Donnerstag, 30. Dezember 2010

Bully Paula oder Hund sein in Schilda

Ein kleiner Rückblick auf eines der Hundethemen von 2010. 
Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern meines Blogs ein gutes Jahr 2011!

Einst versuchten die Schildbürger, mit Eimern das Sonnenlicht einzufangen, um damit einen dunklen, fensterlosen Raum zu erhellen. Nicht minder einfältig sind unsere Staatsdiener beim Thema Hund, hier und heute. Wir haben von Michael Künzel aus Mönchengladbach gelesen, dessen 14 Jahre alte Dackeldame Dalia unbedingt an die Leine musste. Dalia war keineswegs bissig oder anderweitig auch nur im Entferntesten gefährlich. Mit Lähmungserscheinungen an ihren Hinterläufen war Dalia froh, überhaupt ein paar Meter an der Seite von Herrchen laufen zu können. Die Behörden blieben stur und Michael Künzel wird bis heute traktiert wie so mancher Verbrecher nicht. Trotzdem wurde Mönchengladbach von Heimtier-Discounter Fressnapf zur hundefreundlichen Stadt erklärt - so geschehen in Deutschland im Dezember 2010.

Währenddessen hat man in Weitnau, im schönen Allgäu, eine ganz neue Kampfhunderasse entdeckt: die Französische Bulldogge. Frauchen Sophie staunte nicht schlecht, als ihre Bully-Dame Paula diesen behördlichen Stempel erhielt. Einsprüche wurden abgelehnt, man habe ja extra im Internet recherchiert, Paula sei ein Kampfhund. Für die kynologische Welt eine Sensation, nur die Stelle im Internet bleibt ihr bis heute behördlich verschlossen. Erst als Sophie die amtliche Bescheinigung eines Tierarztes vorlegt, die Paula von jedem Kampfhundeverdacht freispricht, lenkte die Behörde in Weitnau ein. So geschehen in Deutschland im Herbst 2010.
Kampfhund Paula
Wie auch die Stadt Zwickau, die bis vor kurzen die englischen Brüder von Paula, den Bulldog, als gefährliche Hunderasse in ihrer Hundesatzung führte. Der Autor schrieb an die Stadt und klärte ein wenig über den Bulldog auf, auch, dass kaum je überhaupt ein Beissvorfall in einer amtlichen Statistik aufgetaucht sei. Am 28.10.2010 streicht der Stadtrat von Zwickau den Bulldog aus dieser eh schon zweifelhaften Rasseliste. Also es gibt noch ein klein wenig Hoffnung auf noch vorhandene Rudimente von Hundeverstand bei Politikern.

Bulldog Berta
Doch nicht zuviel gehofft. Den genau anderen Weg geht just zur selben Zeit das Land Thüringen. Innenminister Prof.Huber, im November 2010 zum Richter am Bundesverfassungsgericht aufgestiegen, legt einen Gesetzesentwurf vor, der pauschal sämtliche Hunde schwerer 20 KG oder größer 40 cm - ohne irgendeine Prüfung oder irgendeinen anderen Nachweis - zu "gefährlichen Tieren" erklärt - von Amtes wegen. Da ist der Bulldog also wieder auf der Liste, während er in Zwickau gerade aus selbiger gestrichen und bis dato nirgends sonst das Opfer solcher Schildbürgerstreiche wurde.

Derweil bleiben - von Flensburg bis Passau - die eigentlichen Verursacher der Anlässe unserer Politiker für Schildbürgerstreiche auf Kosten der Hunde völlig unbehelligt. Im schlimmsten Falle wurden verantwortungslose Halter beißender Hunde zu Bewährungsstrafen verurteilt - in der Regel nicht deren erste; während zugleich deren erste Opfer, die Hunde, längst euthanasiert wurden. In Halle an der Saale lässt man derweil amtlich bekannte Halter so genannter Kampfhunde, die sich rechtswidrig mit ihren Hunden verhalten, sogar ganz bewusst in Ruhe *. Gerade wenn diese ihre gesetzliche Pflicht zur Vorstellung ihrer Hunde zur Wesensprüfung ignorieren. Diese Halter würden eh nicht auf amtliche Aufforderungen reagieren und schließlich habe man nicht genug Tierheimplätze für 65 zumal gefährliche Hunde, erklärt der Innendezernet, daher müsse man diese Halter gewähren lassen. Während dessen hat die Stadt Halle für 2011 gleich mal wieder die Hundesteuer erhöht von 90,- auf 100,- Euro für den ersten. Und Leute wie Michael Künzel mit seiner Dalia werden auch in Halle an der Saale gnadenlos zur Kasse gebeten. Ein leinenloser Mops kommt da locker auf 150 Euro - der guten Ordnung halber und ohne die Halter auch nur einmal gewähren zu lassen.

* Nachtrag 9.1.2011: Am 8.1. erklärt nun Innendezernent Bernd Wiegand endlich, dass er gegen ignorante Halter "gefährlicher Hunde" entsprechend geltendem Recht vorgehen wolle. Straftätern und "Männern, die u.a. wegen Drogendelikten aufgefallen sind" und trotz mehrfacher Aufforderung zu einem Wesenstest, diesen nicht nachgekommen sind, soll der "Pitbull" weggenommen werden.

Dienstag, 21. Dezember 2010

Die Französische Bulldogge im Focus

Ein Beitrag von Gudrun Schäfer und Claudia Fuhrmann, Vorsitzende des "Französische und Englische Bulldoggen e.V."

Der Bully wird als kleiner, lebhafter, sportlicher, niemals aggressiver Begleithund beschrieben, ein freundlicher, anspruchsloser Hund für Jedermann. Sorgfältig auf Gesundheit, ohne Übertreibung des Rassestandards gezüchtet, ist er ein robuster, langlebiger und vitaler Mini-Molosser.
Die Bulldogge kann trotz seiner gedrungenen Größe enorme Ausdauer und Leistung bringen, dies aber nur, wenn sein Körper kompromisslos auf Gesundheit gezüchtet wurde. Er verfügt über einen ausgesprochenen Willen, Mut und Konsequenz. Unsere French Bulldogs sind zähe kleine Kämpfer mit sonnigem Gemüt. Damit diese wunderbaren Eigenschaften gesund harmonieren, bedarf es einiger züchterischer Sachkenntnis.
Da dieser bullige, aus den leichten Englischen Bulldoggen gezogene Hund seine speziellen körperlichen Merkmale aufweist, müssen Züchter und Liebhaber dieser Rasse auf einige Besonderheiten achten, Abweichungen erkennen und der Rasse zuliebe objektiv beurteilen und dann gewissenhaft entscheiden, ob der jeweilige Hund die Rasse erhält und verbessert oder nur vermehrt. Leider ist seit der Modewerdung hier einiges schief gelaufen. Immer mehr Züchter drängen auf den Markt, um die Welpennachfrage zu decken. Nicht immer zum Wohle und Fortbestand der Rassen, denn einige Züchter, Hobbyzüchter und Vermehrer haben die hohe Nachfrage für sich genutzt und wurden vielleicht sogar unabsichtlich  nachlässig, was die Gesundheit angeht.
 Genau hier müssen seriöse Vereine und willige Züchter ansetzen, um das ewige Vorurteil der Qualzucht nachhaltig zu entkräften. Dies gelingt nur mit ehrlicher und offener Zusammenarbeit. Viele Defekte, wie auch bei anderen Rassen, schlummern unerkannt im Hintergrund. Dank der fortschrittlichen Forschung gibt es aber in Zukunft unzählige Möglichkeiten, diese zu erkennen und weitgehendst zu vermeiden, auszudünnen oder bestenfalls, erst gar nicht in die Rasse hineinzubringen.
Unsere Bullys sind Spätentwickler. Daher darf man keinesfalls das, je nach Verein festgelegte Zuchtalter von 12-15 Monaten, als das optimale Einstiegsalter für die Zucht sehen. Es ist wichtig, gerade vielversprechende Nachwuchsrüden so weit ausreifen zu lassen, dass das Risiko etwaiger später vorkommender Atemprobleme so gering wie möglich zu halten ist.
Wichtig ist neben der körperlichen Gesundheit unserer Bulldogs auch ein angemessenes Temperament.

Gesundheit heißt für den Bully, außer dem Aussehen, ein funktionierendes Atemorgan, angefangen bei der Nasenöffnung bis hin zur Luft- und Speiseröhre. Es reicht nicht, nur auf lange Nasen zu achten, die dahinter liegenden Organe sind ungleich wichtiger. Nähere Erklärungen zu diesem komplexen Gesamtorgan finden sie hier. http://www.gesunde-bulldoggen.de/haeufige-probleme/brachyzephalie/66-lange-nase-die-loesung-aller-probleme.html
Gesundheit heißt für den Bully auch eine funktionierende Wirbelsäule, http://www.gesunde-bulldoggen.de/haeufige-probleme/keilwirbel/54-keilwirbel-hemivertebrae.html die durch den immer kürzeren Rücken und der teilweise nur noch ahnenden Rute, http://www.gesunde-bulldoggen.de/haeufige-probleme/ruten.html nicht immer selbstverständlich ist.

Gesundheit fängt bei dem Bulldog, egal ob Engländer oder Franzose, bei der sorgfältigen Auswahl der Deckpartner an. Gesunde Zucht beginnt mit der möglichst natürlichen Zeugung und der komplikationsfreien Spontangeburt. Die Voraussetzungen hierfür haben wir hier zusammengefasst.  http://www.gesunde-bulldoggen.de/haeufige-probleme/kaiserschnitt.html

Wenn in der Nachzucht, trotz sorgfältiger Zuchtauswahl Erbkrankheiten auftreten, so ist es das erste und wichtigste Gebot, diese als Chance zu nutzen, um zu forschen und aufzuklären, um diese Fehler zukünftig zu vermeiden. Nur durch offenen Umgang mit  Problemen in jeder Rasse, können wir diese verbessern, erhalten und somit vermeiden, dass sich Defekte festsetzen.
Es ist heute an der Zeit zu reagieren, vielleicht auch strenger zu selektieren, um eine gewisse Sicherheit wieder in die Rassen zu bringen. Die Wende in der Hundezucht ist eingeleitet, es bedarf nur ein klein wenig Disziplin, um diese auch sinnvoll durchzusetzen. Was wir allerdings nicht oder wenig beeinflussen können, sind die unzähligen Import- oder Händlerhunde, die aufgrund der hohen Nachfrage in Liebhaber- aber auch in Züchterhände gelangen. Wir verzeichnen  kleine, aber auch nachhaltige Erfolge und wir sind stetig bereit für offenen Austausch mit anderen Züchtern, Vereinen, aber auch Betroffenen, die Fragen und Probleme mit weniger gesunden Bullys haben.
Das  wichtigste Ziel unseres Vereins ist, die Bullys durch wohlüberlegte Verpaarungen und strenge Zuchtauflagen auf einen gesunden Weg zu bringen. http://www.franzoesische-und-englische-bulldoggen-ev.de/zuchtziel
Und das ist einfacher als man auf den ersten Blick annimmt. Hier kann auch die Forschung helfen, und wahre Züchter werden diese nutzen wollen.

