Montag, 29. August 2011

Bulldog Butcher

Butcher ist sicher ein Ausnahmetalent unter Bulldogs: Er ist ein begeisterter Arbeiter.

Die Schutzhundeprüfung legte er in jungen Jahren locker ab. Später bestand er die Rettungshundeprüfung wurde sogar zweiter Badischer Landesmeister in RH 1.

Leistungsrichter Hohmann, von Beruf Ausbilder der Polizeischule der Diensthundeführer, war so begeistert, dass er sich mit ihm fotografieren ließ mit den Worten: "Jetzt sind zwei Bullen zusammen."

Danach legte Butcher erfolgreich die Fährtenhundprüfung ab. Jetzt trainiert er für die FH2 - und Butcher ist mittlerweile 10 Jahre alt.


Bulldog Butcher, 10 Jahre, bei der Fährtenarbeit
(Foto 28.08.2011, danke an Frauchen Ingeburg Bischoff)

Moin Herr Jung!



Butcher trainiert nicht auf die FH 2. die hat er schon lange.

Wir trainieren die die Sucharbeit, weil er es so will.

Die FH 2. ist die schwerste Fährtensucharbeit und er will so komplizierte Fährten immer noch suchen.

Und sein Wille ist sein Himmelreich.

Viele Grüße

Ingeburg Bischoff

Freitag, 26. August 2011

WDR - nicht einmal die halbe Wahrheit zum Bulldog

In dem WDR-Film "Viel Rasse, wenig Klasse – Das Geschäft mit der Hundezucht" spielt der Bulldog eine zentrale Rolle. Tierarzt Dr. Ralf Unna bezeichnet die Bulldogs im Ring der Europasiegerschau 2011 gar als einzige "Tierschutzkatastrophen". Am Bulldog wird kein gutes Haar gelassen. Das Verdienst des Films ist es, dass Auswüchse der Show-Zucht, die tatsächlich Qualzucht relevant sind, deutlich gezeigt werden - wohl zum ersten Mal im deutschen TV. Missstände in der Rassehundezucht aufzeigen ist das eine, fragt sich aber: Mit welchem Ziel.

Mein Ziel ist der Erhalt des Rassehundes, speziell auch des Bulldogs - wenn denn noch möglich!?

In "Bulldogs in Geschichte und Gegenwart" habe ich die über 2.000-jährige Geschichte des Bulldogs nachgezeichnet und auch die Hintergründe seines so einmaligen Charakters verdeutlicht. "Phlegma und Leidenschaft" in einem kennzeichnet ihn Richard Strebel, Bulldog-Freund und Mitbegründer des deutschen Bulldog-Clubs, schon vor mehr als 100 Jahren. Der Bulldog war noch vor 150 Jahren einer der robustesten Hunde überhaupt und wurde deshalb und wegen seines markanten Charakters in viele Rassen eingekreuzt. Ein gesunder Bulldog ist ein wunderbarer Partner, charmanter Begleiter, ja inniger Freund. Ein gesunder Bulldog kommt zudem bestens mit den Widrigkeiten unserer heutigen Zeit zurecht.



So sah man den perfekten Bulldog vor 100 Jahren.
Etwas krumme Läufe, aber gewiss keine Qualzucht.
Solche Bulldogs entsprechen
dem neuen Standard sehr gut.


Das Ziel des WDR-Films sieht leider anders aus. Als Lösung werden Designer-Dogs präsentiert. Prof. Sommerfeld-Stur meint gar, man müsse sich an kranke Rassehunde gewöhnen. Genau das will ich NICHT. Entweder gesunde Rassehunde oder keine. Dass man gesunde Rassehunde züchten kann und dies z.B. bei den meisten Jagdhunderassen auch weitflächig unter dem Dach des VDH praktiziert wird, unterschlägt der Film. Eckpunkte für einen gesunden Rassehund, wie sie der Dortmunder Appell für eine Wende in der Hundezucht fordert, den inzwischen knapp 5.000 Menschen unterzeichnet haben, werden ebenso weitgehend ignoriert.

Mit Recht empört sich Alexander Däuber über die Feststellung von FCI-Vizepräsident Christopher Habig in "Unser Rassehund" (06/2011): "Bulldog. Aus Richterperspektive war diese Rasse noch nie so gesund wie heute." Eine Feststellung, die im Übrigen auch Petra Grell-Hansohm, die langjährige Richterobfrau des ACEB/VDH teilt, Mitglied genau des ACEB-Vorstandes, der laut Film angeblich für einen gesunden Bulldog kämpfte. Eine solche Feststellung von FCI/VDH Funktionären wie Habig oder Grell-Hansohm ist insofern bemerkenswert, als dass so
  • nahe gelegt wird, eine Wende in der Bulldogzucht sei nicht nötig, alles sei in guten Händen,

  • der ganze Qualzucht-Skandal einer Zucht mit über 86% Kaiserschnitt ignoriert wird,

  • würde beim Richten auf den Shows die Gesundheit der Hunde eine wesentliche Rolle spielen,

  • getan wird, als habe man wirklich einen fundierten Überblick über die Gesundheit der Rasse.

Wo sind denn die belastbaren Zahlen, mit denen Harbig &Co eine Gesundung des Bulldogs nachweisen könnten?

Das Gegenteil ist vielmehr der Fall. Eine entsprechende Anfrage von mir an die FCI von Juni 2011 blieb bis heute unbeantwortet. So verschleiern die Bulldog-Clubs seit vielen Jahren regelmäßig die Bilanzen ihrer Zucht. Belastbare Zahlen zu Kaiserschnittquote, Tod der Mutterhündinnen, künstlichen Besamungen, Welpensterblichkeit, Fitness, Krankheiten oder erreichtes Lebensalter gibt es in aller Regel nicht! Alleine das ist eigentlich ein Skandal für ein Zuchtgeschehen, dass sich den Anschein von Seriösität gibt und mit "kontrollierter" Zucht wirbt. Aber das gilt nicht nur für den VDH. Von ganz vereinzelten Ausnahmen abgesehen ist das Zuchtgeschehen neben ihm noch sehr viel skandalöser.

