Wie Karin Burger vom Doggenetz in einem aktuellen Beitrag notiert, ist der Handel mit Hundewelpen auch im Zoohandel Deutschlands bereits seit langem Praxis:
http://www.doggennetz.de/index.php?option=com_content&view=article&id=286:aua140-zoo-zajac-ist-nicht-der-erste-&catid=35:aua&Itemid=53
Zoo Zajac ist leider wohl der mit Abstand größte Händler beim Thema Hund, aber längst nicht der erste. Wenn wir Tierschutz in Deutschland nur ein wenig ernst nehmen würden, so müsste man umgehend die Gesetzeslage ändern. Tierschutz vorort, nicht mit Hundkatzemaus (sprich der Hunde-Fastfood-Industrie) auf die vermeintlich bösen Spanier ablenken lassen.
Dienstag, 31. Mai 2011
Dienstag, 17. Mai 2011
Bulldogs in Geschichte und Gegenwart
Gerade ist mein neues Buch erschienen. Es geht um eine sehr alte Hunderasse, die zugleich die erste Rasse der modernen Rassehundezucht ist, den Bulldog: "Bulldogs in Geschichte und Gegenwart". Ich hatte nun das Glück, von frühester Kindheit an mit Bulldogs aufgewachsen zu sein. Und ich hatte das Pech, dass mir eine Hunderasse ans Herz gewachsen ist, der die Zucht spätestens seit Mitte der 1970er Jahre die Gesundheit geraubt hat. Aber der Bulldog ist es wert, für ihn Partei zu ergreifen und für seine Zukunft zu kämpfen.
Bulldogs sind charmante Charaktertypen
Der Bulldog gilt nicht zufällig seit langem als der Nationalhund der Briten, der mit John Bull die guten Tugenden der Nation verkörpern soll. Kein anderer Hund, ja kein anderes Tier wird so häufig als Symbol bei Filmen, Sportvereinen, in der Werbung, bei Namen für Autos, Traktoren, Motorräder, Flugzeuge oder Schiffe, ja selbst japanische Fastfood (s.Abb) und unüberschaubar vielen weiteren Gelegenheiten gebraucht. Der Bulldog ist ein Spiegel der Menschheit. Seit nachweisbar über 300 Jahren wird das auch bewusst genutzt, selbst in der Politik. Kaum ein Krieg des British Empire seit Queen Elisabeth I. bei dem nicht an den Mut und Kampfgeist des Bulldogs appelliert wurde. Der Bulldog ist ein ganz besonderer Charaktertyp. Die Erklärung findet man in seiner Historie.
Gladiator in den Pits und Arenen
Tierkämpfe haben eine uralte Tradition, die man locker über mehr als 2.500 Jahre nachweisen kann. Hunde waren effektvolle und zugleich billige Gladiatoren für diese grausamen Spektakel der antiken und mittelalterlichen Unterhaltungsbranche. Der römische Schriftsteller Claudian beschreibt im Jahr 390 die britischen Hunde als "stark genug, das Genick eines großen Stieres zu brechen". Auch die typisch bulldoggige Kampfesweise dieser Hunde ist von Claudian dokumentiert: "Der britische Hund, der die Schnauze des Stieres auf den Boden bringt." Konsul Quintus Aurelius Symmachus berichtet von britischen Bullen-Hunden im Kolosseum. Hier findet man um 400 auch die erste schriftliche Verwendung der Bezeichnung "Bulldog", natürlich in der damaligen Sprache Latein.
Der heutige Bulldog stammt in direkter Linie von diesen echten Kampfhunden ab. Schon damals konnte man mit einem Champion der Arenen ein Vermögen machen und so wurden die Hunde über Jahrhundete auf Spitzenleistungen im Kampf gezüchtet. Aber das nicht allein. Ein solcher Kampfhund wäre viel zu gefährlich, selbst für seinen Besitzer und die Richter im Pit, wenn er nicht zugleich eine extrem hohe Kontrollierbarkeit, Gelassenheit und Freundlichkeit zu Menschen hätte. Diese beiden Antagonisten machten den echten Kampfhund aus, jederzeit kontrollierbar und außerhalb des Pits lammfromm. Phlegma und Leidenschaft nennt es 1903 der Hundemaler und Kynologe Richard Strebel, selbst Bulldog-Halter und Mitbegründer des deutschen Bulldog-Vereins. Phlegma zwischen den Kämpfen und beim Gong in der Arena in Sekundenbruchteilen mit 150% in den Kampf um Leben und Tod. Dem Bulldog blieb schon damals an Grausamkeiten durch den Menschen nichts erspart.
Es ist ein Verdienst der modernen Rassehundezucht, dass aus dem Kämpfer nach 1840 ein Begleiter wurde und die eine Seite seines Erbes, die Gelassenheit und das wetigehende (s.u.) Fehlen von Aggressivität gegenüber Menschen zu den bestimmenden Eigenschaften wurde. Doch noch immer ist das alte Erbe lebendig. Bulldogs kämpfen auch heute noch ritualisiert auf besondere Art. Gerne wird auch ein Besen zum Stier der Arenen erklärt und dann wie damals attackiert. Scheinbar tief schlafend kann der Bulldog auf dem Sofa liegen, um dann ganz plötzlich mit erstaunlicher Schnelligkeit und grollendem Bass einem (vermeintlichen) Störenfried entgegenzuschießen. Seine Entschlossenheit lässt keine Zweifel und es gibt zahlreiche Berichte, dass Bulldogs ihre Familie in der Not ohne Rücksicht auf das eigene Leben beschützen.
Bulldogs sind sehr emotional und zeigen ihre Freude überaus deutlich, genau wie ihren Groll. Aber Bulldogs haben nicht nur das Kampfhunde-Erbe in sich. Die breite Mehrheit der Bulldogs arbeitete früher als Wachhunde der großen Gehöfte (Bandogs, Kettenhunde genannt), als Treibhunde der Rinderhirten, als Schutzhunde der Händler und die Saupacker des Adels. All diese Eigenschaften finden wir auch heute noch im Bulldog. Das Ganze wird beherrscht durch ein überaus menschenfreundliches, dem Menschen zugewandtes Wesen. Der Bulldog ist dabei in einem Zwiespalt. Einerseits hat er einen starken Eigensinn und ist nie unterwürfig, andererseits gibt er alles, um mit Herrchen und Frauchen ein inniges Verhältnis zu pflegen. Diese Mischung erzeugt den besonderen Charme des Bulldogs, an den ich nun seit mehr als 50 Jahren mein Herz verloren habe. Der Bulldog, der gesunde Bulldog, ist ein idealer Begleiter auch für die heutige Zeit. Und selbst heutigen Convenience-Ansprüchen mag er genügen. Er braucht keine Arbeitsaufgaben, ist mit einem halbstündigen Spaziergang im Grünen meist zufrieden (er liebt aber auch längere Touren, wenns nur nicht zu warm ist) und kann problemlos mit auf Reisen oder in eine Gaststätte genommen werden. Nur eines braucht er - die Liebe von Frauchen und Herrchen.