Mit Hilfe der modernen Wissenschaft kann die Welt für unsere Bullys und auch andere Rassen besser und gesünder werden. Daher nehmen wir an verschiedenen Forschungsprojekten teil.

Als kleiner Verein haben wir die Einführung eines DNA Tests für die Zuchthunde unseres  Vereins beschlossen, der nach einer Übergangsfrist von zwei Jahren, in denen die Züchter ihre Hunde freiwillig testen lassen können, zur Pflicht wird. Und wir möchten möglichst viele Blutproben archivieren lassen, um zukünftige Forschungsprojekte unterstützen zu können.

Wenn Sie uns bei unserer Arbeit helfen möchten, wenden sie sich bitte an uns. Sie können auch teilnehmen ohne Vereinsmitglied zu sein und wir freuen uns über jede Unterstützung.
Jeder krank gezüchtete Hund ist einer zuviel, daran muss sich schnell und nachhaltig etwas ändern. Es wird funktionieren, denn mit ein bisschen Willen wird der Bully wieder sein, was er eigentlich immer war. Ein robuster und vitaler Hund. Das zeigen uns viele rüstige Bullysenioren mit 12 Jahren und mehr.

Gudrun Schäfer & Claudia Fuhrmann
www.franzoesische-und-englische-bulldogge-ev.de
www.gesunde-bulldoggen.de


Anmerkung CJ:
In meiner Jugendzeit begleitete ich eine Zeit lang Madame. Eine liebe, intelligente, vitale Bully-Madame, die ich sehr geliebt habe. Sie wurde gesunde 14 Jahre alt, um dann aus der Narkose wegen einer angeblich notwendigen Zahn-OP nicht mehr aufzuwachen. Ein gesunder Bully ist ein absolut passender, hervorragender Begleiter auch in unserer hektischen, teils hundefeindlichen Zeit.

Samstag, 18. Dezember 2010

Ende des Rassehundes?

Am 11.12.2010 zeigte das niederländische TV "Einde van de rashond", eine Dokumentation ähnlich Pedigree Dogs Exposed. Endlich wurde auch in den Niederlanden offen über die Realität der Hundezucht berichtet. 
Der niederländische Kennel Club "Raad van Beheer" hat bereits angekündigt, sich für eine Wende in der Hundezucht einzusetzen.

Man kann nur hoffen, dass auch in der deutschen Medienwelt endlich die wahren Verhältnisse zur Kenntnis genommen werden und der Tierschutz für Hunde nicht lediglich nach Ungarn oder Spanien "exportiert" wird - während zugleich bei HundKatzeMaus &Co die heile Hundewelt für Deutschland suggeriert wird, wo lediglich Martin Rütter hie und da ein paar Erziehungsprobleme lösen müsse.

Ungeachtet der tierschutzrelevanten Realität bei vielen, ja den meisten Hunderassen in Deutschland, erlaubt der deutsche Kennel Club VDH in seiner neuen Zuchtstrategie ab 2011 nun ausdrücklich, auch mit erbkranken Hunden zu züchten und zwar, ohne dass erst ein praxiswirksames Programm zur Ausmerzung derselben Erbkrankheit in der Population verbindliche Voraussetzung dafür wäre. Wir werden hierauf noch zu sprechen kommen.

Wir brauchen eine grundlegende Wende in der Hundezucht zum Wohle und für die Gesundheit unserer Hunde.

Mittwoch, 8. Dezember 2010

Leinenzwang aus Prinzip

Interview mit Michael Künzel aus Mönchengladbach, dessen alte Dackeldame Dalia unbedingt an die Leine musste.

Herr Künzel, können Sie uns kurz schildern, welchen Strauß Sie und ihre Dackeldame mit den Behörden von MG auszufechten hatten?

Michael Künzel: 24.04.2006: Erste Anzeige - Dackel (11) ging sehr langsam unmittelbar neben mir Fuß (40 cm Abstand). Verwarnung 35 Euro bezahlt. Ordnungsamt-Mitarbeiter alleine und in Zivil. Hund wurde sofort von mir auf den Arm genommen.

19.09.2008: Es geht weiter: Ich stehe mit meiner Hündin (13) auf der Wiese in Hugo-Junkers-Park an der Brucknerallee. Eine Nachbarin gewährt ihren beiden Hunden Freilauf (Windhund und Mischling mittelgroß). Zwei Mitarbeiter des mittlerweile eingerichteten "KOS"  (Kommunale Ordnungs- und Servicedienst) gehen auf uns zu. 35 Euro für jeden - bezahlt.

04.11.2008: Dalia zeigt plötzlich erhebliche Lähmungserscheinungen der Hinterläufe. Konservative Behandlung mit Metacam und Prednisolon zeigt Erfolg. Leichte Schwäche bleibt.

15.05.2009: 21:20 Uhr: Dalia liegt regungslos unter einer Parkbank, auf der ich mich niedergelassen habe. Menschenleere. Zwei Mitarbeiter des KOS fahren mit Pkw durch die Anlage und stoppen mit eingeschalteten Scheinwerfern vor mir. Aufforderung den ruhig liegenden Hund anzuleinen. Platzverweis wegen Nähe zum Spielplatz (Richter stellt später fest, Aufenthalt mit Hund ist dort rechtmäßig). Bußgeldverfahren wird eingeleitet, Bußgeld 35 Euro zuzüglich 23,48 Euro Gebühren. Ich lege Einspruch ein.
Michael mit seiner Dalia

Sommer 2009: Dalia zeigt erste Anzeichen einer chronischen Niereninsuffizienz (Polyurie/Polydipsie).

26.10.2009: Gerichtverhandlung AG Mönchengladbach  - Der Richter bestätigt die Richtigkeit des Bußgeldes. Einlegung der Rechtsbeschwerde durch die Anwältin.

10.02.2010: Das Oberlandesgericht Düsseldorf befindet die Rechtsbeschwerde als begründet, stellt das Fehlen von Urteilsgründen fest (formaler Fehler). Rückverweisung an das Amtsgericht.

17.05.2010: Verhandlung nach Rechtsbeschwerde - das Bußgeld wird erneut bestätigt.

24.06.2010: Rechnung über die Gerichtskosten einschließlich Bußgeld: 86,16 Euro - Ratenzahlungsvereinbarung über 8 Raten zu je 10,77 Euro wurde bewilligt.

0.12.2010, 09:20 Uhr: Kurz vor Weihnachten wird das Amtsgericht in Mönchengladbach vier verbliebene Einsprüche zurückweisen, und die Bußgelder nochmals deutlich erhöhen.

Zwischenzeitlich: Mein Hund (15) mag altersbedingt  nur noch in ihren o.g. Park, wo sie die meiste Zeit sitzend verweilt.

Anzeigenflut beginnt: 27.03.2010 / 03.05.2010 / 28.05.2010 durch den KOS - Bußgeldbescheide über je 35 Euro zuzüglich Gebühren folgen.

Jetzt steigt auch noch ein Bezirksdienstbeamter der Polizei ein - sein Steckenpferd, denn andere Polizisten haben sich nie für uns interessiert. Anzeigen werden ans Ordnungsamt weitergeleitet. Besonderheit: Bei der ersten seiner Anzeigen droht er, den Hund mit der Feuerwehr abtransportieren zu lassen. Aufnahme der Personalien. Weitere Anzeigen folgen später aus größerer Distanz (aus dem Fahrzeug heraus, ohne mich anzusprechen).

Daten: 04.05.2010 / 14.05.2010 / 08.06.2010 / 11.06.2010 / 06.07.2010.

05.08.2010: Ich lege zeitgleich Einspruch gegen alle Bußgeldbescheide ein (außer den wg. Verstoß vom 06.07.2010, da der Bußgeldbescheid erst Anfang November zugestellt wird).

Anfang Oktober 2010: Erneute Lähmungen bei Dalia. Tierarzt stellt ein Attest aus, daß seit 2008 eine schwere Errkrankung der Wirbelsäule vorliegt. Vom Anleinen rät er ab, zumal starke Schmerzen auftreten können.

18.10.2010: Verhandlung beim Amtsgericht - ich alleine ohne Anwalt.  4 Zeugen vom Ordnungsamt (sagen wahrheitsgemäß aus), Zeuge Polizist (belastet mich durch Falschaussage - "würde andere Hundehalter auffordern, ihre Hunde abzuleinen").
Nur 3 Einsprüche werden verhandelt, keine Ahnung warum. Attest ist irrelevant, denn der Hund könnte durch das Anleinen Schaden erleiden, muß aber nicht - so der Richter. Droht schon mit Erzwingungshaft, ich entgegne:"Ich zahle, ich zahle." Ich sage:"Ich halte mich grundsätzlich gerne an Gesetze und Vorschriften, muß aber zwangsläufig auch das Tierschutzgesetz beachten." Der Richter:"Wie, sie halten sich grundsätzlich nicht an Gesetze?"   Bußgelder setzt Richter Dr. Alberring von je 35 Euro auf 80, 90 und 100 Euro herauf. Gerichtskosten kommen noch.

12.11.2010: Einspruch gegen nach Nachzügler 06.07.2010.

15.11.2010: Dalia geht über die Regenbogenbrücke.


Warum haben Sie Dalia  nicht einfach ins Auto gepackt und sind zur nächsten Hundewiese gefahren?