Erst eine Untersuchung des Kennel Clubs, dessen neuer Standard für den Bulldog vom WDR-gelobten ACEB-Vorstand bis zu seinem Rücktritt Ende 2010 aktiv bekämpft wurde, brachte belastbare Zahlen ans Licht. Diese waren alles andere als schmeichelhaft. Die britischen Wissenschaftler Katy M. Evans und Vicki J. Adams konstatierten 2010 eine Kaiserschnittquote bei den Bulldogs von nicht weniger als 86,1% (Proportion of litters of purebred dogs born by caesarean section, Feb 2010)!

Es ist für mich völlig unverständlich, wie man eine Population als "gesund" bezeichnen kann, ohne solche katastrophalen Fakten wie 86% Kaiserschnittquote oder die Todesrate der Mütter zu würdigen.

Daher ist die Feststellung des FCI-Vizepräsidenten Christopher Habig im Grunde als Tierschutzskandal zu kennzeichnen.

Eine Zucht mit einer Reproduktion mehrheitlich per Kaiserschnitt muss man als Qualzucht kennzeichnen, und das betrifft etliche Hunderassen, nicht nur brachyzephale (und das sollten auch der "Richterperspektive" bekannt sein). Zudem haben sich terminierte Kaiserschnitte als vorteilhaft für das Ernten der Welpen, den Profit der Veterinäre und den Zeitplan der Züchter erwiesen und sind längst dabei, sich flächendeckend zu etablieren. Die Perversionen einer Zucht angeblich nur aus "Liebhaberei" geht in eine neue Dimension. Ähnliches gilt für die zZ stark zunehmende künstliche Besamung



Ein neues Bulldog-Leben.



Erste Begrüßung von Mutter und Kind




Natürlich geworfen, Züchterin Bettina Selle-Treiber (ACEB)
Wenn man den Stand aber nicht wirklich kennt, so kann man noch nicht exakt sagen,
  • wie ein Gesundzuchtprogramm in allen Details aussehen muss,

  • ob es ohne Einkreuzungen geht

  • und ob es überhaupt erfolgreich sein kann.

Ich bin diesem Thema seit Jahren nachgegangen. Unmittelbare Zahlen und Fakten habe ich nicht hinreichend finden können, um beim Bulldog eine solche Frage fundiert beantworten zu können. Aber es gibt ein paar Indizien, die ein wenig Hoffnung begründen:
  • Als eine der ältesten Hunderassen der modernen Rassehundezucht und Nationalhund des britischen Empire hat der Bulldog eine weltweite Verbreitung seit weit über 100 Jahren. Es gibt ihn auf allen Kontinenten und in allen Klimazonen, interessanterweise auch weit verbreitet in heißen Ländern wie Mexiko, Südafrika oder Brasilien.

  • Über viele Jahrzehnte hinweg haben sich etliche Populationen weitgehend getrennt entwickelt

  • Nachteile werden zu Vorteilen - 1: Makaber aber wahr: Zahllose Bulldog-Mütter verlieren bei den Geburten ihr Leben. Diese außergewöhnlich hohe Todesrate der Bulldog-Mütter wird ausdrücklich angeführt in der Untersuchung von Calboli et al., Population Structure and Inbreeding From Pedigree Analysis of Purebred Dogs, 2008, ebenfalls im Auftrag des Kennel Clubs. Bei der Untersuchung war überraschend aufgefallen, dass der Bulldog eine recht hohe genetisch effektive Population aufzuweisen hat, die ihn relativ gesehen besser darstehen lässt als der Durchschnitt der untersuchten Hunderassen wie Golden Retriever, Boxer oder Deutscher Schäferhund.

  • Nachteile werden zu Vorteilen - 2: Geschätzte weniger als 10% der Bulldog-Welpen fallen inzwischen nur noch unter dem Dach des VDH. Das heißt, dass vermutlich mehr als 90% der Bulldogs, die in Deutschland stehen, von Züchtern außerhalb des VDHs, von Vermehrern und aus dem  internationalen Hundehandel stammen*. Der Bestand ist also vermutlich sehr heterogen. (* auch dieser Fakt, daß praktisch die gesammte Population, die auf den OPs der Veterinäre landen, eben nicht aus VDH-Zucht stammen, wurde vom bewusst WDR ignoriert - obwohl diese Zahlen ihm vorlagen; meiner Einschätzung nach ist die durchschnittliche gesundheitliche Lage des Bulldogs - relativ gesehen - im VDH besser als außerhalb)

Aus solchen Indizien heraus gibt es begründeten Anlass zur Hoffnung, dass die genetisch effektive Population hinreichend groß ist für eine Gesundung. Aber eine Gesundung wird eben nur gelingen, wenn der VDH und die Züchterschaft diesen Schatz heben und sich hier öffnen.



Gesunder Wurf gesunder Bulldogs, Züchterin Dagmar Weber-Knappe
Und es soll noch eines betont werden:
  • Es gibt freiatmende Bulldogs.

  • Es gibt schon heute den leichteren, beweglichen Bulldog, der völlig problemlos seine Aufgaben als Begleithund meistert.

  • Es gibt Züchter, deren Hündinnen zwar nicht immer, aber regelmäßig frei werfen.

  • Es gibt nicht wenige gesunde, vitale Bulldogs, die locker 10 und mehr Jahre alt werden.

Aber: Wie will man eine Gesundzucht hinbekommen, wenn die breite Mehrheit der Züchterschaft das nicht will (mit schwülstigen Worten wollen natürlich alle den "gesunden" Bulldog und das schon immer), ja sogar seit Jahrzehnten regelmäßig genau solche Züchter und Stimmen nach allen Regeln der Kunst mobbt, die auch nur leise Kritik am Status Quo üben oder sich sogar erdreisten, ein Gesundzuchtprogramm vorzuschlagen?

Ob es gelingt, hinreichend viele Züchter zu einem organisierten und kontrollieren, transparenten Gesundzuchtprogramm zusammen zubringen und zu fördern, die den gesunden Bulldog auch wirklich wollen, das wird die Gretchenfrage der Zukunft des Bulldogs sein. Ich habe meine Zweifel, ob dies gelingen wird, aber ich werde alles Tun, die letzten Chancen für eine Zukunft des Bulldogs zu nutzen. Der VDH hat hierzu eine Tür geöffnet. Es wird sich herausstellen, wie ernst er es wirklich meint.