Kein Hochglanz-Werbeprospekt
Im Sommer 2009 sprach mich der Kynos Verlag an, ob ich nicht Interesse hätte, ein neues Buch zum Bulldog zu schreiben. Ich wies die Geschäftsführerin Frau Rau darauf hin, dass sie von mir keine aalglatte Hochglanz-Werbebroschüre erwarten könne, dass ich durchaus sehr kritisch zum heutigen Zuchtgebaren stünde. Frau Rau wusste Bescheid und sie wollte ein ehrliches Buch. Ich nahm gerne an und sie hielt Wort. Ich brauchte nicht sonderlich lange. Recherchearbeit war kaum mehr notwendig, da ich bereits seit vielen Jahren ein umfangreiches Archiv aufgebaut habe. Und inhaltlich wusste ich schon lange, was ich schreiben wollte und musste.
Geheimnis Rassehund
Das eigentliche Problem war, dass es eine Werbung für diese so wunderbaren Hunde werden sollte - aber ohne Beschönigungen. Gerade wenn man die Hunde liebt, muss man Missstände schonungslos aufdecken und eine Änderung derselben zum Wohle der Hunde einfordern. Ob das gelungen ist, muss der Leser entscheiden.
Die Geschichte des Bulldogs ist auch ein Blick in die Geschichte der Menschheit wie auch unserer Hunde allgemein. Man versteht viel besser, was nun den Rassehund ausmacht. In all den verschiedenen Hunderassen sind jeweils besondere Pakete von Eigenschaften lebendig, die das Erbe ihrer speziellen Aufgaben im Dienste unserer Vorfahren konzentrieren. Jede Hunderasse hat ihr besonderes Paket, jeweils einzigartig. Und jeder Rassehund erzählt damit eine eigene Facette der Partnerschaft in der meist harten gemeinsamen Arbeit von Mensch und Hund. Diese Vielfalt letztlich auch unseres eigenen kulturellen Erbes gilt es zu erhalten. Ob das beim Bulldog noch gelingt, darf bezweifelt werden angesichts der Ignoranz der breiten Mehrheit seiner Züchter, der Zuchtverbände und wohl auch mancher "Liebhaber" - selbst heute noch. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt.
Bulldogs sind charmante Charaktertypen
Der Bulldog gilt nicht zufällig seit langem als der Nationalhund der Briten, der mit John Bull die guten Tugenden der Nation verkörpern soll. Kein anderer Hund, ja kein anderes Tier wird so häufig als Symbol bei Filmen, Sportvereinen, in der Werbung, bei Namen für Autos, Traktoren, Motorräder, Flugzeuge oder Schiffe, ja selbst japanische Fastfood (s.Abb) und unüberschaubar vielen weiteren Gelegenheiten gebraucht. Der Bulldog ist ein Spiegel der Menschheit. Seit nachweisbar über 300 Jahren wird das auch bewusst genutzt, selbst in der Politik. Kaum ein Krieg des British Empire seit Queen Elisabeth I. bei dem nicht an den Mut und Kampfgeist des Bulldogs appelliert wurde. Der Bulldog ist ein ganz besonderer Charaktertyp. Die Erklärung findet man in seiner Historie.
Gladiator in den Pits und Arenen
Tierkämpfe haben eine uralte Tradition, die man locker über mehr als 2.500 Jahre nachweisen kann. Hunde waren effektvolle und zugleich billige Gladiatoren für diese grausamen Spektakel der antiken und mittelalterlichen Unterhaltungsbranche. Der römische Schriftsteller Claudian beschreibt im Jahr 390 die britischen Hunde als "stark genug, das Genick eines großen Stieres zu brechen". Auch die typisch bulldoggige Kampfesweise dieser Hunde ist von Claudian dokumentiert: "Der britische Hund, der die Schnauze des Stieres auf den Boden bringt." Konsul Quintus Aurelius Symmachus berichtet von britischen Bullen-Hunden im Kolosseum. Hier findet man um 400 auch die erste schriftliche Verwendung der Bezeichnung "Bulldog", natürlich in der damaligen Sprache Latein.
Bull-Baiting um 1820 aus: Sammlung Dr.Fleig Stiftung |
Es ist ein Verdienst der modernen Rassehundezucht, dass aus dem Kämpfer nach 1840 ein Begleiter wurde und die eine Seite seines Erbes, die Gelassenheit und das wetigehende (s.u.) Fehlen von Aggressivität gegenüber Menschen zu den bestimmenden Eigenschaften wurde. Doch noch immer ist das alte Erbe lebendig. Bulldogs kämpfen auch heute noch ritualisiert auf besondere Art. Gerne wird auch ein Besen zum Stier der Arenen erklärt und dann wie damals attackiert. Scheinbar tief schlafend kann der Bulldog auf dem Sofa liegen, um dann ganz plötzlich mit erstaunlicher Schnelligkeit und grollendem Bass einem (vermeintlichen) Störenfried entgegenzuschießen. Seine Entschlossenheit lässt keine Zweifel und es gibt zahlreiche Berichte, dass Bulldogs ihre Familie in der Not ohne Rücksicht auf das eigene Leben beschützen.