Michael Künzel: Dalia war so erzogen, daß sie in der Stadt - einschließlich Straßen und Ampeln sowie Fußgängerüberwege -   verkehrssicher war und auf mein Wort stehenblieb. Sie war kein Hund, der auf einer Hundewiese im Kreis läuft oder hin- und her rennt. Sie war gewohnt, längere Spaziergänge mit mir zu machen, oft etwa 2 - 3 Stunden. Zum Thema Auto. Bei Grundsicherungsleistungen kann man sich nur schwer ein Auto erlauben. Zudem ist auch die Parkplatzsituation tagsüber sehr heikel. Das Auto könnte ich keineswegs in unmittelbarer Nähe parken.
Im letzten Jahr ihres Lebens mußte mein Hund sehr oft ausgeführt werden. Der Wasserkonsum war hoch, damit die kranken Nieren noch in der Lage waren, Harnstoff und andere Abbauprodukte aus dem Körper auszuscheiden. Ein alter und kranker Dackel mit seinen kurzen Beinchen soll und darf bei Nässe und Kälte nicht auf einer Wiese laufen müssen. Er bekäme nicht nur kalte Pfoten, sondern die gesamte Körperunterseite wäre betroffen.
Zur nächsten Hundewiese wäre ein Fußweg von 2 Kilometern zurückzulegen. Die Frage bleibt offen, inwieweit die dort anwesenden Besucher (mit oder ohne Erfahrung) ihre kleinen und großen Hunde (erzogen oder nicht erzogen) im Griff haben. Dalia hatte kein Interesse daran, mit fremden Hunden zu spielen. Was wäre gewesen, wenn ihr ein großer Hund auf ihren Rücken gesprungen wäre?

Der Leinenzwang soll doch der Vermeidung von Gefahren durch Hunde dienen. Ging von Ihrer Dalia irgendeine Gefahr aus?

Michael Künzel: In der Zeit der Anzeigenflut sicherlich nicht mehr. Ohnehin hat sie in ihrem Leben nie nach einem Kind oder Erwachsenen geschnappt oder gar gebissen. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, wären die Verletzungen gering geblieben. Bei einem Hund, genau wie bei Menschen auch, kann ein Anfall von Aggression  nie völlig ausgeschlossen werden. Aber Dalia war ein kleiner Hund mit einem schmalen Mäulchen. Viele Hundebesitzer großer Hunde wären im Falle des Falles, sollte das Tier einmal ausrasten, nicht in der Lage dies zu kontrollieren und in den Griff zu bekommen.


In Halle erklärte kürzlich Innendezernent Wiegand öffentlich, er könne nichts machen, wenn - namentlich bekannte - Halter sogenannter Kampfhunde ihrer gesetzlichen Verpflichtung zum Wesenstest für ihre Hunde nicht nachkommen. Gleichzeitig gehen die Beamten des Ordnungsamtes kompromisslos gegen Bürger vor, die ihren Hund, ob Mops oder Pekinese, ob alt oder gebrechlich, in den Grünanlagen einmal von der Leine lassen. Nicht selten werden saftige Bußgelder verhängt und - im Gegensatz zu o.g. - auch eingetrieben. Kennen Sie so etwas aus MG?

Michael Künzel: Für MG kann ich mir das eigentlich nicht vorstellen. Ich denke das Ordnungsamt hier würde einer solchen Angelegenheit schon nachgehen. Ansonsten hat aber der KOS bei uns seinen Sinn nicht erfüllt. Frauen haben weiterhin Angst bei Dunkelheit auf die Straße zu gehen, die Verschmutzung und Vermüllung hat keineswegs abgenommen. Mönchengladbach ist eine schmutzige und arme Stadt geworden. Leider. Rücksichtslose Radfahrer, die kreuz- und quer über die schmalsten (Geh-)Wege rasen, haben hier jedenfalls nicht zu befürchten. Fußgängern empfiehlt es sich, rechtzeitig zur Seite zu springen.


Was sollte man für die Zukunft ändern?

Michael Künzel: Wenn man meint, man bräuchte für die Haltung von Hunden in der Öffentlichkeit besondere Vorschriften, Gesetze und Überwachung, dann könnte das Beispiel Hamburg Vorbildcharakter haben. Freilauf für ausgebildete, erzogene Tiere. Befreiung für sehr alte und kranke Hunde.

Herr Künzel, vielen Dank für das Interview. Man würde sich wünschen, dass die Behörden auch bei so manchem Gewaltdelikt so konsequent vorgehen würde. Ob man Hamburg als Vorbild sehen kann, nun da habe ich meine Bedenken. Man denke nur an die Erfahrungen der Hunde-Lobby Hamburg oder das Vorgehen im Umfeld des schrecklichen Todes des kleinen Jungen im Jahr 2000, dem Startschuss für eine beispiellose Hetze gegen Hunde durch Politiker und Medien. Aber das Thema ist brennend und bedarf einer Lösung. Man sollte sich auch diesen Ansatz aus Österreich anschauen: Aktion "Mehr Platz für Hunde" 

p.s.:
Gerade kam die Pressemeldung. Die Heimtier-Fachmarktkette Fressnapf kürt die hundefreundlichsten Städte Deutschlands. Und siehe da, auf Platz drei genau unser Mönchengladbach. Interessant auch, dass es zu Sieger München heißt: "Den Platz 1 auf dem Siegertreppchen der hundefreundlichsten Großstädte verdient sich München zuallererst durch die großzügige Auslegung der Leinenpflicht." Wo da die Bewerter in MG hingeschaut haben?

Vielen Dank für den Hinweis an Frank Gilka!

Mittwoch, 10. November 2010

Offener Brief an den VDH zur Zuchtpraxis mit erbkranken Hunden

An den Präsidenten des Verbandes für das Deutsche Hundewesen (VDH) e.V. Prof. Dr. Peter Friedrich

Sehr geehrter Herr Prof. Friedrich,

ich möchte Ihre jüngste Stellungnahme in der Öffentlichkeit zum Anlass nehmen und noch einmal auf die in meinen Augen tierschutzrelevante Praxis der Zucht mit erbkranken Hunden in einigen Ihrer Mitgliedsvereine hinweisen.

In der Sendung "Stern TV" mit Günther Jauch vom 03.11.2010 wurden einige Hunderassen vorgestellt, darunter auch der Cavalier King Charles Spaniel. In der Diskussion stellten Sie fest, dass im VDH mit erbkranken Hunden nicht gezüchtet werde. Leider trifft diese Aussage nicht immer die Realität. Stellvertretend anhand des Cavalier King Charles Spaniels, der im VDH immerhin durch drei Vereine betreut wird, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass im breiten Stil und sehr wohl wissentlich und zudem über lange Zeiträume hinweg bewusst mit erbkranken Hunden gezüchtet wird, auch im VDH.

Beispiel 1 - Arnold Chiari Malformation / Syringomyelie (SM)

Diese oft schwerwiegend verlaufende und zur Euthanasie führende, die Hunde - und auch Halter - mit erheblichen Leiden und Schmerzen belastende Erbkrankheit des Gehirns und der Nerven wird gerne als "Kratz-Syndrom" verharmlost, wie es aktuell auch auf der Startseite des Verband Deutscher Kleinhundezüchter im VDH geschieht ( http://www.kleinhunde.de/ ). Dessen langjährige Zuchtleiterin Karin Biala-Gauß behauptet dort zudem, dass bei gerade "vielleicht 1 % SM-Erkrankungen" festzustellen seien. Trotzdem bleiben Hunde in der Zucht, die nachweislich an SM erkrankte Vorfahren oder Nachkommen haben. Lediglich Verpaarungen zweier - durch Vorfahren oder Nachkommen - als "SM-belastet" gekennzeichnete Hunde sind untersagt. Frau Biala-Gauß erklärt sogar: "Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass die Kennzeichnungen nur für die SM-Selektion zu beachten sind. Sie sollen die Nutzung der Zuchttiere ansonsten in keinster Weise beeinträchtigen."
In ihrem dort veröffentlichten Schreiben vom 03.11.2010 räumt die Obfrau des "Wissenschaftlichen Beirates für Zucht und Forschung" des VDH Dr. Helga Eichelberg ein: "Es handelt sich sicher um keine Methode, um die Rassen von dieser Krankheit zu befreien. Dennoch scheint sie uns geeignet zu sein, bis zur Etablierung einer besseren Untersuchungsmethode wenigstens einer weiteren Verbreitung des Defektes entgegen zu wirken." Damit wird vom VDH ein Freibrief für die Zucht sogar mit manifesten SM-Vererbern erteilt.
Warum wird nicht konsequent auf die Zucht mit SM-belasteten Hunden verzichtet, zumal wenn diese nach Angaben von Zuchtleiterin Biala-Gauß nur 1% der Population darstellen?

Beispiel 2 - Mitral Valve Disease (MVD)

Wesentlich breitflächiger als mit der o.g. SM ist die Population der Cavalier King Charles Spaniels mit einem erblich bedingten Verlauf einer Herzkrankheit belastet, der Mitral Valve Disease (MVD). Ein sehr hoher Anteil der Cavaliere ist bereits in jungen Jahren an dieser nicht selten innerhalb von zwei Jahren tödlich verlaufenden Herzkrankheit erkrankt (etwa 50%). Schon 1997 wurde festgestellt, dass diese Hunderasse 21mal häufiger von MVD betroffen ist als der Durchschnitt. Zudem sind Cavaliere auffällig früh betroffen. Bei anderen Hunderassen gilt diese Herzschwäche lediglich als eine typische Alterskrankheit. Bereits 1998 wurden von einem internationalen Wissenschaftlergremium klare Empfehlungen zur Bekämpfung ausgesprochen. Diese haben 12 Jahre später noch keine Beachtung in der Praxis des VDH gefunden. Auch zur Bekämpfung dieser Krankheit fehlt es an einem wirkungsvollen Programm. Auch hier darf ausdrücklich mit symptomatischen, sogar bereits durch Herzgeräusche auffälligen Hunden gezüchtet werden, wenn auch eingeschränkt. Nach dem "Mitral Valve Disease Breeding Protocol" von 1998 (s.o.) sollen Cavaliere, die unter 5 Jahren ein Herzgeräusch zeigen, nicht in die Zucht. Auch sollen Rüden frühestens im Alter von 2,5 Jahren in die Zucht gehen. Im VDH darf aber mit dreijährigen Rüden gezüchtet werden, die ein Herzgeräusch Grad 1 und ab 6 Jahren sogar Grad 2 zeigen. Rüden dürfen bereits mit  9 Monaten in die Zucht, einem Alter indem die Anlage zu MVD noch gar nicht beurteilt werden kann.
Zudem begnügt man sich zur Zuchtzulassung mit dem Ergebnis der Auskultation durch einen beliebigen Veterinär, obwohl es unstrittiger Stand der Medizin ist, dass eine Diagnose lediglich auf Basis der Auskultation nur ausgesprochenen Spezialisten und ansonsten nur mit Hilfe technischer Diagnosemittel (wie Doppler-Ultraschall) möglich ist.
Die langjährige Halterin von Cavalier King Charles Spanieln Elke Grabhorn hat hierzu am 01.11.2010 einen Artikel veröffentlicht, der Einzelheiten und umfangreiche Quellen zu dem hier genannten enthält ( http://petwatch.blogspot.com/2010/11/cavaliere-haben-sehr-viel-herz.html ).