Gretchenfrage für die Zukunft des Bulldogs


Mitte 2010 hat Prof.Dr.med.vet. Gerhard Oechtering einen Bericht veröffentlicht, in dem er u.a. appelliert: "Durch selektive Zucht auf übertriebene Merkmale hat sich der Kopf brachyzephaler Tiere in einem so hohen Maße deformiert, dass heute bei einer zunehmend großen Anzahl betroffener Tiere Gesundheit und Wohlbefinden erheblich beeinträchtigt sind. ... Es ist höchste Zeit für ein radikales Überdenken der brachyzephalen Zucht. Letztlich handelt es sich bei der Brachyzephalie um eine zu 100 Prozent Menschen gemachte Erkrankung." (Veterinary Focus Vol 20 No 2 2010)

noch 3 Anmerkungen zum WDR-Film:

a.) Tierarzt Dr. Ralf Unna behauptet, die Falten im Gesicht eines Bulldogs oder Bullys kämen von dem (zu) kurz gewordenen Fang. Ich kann dem Leser Hunderte Fotos/Gemälde aus mehr als 250 Jahren Bulldog präsentieren, wo Bulldogs mit bestenfalls feinen Falten durchs Leben gehen, siehe auch hier oben die Zeichnung vom "Perfect Bulldog". Die Falten sind das Ergebnis einer speziellen Zucht auf lose Haut, wie sie auch beim Shar-Pei oder beim Bloodhound und etlichen weiteren Hunderassen genauso zur Faltenbildung am Kopf führt, Hunde, die eine "normale" Länge des Fangs aufweisen. Die extremen Falten am Kopf werden im Übrigen vom neuen Standard ausdrücklich bekämpft, dem Standard, den die im TV-Beitrag wegen ihres angeblichen Eintretens für die Gesundheit angeblich abgewählten Personen, real bis zu ihrem Rücktritt massiv und öffentlich dokumentiert bekämpft haben.

b.) Im TV-Beitrag wird unterschwellig die Aussage einer Züchterin, ihre Bulldogs würden morgens erst spät aus dem Bett kommen, als Hinweis auf Qualzucht dargestellt. Auch das ist unrichtig. Bulldogs haben schon seit Jahrhunderten lernen müssen, in den Pausen zwischen zwei Hundekämpfen friedlich und phlegmatisch dahinzudösen. Das ist Teil ihres Wesens geworden. Und diese Eigenschaft ist für die heutige Rolle als Begleithund durchaus nützlich. Wer etwas einen Bulldog kennt, wird das extrem schnelle Umschalten eines Bulldogs von scheinbarem Tiefschlaf in blitzschnelles, grollendes Zustürmen auf einen (vermeintlichen) Gegner mit Schmunzeln immer wieder beobachtet haben. Genauso wird sich der Bulldog innerhalb Sekunden auf dem Sofa grunzend wieder einfinden, wenn er meint, die Gefahr sei vorbei (natürlich immer aufgrund seines energischen Eingreifens und auf dem Weg zurück wirft der Bulldog noch einen kurzen Blick zu Herrchen oder Frauchen und sagt, schau, was ich für ein toller Kerl bin, ich verteidige meine Lieben ;).

Schon in den 1930er Jahren hatten US-Wissenschaftler dieses Phänomen untersucht. Sie berichten, dass anfangs die Skala der Messgeräte nicht ausgereicht hätte um die neuronale Intensität dieses blitzschnellen Umschalten von Ruhe in Erregung und umgekehrt zu messen. Keine andere Hunderasse wies auch nur annähernd ein solch blitzschnelles und extremes Umschalten von Ruhe in Erregung und umgekehrt auf, wie eben der Bulldog.

Tierarzt Dr. Konrad Blendiger, der in dem WDR-Film die Absamungen u.a. von den Qualzucht-Bulldogs durchführte, ist Gründungsmitglied und der Vorsitzende dieser Arbeitsgruppe Reproduktionsmedizin in der Hundezucht e.V. Ein Tier-/Hundefreund hätte sich meiner Auffassung nach weigern müssen, solche evident schwer kranken Hunde zur Zucht zu verwenden und als Tierarzt diesen Zuchteinsatz erst zu ermöglichen.



Montag, 15. August 2011

Hundezucht im VDH - Worte und Taten #4

Wer hätte das gedacht? Die kleine Serie kann in ihrer 4. Ausgabe bereits eine gute Meldung notieren. In der zweiten Ausgabe hatte ich über die skandalöse Ignoranz von weiten Teilen der Züchterschaft und Funktionäre um den English Bulldog selbst gegenüber dem neuen gültigen FCI-Standard berichten müssen. Das war Anfang Juni. In den gut zwei Monaten seither haben sich grundlegend neue Aspekte ergeben.

Es geschehen noch kleine Wunder?


Am 29.07.2011 war ich zu einem Treffen im Haus des VDH mit Prof.Dr. Peter Friedrich, Präsident des VDH, und Bernhard Meyer, Hauptgeschäftsführer des VDH, eingeladen. Neben dem "Dortmunder Appell für eine Wende in der Hundezucht" war die Lage der Zucht und die notwendigen Maßnahmen zur Gesundung des Bulldogs das eigentliche Hauptthema.

  • Es bestand Einvernehmen, dass es dringend zu einer Wende in der Zucht der Englischen Bulldogge kommen muss.

  • Es bestand Einvernehmen, dass unter bestimmten Bedingungen eine Gesundung des Bulldogs ermöglicht werden kann.