100 Jahre Bulldog - rechts Ideal-Bulldog nach Strebel 1903, links Lady von 2009 |
Bulldogs sind sehr emotional und zeigen ihre Freude überaus deutlich, genau wie ihren Groll. Aber Bulldogs haben nicht nur das Kampfhunde-Erbe in sich. Die breite Mehrheit der Bulldogs arbeitete früher als Wachhunde der großen Gehöfte (Bandogs, Kettenhunde genannt), als Treibhunde der Rinderhirten, als Schutzhunde der Händler und die Saupacker des Adels. All diese Eigenschaften finden wir auch heute noch im Bulldog. Das Ganze wird beherrscht durch ein überaus menschenfreundliches, dem Menschen zugewandtes Wesen. Der Bulldog ist dabei in einem Zwiespalt. Einerseits hat er einen starken Eigensinn und ist nie unterwürfig, andererseits gibt er alles, um mit Herrchen und Frauchen ein inniges Verhältnis zu pflegen. Diese Mischung erzeugt den besonderen Charme des Bulldogs, an den ich nun seit mehr als 50 Jahren mein Herz verloren habe. Der Bulldog, der gesunde Bulldog, ist ein idealer Begleiter auch für die heutige Zeit. Und selbst heutigen Convenience-Ansprüchen mag er genügen. Er braucht keine Arbeitsaufgaben, ist mit einem halbstündigen Spaziergang im Grünen meist zufrieden (er liebt aber auch längere Touren, wenns nur nicht zu warm ist) und kann problemlos mit auf Reisen oder in eine Gaststätte genommen werden. Nur eines braucht er - die Liebe von Frauchen und Herrchen.
Kein Hochglanz-Werbeprospekt
Im Sommer 2009 sprach mich der Kynos Verlag an, ob ich nicht Interesse hätte, ein neues Buch zum Bulldog zu schreiben. Ich wies die Geschäftsführerin Frau Rau darauf hin, dass sie von mir keine aalglatte Hochglanz-Werbebroschüre erwarten könne, dass ich durchaus sehr kritisch zum heutigen Zuchtgebaren stünde. Frau Rau wusste Bescheid und sie wollte ein ehrliches Buch. Ich nahm gerne an und sie hielt Wort. Ich brauchte nicht sonderlich lange. Recherchearbeit war kaum mehr notwendig, da ich bereits seit vielen Jahren ein umfangreiches Archiv aufgebaut habe. Und inhaltlich wusste ich schon lange, was ich schreiben wollte und musste.
Geheimnis Rassehund
Das eigentliche Problem war, dass es eine Werbung für diese so wunderbaren Hunde werden sollte - aber ohne Beschönigungen. Gerade wenn man die Hunde liebt, muss man Missstände schonungslos aufdecken und eine Änderung derselben zum Wohle der Hunde einfordern. Ob das gelungen ist, muss der Leser entscheiden.
Qualzucht-Bulldog - im Sonderband des "The Bulldog Club" zum 125j. Jubiläum 2000 |
Die Geschichte des Bulldogs ist auch ein Blick in die Geschichte der Menschheit wie auch unserer Hunde allgemein. Man versteht viel besser, was nun den Rassehund ausmacht. In all den verschiedenen Hunderassen sind jeweils besondere Pakete von Eigenschaften lebendig, die das Erbe ihrer speziellen Aufgaben im Dienste unserer Vorfahren konzentrieren. Jede Hunderasse hat ihr besonderes Paket, jeweils einzigartig. Und jeder Rassehund erzählt damit eine eigene Facette der Partnerschaft in der meist harten gemeinsamen Arbeit von Mensch und Hund. Diese Vielfalt letztlich auch unseres eigenen kulturellen Erbes gilt es zu erhalten. Ob das beim Bulldog noch gelingt, darf bezweifelt werden angesichts der Ignoranz der breiten Mehrheit seiner Züchter, der Zuchtverbände und wohl auch mancher "Liebhaber" - selbst heute noch. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt.
Mittwoch, 11. Mai 2011
Hundezucht im VDH - Worte und Taten #1
Erst kürzlich hatte ich dem Präsidenten des Verbandes für das deutsche Hundewesen (VDH) Prof.Dr. Peter Friedrich zu seinem wegweisenden Artikel "Zuchtstrategien und ihre Anwendung" gratuliert, in dem er Missstände in der Hundezucht anspricht und tragfähige Lösungswege umreißt. Man weiß im VDH also, wie es gehen könnte: gesunde, vitale und wesensfeste Rassehunde züchten, denen alle Türen zu einem fröhlichen und langen Hundeleben offen stehen. Das hat mich wirklich gefreut.
"Allein mir fehlt der Glaube" hatte ich ebenfalls angeführt, denn die Worte von Friedrich prallen nur allzu hart auf eine zuweilen diametral gegensätzliche Praxis. Daher muss man den VDH allein an seinen Taten messen. Und das werde ich hier immer wieder tun, ganz konkret und nachvollziehbar. Gerne werde ich Erfolgsmeldungen verkünden, liebend gerne. Denn hinter jeder anderen Meldung stecken traurige Hundeschicksale, allein von Menschen erzeugtes Tierleid. Und mit ihren Hunden leiden auch Menschen. Ich weiß wovon ich spreche.
Heute: Thema Bulldog
Nachdem nun die Qualzuchterscheinungen bei dieser ersten Rasse der modernen Hundezucht inzwischen unübersehbar geworden sind, wurde er und 13 weitere Hunderassen2008 von der BBC auf eine Qualzuchtliste gestellt. Der für den Standard des Bulldogs seit 1875 verantwortliche Kennel Club hatte bereits Ende 2008 umfassende Maßnahmen zur Gesundung angekündigt. 2009 legte er unter anderem einen überarbeiteten Standard vor, der keinen Raum mehr für die tierquälerischen Übertreibungen seiner Zucht lässt. Ende 2010 wurde dieser von der FCI offiziell verabschiedet und ist seither für alle Bulldog-Züchter der FCI verbindlich. Zugleich gab es klare Anweisungen zum Richten der Hunde, die tatsächlich und sehr erfreulich auf das Wohl der Hunde ausgerichtet sind. Doch die breite Masse der Züchter hatte nichts Besseres zu tun, als sich laut schreiend und massiv gegen jede Maßnahme im Interesse der Hunde zu wenden. Namentlich die britischen Zuchtvereinen aber auch der VDH-Club machten und machen Stimmung gegen die Maßnahmen des Kennel Clubs und der FCI. Züchter und Halter, die den neuen Standard verteidigten wurden zugleich als Züchter von Hänflingen und Boxern diffamiert.**
Wo steht nun der VDH?
