Laut Medienberichten wird eine Mitschuld bei der Halterin gesehen, weil sie die Sozialisation der Hunde vernachlässigt habe. Argumentation der Staatsanwaltschaft: "Demnach hätte sie bei ordnungsgemäßer Haltung und Sozialisierung der Tiere die Gefahr absehen und vermeiden können. Stattdessen aber habe sie die vier Kampfhunde am Tag der Tat sich selbst überlassen." (MDR) Und die Thüringer Allgemeine berichtet: "Das Versagen Dritter sei nicht entscheidend gewesen. Es sei die Angeklagte gewesen, die mit der Haltung eines Hunderudels, das sich im Haus und auf dem Gundstück frei bewegte, die Gefahr gesetzt und aufrecht erhalten habe. Die Richterin verglich die Hunde mit einer Waffe, die im Haus ebenfalls so gelagert werden müsse, dass niemand dadurch zu Schaden komme."
Diese Argumentationslinie ist im Kern ein Pladoyer für die Rechte der Hunde. Ihnen wird das Recht zugestanden, sozialisiert zu werden. Zugleich wird die Verpflichtung des Halters betont, Sorge dafür zu tragen, dass die Hunde keinen Schaden anrichten können. In den Argumentationen der Gerichte bei früheren Urteilen war lediglich ein Fehlverhalten der Halter im akuten Fall unterstellt worden und so auch praktisch keine Schuld. Schuld wurde in Hunden allgemein gesucht, entsprechend reflexartig die Restriktionen gegen Hunde verschärft.
Recht der Hunde auf Sozialisation
Das Thema Sozialisation der Hunde wird in weiten Gebieten unserer Gesellschaft ausgeblendet. Man erwartet zwar von den Hunden, dass sie sich astrein in jeder Lage benehmen, aber eine Verantwortung des Menschen hierzu wird faktisch geleugnet. Das wurde zuletzt im Januar deutlich bei der Argumentation zur angeblichen Rechtmäßigkeit der Versteigerung von Hunden. Das Thema Sozialisation wurde von Amtstierarzt wie allen anderen staatlichen Organen völlig ausgeblendet. Auch Frank Weber von HundKatzeMaus/Vox blendete es in seinem Bericht aus, obwohl er mit mir genau hierzu ein Interview vor der Kamera geführt hatte. Das Thema Sozialisation der Hunde hat aber imense Bedeutung nicht zuletzt angesichts der immer massiveren Tendenz, Hunde nur noch als Ware und Konsumobjekt zu behandeln.
Lex Baiuvariorum um 800 (Bild Wikipedia) |
Und der Herr büße die Tat des Hundes zur Hälfte
Unsere Ahnen waren da schon viel weiter. Die Mitverantwortung des Halters für die Taten seines Hundes war im Recht der späten Germanen klar geregelt. Das 1.200 Jahre alte Lex Baiuvariorum legt in seinem § 9 folgenden Grundsatz fest: "Und der Herr büße die Tat des Hundes zur Hälfte so, als er sie selbst begangen hätte." Dieses alte Recht, baut auf der Partnerschaft auf. Mit gefangen, mit gehangen. Nach heutigem Recht hält sich der Mensch dagegen schadlos, bürdet die Lasten dem Hund alleine auf und stielt sich selbst aus der Verantwortung. Das Amtsgericht Nordhausen hat hier im Sinne dieser alten Rechtsauffassung geurteilt.