Das geltende Tierschutzgesetz verbietet in § 11b aber genau hier genannte Zuchtpraktiken wenn bestimmt wird:
"Es ist verboten, Wirbeltiere zu züchten..., wenn damit gerechnet werden muss, dass bei der Nachzucht, ... erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten."

Zudem ist es ethisch und zumal für einen Hundefreund kaum nachvollziehbar, bekannte Erbkrankheiten nicht konsequent und vorrangig in der Zucht zu bekämpfen. In der Satzung des VDH §2 Abs.2.1 heißt es ja: "Als ordentlicher Züchter und Halter gilt, wer lediglich aus Gründen der Liebhaberei (Hobby) die Zucht und/oder Ausbildung nach kynologischen Grundsätzen betreibt und fördert."

Wer würde aber seinen Hunden solche Leiden zumuten, wenn lediglich "aus Gründen der Liebhaberei" gezüchtet wird? Bemerkenswert ist auch, dass man in manchen Mitgliedsvereinen des VDH angesichts solch schwerer Schäden wie oben beschrieben zu keinen ernsthaften Maßnahmen bereit oder in der Lage ist, jedoch kleinste Farbvarianten, die rein optisch einem von Menschen ausgedachten Standard widersprechen - wie beim Cavalier ein weißer Fleck - sofort zum Zuchtausschluss führen. Zugleich wird die Verpaarung der verschiedenen Farbvarianten streng untersagt.


Mir ist durchaus bewusst, dass der VDH in Konkurrenz zu den vielen Verbänden steht, die "Züchtern" ein wesentlich komfortableres Dach bieten - regelmäßig zulasten und auf Kosten des Wohls der Hunde. Mir ist durchaus bewusst, dass die Lage der Hunde außerhalb des VDHs nicht selten noch wesentlich schlechter ist. Und ich gehe davon aus, dass Sie persönlich und der VDH sehr an einer am Wohl der Hunde orientierten Zuchtpraxis interessiert sind. Zur Durchsetzung von allgemein gültigen Mindeststandards für die Zucht von Hunden und damit zum Schutz der seriösen Züchterschaft wäre darüber hinaus der Gesetzgeber in der Pflicht.

Eine bewusste Zucht mit Erbkrankheiten und Gendefekten kann aber zu keinem Zeitpunkt toleriert werden, bestenfalls dann kurzfristig in einer konkret definierten Übergangsphase im Rahmen eines verbindlichen Gesundzuchtprogramms.

Hier wurde alleine die Zuchtpraxis beim Cavalier King Charles angesprochen. Leider ist die Behandlung dieser Rasse, wenn auch ein krasser, jedoch leider keineswegs ein Einzelfall, auch nicht unter dem Dach des VDHs.

Ich möchte Sie daher bitten, Sorge dafür zu tragen, dass die Zuchtpraktiken zum Wohle des Cavalier King Charles umgehend und nachhaltig geändert werden, wie ich Sie ebenso bitten will, Sorge dafür zu tragen, damit eine Wende in der Zucht zum Wohle und zur Gesundheit der Hunde praktisch wirksam wird.


Für Auskünfte und Rücksprache stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.


Mit freundlichen Grüßen

gez.

Christoph Jung

Diplom-Psychologe und Biologe
Dortmunder Appell für eine Wende in der Zucht zum Wohle der Hunde
http://dortmunder-appell.de/

Donnerstag, 4. November 2010

Zucht mit erbkranken Hunden

In der Stern-TV Sendung "Reine Rasse und doch verkrüppelt" vom 3.11.10 behauptet der VDH-Präsident Prof. Friedrich, es würde nicht mit erbkranken Hunden gezüchtet. Aber gerade auch - aber leider nicht nur - der ebenfalls bei Günther Jauch vorgestellte Cavalier King Charles Spaniel ist ein Beispiel für die systematische Zucht mit Hunden, die mit einer tötlichen Erbkrankeit des Herzens belastet sind (Artikel von Elke Grabhorn gleich hier anschließend zur Herzkrankheit MVD und ein weiterer zur Schädel-Nervenkrankheit Syringomyelie hier). Getan wird real seit 1993 von den VDH-Vereinen nichts ernsthaftes zur Bekämpfung dieser Erbkrankheit MVD.

Auch der vom VDH-Präsidenten als Beleg für gesunde Zucht angeführte so genannte Belastungstest für Mops &Co ist eher ein schlechter Witz.

Bei diesem Test sollen die Hunde eine Strecke von tausend Metern in höchstens elf Minuten absolvieren. Zuvor wird der Hund von dem anwesenden Tierarzt untersucht und die Herzfrequenz im Ruhezustand festgehalten. Auch die Atemgeräusche werden festgehalten sowie sein Status, etwa ob ruhig oder hechelnd oder nervös. Direkt nach dem Absolvieren der Strecke werden Herz und Atmung wiederum gemessen. Dasselbe nach fünf und nach zehn Minuten. Zu diesem Zeitpunkt sollte der Hund wieder seine Ruhewerte erreicht haben. Ist dies nicht der Fall, sollte keine Zuchtzulassung erteilt werden

Tausend Meter als ernsthafte Herausforderung an die Konstitution eines Hundes zu definieren, zeugt nur von dem in der Hundezucht bereits abgehakten Niedergang derselben.

Fairerweise soll noch ergänzt werden, dass der Standard der Zucht außerhalb des VDH noch sehr viel bedenklicher ist, sieht man einmal von ganz seltenen positiven Ausnahmen ab.Es gibt keinerlei Mindeststandards für die Zucht. Züchten darf in Deutschland einjeder, ohne jeglichen Nachweis der Fachkunde oder sonstiger Qualifikation.

Es gibt leider noch viel zu tun. Bitte unterstützt den Dortmunder Appell für eine Wende in der Hundezucht!

Montag, 1. November 2010

Cavaliere haben sehr viel Herz

Zur Lage beim Cavalier King Charles Spaniel

Von Elke Grabhorn

Ihr Wesen und ihre „Bestimmung“


In seinem Buch "Intelligenz der Hunde" (Rowohlt Verlag, ISBN 3498009028) zitiert Stanley Coren seine Stieftochter, die den Cavalier als einen "Liebesschwamm" bezeichnet.
Weiter schreibt Coren über den Cavalier :".....bemühen sich ständig um Zuneigung, zeigen wenig Kampfgeist und so gut wie keine aggressiven Neigungen... "

Cavaliere sind die angenehmsten und sanftesten Hunde, die sich ein Mensch nur wünschen kann. Ich sage das aus Erfahrung und als Liebeserklärung an meine beiden Cavalierjungs mit denen ich mein Leben teilen darf.

Hunde verdienen alle den Respekt und die Fürsorge des Menschen.
Bei Gesellschaftshunden, deren Wesen durch Selektion in der Zucht darauf ausgerichtet ist, ganz intensiv die Nähe und Freundschaft des Menschen zu suchen, ist die emotionale Bindung noch enger und das gilt in ganz besonderem Maße für diese kleinen Traumhunde.


Cavalierliebhaber berichten in Foren

In Cavalier-Foren schreiben die Halter von Cavalieren häufiger voller Besorgnis, dass der Tierarzt bei ihrem Hund ein Herzgeräusch festgestellt hat und ein Termin für eine genaue kardiologische Untersuchung mit Ultraschall und Doppler vereinbart worden ist. Nach den Untersuchungen berichten dann einige, dass etwas bei der Mitralklappe festgestellt  wurde, dass es aber bei Cavalieren „normal“ wäre.

Beim Cavalier können verschiedene genetisch bedingte Krankheiten vorkommen. Eine schwere neurologische Erkrankung ist die Syringomyelie, die in der letzten Zeit zu einem neuen großen Angstbild vieler Cavalierfreunde geworden ist.
So wichtig die Forschungen sind, um das zum Teil unsägliche Leiden betroffener Hunde zu bekämpfen, bei der Diskussion über diese neue Krankheit der Cavaliere wird oft vergessen, dass schon seit vielen Jahren die Herzkrankheit das Hauptproblem der Rasse darstellt.

In Diskussionen drängt sich immer wieder der Eindruck auf, dass bei einigen Züchtern und auch Liebhabern die Tendenz besteht, die Herzkrankheit zu bagatellisieren. Mit dem Hinweis auf gute Therapiemöglichkeiten durch Medikamente scheinen einige den Zustand tatsächlich als „normal“ zu akzeptieren.

Dass Tierärzte den Herzbefund beim Cavalier als „normal“ im statistischen und nicht im gesundheitlichen Sinne bezeichnen, ist manchen Cavaliermenschen vielleicht gar nicht mehr bewusst.


MVD (Mitral Valve Disease)

Betroffene Halter suchen nach Informationen über diese Krankheit, weil sie sich Sorgen um ihren Hund machen.
Aus Veröffentlichungen von Kardiologen erfährt man, dass es sich um eine fortschreitende Veränderung der Mitralklappe (Mitralklappenendokardiose) handelt, durch die die Herzklappe an Funktionsfähigkeit verliert (Mitralklappeninsuffizienz).
Der unzureichende Klappenschluss führt dazu, dass beim Zusammenziehen des Herzens ein Teil des Blutes aus der linken Herzkammer in den linken Vorhof zurückströmt (Mitralregurgitation) und nicht durch die Aortenklappe in die Aorta gepumpt wird. Ein  Mitralklappenprolaps (MVP) liegt vor, wenn sich die Klappe bei der Kontraktion des Herzens in den Vorhof zurückwölbt. Bei zunehmender "Undichtigkeit" der Klappe erhöht sich die Menge des zurückfließenden Blutes (Regurgitationsjet) weiter, in der Folge vergrößern sich der linke Vorhof und die linke Herzkammer.
Das in den Vorhof zurückfließende Blut fehlt für die Versorgung des Körpers mit Sauerstoff. Im Anfangsstadium der Krankheit ist das Herz bis zu einem gewissen Grad in der Lage, dieses Defizit z. B. durch Erhöhung der Schlagfrequenz auszugleichen (Kompensation). Dies erklärt, warum einige Cavaliere, bei denen MVD dignostiziert wurde, noch keine Symptome zeigen.

Auch Menschen, die sich sonst nicht mit medizinischer Terminologie, Anatomiefragen oder der Funktionsweise des Herzens beschäftigen, können durch ihren Hund in eine Situation kommen, in der sie nach verständlichen Erklärungen zu Krankheitsbildern und Fachbegriffen suchen.