Vertreter der Qualzucht als VDH-Europasieger-Richter
Man sollte sich einmal anschauen, welchen Bulldog Darmanin auch heute noch propagiert. Es ist genau der übertypisierte, extreme Hund, der nicht richtig atmen kann, der nicht frei laufen kann, der nur noch per Kaiserschnitt geboren werden kann. Genau der Bulldog, den man als bemitleidenswertes Zeugnis perverser Fehlentwicklungen der Spezies Mensch bezeichnen muss. Ein solch extremer Typ Bulldog wurde im übrigen erst seit Mitte der 1970er Jahre gezüchtet und ist auch nur mit Hilfe der modernen Tiermedizin überhaupt machbar und lebensfähig. Auch Teile der Tiermedizin spielen hier keine rühmliche Rolle. Die Praxis beim Extrem-Bulldog widerspräche sogar der Standes-Ethik der Veterinäre, wie jüngst Berry Spruijt, Professor für Tierschutz an der Universität Utrecht, feststellt und auch juristische Maßnahmen gegen diese Zuchtpraxis fordert (Dokumentation "Einde van de rashond").
Mit einer Untersuchung im Auftrag des Kennel Clubs haben Wissenschaftler die Kaiserschnittquoten verschiedener Hunderassen festgestellt. Für den Bulldog wurde eine Kaiserschnittquote von nicht weniger als 86,1% ermittelt nur noch getoppt von den 92% beim Boston Terrier, der Rasse von Jahrhundert-Richterin Wildman. (Proportion of litters of purebred dogs born by caesarean section, Feb 2010). Allein solche Quoten disqualifizierten Leute wie Wildman und Darmanin als Richter wie auch als Züchter, zumal wenn sie solche Fehlentwicklungen nicht nur mitverantworten vielmehr auch noch direkt oder indirekt verteidigen.
Hundezucht und Tierschutz schauen zu bei 86% Kaiserschnittquote
Der eigentliche Skandal ist, dass solche Verhältnisse in der Hunde- und Tierschutzwelt praktisch ohne Protest hingenommen werden und von Zuchtverbänden wie im VDH gar faktisch verteidigt werden, was nun wieder einmal praktisch demonstriert wurde. Und wir haben hier ja noch nicht einmal von dem ganzen Leiden gesprochen, das den Hunden durch die Extremzucht seit 30 Jahren angetan wird, zum Beispiel von Atemnot und Hitzestau wie sie gerade bei Wetterlagen wie heute den Hunden solcher Zuchten das Leben zur Qual werden lässt...
* Man sollte sich einmal die Auslassungen dieses VDH-Europasieger-Richters 2011 zum neuen Standard anschauen, in denen er keinen Zweifel lässt, wo er auch heute noch steht. Ein führender Vertreter der Qualzucht.
"By comparing the illustrations of the current standard and those of the proposed interim standard we can see that all the breed hallmarks which make up the Bulldog of today will be gone." Das beweist nur, dass dieser Richter lediglich die letzten 30 (Qualzucht-)Jahre aus der Geschichte dieser uralten Rasse zur Kenntnis genommen hat.
Alle Fotos sind Screenshots aus Darmanin Website vom 11.05.2011 http://www.sutusbulldogs.co.uk/
**Nachtrag
Noch bis heute, 15.Mai 2011 12h, wird der alte, ungültige Standard auf der Website des VDH-Vereins propagiert. Während man die Ergebnisse der Dortmunder Show im Detail auflistet und bereits mit "namhaften Richtern" für die nächsten Shows wirbt, hatte man offenbar nicht die Zeit, den neuen gültigen FCI-Standard per Copy&Paste aus der seit Januar vorliegenden offiziellen deutschen Übersetzung in die Website des VDH-Vereins einzustellen.
"Allein mir fehlt der Glaube" hatte ich ebenfalls angeführt, denn die Worte von Friedrich prallen nur allzu hart auf eine zuweilen diametral gegensätzliche Praxis. Daher muss man den VDH allein an seinen Taten messen. Und das werde ich hier immer wieder tun, ganz konkret und nachvollziehbar. Gerne werde ich Erfolgsmeldungen verkünden, liebend gerne. Denn hinter jeder anderen Meldung stecken traurige Hundeschicksale, allein von Menschen erzeugtes Tierleid. Und mit ihren Hunden leiden auch Menschen. Ich weiß wovon ich spreche.
Heute: Thema Bulldog
Nachdem nun die Qualzuchterscheinungen bei dieser ersten Rasse der modernen Hundezucht inzwischen unübersehbar geworden sind, wurde er und 13 weitere Hunderassen2008 von der BBC auf eine Qualzuchtliste gestellt. Der für den Standard des Bulldogs seit 1875 verantwortliche Kennel Club hatte bereits Ende 2008 umfassende Maßnahmen zur Gesundung angekündigt. 2009 legte er unter anderem einen überarbeiteten Standard vor, der keinen Raum mehr für die tierquälerischen Übertreibungen seiner Zucht lässt. Ende 2010 wurde dieser von der FCI offiziell verabschiedet und ist seither für alle Bulldog-Züchter der FCI verbindlich. Zugleich gab es klare Anweisungen zum Richten der Hunde, die tatsächlich und sehr erfreulich auf das Wohl der Hunde ausgerichtet sind. Doch die breite Masse der Züchter hatte nichts Besseres zu tun, als sich laut schreiend und massiv gegen jede Maßnahme im Interesse der Hunde zu wenden. Namentlich die britischen Zuchtvereinen aber auch der VDH-Club machten und machen Stimmung gegen die Maßnahmen des Kennel Clubs und der FCI. Züchter und Halter, die den neuen Standard verteidigten wurden zugleich als Züchter von Hänflingen und Boxern diffamiert.**
Wo steht nun der VDH?
Der linke Bulldog ist der einzig echte für VDH-Europasieger-Richter Darmanin. Wie solche breiten Schultern durch solch schmale Hüften geboren werden sollen, sagt er nicht. (s.u.*) Screenshot aus Darmanin Website vom 11.05.2011http://www.sutusbulldogs.co.uk/ |
Es ist mir nicht bekannt, dass der VDH auch nur ansatzweise sein Gewicht für die Maßnahmen des Kennel Clubs geltend gemacht hätte. Leider ganz im Gegenteil. Schon 2009 wurde mit Carol Newman eine ausgemachte und führende Gegnerin eines gemäßigten, gesunden Bulldogs als Richterin auf die VDH-Europasieger-Show berufen. Nun, da konnte man noch formal argumentieren, dass der neue Standard noch nicht von der FCI verabschiedet worden sei. Doch auch jetzt am Wochenende - nachdem die FCI sich klar für die Gesundung des Bulldogs positioniert hat - wieder das gleiche Bild. Mit Ann Wildman (GB) als Richterin für die FCI Jahrhundert-Show und Anthony Darmanin (GB) als Richter der VDH-Europasieger-Show wurden zwei erklärte Gegner des neuen Standards berufen. Tony Darmanin ist ein, wenn nicht sogar der führende Agitator gegen die Maßnahmen zur Gesundung des Bulldogs und für den heutigen extremen Qualzuchtbulldog*. Seine Berufung für die Europasieger-Show 2011 kann man nur als Provokation und Zynismus pur bezeichnen. Solche Taten lassen die so begrüßenswerten Worte von Prof. Friedrich zu Makulatur werden, die noch nicht einmal das Papier wert sind, auf dem sie gedruckt wurden.