Grundlage ist die Etablierung eines umfassenden Gesundzuchtprogramms. Die so schönen Worte von Professor Friedrich in seinem Artikel "Zuchtstrategien und ihre Anwendung" wurden hier in konkrete Handlungsmaßnahmen zur Gesundung dieser ersten Rasse der modernen Hundezucht gegossen. In einem sehr konstruktiven Gespräch wurden Aufgaben und Lösungsmöglichkeiten skizziert. Wir gehen davon aus, dass man den Bulldog noch retten kann und dass es hierzu primär an der bisherigen Züchterorganisation scheiterte. Eigene Versäumnisse räumte der VDH ebenso ein. Der VDH-Vorstand hat offenbar kein Vertrauen mehr in den Willen und in die Fähigkeit des "Allgemeinen Clubs für Englische Bulldogs e.V." (ACEB), so dass er inzwischen einen Antrag an das VDH-Verbandsgericht auf Ausschluss des ACEB aus dem VDH gestellt hat. Es ist nach 1976 im Übrigen das zweite Mal, dass der Bulldog-Zuchtverein aus dem VDH ausgeschlossen wird. Das Gesundzuchtprogramm für den Bulldog soll zeitnah und zunächst unter unmittelbarer Anleitung und Kontrolle des VDH auf den Weg gebracht werden.

Kritische Unterstützung zum Wohl der Hunde

Friedrich und Meyer fragten mich, ob ich diesen Weg begleiten wolle, was ich gerne bejahte. Was soll einem besorgten Hundefreund Besseres passieren, als dass der wichtigste Verband der Hundezucht genau die Dinge in Angriff nimmt, die man seit Jahren fordert? Klar, die Praxis ist das Kriterium der Wahrheit - da wird sich der VDH erst beweisen müssen. Und so wurde auch vereinbart, dass dieses Programm transparent, offen, überprüfbar stattfinden soll. Ich habe den Eindruck mit nach Hause genommen, dass es die Herren ernst meinen.

Nachdem ich von diesem Gespräch in der Szene berichtet hatte, traf diese Nachricht auf ein überraschend negatives Echo unter so manchen Hundeleuten. Da sei ein Haken dran, der VDH würde es nicht ernst meinen, habe doch selbst genug Fehler gemacht, sagten mir auch besorgte Hundefreunde. Klar, aber warum soll denn gleich alles wieder negativ zerredet werden? Nichtzuletzt im geradezu vitalen Interesse der Hunde ist es zumindest einen ernsthaften Versuch wert, den man konstruktiv begleiten sollte. Das Wohl der Hunde hat überhaupt nichts von destruktivem Dauerstreit. Es ist mindestens 5 vor 12! Der Bulldog braucht dringend ein Gesundzuchtprogramm, um nicht in Qualzucht zu ersticken. Da heißt es, jede ernsthafte Chance zur Rettung dieser wunderbaren, einmaligen Hunderasse zu ergreifen. Sollte man allerdings feststellen, dass der VDH es nicht wirklich ernst meint, so wird man es schon erkennen und auch öffentlich anprangern können und müssen. Das wäre aber auch das Ende des Bulldogs

Kritik am VDH als Marketingstrategie


Mit dem negativen Echo von einer anderen Seite hatte ich allerdings gerechnet und es kam ebenfalls mit voller Wucht. Die miserable Situation der Bulldog-Zucht unter dem Dach des VDH hat eine Menge Profiteure. Die ganzen Schwarzzüchter, Vermehrer und Hundehändler konnten ihr Geschäft wunderbar mit dem Verweis auf die Unfähigkeit des ACEB über Jahre hinweg ausbauen (es gibt auch ganz vereinzelt seriöse Bulldog-Züchter außerhalb des VDHs). Dem Welpenkäufer wurde und wird regelmäßig suggeriert, man züchte deshalb nicht im VDH, weil dort die Gesundheit der Hunde missachtet würde. Man selbst sei hingegen der Zwinger, der sich der Gesundzucht verschrieben habe. Von dieser Marketingbehauptung lassen sich leider allzu leicht und vielleicht auch allzu gerne viele Welpenkäufer beeindrucken. So konnten Vermehrer und Hundehändler geschätzte 90% des Markvolumens erobern. Ein äußerst lukrativer Markt. Man kann mit Bulldog-Welpen ohne FCI-Papiere problemlos 1.000 bis 1.500 Euro erlösen. Mit FCI-Papieren sogar noch mehr. So hat sich beispielsweise eine Mafia etabliert, die in Deutschland gezüchtete oder per Hundehandel in Osteuropa dazugekaufte Bulldog-Welpen mit ungarischen, griechischen oder anderen ausländischen FCI-Papieren ausstattet und so in Deutschland mit hohen Gewinnen vermarktet - bar jeder züchterischen Kontrolle. All diesen Geschäftemachern auf Kosten der Hunde drohen nun empfindliche Einbußen ihrer schmutzigen Profite.

Durch das positive Beispiel eines Gesundzuchtprogamms wird der verlogenen Propaganda von wegen, "man züchte - im Gegensatz zum VDH - den gesunden Bulldog", die Grundlage entzogen. Deshalb wurde und wird über diverse Internetseiten und Foren eine geradezu aggressive Kampagne gegen meine Person, den VDH und seine Schritte in Richtung Gesundung des Bulldogs losgetreten. Leider scheinen sich auch manche Medien hiervon beeindrucken zu lassen.

Der Bulldog hat noch ein Chance.

Friedrich und Meyer zeigten sich fest entschlossen, eine solche Wende herbeizuführen. Sie wird als Chance für einen Neubeginn und einen neuen Aufschwung der Zucht des Bulldogs und des Vereinslebens um den Bulldog unter dem Dach des VDH gesehen. Der Bulldog hat noch ein Chance. Sollten die so hoffnungsvollen Zeichen auch tatsächlich zu konkreten und vor allem, nachhaltigen Handlungen des VDH führen und damit den Rahmen für die Wende in der Zucht setzen können, so wäre das die Rettung des Bulldogs! Ich kann das Misstrauen gegenüber den Absichtserklärungen des VDH voll verstehen.  Aber man sollte nach vorne schauen und Chancen im Sinne der Hunde beim Schopfe packen. Jeder Hundefreund sollte eine solche Entwicklung - wird sie dann Realität - aus vollem Herzen begrüßen und unterstützen. Und vielleicht ist der Bulldog nur ein Anfang für die vom Dortmunder Appell geforderte Wende in der Hundezucht zum Wohle der Hunde. Denn der Bulldog steht in seiner züchterischen Misere nicht allein. Etliche Hunderassen stehen kaum besser dar, meist nur nicht so deutlich nach außen sichtbar. Denn Epilepsie, Herzschwäche, Glaukome und viele andere durch die Zucht verbreitete Erbkrankheiten kann man nicht so leicht sehen. Hier im Blog habe ich vielfach berichtet und werde auch weiter berichten - müssen.