Eine sehr gute Seite für "Tierbesitzer" findet sich auf der Homepage der Medizinischen Kleintierklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München. http://www.tierkardiologie.lmu.de/besitzer/mitralklappenendokardiose.html
Hier sind auch die Verfahren erläutert, die zur Diagnostik eingesetzt werden. Ebenso werden die Symptome beschrieben, die beim Fortschreiten der Krankheit zu erwarten sind.
Es werden Medikamente aufgelistet, die von den Kardiologen empfohlen werden. Leider erfährt man auch, dass die Medikamente nur helfen, die Symptome zu mildern, um damit für Hunde im fortgeschrittenen Stadium die Lebensqualität zu verbessern. Eine Heilung des geschädigten Herzens ist nicht möglich.

Die Erkrankung betrifft verschiedene vornehmlich kleine Hunderassen. Während die Krankheit bei anderen Rassen vor allem im höheren Lebensalter vorkommt, kann sie beim Cavalier schon in ganz jungen Jahren auftreten und dabei leider auch einen rapideren Verlauf nehmen.

Eine Unterstützerin (Anneliese Scheffe) des "Dortmunder Appell für eine Wende in der Hundezucht" hat unter "Stimmen" auf der Seite http://www.dortmunder-appell.de/ folgende Worte gefunden:

"Ich unterstütze den Dortmunder Appell, weil mein Freund Hund mich jahrelang gesund begleiten soll und ich kein Interesse habe, durch mein Rassetier mir ein vielschichtiges veterinärmedizinisches Wissen aneignen zu müssen..."

und sie hat ein Bild angefügt auf dem sie mit ihrem Cavalierrüden Tommy zu sehen ist.
Tommy


Häufigkeit der Erkrankung

Besonders vielfältige und aktuelle Informationen zur MVD bietet die englischsprachige Cavalierhealth-Seite. http://www.cavalierhealth.org/mitral_valve_disease.htm
Hier erfährt der Cavalierhalter von internationalen Studien und Empfehlungen, die die medizinischen Spezialisten für die Behandlung, aber auch für Zuchtprogramme aussprechen.

Um die Häufigkeit der MVD bei Cavalieren zu beziffern, wurden Ergebnisse von Untersuchungen vieler Tausend Cavaliere in Großbritannien, Kanada, den USA und anderen Ländern zusammengetragen.

Das Ergebnis war eine traurige "pro-Jahr-10%"-Statistik. Danach sind 10% der 1-jährigen, 20% der 2-jährigen, 30% der 3-jährigen und schließlich nahezu 100% der 10-jährigen Cavaliere an MVD erkrankt.

Dr. Hagel weist in seiner http://elib.tiho-hannover.de/dissertations/hagelt_2003.pdf (S. 25) Doktorarbeit auf eine Studie (Darke 1997) hin, nach der MVD beim Cavalier 21-mal häufiger vorkommt als bei anderen Rassen.


Lebenserwartung betroffener Hunde

Auf der Cavalierhealth-Seite wird beschrieben, dass bei anderen Hunderassen, die ab 10 Jahren gehäuft an der Erkrankung leiden, ein Verlauf von 3 bis 5 Jahren zu erwarten ist.
Beängstigend ist für die Halter betroffener Cavaliere, dass bei ihnen nach der ersten Diagnose schon innerhalb von ein bis drei Jahren das Endstadium erreicht sein kann.
Man braucht kein Statistiker zu sein, um die traurige Tatsache zu bemerken, dass bei der verkürzten Lebenserwartung einige der bereits mit zwei Jahren erkrankten Hunde zu den erschütternden Zahlen bei den fünf und mehr Jahre alten Cavalieren gar nicht mehr beitragen, weil sie dieses Alter nämlich nicht erreichen und eher an ihren kranken Herzen oder den Nebenwirkungen und Folgen mehrjähriger Medikamentengabe sterben.

In der Dissertation http://elib.tiho-hannover.de/dissertations/hagelt_2003.pdf von Dr. Tobias Hagel ist auf den Seiten 25/26 nachzulesen, dass nach einer Studie von Pederson und Häggström aus dem Jahre 2000 geschätzt wurde:
15 bis 20% der Rasse noch vor dem Erreichen des zehnten Lebensjahres eine Mitralregurgitation entwickeln, die ernst genug ist, um zum spontanen Tod oder Euthanasie zu führen“.
Weiter führt Dr. Hagel auf Seite 101 aus:
Die Chronische Mitralklappeninsuffizienz ....ist die Haupttodesursache des Cavalier King Charles Spaniel zwischen dem zweiten und 13. Lebensjahr (WOOD 2000)"


Vererbung

Auch wenn der genaue Erbgang noch nicht geklärt ist, wird wegen des gehäuften Auftretens bei Cavalieren an einer Vererbung der Krankheit nicht gezweifelt.
Im Rahmen eines von der EU geförderten LUPA-Projektes werden derzeit von der Universität München Cavalierhalter aufgerufen, sich mit ihren Hunden an einer Studie zu beteiligen, bei der „genetische Ursachensuche“ betrieben werden soll. http://www.tierkardiologie.lmu.de/downloads/studien/cavalier_studienaufruf.pdf.


Medizinische Experten empfehlen Zuchtprogramme

Internationales Symposium 1998
http://www.cavalierhealth.org/images/ckcsc,usa_1998_mvd_symposium.pdf

Im Jahre 1998 wurde von internationalen Wissenschaftlern (Dres. Andrew Beardow aus England, James Buchanan aus Virginia/USA, Luis Fuentes aus Schottland und Bruce Keene (aus USA) und – als international anerkannter Genetiker - Professor Lennart Swenson aus Schweden) eine „Zuchtrichtline“ http://www.cavalierhealth.org/mvdprotocol.htm veröffentlicht, die folgende Vorgaben macht:

  • Cavaliere sollen jährlich untersucht werden, Untersucher sollen anerkannte Spezialisten sein.
  • Es soll mit keinem Cavalier gezüchtet werden, der unter 5 Jahren ein Herzgeräusch zeigt.
  • Es soll mit keinem Cavalier unter 2,5 Jahren gezüchtet werden.
  • Es soll mit keinem Cavalier unter 5 Jahren gezüchtet werden, falls die Eltern mit 5 Jahren ein Herzgeräusch haben oder deren Herzbefund unbekannt ist.

Ziel ist, durch diese Maßnahmen den Beginn der Herzerkrankung bei zukünftigen Generationen auf ein höheres Lebensalter zu verschieben. Ohne genaue Kenntnis der genetischen Grundlagen könne man nicht erwarten, diese Krankheit gänzlich zu „eliminieren“.

Erfolg versprechend seien diese Richtlinien allerdings nur, wenn sich alle Züchter daran beteiligten. Dies sei auch bei der Wahl der kostengünstigen Untersuchungsmethode „Auskultation“ berücksichtigt worden.

Zu 90% könne durch einen begrenzten Untersucherkreis von Spezialisten auch auskultatorisch eine MVD diagnostiziert werden. Wenn diese Untersuchungsmethode von 100% der Züchter genutzt werde, sei sie effektiver als die 100% sichere Ultraschalluntersuchung, die wahrscheinlich weniger Züchter durchführen ließen. http://www.cavalierhealth.org/images/ckcsc,usa_1998_mvd_symposium.pdf (S. 4 linke Spalte).

So weist auch Dr. Hagel http://elib.tiho-hannover.de/dissertations/hagelt_2003.pdf
(S. 29) darauf hin, dass ein Vergleich ergeben habe, dass Spezialisten ein Herzgeräusch bei jungen Hunden häufiger feststellen als weniger kardiologisch erfahrene Tierärzte.

Die Vorgaben von 1998 waren vom amerikanischen und englischen Cavalier Club als Empfehlung für die Züchter übernommen worden. Offensichtlich war die Akzeptanz bei den Züchtern nicht so wie erhofft, denn im März 2009 stellte der Kardiologe Simon Swift fest, dass 11 Jahre nach Veröffentlichung der Empfehlung immer noch 50% der fünfjährigen Cavaliere in den USA und in England an MVD leiden.


Zuchtauflagen bei Cavalier-Vereinen

Wie werden diese Expertenempfehlungen von den Vereinen als Zuchtvorgabe übernommen?

Überwiegend wird die Auskultation als Untersuchungsmethode vorgesehen.

Wenn kein Herzgeräusch vorliegt, wird von Grad 0 gesprochen. Beim Auftreten eines Herzgeräusches wird dieses nach genau definierten Kriterien bezüglich Lautstärke und Intensität in Grade von I bis VI eingeteilt.

Es lassen sich folgende Beispiele nennen:

Schweiz

http://www.cavalierclub.ch/docs/ErgaenzendeZuchtbestimmungenD2009.pdf

In der Schweiz ist eine Auskultation vorgesehen:

  • Jährliche Untersuchung bei Rüden, bei Hündinnen jährlich bzw. vor dem Decken
  • bis 6 Jahre Grad 0
  • bis 6 Jahre Grad 1 und höher -> Zuchtausschluss)
  • 6 bis 8 Jahre Grad 1 (nach 6. Geburtstag festgestellt) Partner: Grad 0
  • 6 bis 8 Jahre Grad 2 und höher -> Zuchtausschluss


Niederlande

http://www.cavalierclub.nl/index.php?option=com_content&view=article&id=96&Itemid=19

Die Niederländer haben ein Herzscreening etabliert, bei dem Doppler- und Ultraschall durchgeführt und unter genau definierten Einstellungen Aufnahmen angefertigt werden.
Anhand dieser Aufnahmen wird der Befund in verschiedene Klassen eingeteilt.

Diese Klassen (A bis E) werden als Kriterium für die Planung von Verpaarungen herangezogen und lassen nur bestimmte „Kombinationen“ zu.


Schweden

In Schweden war im Jahr 2001 http://www.cavaliers.co.uk/forums/ (Rubrik 'Herz'; Thread: Swedish Heart Research) eine neue Zuchtvorgabe verpflichtend eingeführt worden.
Folgende Auflagen waren zu erfüllen:

  • Cavaliere können frühestens mit zwei Jahren zur Zucht eingesetzt werden, wenn eine Auskultation kein Herzgeräusch ergeben hat und ihre 4-jährigen Eltern ebenfalls Grad 0 haben.
  • Hunde, deren Eltern mit 4 Jahren einen "Herzbefund" haben, dürfen erst mit 4 Jahren zur Zucht eingesetzt werden, wenn sie selber in diesem Alter herzgesund sind.
  • Diese Zuchtvorgaben sind verpflichtend. Welpen, die nicht nach diesen Regeln gezüchtet werden, erhalten keine Papiere.

