Samstag, 9. Januar 2010

Keinen Spielraum für MDR1-Defekt lassen

Ein Gastbeitrag von Kris Klemme

Joscha war mein zweiter Collie.
Er hatte mich fast 12 Jahre begleitet - durch´s Studium, auf Wanderungen am Niederrhein und auf Bergtouren in den Alpen. Mit acht Jahren hat er eine neue Hüfte bekommen, ich hoffte noch auf viele gute Jahre. Doch es kam anders.
Ich dachte, ich würde meinem Collie helfen, als er im Dezember 2002 eine Tablette gegen sein Harntröpfeln bekam. Etwa 12 Stunden später war er tot.

Eine Medikamentenempfindlichkeit beim Collie ist schon lange bekannt. "Ivermectinempfindlichkeit" nannte man sie lange und dachte nur wenig an andere, ebenfalls gefährliche Wirkstoffe. Dann wurde ein Gendefekt entdeckt. Den betroffenen Hunden fehlt ein wichtiges Eiweiß, Stoffwechsel und Streßregulation sind gestört. Viele Fremdstoffe wie z. B. in Medikamenten werden nicht mehr ordentlich transportiert und können den Hund vergiften. Das kann zum Koma führen, zum Tod.
2004 fand dazu eine Studie der Universität Gießen statt, die diesen Defekt auch in Deutschland bekannt machte. Das Ergebnis: Etwa jeder dritte Collie (Lang- und Kurzhaar) ist betroffen (wie mein Finn), und auch bei einigen mit dem Collie verwandten Rassen taucht der Defekt auf. Aber der Erbgang ist bekannt - und ein Herauszüchten damit kein Problem.

Was war ich damals dumm, als ich erwartet habe, dass jetzt die Vereine diesen Defekt bekämpfen würden und die Öffentlichkeit informieren, damit niemand mehr erleben müsste, was ich erleben musste.
Denn was ist in den über fünf Jahren seitdem geschehen? Zu viele Züchter und besonders Funktionäre verharmlosen den Defekt, ignorieren wissenschaftliche Erkenntnisse und haben - so wie es aussieht - vor allem eines getan: vom Defekt betroffene Hunde (Testergebnis MDR1 -/-) vermehrt!
Was den Kritikern unter den Züchtern und Besitzern widerfahren ist, denen, die den Defekt längst vermeiden, haben sicher einige schon selber erlebt.

Finn

Das Thema wurde bereits Anfang 2006 an den VDH gegeben, dort im Wissenschaftlichen Beirat besprochen, eine klare Zuchtstrategie wurde benannt, um auch diesen Defekt züchterisch zu bekämpfen. Und gegenüber den Vereinen, die immer noch nicht einmal freiwillig testen und den Defekt vermeiden, wurde im Sommer 2009 ein Machtwort gesprochen - vom MDR1-Defekt betroffene Welpen sollten mittels einer einfachen Zuchtvorschrift vermieden werden. Doch dann wurde dieser in meinen Augen längst überfällige und richtungsweisende Beschluss kurz darauf wieder aufgehoben. In der Begründung dazu wurden u.a. Bedenken hinsichtlich der "Zuchtbasis" und der "genetischen Diversität der Rassen" geäußert. Ja, weiß denn der VDH nicht, dass es lediglich darum geht, ein unerwünschtes Allel aus dem Genpool zu entfernen? Ein Allel, das nur Schaden anrichtet, dem Hund den Tod und den Besitzern Leid und Kosten bringen kann? Wie soll da die "Zuchtbasis" oder gar die "Diversität der Rassen" gefährdet sein?

Auf den Homepages der betroffenen Colliezuchtvereine heißt es nun z. B.: "In einem konstruktiven Gespräch haben der VDH, der CfBrH und der DCC gemeinsam ein für einen längeren Zeitraum geplantes Screening der Zuchthunde mit Beginn 01.01.2010 vereinbart." Gerüchten zufolge soll dies für drei Jahre (!!!) gelten.
Mehrmalige Nachfragen beim VDH nach einer nachvollziehbaren Begründung für die Aufhebung des ursprünglichen Beschlusses brachten nur den Hinweis, dass "ein angemessenes Vorgehen" im "Abstimmungsprozess" sei bzw. dass "aufgrund der Komplexität der Thematik und des nicht abgeschlossenen Prozesses der Datenermittlung und der ausstehenden endgültigen Entscheidungen" keine Antwort möglich sei.
Ja, weiß denn der VDH nicht, dass zum Herauszüchten die Kenntnis der einfachen Mendelschen Regeln ausreicht?

Und ob nun "längerer Zeitraum", "drei Jahre" oder "Abstimmungsprozess" - Fakt ist, dass auch im VDH weiterhin vom MDR1-Defekt betroffene Welpen auf die Welt kommen werden.

Wie ein Hund aufgrund eines notwendigen Medikamentes stirbt, habe ich erlebt. Wie es ist, mit einem vom MDR1-Defekt betroffenen Hund zusammen zu leben, erlebe ich täglich. Aufgrund dieser Erfahrungen kann ich nur allen zukünftigen Besitzern raten: Kauft keinen vom MDR1-Defekt betroffenen Hund! Unterstützt niemanden, der defekte Hunde vermehrt! Unterstützt die Züchter, die offen mit dem Thema umgehen, ihre Testergebnisse veröffentlichen und so verpaaren, dass keine Welpen fallen, die MDR1 -/- sind! Sucht euch euren Züchter nicht nach Vereinszugehörigkeit aus, sondern nach dessen Charakter und Verantwortungsgefühl gegenüber seinen Welpen und Käufern!

Und bittet den VDH, den ursprünglichen Beschluss umgehend wieder einzusetzen!

Denn ich wünsche mir nur eines: Dass der VDH ganz klar und konsequent bei seiner Linie bleibt, damit kein Mensch mehr erleben muss, was ich erleben musste. Und dass kein Züchter mehr die Gelegenheit bekommen wird, das Leben von Hunden auf´s Spiel zu setzen.


Kris Klemme, Besitzerin von Finn (MDR1 -/-)
 
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