Dienstag, 2. August 2011

Qualzucht in Weiß

Ein Gastbeitrag von langjährigen Freunden der Deutschen Dogge, dem Betreiber des Blogs namentlich bekannt:

Lilly und Ghost sind taub, Bootsmann hat eine Seh- und Hörschwäche (siehe 3 Screenshots weiter unten). Weil die Besitzer mit den Behinderungen ihrer Hunde überfordert waren, befinden sich alle 3 nun im Doggenschutz, ein Schicksal, das viele weiße Doggen weltweit teilen. Die Züchter (sogenannte Schwarzzüchter) hätten das ahnen können: Solche Behinderungen treten nach der Kreuzung von Doggen, die beide das Merle-Gen regelmäßig auf. Die Eltern der Geschwister (Grautiger x Gefleckt) hätten nicht verpaart werden sollen…und nicht verpaart werden dürfen.

Und doch wollte der Deutsche Doggen Club 1888 e.V. (DDC) gerade solche Verpaarungen unter dem Deckmantel eines "Forschungs- projekts" nach jahrelangem Verbot wieder vornehmen. Am 14.05.2011 fand nach 15 Jahren die erste gefleckt x gefleckt Verpaarung im DDC statt. Doch dank der Einsicht des Wissenschaftlichen Beirats des VDH wurde die sogenannte "Grautigerstudie" noch vor der Geburt der Welpen wieder eingestellt.

Kreuzung zweier Merle-Hunde ist Qualzucht

Schon 1925 (WRIEDT, C. :Letale Faktoren, Z. Tierz. Züchtungsbiol. 3, 223-230) wurde ein Phänomen beschrieben, das nach der Kreuzung zweier Merle-Hunde regelmäßig auftritt: Neben Merle-farbigen und einfarbigen Hunden treten auch überwiegend weiße Nachkommen auf, die sehr häufig taub sind und unter weiteren Behinderungen (Augenanomalien bis zur völligen Blindheit, Fruchtbarkeitsstörungen usw.) leiden können. Schon damals wurde für solche Hunde das Wort "Weißtiger" geprägt.

Clarence C. Little hat in seiner wegweisenden Arbeit zur Genetik der Fellfarben beim Hund den Grund für das Auftreten der Weißtiger aufgedeckt, indem er die Existenz des Merle-Gens postulierte: Besitzt ein Hund ein solches Gen, ist er ein typischer Merle, besitzt er dagegen zwei Merle-Gene, wird er ein Weißtiger: Überwiegend weiß und mit hohem Risiko von Taubheit und anderen Behinderungen. Dieses Risiko ist zwangsläufig immer dann gegeben, wenn zwei Merle-Hunde untereinander gekreuzt werden, und ist dagegen Null (*siehe Anmerkung CJ unten), wenn ein Merle-Hund mit einem nicht Merle-farbigen Hund angepaart wird. Die Forschung zum Merle-Gen hat in den letzten Jahren immense Fortschritte gemacht und inzwischen ist nicht nur Littles Postulat eindeutig bewiesen, sondern das Merle-Gen bis in die molekulargenetische Ebene hinein untersucht und definiert.

Taubheit des Doppelmerles

Die Taubheit bei Doppelmerles wurde von George M. Strain und von Sheila Schmutz ausführlicher untersucht: Es konnte nicht nur das hohe Risiko dieser Hunde für Taubheit statistisch eindeutig nachgewiesen werden, sondern es kristallisierte sich auch ein additives Risiko beim zusätzlichen Vorhandensein anderer Gene, die für eine Weißfärbung des Felles verantwortlich sind, wie das Piebald-Gen (beispielsweise beim Dogo Argentino oder beim Weissen Bullterrier, zwei ebenfalls mit Taubheit belasteten Rassen), das Mantel-Gen und bei Doggen auch das Harlekin-Gen (siehe unten): Je mehr solcher Gene mit "Weißmachereffekt" für das Fell  zusammentreffen, desto höher ist das Risiko für den Hund, taub zu sein. Dies erklärt die extrem hohe Wahrscheinlichkeit von Taubheit für eine Doppelmerle-Dogge: Bei den Doggen kommen zusätzlich zu dem Merle-Gen auch alle anderen erwähnten Gene vor, die zur Weißfärbung des Felles führen und damit das Taubheitsrisiko erhöhen.

Nach dem Erkennen dieser Zusammenhänge war es nur logisch, dass die mit der Hundezucht befassten Organe die entsprechenden Konsequenzen zogen: Die FCI empfiehlt seit den 90er Jahren die Kreuzung zweier Merle-Hunde zu unterlassen, und viele Rassehundevereine, bei denen mit diesem Farbschlag gezüchtet wird, waren ihr da schon zuvorgekommen und untersagen ihren Mitgliedern diese risikoreiche Verpaarung. In Deutschland fällt eine solche Kreuzung unter den Qualzuchtparagraphen des Tierschutzgesetzes.

Bei der Deutschen Dogge betraf dieses Verbot den gefleckten Farbschlag, in dem seit 1997 nur noch gefleckt mit schwarz verpaart werden darf, da es sich bei Gefleckten wie erwähnt um modifizierte Merle-Hunde handelt: 1985 wurde die Existenz eines für diese Modifikation verantwortlichen und nur bei der Deutschen Dogge vorkommenden Genes postuliert, das Merle-Hunde zu Gefleckten macht, bei Hunden ohne Merle-Gen jedoch unsichtbar bleibt. Kurze Zeit nach dem Merle-Gen ist auch dieses H(Harlekin)-Gen inzwischen molekulargenetisch nachgewiesen worden und wie auch das Merle-Gen trägt ein Gefleckter nur ein Exemplar dieses Gens. Im Gegensatz zu den Doppelmerles, die zwar sehr oft behindert, aber meist lebensfähig sind, sterben Welpen mit zwei H-Genen im Embryonalstadium ab und werden resorbiert:

Es gibt keine lebenden "Doppel-Harlekine".