In diesem September wurden die Ergebnisse einer schwedischen Studie http://www.actavetscand.com/content/pdf/1751-0147-52-54.pdf veröffentlicht, bei der die Herzgesundheit 6-jähriger Cavaliere beurteilt wurde.
Es handelt sich um Untersuchungen von Hunden der Geburtsjahrgänge 2001 und 2003. Hintergrund war die Frage, inwieweit das 2001 gestartete Zuchtprogramm "greift" und damit die Zahl 6-jähriger Cavaliere, die von der Herzkrankheit betroffen sind, zurückgegangen ist.

Es wurde ermittelt, dass das Auftreten von Herzgeräuschen bei den 6-Jährigen bei 52% und 55 % liegt.
Bei den 2003 geborenen Cavalieren war keine Verbesserung bezüglich des Anteils von Hunden mit Herzgeräusch oder bezüglich des Herzgeräuschgrades im Vergleich zu den 2001 geborenen Cavalieren festzustellen. Dies lässt den Schluß zu, dass das Zuchtprogramm nicht den gewünschten Effekt hat. In Übereinstimmung hiermit - so ist in der Studie zu lesen – verzeichneten die Statistiken der Agria Tierkrankenversicherung keinen positiven Einfluss auf Todesfälle durch MVD.

Eine Erklärung für dieses negative Ergebnis könnte sein, dass das geforderte Mindestalter der Zuchthunde (und entsprechend für deren gesunde(!) Eltern) niedriger gewählt wurde als im „MVD-Breeding-Protocol“ von 1998 empfohlen worden war.
Auch wurde beim 1998er-Symposium festgestellt, dass mit einer deutlichen Verbesserung erst nach 2 bis 3 Generationen gerechnet werden könne.


Deutschland

Während in diversen Vereinen außerhalb des VDH keine Zuchtauflagen bezüglich der Herzgesundheit bei Cavalieren formuliert sind, fordern die drei den Cavalier betreuenden VDH-Vereine eine Auskultation.

Für den VK und den CCD ist nachzulesen, dass diese Untersuchung bei den Rüden jährlich und bei den Hündinnen einige Wochen vor dem Decktermin erfolgen soll.
Nur der VK hat seine Zuchtordnung http://www.kleinhunde.de/vkzuchtordnung.pdf im Internet veröffentlicht.

Hündinnen dürfen danach nur mit Grad 0 eingesetzt werden, bei Rüden gilt diese Forderung bis zu 3 Jahren. Bei Rüden über 3 Jahren wird ein Herzgeräusch Grad 1 und bei Rüden über 6 Jahren ein Herzgeräusch Grad 2 toleriert.

In den Jahren 2001 und 2002 wurde http://www.gkf-bonn.de/download/vb_hagel14.pdf eine Studie durchgeführt, die von den 3 VDH-Cavalier-Vereinen und der Gesellschaft zur Förderung Kynologischer Forschung e.V. finanziert wurde.

Das Ergebnis der „Hagel Studie“ war einige Zeit von einem Cavalier-Verein im Internet veröffentlicht worden und sorgte in Internetforen für Diskussionen zwischen "Cavalier-Liebhabern und Züchtern" und auch zwischen "Züchtern und Züchtern".
Bei einigen Liebhabern stieß es auf großes Unverständnis, dass die Empfehlung, die an der Studie beteiligten 2-jährigen Cavaliere mit 4 Jahren erneut untersuchen zu lassen, nicht umgesetzt wurde.

In seiner Dissertation http://elib.tiho-hannover.de/dissertations/hagelt_2003.pdf in die Ergebnisse der og. Studie einbezogen wurden, stellt Dr. Hagel im Jahre 2003 auf S. 101 fest, dass aus den Untersuchungen für die Häufigkeit des Auftretens geschlossen werden könne, dass die:
...Mitralklappeninsuffizienz in der deutschen Cavalier King Charles Spaniel-Population eine ähnlich hohe Prävalenz besitzt, wie sie in anderen Ländern beschrieben wurde.


Aktuelle Situation in Deutschland

Zu oft liest man in Foren-Diskussionen, dass die „Hagel-Studie“ nicht immer wieder zitiert werden solle, schließlich sei diese schon einige Jahre alt.
Eine neuere Studie mit aktuellen Zahlen und Statistiken zur Herzgesundheit deutscher Cavaliere ist jedoch nicht vorhanden.

Als Anhaltspunkte können somit nur andere Informationen wie zum Beispiel die Veröffentlichung einer Kardiologie-Vorlesung an der Uni München im Jahr 2005  http://www.tierkardiologie.lmu.de/downloads/Vorlesungen/Mitral%20Regurgitation%20bw.pdf herangezogen werden. Es heisst in der Vorlesung (Dr. Wess; Folie 5), dass bei 50% der 5-jährigen Cavaliere mit MVD zu rechnen ist.

Aber auch Aussagen in anderen wissenschaftlichen Texten lassen Rückschlüsse auf die allgemeine Einschätzung der Spezialisten zu. In der Dissertation von Dr. Miriam Biel  http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2009/7043/pdf/BielMiriam_2009_06_04.pdf
aus dem Jahr 2009 geht es um ein Thema bei der Erforschung der Syringomyelie, eine schwere neurologische Krankheit von der leider vorwiegend Cavaliere betroffen sind. Sie schreibt auf S. 21, dass die „angeborene Mitralklappeninsuffizienz“ bei den Cavalieren „verbreitet“ ist.

In einer Doktorarbeit, die Dr. Dorothee Ackermann im Jahre 2006 zum „Knochenstoffwechsel bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz“ verfasst hat http://edoc.ub.uni-muenchen.de/6346/1/Ackermann_Dorothee.pdf ist zu lesen (S. 56), dass der Cavalier „als Modell für natürlich auftretende Herzinsuffizienz besonders interessant“ ist.


Annahmen und Vermutungen

Während in anderen Ländern wie z. B. Schweden oder England viele Hundehalter für ihre Hunde eine Krankenversicherung abschließen, ist dies in Deutschland weniger üblich. Versicherungsstatistiken über Ausgaben für Medikamente und Untersuchungen und über das Sterbealter von Hunden der verschiedenen Rassen können deshalb nicht wie in einigen anderen Ländern http://www.actavetscand.com/content/51/1/42 herangezogen werden.
Interessant ist, dass auch in einer großen schwedischen Studie von 1992 über die Herzgesundheit beim Cavalier http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/1481344 auf eine Versicherungsstatistik Bezug genommen wird.

Da solche Daten oder eine aktuelle Studie in Deutschland nicht zur Verfügung stehen, bleibt es bei Annahmen und Vermutungen.

Eigene Erfahrungen, die Berichte anderer Cavalierhalter über ihre herzkranken Hunde oder aber das bedenkliche Gesicht eines Tierarztes, den man zum ersten Mal mit seinem Cavalier aufsucht, sind für viele Cavalierhalter eher traurig.
Dann liest man in Foren ganz andere Züchteraussagen, dass die Krankheit durch Medikamente gut behandelbar und außerdem alles sehr viel besser geworden sei, schließlich "fallen 2-jährige Cavaliere nicht mehr einfach so um wie vor 20 Jahren".

Liebhaber und auch Züchter, die beklagen, dass viele Cavaliere herzkrank sind, sehen sich schnell dem Vorwurf ausgesetzt, die Rasse krank zu reden. Das häufig vorgebrachte Argument, dass auch Hunde anderer Rassen herzkrank werden können, macht es für die Hunde insgesamt traurig, für die Situation der Cavaliere selber aber ist diese Feststellung meiner Meinung nach unerheblich. Überzeugen kann es jedenfalls nicht, solange Tierärzte, die den gesundheitlichen Zustand der Cavaliere alltäglich als Fachleute erleben, die Herzsituation bei den Cavalieren sehr viel kritischer einschätzen.

Viele Cavalierliebhaber und auch ich wünschen sich eine deutliche Verbesserung, schließlich gehören wir zu den Menschen, die sich ein Leben ohne Cavalier nicht vorstellen können.

Das derzeit jedoch nicht mit konkreten Zahlen zu widerlegende hohe Risiko, für seinen Hund im jungen oder eigentlich „besten Hunde-Alter“ die Diagnose MVD zu hören, führt immer wieder zu Diskussionen darüber, ob man noch einmal einen Cavalier zu sich nehmen würde.
Da gibt es einige, die sich mit der Situation abgefunden zu haben scheinen, für die kritische Stimmen Schwarzmaler und Stimmungsverderber sind.

Sie schaffen es offenbar vom Kopf und vielleicht sogar vom Gefühl her, gesundheitliche Probleme wie die Herzkrankheit, Syringomyelie und auch andere bei den Cavalieren  vorkommende Erkrankungen auszublenden, man könnte mit seinem Hund ja auch Glück haben und außerdem gibt es so viele gute Medikamente ...

Gilt ihre Liebe nur dem eigenen Hund und ist es egal, wenn „für die Rasse an sich“ Herzkrankheit bei 5-Jährigen als „normal“ angesehen wird?
Muss man sich nicht auch vor Augen halten, dass nach der Statistik nur jeder zweite Cavalierwelpe die Aussicht hat, nach seinem 5. Geburtstag ein gesunder Hund zu sein?

Leicht ernten Liebhaber mit kritischen Gedanken über Krankheiten den Vorwurf, negativ-denkende und klagende Laien zu sein, die nicht wissen was es bedeutet, ein Züchter zu sein und die die Züchter nicht respektieren. Oft folgt dann noch der Rat, sich bei diesem Gesundheitswahn lieber ein "Plüschtier" anzuschaffen.

Es geht hier nicht um den realitätsfernen Wunsch nach Garantie auf ewige Gesundheit. Auch nicht um die naive Vorstellung, ein Züchter könne für sein „Zuchtprodukt“ alle Lebensrisiken wie Krankheiten ausschließen. Es geht darum, gegen durch die Zucht beeinflussbare „rassespezifische“ Krankheiten anzugehen.


Offene Fragen

Cavalierliebhaber, die sich wegen der Krankheit ihrer Hunde informiert und von den genetischen Ursachen dieser Erkrankung erfahren haben, werden sich auch mit Zuchtfragen auseinandersetzen.

Alle kennen Züchter, die sehr engagiert und freiwillig mehr leisten als an Untersuchungen von den Vereinen gefordert wird. Nach den oben geschilderten Informationen - insbesondere nach der Expertenmeinung, dass es auf alle(!) Züchter ankommt - stellen sich folgende Fragen:

  • Warum sind von den Vereinen keine genaueren Herzuntersuchungen vorgeschrieben als das jährliche Abhören wie es ohnehin bei den allermeisten Liebhaberhunden schon üblich ist?

