liebhaberei" verbirgt sich nicht selten organisierte Tierquälerei.

Da man in Streit um 694,77 € Lohn für die Welpenaufzucht geraten war, wurden solche Praktiken aus dem Oktober 2009 von den Beteiligten selbst dokumentiert. Im Nachfolgenden ein ungekürzter Auszug aus einem Anwaltsschreiben:

"Mit Ihrem Schreiben vom 15.04.2010 fordern Sie von meiner Mandantin die Zahlung des Betrages in Höhe von 694,77 € nebst der bei Ihnen entstandenen Kosten. Dies begründen Sie damit, dass meine Mandantin die von Ihrer Mandantin berechneten Kosten der Aufzucht auszugleichen habe. Meine Mandantin habe zugesagt, die Kosten zu zahlen. Hierzu  ist wie folgt Stellung zu nehmen:

Ihre Mandantin hatte sich seinerzeit angeboten, die Aufzucht der Welpen der Hündin „Goldi“ zu übernehmen bis die Welpen fünf Wochen alt sind. 


Am 09.10.2009 fuhr der Ehemann meiner Mandantin mit der Hündin zu Ihrer Mandantin. Er blieb dann dort bis zum Kaiserschnitt-Termin, der für den 12.10.2009 vorgesehen war. 

In der Nacht zum 10.10.2009 verschlechterte sich der Gesundheitszustand der Hündin dramatisch, sie war so schwach, dass sie vorn immer wieder zusammenbrach. Der Ehemann meiner Mandantin fragte daraufhin Ihre Mandantin, ob es nicht besser sei, mit der Hündin zum Tierarzt zu fahren. Dies verneinte Ihre Mandantin jedoch mit der Bemerkung, dass es normal sei, dass die Hündin zusammenbreche, das sei bei ihrer Hündin auch so gewesen. Obwohl sich der Zustand der Hündin weiterhin verschlechterte unternahm Ihre Mandantin nichts.

Erst am 11.10.2009 gegen 17.00/18.00 Uhr entschloss sich Ihre Mandantin, den Tierarzt Herrn K. aufzusuchen. Bevor sie nun losfuhr, diskutierte sie noch ausgiebig mit ihrem Lebensgefährten darüber, mit welchem Auto man fahren solle. Dies war nicht nur eine überflüssige, sondern auch gerade in Anbetracht des äußerst schlechten Gesundheitszustandes der Hündin eine die Gesundheit der Hündin beeinträchtigende zeitraubende Diskussion. 

Beim Tierarzt endlich angekommen, erlitt die Hündin in den Armen des Ehemannes meiner Mandantin einen Herzstillstand und verstarb. Der Tierarzt nahm sofort einen Kaiserschnitt vor und es wurde 10 Welpen lebend geboren.
" (Hervorhebungen CJ; eine Kopie dieses Schreibens sowie zahlreiche weitere Dokumente samt Namen und Adressen liegen Petwatch vor)

Unfassbar! Doch so geschehen, mitten in Deutschland.


Zwei noch unerfahrene Züchter hatten die angebotene Hilfe einer vermeintlich erfahrenen Bulldog-Züchterin, zudem Lebensgefährtin des damaligen Vorsitzenden des Allgemeinen Clubs für Englische Bulldogs e.V. (ACEB), angenommen - mit katastropahlen Folgen.

Alle 10 Welpen starben. 

Die Welpen waren dann von der vermeintlichen Helferin an eine dritte Person gegeben worden, die gegen Entgelt die Handaufzucht der Welpen bewerkstelligen sollte. Offenbar hatte diese Person zuwenig Kenntnis für diese Aufgabe. Die Pathologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover brachte u.a. eine völlig falsche Ernährung zum Vorschein: "Der Magen war mittel- bis hochgradig gefüllt mit festen, fleischartigen Futterbrocken." ... bei einem 2 Wochen alten Welpen! Jeder einigermaßen kundige Züchter weiß, dass Welpen erst ab der 3. oder 4. Woche nach und nach feste Nahrung erhalten können.*

Was sind das für "Züchter"
  • die Geburt und die ersten 5 Wochen der Aufzucht in Lohnarbeit von Dritten durchführen lassen?
  • die ihre offenbar geschwächte, hochträchtige Hündin 250 km durch die Gegend karren?
  • die das ständige Zusammenbrechen einer hochträchtigen Hündin als normal bezeichnen?
  • dann nicht umgehend einen Tierarzt aufsuchen?
  • die ihre Welpen zur Aufzucht gegen Entgelt an eine andere "Züchterin" weggeben, die diese anstrengende Aufgabe noch einmal in Lohnarbeit an eine weitere Person vergibt?
Erschöpft aber glücklich (Züchterin Bettina Selle-Treiber)
Es ist sehr zu begrüßen, dass der VDH-Vorstand im Juli die Initiative ergriffen und Antrag auf Ausschluss des ACEB aus dem VDH gestellt hat. Zudem hat er erklärt, ein Gesundzuchtprogramm auf den Weg bringen zu wollen. Hieran wird derzeit mit Hochdruck gearbeitet. Man wird sehen, ob den hoffnungsvollen Worten des VDH auch die entsprechende Praxis folgen wird.

Es würde der seriösen Hundezucht gut zu Gesicht stehen, sich von o.a. Methoden und "Züchtern" klar zu distanzieren.

Nachtrag 27.09.11:
Die Fütterung von Welpen bereits in der 2. Woche mit Fleischstückchen (z.B. Rinderhack) ist eine in der Show-Bulldog-(Qual-)Zucht durchaus übliche Methode. So soll der Magen geweitet werden, damit die Welpen möglichst schnell massig und angeblich "typvoll" werden. Offenbar gibt es Käufer, die das bezahlen. Insbesondere aber honoriert die breite Mehrheit der Bulldog-Richter auf den FCI-Hundeausstellungen seit Jahrzehnten solche extremen (Qualzucht-)Hunde mit Championaten und V-Bewertungen. Um solche internationale "Show-Quality" zu produzieren, hatte der ACEB-Vorstand unter Antonio Kopp ein Mindestgewicht für die Welpenabnahme von 4KG eingeführt (veröffentlicht in "Unser Rassehund" 10/2009) . Damit sollten zudem die Züchter gesunder Bulldogs klein gehalten werden.


( ein Beitrag von Christoph Jung )
 
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