Genetisch gesehen wäre aus tierschützerischen Aspekten auch die Anpaarung von Grautigern (Merle-Doggen ohne das Harlekin-Gen) mit Schwarzen ohne Risiko möglich, jedoch gelten Grautiger in der Doggenzucht als Fehlfarbe und können nicht zur Zucht zugelassen werden. Dies ist ein Relikt aus einer Zeit, in der die genetischen Zusammenhänge der Geflecktzucht noch nicht verstanden waren und man wohl hoffte, die Grautiger zugunsten der Gefleckten "ausrotten" zu können. In Anbetracht der Mendelschen Aufspaltung, die der Geflecktzucht zugrunde liegt, ist das verständlicherweise nicht möglich.

Nun könnte man vermuten, die Geschichte ende hier: Züchten mit Merle-Trägern birgt das Risiko der Geburt von weißen zumeist tauben Doppelmerles, doch kann dies zuverlässig verhindert werden, indem man stets nur Merle-Hunde mit Nicht-Merle-Hunden verpaart. Ende gut, alles gut.*

Doch der DDC folgt einer anderen Logik: Seit jeher haben die Züchter dieser Rasse große Schwierigkeiten, das Verbot der Kreuzung zweier Gefleckter zu akzeptieren. Denn das große Ziel der Zucht im Farbschlag Schwarz-Gefleckt sind gefleckte Welpen, die sich ganz nebenbei auch deutlich teurer verkaufen lassen als alle anderen Farben. Die bei der Gefleckt-Zucht zwangsläufig auftretenden schwarzen Doggen sind in Maßen akzeptabel, Grautiger dagegen Ausschuss.

Nicht wenige Züchter sind von daher nicht zimperlich mit einer archaischen Form der Zuchtselektion, zumal Doggen als Riesenrasse in der Regel sehr große Würfe haben: Grautiger werden da ohne Ausnahme direkt nach der Geburt getötet, ebenso wie "überzählige" Schwarze. In manchen Ländern wie Frankreich wird dies zumindest in Züchterkreisen offen als Selektionsmethode propagiert und zum Teil auch so veröffentlicht: 15 Welpen geboren, 8 "unter der Mutter belassen" ist da nicht selten zu lesen.

In Deutschland, wo der Tierschutzgedanke allgegenwärtiger ist, als es manchem Züchter lieb ist, bevorzugt man die Diskretion, bei dem die Grautiger unbemerkt verschwinden:

So entstand wohl auch das Ammenmärchen der Grautigerfreien Linien, das von Personen wie Heiko Wagner, Tierarzt und Präsident der KyDD, dem zweiten Doggen-Verein in Deutschland, mit erschreckendem Ernst zum Besten gegeben wird. Manche Zwinger kommen so auf fast 100 Gefleckt-Schwarz Anpaarungen ohne einen einzigen Grautiger. Der Erbgang sagt auf 100 geborene Welpen zwischen 16 und 25 Grautiger voraus.

Aus dieser ethisch fragwürdigen Grundeinstellung zur Zuchtwahl per Euthanasie erklärt sich natürlich eine gewisse Gleichgültigkeit der Züchter gegenüber dem Risiko, behinderte Doppelmerles zu züchten: Welpen, die aufgrund ihrer überwiegend weißen Farbe als potentiell taub vermutet werden, wurden (und werden außerhalb Deutschlands immer noch) ebenso wie unerwünschte Grautiger einfach nicht aufgezogen, sprich nach der Geburt getötet. Doggenwelpen schweben bereits in Lebensgefahr, wenn sie mit der falschen Farbe auf die Welt kommen… es wäre wohl naiv, sich über die Überlebenschancen von potentiell behinderten Welpen Illusionen zu machen.

Es stellt sich zwangsläufig die Frage:

Warum das Risiko der Geburt von Doppelmerles eingehen, wenn man Gefleckte auch ohne Risiko züchten kann, indem man mit Schwarz kreuzt ? 

Die Zahl an Grautigern im Wurf nach der Anpaarung zweier Gefleckter ist quasi identisch mit derjenigen nach der erlaubten Kreuzung Gefleckt x Schwarz; an der Farbverteilung kann es also nicht liegen. Die Gründe für die Besessenheit des DDC, die Gefleckt-Kreuzung zurückzuerobern, sind woanders zu suchen:
Zum einen hält sich hartnäckig das Gerücht, dass nur die Anpaarung von Gefleckten untereinander auf Dauer "schöne Gefleckte" (d.h. reinweiße Grundfarbe, tiefschwarze, gleichmäßige Flecken) ergibt, was bei einem Mendelschen Erbgang natürlich eine absurde Annahme ist, doch nichtsdestotrotz mit großer Regelmäßigkeit gerade von alteingesessenen Züchtern immer wieder zum besten gegeben wird.

Bedeutsamer, aber nur ungern offen ausgesprochen, ist wohl der zweite Grund: Aus der Sicht des Züchters ist ein Doppelmerle ein ideales Zuchttier zur Geflecktzucht, denn die Nachzucht  eines Doppelmerles mit einem Schwarzen besteht zu 100% aus Merle-Hunden. Wieviele davon die erwünschten Gefleckten sind, hängt von der Zahl der zusätzlich beteiligten H-Gene ab: Ist der Doppel-Merle oder der Schwarze ein H-Träger, sind die Hälfte der Nachkommen Gefleckte, tragen sie es gar beide, ergibt dies eine Chance auf 66% Gefleckten in der Nachkommenschaft… das ist das Doppelte von dem was ohne Doppelmerle in der Elternschaft erreichbar ist.

Nur zu gerne greifen deutsche Züchter deshalb bereits auf solche Doppelmerle-Zuchthunde aus dem Ausland zurück... stehen sie doch zur Verfügung in Ländern, in denen Gefleckte miteinander gekreuzt werden. Offiziell sind solche zur Zucht zugelassenen Hunde selbstverständlich nicht taub… einen Hörtest müssen sie jedoch nicht ablegen.