Vertreter der Qualzucht als VDH-Europasieger-Richter
Man sollte sich einmal anschauen, welchen Bulldog Darmanin auch heute noch propagiert. Es ist genau der übertypisierte, extreme Hund, der nicht richtig atmen kann, der nicht frei laufen kann, der nur noch per Kaiserschnitt geboren werden kann. Genau der Bulldog, den man als bemitleidenswertes Zeugnis perverser Fehlentwicklungen der Spezies Mensch bezeichnen muss. Ein solch extremer Typ Bulldog wurde im übrigen erst seit Mitte der 1970er Jahre gezüchtet und ist auch nur mit Hilfe der modernen Tiermedizin überhaupt machbar und lebensfähig. Auch Teile der Tiermedizin spielen hier keine rühmliche Rolle. Die Praxis beim Extrem-Bulldog widerspräche sogar der Standes-Ethik der Veterinäre, wie jüngst Berry Spruijt, Professor für Tierschutz an der Universität Utrecht, feststellt und auch juristische Maßnahmen gegen diese Zuchtpraxis fordert (Dokumentation "Einde van de rashond").
Mit einer Untersuchung im Auftrag des Kennel Clubs haben Wissenschaftler die Kaiserschnittquoten verschiedener Hunderassen festgestellt. Für den Bulldog wurde eine Kaiserschnittquote von nicht weniger als 86,1% ermittelt nur noch getoppt von den 92% beim Boston Terrier, der Rasse von Jahrhundert-Richterin Wildman. (Proportion of litters of purebred dogs born by caesarean section, Feb 2010). Allein solche Quoten disqualifizierten Leute wie Wildman und Darmanin als Richter wie auch als Züchter, zumal wenn sie solche Fehlentwicklungen nicht nur mitverantworten vielmehr auch noch direkt oder indirekt verteidigen.
Hundezucht und Tierschutz schauen zu bei 86% Kaiserschnittquote
Der eigentliche Skandal ist, dass solche Verhältnisse in der Hunde- und Tierschutzwelt praktisch ohne Protest hingenommen werden und von Zuchtverbänden wie im VDH gar faktisch verteidigt werden, was nun wieder einmal praktisch demonstriert wurde. Und wir haben hier ja noch nicht einmal von dem ganzen Leiden gesprochen, das den Hunden durch die Extremzucht seit 30 Jahren angetan wird, zum Beispiel von Atemnot und Hitzestau wie sie gerade bei Wetterlagen wie heute den Hunden solcher Zuchten das Leben zur Qual werden lässt...
Top Champion von 1966 - hätte beim VDH in Dortmund 2011 als "Hänfling" oder "Boxer" keine Chance |
* Man sollte sich einmal die Auslassungen dieses VDH-Europasieger-Richters 2011 zum neuen Standard anschauen, in denen er keinen Zweifel lässt, wo er auch heute noch steht. Ein führender Vertreter der Qualzucht.
"By comparing the illustrations of the current standard and those of the proposed interim standard we can see that all the breed hallmarks which make up the Bulldog of today will be gone." Das beweist nur, dass dieser Richter lediglich die letzten 30 (Qualzucht-)Jahre aus der Geschichte dieser uralten Rasse zur Kenntnis genommen hat.
Alle Fotos sind Screenshots aus Darmanin Website vom 11.05.2011 http://www.sutusbulldogs.co.uk/
**Nachtrag
Noch bis heute, 15.Mai 2011 12h, wird der alte, ungültige Standard auf der Website des VDH-Vereins propagiert. Während man die Ergebnisse der Dortmunder Show im Detail auflistet und bereits mit "namhaften Richtern" für die nächsten Shows wirbt, hatte man offenbar nicht die Zeit, den neuen gültigen FCI-Standard per Copy&Paste aus der seit Januar vorliegenden offiziellen deutschen Übersetzung in die Website des VDH-Vereins einzustellen.
Montag, 2. Mai 2011
Hundezucht: Allein mir fehlt (noch) der Glaube
Der Präsident des Verbandes für das deutsche Hundewesen (VDH) Prof.Dr. Peter Friedrich hat einen wegweisenden Artikel in "Unser Rassehund" 04/2011 veröffentlicht. Bemerkenswert ist, dass nach dem Kennel Club und der FCI nun auch der ranghöchste Vertreter der deutschen Hundezucht ein durchaus selbstkritisches Statement zur Lage veröffentlicht und im Grunde eine Wende in der Hundezucht fordert. Doch der Reihe nach.
In seinem Artikel "Zuchtstrategien und ihre Anwendung" weist Friedrich zunächst darauf hin, dass das Zuchtziel nicht alleine auf das Individuum, vielmehr auch auf die Population einer Hunderasse als Ganzes ausgerichtet sein muss. Mit dem in seiner Funktion gebotenen Stil weist er umfassend und in bisher von VDH-Offiziellen ungewohnter Offenheit auf Missstände und Handlungsbedarf hin. Entsprechend fordert er den Mut und die Fähigkeit zu einem auch kritischen Blick auf die eigene Arbeit wie die Auseinandersetzung mit sachlicher Kritik von außen. "Unsere Fähigkeit zu offener Selbstkritik beeindruckt nicht immer gleichermaßen. Daran sollten wir arbeiten. Das gilt auch bei der Betrachtung von Standards und Standardauslegungen."
Standards und Standardauslegungen auf den Prüfstand
Friedrich wird dabei recht konkret:
"Meiner persönlichen Überzeugung nach ist jeder Standard und jede Gewohnheit bei der Standardinterpretation in gewissen zeitlichen Abständen wieder und wieder auf den Prüfstand zu stellen und daran zu messen, ob sie sich mit den Schlüsselbegriffen Lebensqualität, Langlebigkeit, Gesellschaftsverträglichkeit und Rassetyp in Übereinklang bringen lassen. Zu einer hohen Lebensqualität auf Seiten des Hundes gehören unter anderem unabdingbar Gesundheit sowie ein Mindestmaß an Ausdauer, Wendigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Fruchtbarkeit mit natürlichen Vollzügen und die Toleranz gegenüber verschiedenartigen Futtermitteln. Auch seit langem festgeschriebene, womöglich heikle Standardvorgaben zu Eigenheiten des Körperbaus und des Verhaltens - wie ein extrem breiter Kopf, der Geburtsvorgänge zu behindern droht, oder eine betonte soziale Reserviertheit, die einem stressfreien Zusammenleben im Weg stehen kann - gilt es zu überdenken."