In seiner Dissertation http://elib.tiho-hannover.de/dissertations/hagelt_2003.pdf (S. 101) weist Dr. Tobias Hagel darauf hin, dass Herzultraschall und Doppler zur Diagnostik der Mitralklappeninsuffizienz herangezogen werden sollten. Falls die Untersuchung auf Auskultation beschränkt wird, empfiehlt Dr. Hagel – wie auch seine Kollegen vom Symposium 1998 - den Untersucherkreis auf erfahrene Spezialisten zu begrenzen.

Eine Einschränkung der Untersucher auf kardiologische Spezialisten - etwa aus dem http://www.collegium-cardiologicum.de/ „Collegium Cardiologicum“ - wird in der Zuchtordnung jedoch nicht genannt.

  • Warum wird bei Zuchtrüden ab 3 Jahren ein Herzgeräusch Grad 1 und ab 6 Jahren Grad 2 toleriert?

Nach dem „Mitral Valve Disease Breeding Protocol“ von 1998 (s.o.) sollen Cavaliere die unter 5 Jahren ein Herzgeräusch zeigen nicht in die Zucht.

In der Veröffentlichung der Gesellschaft zur Förderung der Kynologischen Forschung e.V. über den Start des Pilotprojektes 2001 http://www.gkf-bonn.de/download/vb_hagel14.pdf (S. 5) heißt es, dass Herzgeräusche den „Zuchtausschluss“ nach sich ziehen.

Dr. Miriam Biel  schreibt  2009 in ihrer Dissertation (S. 21) http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2009/7043/pdf/BielMiriam_2009_06_04.pdf, dass bei der Diagnose Mitraklappeninsuffizienz ein „Zuchtausschluss“ erfolgt.

Dr. Hagel zeigt http://elib.tiho-hannover.de/dissertations/hagelt_2003.pdf (S. 9) in seiner Dissertation Auszüge der Zuchtordnungen der drei VDH-Cavalier-Vereine. Bei allen findet sich die Angabe „Zuchtzulassung nur ohne Herzgeräusche“.

  • Warum gilt speziell bei Cavalieren nicht ein höheres Mindestalter für die Zuchtzulassung?

Laut Zuchtvorgaben des VK http://www.kleinhunde.de/vkzuchtordnung.pdf ist eine Zuchtzulassung von Rüden mit 9 Monaten (vorläufige Zulassung bis 18 Monate/ab 15 Monaten Nachbewertung) und für Hündinnen ab 12 Monaten (erstes Decken ab 15. Monat) zulässig.

3-jährige Cavaliere, bei denen Grad 1 toleriert wird, liegen nur 6 Monate über dem beim 1998er-Symposium empfohlenen Mindestalter von Zucht-Cavalieren.

Dieses Mindestalter gilt jedoch nur für Hunde ohne Herzgeräusch, deren Eltern mit 5 Jahren herzgesund sind. Falls keine Untersuchungsergebnisse der Eltern bekannt sind oder diese nicht herzgesund sind, erhöht sich das Mindestalter für den Zuchteinsatz eines Cavaliers nach dem „Breeding Protocol“ auf 5 Jahre.

Darüber hinaus halten die internationalen Experten auch im Zusammenhang mit Zuchtprogrammen gegen die Syringomyelie http://www.cavalierhealth.org/smprotocol.htm bei Zuchthunden ein Mindestalter von 2,5 Jahren für erforderlich.
Bei den meisten "symptomatisch-SM-kranken" Hunden treten bis zum Alter von 3 Jahren erste Zeichen der Erkrankung auf. Auch wird einer MRI-Untersuchung im Bereich dieses Alters eine größere Aussagekraft eingeräumt als den Untersuchungen bei jüngeren Hunden.

  • Ist eine neue Studie geplant?

In seiner Dissertation http://elib.tiho-hannover.de/dissertations/hagelt_2003.pdf (S. 101) stellt Dr. Hagel im Jahr 2003 fest: „Damit liegen erstmals Vergleichszahlen zur Auskultation aus Deutschland vor.

Bald 10 Jahre nach dem - unter Mitwirkung der Deutschen Gesellschaft für Kynologische Forschung e. V. - durchgeführten "Herzpilotprojekt" wäre eine neue Studie interessant.

Cavaliere haben sehr viel Herz

und es soll alles unternommen werden, dass es gesund ist!



Elke Grabhorn
Düsseldorf, im Oktober 2010
www.ckc-spaniel.de

Fotos: Lutz Peter Gellert - Vielen Dank Rena für die schönen Fotos!

Sonntag, 24. Oktober 2010

Der Labrador: ein gefährliches Tier!

Nein, kein Scherz und ich berichte auch nicht aus Schilda.  
Per Gesetz sollen in Thüringen ALLE Hunde pauschal als "gefährliche Tiere" gelten, die größer 40 cm oder schwerer 20 KG sind.
Das Landeskabinett billigte am 13.10. eine solche Vorlage von Innenminister Prof.Huber (CDU). Nach den Vorstellungen der Politiker in Erfurt sollen alle Labrador, Boxer, Sennenhunde, Schäferhunde, Golden Retriever, Eurasier, Ridgebacks, Deutsch Drahthaar, Bulldogs oder Bassets und andere als gefährliche Tiere eingestuft und entsprechend restriktiv gehandhabt werden (genauer Wortlaut des Gesetzes und weitere Infos im Anhang unten).

Das ist nun der vorläufige Höhepunkt des Politiker-Wahnsinns der Rasselisten und pauschalen Hunde-Verurteilungen, die fachlich bar jeder Grundlage sind. Hier werden Hunderassen als gefährlich diffamiert, von denen die allermeisten in den letzten 50 Jahren keinen einzigen ernsten Beissvorfall gegen Menschen, erst recht keinen tödlichen, vorzuweisen haben. Das Gesetz ist lediglich der politische Beißreflex auf die Untätigkeit und das offenkundige Versagen der Politik in der täglichen Praxis.

Anlass war die Tötung eines kleinen Mädchens durch vier Staffordshire Bullterrier im Mai dieses Jahres. Die 44-jährige Halterin, Tante des Mädchens, hatte dieses zusammen mit deren Großmutter und den vier Hunden unbeaufsichtigt, unangeleint und ungeschützt im Haus alleine gelassen. Die vier Hunde waren nicht angemeldet und deren Herkunft ungeklärt. Staatsanwalt Dirk Germerodt, Mühlhausen, konstatiert ferner: "Die Sozialisation dieser Tiere war nicht ausreichend, sie waren mehr oder weniger sich selbst überlassen."

Vollzugsdefizite

Ähnliche Verhältnisse waren auch in einem Dorf bei Wittenberg vorzufinden, wo ein Rottweiler ebenfalls ein kleines Mädchen zu Tode brachte: prekäres bis kriminelles Millieu, Hunde aus diffuser Herkunft, keine Sozialisation der Hunde, Vernachlässigung der Hunde. Auch in Wittenberg waren die Behörden völlig untätig, selbst eine Anzeige der Nachbarn wegen der Aggressivität des Hundes blieb folgenlos.
Ähnliches ist aus Halle zu berichten, wo der unangeleinte Hund eines mehrfach Vorbestraften, mitten in einem Wohngebiet das Pferd der Kutsche einer Stadtrundfahrt überfiel und biss. Der Halter floh mit dem Hund und konnte erst durch eine Fahndung ausfindig gemacht werden. Die Staatsanwaltschaft verzichtete aber auf ein Verfahren, es sei ja nur eine Ordnungswidrigkeit. Während die Entfernung nach einem kleinen Blechschaden auf dem Parkplatz des Supermarktes selbstverständlich als Fahrerflucht strafrechtlich verfolgt wird, wird geradezu ein Schutzmantel über die einschlägige Klientel mit Hund gelegt.

65 gefährliche Hunde werden illegal gehalten und die Behörden schauen zu

Der Innendezernet der Stadt Halle, Bernd Wiegand, erhebt diese behördliche Duldung illegaler und problematischer Hundehaltung gar zum Prinzip. Laut Gesetz in Sachsen-Anhalt als gefährlich geltende Hunde müssen einen Wesenstest ablegen. Von 135 offiziell in Halle erfassten, seien 65 nicht zum Wesenstest erschienen, trotz wiederholter Ladung und Fristsetzung, räumen die Behörden ein. Aber statt zu handeln, verweist Innendezernent Wiegand auf die vollen Tierheime, "dort gäbe es keinen Platz mehr, schon gar nicht für 65 gefährliche Hunde" und, so räumt er ein, die Dunkelziffer nicht angemeldeter "Kampfhunde" sei groß. Aber was solle er machen, die Erfahrung zeige, dass solche Halter ihre Strafen gewöhnlich eh nicht zahlten (Mitteldeutsche Zeitung, 25.09.2010, Lokalteil Halle). Nebenbei bemerkt: die Stadt Halle hat gerade eine Erhöhung der Hundesteuer um mehr als 10% für 2011 beschlossen.

Aber genau jene Klientel, deren rechtswidrige Hundehaltung der Innendezernet bewusst und öffentlich erklärt duldet, ist genau diejenige, von der die eigentlichen Gefahren mit Hund ausgeht. Solche Leute scheren sich eh nicht um die geltende Rechtslage, sei es Leinenzwang oder die Einstufung ihrer Hunde als "gefährlich". Der seriöse Hundehalter und die breite Masse der Hunde aber werden pauschal in Haftung genommen; denn hier gibt es was zu holen, hier haben die Behörden leichtes Spiel. Die Dame mit ihrem alten Mops, der ihr im Stadtpark unangeleint hinterhertrottet wird von der Stadt gnadenlos zur Kasse gebeten; 65 mit Namen und Adresse bekannte aber illegale Halter als gefährlich geltender Hund werden von genau denselben Behörden ganz offiziell in Ruhe gelassen (weiteres Beispiel aus Mönchengladbach und aus Krefeld).