Auch dürfen deutsche gefleckte Rüden im Ausland ungestraft gefleckte Hündinnen decken, das Ergebnis einer solchen Verpaarung kann man hier bewundern (2 schwarze, 3 gefleckte und 3 weiße Welpen, von denen laut Aussage der Züchter 2 taub sind).

Doch all das reicht dem DDC nicht aus. Man möchte - genauso wie die sonst so vehement verteufelten "Schwarzzüchter" - auch in Deutschland wieder gefleckte Doggen im VDH verpaaren. Deshalb beauftragte im Jahre 2008 Horst Fischbach, Zuchtleiter des DDC, Frau Dr. Ina Pfeiffer, Privatdozentin an der Universität Kassel, mit einer Studie zur Geflecktzucht, der sogenannten

"Grautigerstudie". 

Das Ziel dieser Studie wäre "die Gewinnung und Verwertung forschungsrelevanter Daten zur Fellfarben-Vererbung Grautiger bei der Deutschen Dogge."

Dreh- und Angelpunkt dieser Studie sollte eine Reihe von Test-Verpaarungen sein. Hier lässt der DDC schon recht ungehemmt seine wahren Beweggründe durchschimmern… denn unter diesen Test-Verpaarungen sind zwei reine Gefleckt-Kreuzungen (Gefleckt x Gefleckt, schön gefleckt x gefleckt mit Grauanteil), jedoch nur eine Kreuzung mit Grautiger-Beteiligung vorgesehen (schön gefleckt x Grautiger), wohingegen Grautiger x Schwarz, die einzige tierschutzrechtlich unbedenkliche Variante ohne Doppelmerle-Risiko, erst gar nicht vorgesehen ist: Eine allemal erstaunliche Versuchsanordung für eine angebliche Grautigerstudie, die das Verhalten des Grautigers in der Zucht erforschen soll.

Es wurde ja bereits erwähnt, dass Merle- und Geflecktvererbung zu den wohl besterforschten Erbgängen unter den Fellfarben zählen, die bis in die Details über die verantwortlichen Mutationen bekannt sind, dank der Arbeiten der Forschungsgruppe um Leigh Ann Clark.
Weshalb bedarf es dann einer neuen Studie, in der auf längst nicht mehr zeitgemäße Kreuzungsversuche zurück gegriffen wird? Möchte man es vielleicht dem französischem Doggenclub nachtun, der seit dem Jahre 2000 unter dem Deckmantel einer "Gefleckt-Studie" ungehemmt Merle-Verpaarungen durchführt, bisher ohne Ergebnis, geschweige denn eine Methode? Oder geht es darum, herauszufinden, wieviel Prozent der weißen Doppelmerle-Doggen tatsächlich behindert sind? Wieviel Prozent müssen es denn sein, damit auch der Doggenzüchter die Verpaarung von Gefleckten als unethisch empfindet? 5,10 oder 50 Prozent?

Liest man sich die Äußerungen von Dr. Pfeiffer in der Clubzeitschrift des DDC durch, dann kommen einem gewisse Zweifel.

So bezeichnet Pfeiffer die bei den risikoreichen Kreuzungen entstehenden Doppelmerle als Gefleckte, und nicht als Weißtiger: Auf diese Weise lässt sie sich gar dazu hinreißen, die Anpaarung eines Gefleckten Hundes mit einem Doppelmerle als "viel versprechend" anzuprangern. Hier sind statistisch die Hälfte der geborenen Welpen stark taubheitsgefährdete Doppelmerle, doch lässt Dr.Pfeiffer diese offenbar verschwinden, indem sie diese den Gefleckten zurechnet.

Eine weitere Absurdität, und gleichzeitig Dreh- und Angelpunkt der Analyse der Kreuzungen, ist die immer wiederkehrende Warnung vor dem Zusammentreffen zweier H-Gene. Pfeiffer behauptet hier, solche "Doppel-Harlekine" seien entweder "nicht lebensfähig oder werden geboren und treten als annähernd fast schneeweiße Doggen auf." In der Realität sind die betroffenen Embryos wie bereits erwähnt nie lebensfähig und werden stets schon im Mutterleib resorbiert: Es gibt also keine lebenden "Doppel-Harlekine", sondern lediglich etwas kleinere Würfe durch die resorbierten Embryos mit zwei H-Genen… und doch zieht sich die Warnung vor der Entstehung von "Doppel-Harlekinen" wie ein roter Faden durch ihre Kreuzungsanalyse, während das Gesundheitsrisiko der Doppelmerles völlig ignoriert wird. In Anbetracht der Tatsache, dass das Zusammentreffen zweier H-Gene also lediglich die Wurfgröße verringert, wohingegen zwei M-Gene das Risiko der lebensfähigen, aber behinderten Doppelmerles mit sich bringen, bleibt bloß die Frage, ob hier von der wahren Problematik abgelenkt werden soll oder aber die Thematik nicht verstanden wurde.

Auch in einem im Juli diesen Jahres in der Clubzeitschrift veröffentlichen Artikel von Dr. Pfeiffer rangiert die Kreuzung zweier Träger des H-Gens in der Risikobewertung der Anpaarungen noch vor derjenigen von zwei Merle-Hunden: Eine solche Verpaarung ist laut ihrer Meinung "abzulehnen", während die Verpaarung zweier Merle-Träger nunmehr von ihr als "kritisch" bewertet wird. Bemerkenswert am neuen Artikel Pfeiffers: So pocht sie auf die Notwendigkeit, Gefleckte auf ihren Genstatus zu untersuchen, da es sich auch um "verdeckte Grautiger" handeln könnte, also Hunde, die wie Gefleckte aussehen, aber keine H-Gen tragen. Clark et al. haben allerdings über 100 gefleckte Doggen auf das H-Gen getestet und es bei allen gefunden… im Rahmen einer Arbeit, die Frau Pfeiffer selbst zitiert. Der "verdeckte Grautiger" scheint daher ebenso ins Reich der Phantasie zu gehören wie die "schneeweißen Doggen" mit zwei H-Genen.