Es ist schlimm genug, dass man solche elementaren Dinge heute fordern muss. Und es ist geradezu pervers und in meinen Augen systematische Tierquälerei (leider gibt das geltende Tierschutzgesetz keine reale Handhabe gegen die Qualzuchtpraktiken), dass gerade in den letzten Jahrzehnten, wo man sich in unserer Gesellschaft eines hohen Umwelt- und Tierschutzstandards huldigt, dass unter dem Siegel angeblicher "Liebhaberei" etlichen Hunderassen elementare Säulen ihrer Gesundheit (etwa beim Herz s.u.), das freie Atmen, die natürliche Geburt, die freiwillige Verpaarung und in weiten Teilen fast die Hälfte der Lebenserwartung genommen wurden. Umso wichtiger, dass der VDH solche Dinge endlich, wenn auch noch recht verhalten, zur Diskussion stellt und grundlegende Änderungen einfordert.
Bewusste "Kunstfehler" bei Gesundheitstests
Dabei wird Friedrich zuweilen auch ganz konkret, etwa wenn er die Praxis anprangert, mit Herzfehlern belastete Rassen in viel zu frühem Lebensalter auf Zuchttauglichkeit zu bewerten, in einem Alter, wo jeder Fachmann um die fehlende Aussagekraft dieser Tests weiß.
"Unter Umständen würden dieselben Hunde, ließen wir sie zunächst ihr sechstes Lebensjahr vollenden lassen und erst dann Herz-Ultraschall-Untersuchungen an ihnen durchführen, uns eine zum Negativen hin veränderte Befundlage bescheren, und entsprechende Selektionsmaßnahmen wären schon aus Gründen des Tierschutzes unabdingbar. Herzuntersuchungen beim gegenwärtigen Forschungsstand auf relativ junge Hunde zu beschränken muss also als echter Kunstfehler gelten. Richtig getimte Herzuntersuchungen hingegen sind von großem Wert."
Nicht nur beim Cavalier King Charles Spaniel hatten wir bereits mehrfach auf solche Placebo-Zuchtvorschriften in VDH-Vereinen (und nicht nur dort) hingewiesen und dabei auch Friedrich persönlich angesprochen. Es ist ein Skandal, dass solche Zuchtpraktiken mit schwer geschädigten Hunden im VDH geduldet werden und strafrechtlich unbehelligt bleiben.
Neuausrichtung der Zuchtzulassung notwendig
Prof. Friedrich plädiert für eine Zuchtzulassung der Hunde auf Basis einer Bewertung nach Gesundheit, Wesen und dann erst Exterieur. Zugleich prangert er die Praxis der Inzucht an, wie auch die übermäßige Verwendung einzelner Rüden. Auch dem letzten ignoranten Züchter und Zuchtwart schreibt er die gesundheitlichen Risiken und Schäden von Inzucht noch einmal ins Stammbuch. Er fordert zugleich die Nutzung der Chancen, die ein großer Genpool bietet, ist er überhaupt noch vorhanden. Man denke hier an den so kontraproduktiven wie unsinnigen Standpunkt führender Vertreter mancher Windhunderassen wie dem Azawakh, die noch das große Glück einer vorhandenen (Rest-) Ursprungspopulation nutzen könnten.
Peter Friedrich: "Zu einseitig heben sie das Äußere hervor, zu gering ist ihre Aufmerksamkeit in puncto Verhalten, zu wenig Handlungssicherheit liefern sie in Gesundheitsfragen."
Und: "Es gibt also unwiderlegbare Gründe für gesonderte Zuchtzulassungsprüfungen mit erweiterten Eignungskriterien und einer übersichtlichen Dokumentation, die öffentlich zugänglich gemacht wird."
Und: "Wie nahtlos fügt sich dieses Verfahren doch in die bereits beworbene Leitidee ein, wonach am Tag der Bewertung der Eignung eines Hundes für die Zucht die Schlüsselbegriffe einmal mehr lauten müssen: Lebensqualität (für den Hund), Langlebigkeit, Gesellschaftsverträglichkeit und Rassetyp."
Seniorprädikat
Friedrich schlägt als ein Instrument zur Realisierung der angesprochenen Änderungen die Nachzuchtbeurteilung vor, die von einigen Zuchtvereinen bereits sehr wirkungsvoll eingesetzt wird (man denke nur an die Hovawart-Zuchtvereine im VDH). Und er baut dieses Instrument weiter aus in dem er die Verleihung eines "Seniorprädikats" vorschlägt:
"Ich schlage vor, alte, zuchtzugelassene oder vormals zuchtzugelassene Hunde, Rüden wie Hündinnen, die uns noch gesund, vital, mit intakten Bewegungsabläufen und mit anhaltend hoher Lebensqualität gegenübertreten, systematisch mittels einer Art von Zertifizierung, genauer gesagt mittels der Verleihung der Zusatzbezeichnung "Seniorprädikat", zu würdigen und dies zu veröffentlichen."
Ich halte den Artikel des VDH-Präsidenten für wegweisend. Man kann sicher manchen Standpunkt anders sehen (wie etwa die positive Beurteilung der Belastungstests bei brachycephalen Rassen) und ich persönlich würde das Bild der realen Zuchtpraxis sehr viel dramatischer zeichnen. Doch was Friedrich schreibt hat Hand und Fuß und legt den Finger in die vorhandenen Wunden. Zugleich zeigt er umfassend und konstruktiv Lösungswege. Sicher, es ist nur ein Stück Papier und ich weiß nur allzu gut wie skrupellos und renitent sich weite Teile der Züchterschaft gegen jede Maßnahme im o.a. Sinne wehren. Viele Züchter haben eh schon längst ihre "Liebe" zum Hund - war sie denn je vorhanden - für ein paar Silberlinge verraten. Doch ist es immer der erste Schritt zu einer Änderung in der Praxis, dass man Bilanz zieht und neue Wege skizziert. Das ist Friedrich gut gelungen - allein mir fehlt noch der Glaube an den Willen und die Kraft zur Umsetzung im VDH - denn nicht zuletzt widerspricht auch die reale Praxis des VDHs diametral den schönen Worten seines Präsidenten, wie auch hier im Blog vielfach dokumentiert ist.