Regelungsdefizite

Es gibt sicher keinen Mangel an rechtlichen und behördlichen Restriktionen gegen Hunde. Aber es gibt praktisch keine Regelungen, die an die Wurzel des Übels gehen. Zum einen bedarf es Mindeststandards für die Sozialisation und Haltung von Hunden. Mittlerweile gibt es zwar Regelungen für die Halter großer Hunde, die aber offensichtlich nicht umgesetzt werden, gerade da, wo es am nötigsten wäre. Ob aber die Hunde sozialisiert und artgerecht gehalten werden, bleibt außen vor. Zum anderen gibt es keinerlei Mindeststandards für die Zucht. Ein jeder kann zum Beispiel Rottweiler "züchten". Bei den Hinterhofzuchten wird kaum auf das Wesen der Hunde geachtet oder gar auf das Wesen der Welpenkäufer. Wesensprüfungen der Zuchthunde oder fachkundige Sozialisation der Welpen sind in diesen Kreisen ein Fremdwort. Ja es gibt "Zuchten", die in der Szene bekannt sind als solche mit "scharfen Hunden". Ein nicht unerheblicher Teil der Rottweiler-Population wurde so in den letzten zwei Jahrzehnten von ihrem Wesen her kaputt gezüchtet - von den Behörden völlig unbehelligt.

Verhältnismäßigkeit

Weil einige wenige Halter, die in der Regel eh keine einschlägig unbeschriebenen Blätter sind, verantwortungslos mit ihren Hunden umgehen, wird die ganze Hundewelt in Haftung genommen. Unabhängig davon entspricht die reale Gefahr, die von bestimmten Hunden ausgeht, nicht im geringsten dem Aufriss, der in den Medien und durch die Politik gemacht wird. Jeder Hundebiss geht mittlerweile durch die bundesweite Presse.
Ganz nebenbei sah ich dieser Tage in einem TV-Magazin einen Bericht über die Gefahren an den Stränden Mallorcas. An nur dem einen Strand im Bericht hatten in einem Jahr nicht weniger als sieben Urlauber ihr Leben verloren; das seien angeblich normale Zahlen. Gegen Menschen aggressive Hunde sollen nun nicht verniedlicht werden, doch kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Hunde für die Politik gerne als Bauernopfer für sonstiges Versagen derselben herhalten sollen. Wenn es um die potenziellen Gefahren ginge, müsste man im übrigen auch jedes Rind und jedes Pferd als "gefährliches Tier" einstufen. Und wenn es um die konkrete Verantwortung ginge, müssten die konkret handelnden Halter schlicht in Haftung genommen werden. Doch solche Leute handeln sich oft nur ihre x-te Vorstrafe ein, letztlich ohne Belang und Wirkung.

Anhang

Aus dem Gesetzentwurf der Landesregierung von Thüringen (CDU/SPD):

 § 2
Begriffsbestimmung

(1)    Als gefährliche Tiere im Sinne dieses Gesetzes gelten
1.    Tiere einer wildlebenden Art, die Menschen durch Körperkraft, Gifte oder Verhalten erheblich verletzen können und ihrer Art nach unabhängig von individuellen Eigenschaften allgemein gefährlich sind,
2.    gefährliche Hunde nach Maßgabe des Absatzes 2 sowie
3.    große Hunde nach Maßgabe des Absatzes 3.

(3)    Als große Hunde im Sinne dieses Gesetzes gelten Hunde, die ausgewachsen eine Widerristhöhe von mindestens 40 cm oder ein Gewicht von mindestens 20 kg erreichen (großer Hund). Auf große Hunde findet dieses Gesetz nach Maßgabe der §§ 13 und 16 Anwendung.


Hervorhebungen CJ
Quellen:  Gesetzentwurf als PDF  - Medieninfo der Landesregierung
Foto: Industrieverband Heimtierbedarf (IVH)

Mittwoch, 20. Oktober 2010

Petition gegen Hundehandel

Ich unterstützte die Petition "Verbot des gewerbsmäßigen Handels mit Hundewelpen"

Hier kann man die Petition ganz offiziell beim Deutschen Bundestag unterzeichnen.

(Meiner Meinung nach hätte man das Adjektiv "gewerbsmäßig"  oder "gewinnorientiert" weglassen können, da Handel per Definition immer auf einen Gewinn ausgerichtet ist, aber das ist hier ein untergeordneter Punkt.)

In mehreren Beiträgen habe ich auf die gefährlichen Folgen des Hundehandels und das hiermit verbundene Leid für Welpen wie Muttertiere hingewiesen:

Montag, 11. Oktober 2010

Verantwortung für den Collie

Ein Kommentar von Stephanie Noelle

Sehr geehrter Herr Jung,
ich finde beide inzwischen erschienenen Artikel (im Magazin HundeWelt, CJ) generell begrüßenswert und längst überfällig. Grundsätzlich kann ich Ihre Recherche bezüglich der Erbkrankheiten, von denen der Collie betroffen ist, nur bestätigen. Es gibt allerdings eine Ausnahme: Der Anteil an CEA-betroffenen Hunden ist mit 8% viel zu niedrig beschrieben. Er dürfte nach unseren Schätzungen bei ca. 60% liegen. Wir haben in unserem Club für Amerikanische Collies CfAC e.V. alle vom DOK für klinisch frei befundenen Collies zusätzlich einem Gentest unterzogen und haben dabei festgestellt, dass gut 60% der klinisch freien Hunde tatsächlich NICHT frei sind, sondern betroffen.

Aber unsere Ergebnisse sind nicht der eigentliche Grund, warum ich mich Ihnen gegenüber zu den Artikeln äußern möchte. Ich gehe mit Ihnen vollkommen konform, dass es die unbestrittene Aufgabe eines Zuchtvereines ist, die die Rasse belastenden Erbkrankheiten sicher zu diagnostizieren und mit einem entsprechenden Zuchtlenkungsprogramm zu bekämpfen und letztendlich zu eliminieren. Im Juni 2006 der Club für Amerikanische Collies e.V. gegründet.

Neue Zuchtordnung für den Collie

Wir haben eine Zuchtordnung erlassen, die es sich zur Hauptaufgabe macht, die Gesundheit und Wesensstärke des Collies zu verbessern und die in Europa (leider) bisher einzigartig ist. Jeder Zuchthund muss vor seiner Verwendung einen Wesenstest bestehen und wird genetisch getestet auf MDR1, PRA, GCS und CEA-CH. Weiter muss eine klinische DOK-Untersuchung auf alle anderen erblichen Augenerkrankungen vorliegen.

Und Zuchtlenkung in zwei Stufen

Das alleine ist ja ganz schön und gut, aber die Tests sind nur die Basis, um die erbliche Belastung eines Zuchttieres festzustellen, BEVOR ich mit ihm züchte. Jetzt kommen unsere Zuchtlenkungsprogramme zur Anwendung, die ganz klare Richtlinien beinhalten, welche Hunde ich auf Grund ihrer evtl. erblichen Belastungen miteinander verpaaren darf, und welche NICHT. Als wir vor vier Jahren begonnen haben, starteten auch wir mit Zuchthunden, die von MDR1 betroffen waren und die z.T. milde CEA hatten, von der wir nichts wussten weil, die klinische DOK-Untersuchung sie für frei befunden hatte und der Gentest noch nicht erhältlich war. Unser Focus lag daher auf der MDR1 Erkrankung, die durch den Gentest der Uni Gießen endlich sicher diagnostiziert werden konnte. Der Anteil an vom MDR1 Defekt direkt betroffenen Zuchthunden lag damals bei ca. 60%. Die erste Stufe unseres Zuchtlenkungsprogramms sah vor, den Anteil von betroffenen Welpen auf unter 25% zu drücken. Vom MDR1 Defekt betroffene -/- Hunde durften nur noch mit genetisch freien +/+ Hunden verpaart werden, lediglich heterozygote +/- Hunde durften noch miteinander verpaart werden. ALLE Welpen eines Wurfes mussten genetisch auf MDR1 getestet werden. Wenn ein Züchter sich einen künftigen Zuchtanwärter auswählte, dann  wurden genetisch freie +/+ Hunde bevorzugt, betroffene -/- Hunde kamen kaum mehr in die Auswahl. In den folgenden drei Jahren vollzog sich altersbedingt unter den Zuchthunden des Vereins ein Generationenwechsel, die neue Generation der Zuchthunde war zum größten Teil genetisch frei vom MDR1 Defekt +/+, bzw. heterozygoter Träger, also selber nicht betroffen.

Es geht: Collies frei vom MDR1-Gendefekt!

Dann trat Stufe zwei des Zuchtlenkungsprogramms in Kraft und seitdem muss mindestens ein Zuchtpartner  genetisch frei +/+ von MDR1 sein, so dass im CfAC e.V. KEINE VOM MDR1 BETROFFENEN WELPEN MEHR GEBOREN WERDEN!  Ich schildere unsere Vorgehensweise so ausführlich um darzulegen, dass es sehr wohl möglich ist, eine Erkrankung mit einem einfach dominant-rezessiven Erbgang wie bei MDR1, PRA, GCS und CEA-CH innerhalb kürzester Zeit in den Griff zu bekommen und ausschließlich klinisch freie Welpen zu züchten.

Ohne Inzucht oder Linienzucht

Dabei mussten wir keineswegs auf Linienzucht oder gar Inzucht zurückgreifen, obwohl unsere Population im Vergleich zu den FCI-Hunden sehr klein ist. Es geht auch nicht darum, betroffene Hunde aus dem Zuchtgeschehen zu eliminieren, sondern sie verantwortungsvoll anzupaaren und so trotzdem ihre Qualitäten zu erhalten und den Genpool nicht einzuschränken. Inzwischen gibt es den erwähnten CEA-CH Gentest, der uns den realen Ist-Zustand der CEA-Belastung unserer Hunde erfassen lässt und der nun wiederum ein Zuchtlenkungsprogramm speziell für CEA zu Folge hat, das ähnlich dem zur Bekämpfung des MDR1 Defektes ist. Was PRA und GCS betrifft, so sind alle getesteten Hund bisher erblich unbelastet, was auch zu unbelasteten und gesunden Welpen führt.
Jedes Jahr werden bei uns im Club  mehr und mehr genetisch komplett unbelastete (sog. non-carrier) Welpen für ALLE vier Erkrankungen wie MDR1, CEA, PRA und GCS geboren, die in den nächsten Jahren unsere Bemühungen weiter voranbringen und die Zucht weiter verbessern werden. Züchten heißt veredeln und nicht vermehren. Es ist möglich! Wir praktizieren es täglich. Schade nur Herr Jung, dass Sie unsere Arbeit und unsere Erfolge unerwähnt ließen und sich gänzlich auf das Negativbeispiel der VDH-Vereine konzentriert hatten.

Mit freundlichen Grüßen

Stephanie Noelle

1. Vorsitzende CfAC e.V.

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Anmerkung CJ: Ich freue mich, dass es solche positiven Beispiele aus dem Zuchtgeschehen gibt. Es geht also! (Die Zwischenüberschriften im Text stammen von mir; die Fotos von Frau Noelle)
 
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