VDH stellt Grautigerstudie in Frage



Anfang dieses Jahres hat der VDH nach eingehender Sichtung des aktuellen Forschungsstandes zur Merle- und Geflecktvererbung den Sinn eines Kreuzungsexperiment mit dem erheblichen Risiko der Geburt behinderter Welpen völlig zu Recht in Frage gestellt. Noch vor einer definitiven Aussage des VDH stellte der DDC dann (überhastet?) die Welt vor vollendete Tatsachen: Die erste Geflecktkreuzung im Rahmen des Experimentes wurde im Zwinger "vom Goldbergsee" zwischen Addison vom Altmühltal   &  Dustin vom Albtrauf durchgeführt. Der Wissenschaftliche Beirat des VDH hat prompt reagiert und noch vor der Geburt der Welpen die Genehmigung des Kreuzungsexperimentes widerrufen.

Am 14.07.2011 sind nun die Welpen aus der ersten und letzten Gefleckt-Kreuzung im DDC seit 15 Jahre geboren. 8 von den 9 geborenen Welpen wurden als "Gefleckt" deklariert, bei dem einen oder anderen wäre die Kontrolle des Merle-Gens wohl angebracht, um den Genstatus des Doppelmerle zu bestätigen oder auszuschliessen. Bezeichnend ist, dass ausgerechnet der fast komplett weiße Rüde "Face" als erstes verkauft wurde, erhofft man sich einen "für die Zucht so wertvollen" Doppelmerle zu erwerben? Der Rüde "Freddy" dagegen sieht sehr nach einem Grautiger mit Doppelmerle aus (d.h. Genstatus MMhh), die ebenfalls oft von Taubheit betroffen sind. 2 weitere Welpen wurden - laut Aussage des Züchters - tot geboren, so dass hier eine Überprüfung bedauerlicherweise nicht möglich sein wird. Grundsätzlich ist jedoch anzumerken, dass ein einzelner Wurf die statistischen Wahrscheinlichkeiten bei der Farbverteilung nur sehr andeutungsweise widerspiegelt: 1 Wurf ähnelt noch einem Lottospiel, 10 Würfe dagegen werden schon sehr nahe bei der nach Mendel zu erwartenden Verteilung liegen.

Nun darf man gespannt sein, ob die Welpen audiometrisch auf Hör- und Sehvermögen getestet werden.

Auch wenn das Endergebnis - der sofortige Stopp der Gefleckt-Kreuzungen - erfreulich ist, bleibt doch ein empfindlich bitterer Nachgeschmack:
  • Wie ist es um die Ethik eines Rassehundevereins bestellt, der keine Mühen scheut, um unter dem Deckmantel von Pseudoforschungsvorhaben eine Verpaarungsvariante zurückzuerobern, die seit 15 Jahren aus Tierschutzgründen verboten ist, weil sie das hohe Risiko birgt, behinderte Welpen hervorzubringen?
  • Wie ist es möglich, dass man eine Hunderasse vor ihrem eigenen Verein und ihren Züchtern in Schutz nehmen muss, damit diese ihr kein Leid zufügen?

* * *


aus der Stellungnahme von Bernhard Meyer, Hauptgeschäftsführer des VDH:

"Seit Bekanntwerden der Entscheidung, den Zuchtversuch im DDC nicht fortzusetzen, wird in diversen Foren und an anderen Stellen der Vorgang in einer Weise diskutiert, die fragwürdig erscheint. 

Falschdarstellungen und Unterstellungen den VDH und Vorstand des DDC betreffend vermitteln den Eindruck, dass es nicht um die Sache und den Austausch unterschiedlicher Denkrichtungen geht, sondern um eine Instrumentalisierung. Insofern möchte ich Sie ausdrücklich ermutigen, dieses Antwortschreiben gleichermaßen publik zu machen. 

Der DDC hat völlig im Einklang mit den VDH-Regelwerken und den Grundsätzen des VDH alles richtig gehandhabt, die erforderliche VDH-Genehmigung unter Beteiligung des Wissenschaftlichen Beirates eingeholt und eine genehmigte Versuchsverpaarung durchgeführt. 

Der VDH hat weder seine erteilte Genehmigung widerrufen noch in irgendeiner Weise das Vorgehen des DDC kritisiert. Es wurde lediglich entschieden, dass der Zuchtversuch nach Vorlage neuer Erkenntnisse nicht fortzusetzen ist. Die entsprechende Beschlussempfehlung des Wissenschaftlichen Beirates des VDH basiert im übrigen nicht auf aktuellen Diskussionen, sondern auf der Auswertung wissenschaftlicher Studien und Forschungsberichte. Die Versuchszüchtungen sind nicht fortzusetzen, weil gewissermaßen unnötig, da keine neuen Erkenntnisse im gewünschten Maße zu erwarten sind."

Anmerkung Christoph Jung zu Merle:

Zunächst begrüße ich, dass die hier angesprochenen Machenschaften zu Lasten der Hunde aufgedeckt und bekämpft werden. Die so über jeden Zweifel erhabene Einschätzung von Merle-Carriern kann ich aber nicht teilen. Erst 2009 wurde eine Untersuchung des Department of Comparative Biomedical Sciences der School of Veterinary Medicine, Baton Rouge, USA veröffentlicht, die zu der Feststellung kommt, dass auch bei Trägern nur eines Merle-Gens 2,7 einseitig bzw. 0,9% beidseitig von Taubheit betroffen sind. Nach Verpaarungen Merle-Hund mit Merle-Hunden (Merle MM) sind sogar 10% einseitig und 15% beidseitig taub (auf diese Risiken wird hier ja sehr eindringlich hingewiesen). Hunde ohne Merle-Gendefekt haben demgegenüber einen Taubheitsanteil unterhalb messbarer Größenordnungen im Rahmen einer Studie. Die Untersuchung von Strain belegt sowohl den Zusammenhang zwischen Merle und Taubheit als auch, dass Merle in jeder Ausprägung, also nicht nur bei Verpaarung zweier Merle-Träger, zu Taubheit führen kann.

Darüber hinaus schränkt jede Zucht mit Merle die Möglichkeiten signifikant ein, innerhalb einer Rasse-Population, Partner nach Kriterien der individuellen wie auch der Gesundheit der Population zu kombinieren.
 
Petwatch Blog