* Eine persönliche Anmerkung zum Bulldog:
Ich bin mit Bulldogs aufgewachsen und habe deren herrliches Wesen, den charmanten wie markanten Charakter schätzen und lieben gelernt. Zugleich habe ich mit ansehen müssen, wie diese Hunde seit den 1970er Jahren systematisch und bewusst durch die Extremzucht von angeblich Typischem ihrer Gesundheit beraubt wurden. Daher habe ich 1997 das Portal Bulldogge.de ins Leben gerufen.
Inzwischen hat sogar der verantwortliche Kennel Club eine Wende vollzogen und den Standard dieser ersten Rasse der modernen Hundezucht geändert. Die verbreitete Qualzuchtpraxis hat nun keine "Rechtfertigung" mehr in einer Standardauslegung. Leider gegen den Widerstand der Mehrheit der Züchter, auch in Deutschland. Es ist ein unfassbares Dilemma, wie eine Hunderasse zugrunde gerichtet wird und ein unsägliches Elend über diese dem Menschen so zugewandten Hunde-Individuen gebracht wird. Über 80% der Hunde fallen per Kaiserschnitt - allein dieser Fakt ist ein Beweis der Qualzucht.
Als Bulldog-Freund muss man heute im allgemeinen vom Kauf dieser Hunde abraten (glücklicherweise gibt es einzelne Züchter im und außerhalb des VDH, die auf das Wohl der Hunde achten).
Man kann nur hoffen, dass der VDH im Sinne von Prof. Friedrich bei dem Zuchtverein tätig wird und ein Machtwort spricht. Bereits 1976 wurde der Bulldog-Zuchtverein wegen Tierquälerei aus dem VDH ausgeschlossen, doch die Züchter blieben und trieben weiter ihre miesen Geschäfte auf Kosten der Hunde.
In seinem Artikel "Zuchtstrategien und ihre Anwendung" weist Friedrich zunächst darauf hin, dass das Zuchtziel nicht alleine auf das Individuum, vielmehr auch auf die Population einer Hunderasse als Ganzes ausgerichtet sein muss. Mit dem in seiner Funktion gebotenen Stil weist er umfassend und in bisher von VDH-Offiziellen ungewohnter Offenheit auf Missstände und Handlungsbedarf hin. Entsprechend fordert er den Mut und die Fähigkeit zu einem auch kritischen Blick auf die eigene Arbeit wie die Auseinandersetzung mit sachlicher Kritik von außen. "Unsere Fähigkeit zu offener Selbstkritik beeindruckt nicht immer gleichermaßen. Daran sollten wir arbeiten. Das gilt auch bei der Betrachtung von Standards und Standardauslegungen."
Standards und Standardauslegungen auf den Prüfstand
Friedrich wird dabei recht konkret:
"Meiner persönlichen Überzeugung nach ist jeder Standard und jede Gewohnheit bei der Standardinterpretation in gewissen zeitlichen Abständen wieder und wieder auf den Prüfstand zu stellen und daran zu messen, ob sie sich mit den Schlüsselbegriffen Lebensqualität, Langlebigkeit, Gesellschaftsverträglichkeit und Rassetyp in Übereinklang bringen lassen. Zu einer hohen Lebensqualität auf Seiten des Hundes gehören unter anderem unabdingbar Gesundheit sowie ein Mindestmaß an Ausdauer, Wendigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Fruchtbarkeit mit natürlichen Vollzügen und die Toleranz gegenüber verschiedenartigen Futtermitteln. Auch seit langem festgeschriebene, womöglich heikle Standardvorgaben zu Eigenheiten des Körperbaus und des Verhaltens - wie ein extrem breiter Kopf, der Geburtsvorgänge zu behindern droht, oder eine betonte soziale Reserviertheit, die einem stressfreien Zusammenleben im Weg stehen kann - gilt es zu überdenken."
Übertypisierte Bulldogs (VDH) - Mehrheit der Züchter gegen Maßnahmen zum Wohl der Hunde* |
Es ist schlimm genug, dass man solche elementaren Dinge heute fordern muss. Und es ist geradezu pervers und in meinen Augen systematische Tierquälerei (leider gibt das geltende Tierschutzgesetz keine reale Handhabe gegen die Qualzuchtpraktiken), dass gerade in den letzten Jahrzehnten, wo man sich in unserer Gesellschaft eines hohen Umwelt- und Tierschutzstandards huldigt, dass unter dem Siegel angeblicher "Liebhaberei" etlichen Hunderassen elementare Säulen ihrer Gesundheit (etwa beim Herz s.u.), das freie Atmen, die natürliche Geburt, die freiwillige Verpaarung und in weiten Teilen fast die Hälfte der Lebenserwartung genommen wurden. Umso wichtiger, dass der VDH solche Dinge endlich, wenn auch noch recht verhalten, zur Diskussion stellt und grundlegende Änderungen einfordert.
Bewusste "Kunstfehler" bei Gesundheitstests
Dabei wird Friedrich zuweilen auch ganz konkret, etwa wenn er die Praxis anprangert, mit Herzfehlern belastete Rassen in viel zu frühem Lebensalter auf Zuchttauglichkeit zu bewerten, in einem Alter, wo jeder Fachmann um die fehlende Aussagekraft dieser Tests weiß.
"Unter Umständen würden dieselben Hunde, ließen wir sie zunächst ihr sechstes Lebensjahr vollenden lassen und erst dann Herz-Ultraschall-Untersuchungen an ihnen durchführen, uns eine zum Negativen hin veränderte Befundlage bescheren, und entsprechende Selektionsmaßnahmen wären schon aus Gründen des Tierschutzes unabdingbar. Herzuntersuchungen beim gegenwärtigen Forschungsstand auf relativ junge Hunde zu beschränken muss also als echter Kunstfehler gelten. Richtig getimte Herzuntersuchungen hingegen sind von großem Wert."
Nicht nur beim Cavalier King Charles Spaniel hatten wir bereits mehrfach auf solche Placebo-Zuchtvorschriften in VDH-Vereinen (und nicht nur dort) hingewiesen und dabei auch Friedrich persönlich angesprochen. Es ist ein Skandal, dass solche Zuchtpraktiken mit schwer geschädigten Hunden im VDH geduldet werden und strafrechtlich unbehelligt bleiben.
Cavaliere (VDH) - Hunde mit Herz, Probleme mit dem Herz, aber Züchter ohne Herz |
Neuausrichtung der Zuchtzulassung notwendig
Prof. Friedrich plädiert für eine Zuchtzulassung der Hunde auf Basis einer Bewertung nach Gesundheit, Wesen und dann erst Exterieur. Zugleich prangert er die Praxis der Inzucht an, wie auch die übermäßige Verwendung einzelner Rüden. Auch dem letzten ignoranten Züchter und Zuchtwart schreibt er die gesundheitlichen Risiken und Schäden von Inzucht noch einmal ins Stammbuch. Er fordert zugleich die Nutzung der Chancen, die ein großer Genpool bietet, ist er überhaupt noch vorhanden. Man denke hier an den so kontraproduktiven wie unsinnigen Standpunkt führender Vertreter mancher Windhunderassen wie dem Azawakh, die noch das große Glück einer vorhandenen (Rest-) Ursprungspopulation nutzen könnten.
Peter Friedrich: "Zu einseitig heben sie das Äußere hervor, zu gering ist ihre Aufmerksamkeit in puncto Verhalten, zu wenig Handlungssicherheit liefern sie in Gesundheitsfragen."
Und: "Es gibt also unwiderlegbare Gründe für gesonderte Zuchtzulassungsprüfungen mit erweiterten Eignungskriterien und einer übersichtlichen Dokumentation, die öffentlich zugänglich gemacht wird."
Und: "Wie nahtlos fügt sich dieses Verfahren doch in die bereits beworbene Leitidee ein, wonach am Tag der Bewertung der Eignung eines Hundes für die Zucht die Schlüsselbegriffe einmal mehr lauten müssen: Lebensqualität (für den Hund), Langlebigkeit, Gesellschaftsverträglichkeit und Rassetyp."
Seniorprädikat
Friedrich schlägt als ein Instrument zur Realisierung der angesprochenen Änderungen die Nachzuchtbeurteilung vor, die von einigen Zuchtvereinen bereits sehr wirkungsvoll eingesetzt wird (man denke nur an die Hovawart-Zuchtvereine im VDH). Und er baut dieses Instrument weiter aus in dem er die Verleihung eines "Seniorprädikats" vorschlägt:
"Ich schlage vor, alte, zuchtzugelassene oder vormals zuchtzugelassene Hunde, Rüden wie Hündinnen, die uns noch gesund, vital, mit intakten Bewegungsabläufen und mit anhaltend hoher Lebensqualität gegenübertreten, systematisch mittels einer Art von Zertifizierung, genauer gesagt mittels der Verleihung der Zusatzbezeichnung "Seniorprädikat", zu würdigen und dies zu veröffentlichen."
Ich halte den Artikel des VDH-Präsidenten für wegweisend. Man kann sicher manchen Standpunkt anders sehen (wie etwa die positive Beurteilung der Belastungstests bei brachycephalen Rassen) und ich persönlich würde das Bild der realen Zuchtpraxis sehr viel dramatischer zeichnen. Doch was Friedrich schreibt hat Hand und Fuß und legt den Finger in die vorhandenen Wunden. Zugleich zeigt er umfassend und konstruktiv Lösungswege. Sicher, es ist nur ein Stück Papier und ich weiß nur allzu gut wie skrupellos und renitent sich weite Teile der Züchterschaft gegen jede Maßnahme im o.a. Sinne wehren. Viele Züchter haben eh schon längst ihre "Liebe" zum Hund - war sie denn je vorhanden - für ein paar Silberlinge verraten. Doch ist es immer der erste Schritt zu einer Änderung in der Praxis, dass man Bilanz zieht und neue Wege skizziert. Das ist Friedrich gut gelungen - allein mir fehlt noch der Glaube an den Willen und die Kraft zur Umsetzung im VDH - denn nicht zuletzt widerspricht auch die reale Praxis des VDHs diametral den schönen Worten seines Präsidenten, wie auch hier im Blog vielfach dokumentiert ist.
Wir werden Prof. Friedrich und den VDH beim Wort nehmen und uns nicht nur bei den hier genannten Bulldogs und Cavalieren anschauen, was er real tut. Worte und Taten und die Praxis ist das Kriterium der Wahrheit.
- Der Artikel "Zuchtstrategien und ihre Anwendung" von Peter Friedrich im Original als PDF (alle in kursiv gesetzten Zitate stammen hieraus, Hervorhebungen CJ)
- Dortmunder Appell für eine Wende in der Hundezucht
* Eine persönliche Anmerkung zum Bulldog:
Ich bin mit Bulldogs aufgewachsen und habe deren herrliches Wesen, den charmanten wie markanten Charakter schätzen und lieben gelernt. Zugleich habe ich mit ansehen müssen, wie diese Hunde seit den 1970er Jahren systematisch und bewusst durch die Extremzucht von angeblich Typischem ihrer Gesundheit beraubt wurden. Daher habe ich 1997 das Portal Bulldogge.de ins Leben gerufen.
Inzwischen hat sogar der verantwortliche Kennel Club eine Wende vollzogen und den Standard dieser ersten Rasse der modernen Hundezucht geändert. Die verbreitete Qualzuchtpraxis hat nun keine "Rechtfertigung" mehr in einer Standardauslegung. Leider gegen den Widerstand der Mehrheit der Züchter, auch in Deutschland. Es ist ein unfassbares Dilemma, wie eine Hunderasse zugrunde gerichtet wird und ein unsägliches Elend über diese dem Menschen so zugewandten Hunde-Individuen gebracht wird. Über 80% der Hunde fallen per Kaiserschnitt - allein dieser Fakt ist ein Beweis der Qualzucht.
Als Bulldog-Freund muss man heute im allgemeinen vom Kauf dieser Hunde abraten (glücklicherweise gibt es einzelne Züchter im und außerhalb des VDH, die auf das Wohl der Hunde achten).
Man kann nur hoffen, dass der VDH im Sinne von Prof. Friedrich bei dem Zuchtverein tätig wird und ein Machtwort spricht. Bereits 1976 wurde der Bulldog-Zuchtverein wegen Tierquälerei aus dem VDH ausgeschlossen, doch die Züchter blieben und trieben weiter ihre miesen Geschäfte auf Kosten der Hunde.
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